Die heurigen Proteste gegen den von der FPÖ organisierten „Akademikerball“ (vormals WKR-Ball) der rechtsextremen Burschenschaften waren ein starkes Zeichen der antifaschistischen Bewegung. Eine Bilanz der Funke-Redaktion.

Die Proteste sind eindeutig als Erfolg zu werten. Allein die Zahl der Ballgäste spricht Bände. 2011 waren es noch 3000, 2012: 1500 und heuer wagten es nur noch 800 in die Hofburg. Viele wollen es sich offensichtlich nicht mehr antun, im Taxi blockiert zu werden und dann vielleicht mit Stöckelschuhen unter Polizeischutz an wütenden DemonstrantInnen vorbei durch die Innenstadt zu latschen. Die öffentlichen Angriffe der FPÖ gegen die Einsatzleitung der Polizei und den Verfassungsschutz sind wohl der beste Beweis, dass die Proteste Wirkung zeigten.

Mehr als 3000 AntifaschistInnen beteiligten sich heuer an den verschiedenen Protesten gegen den Burschenschafterball, der wieder in der Hofburg stattfand. Zwar waren damit insgesamt weniger Menschen auf den Gegenveranstaltungen, was v.a. damit zu erklären ist, dass die Stimmung im Vorfeld weniger polarisiert war als letztes Jahr, wo der WKR-Ball am internationalen Holocaustgedenktag stattfand. Trotzdem gelang es bereits im Vorfeld in der Öffentlichkeit klar aufzuzeigen, dass der „Akademikerball“ nichts andere als die Fortsetzung des WKR-Balls darstellt und somit in der Hofburg nichts verloren hat.

Auffällig war, dass das Bündnis „Offensive gegen rechts“, das die erfolgreichen Protestformen des Vorjahres (Demonstration mit anschließenden Sitzblockaden) auch heuer fortführte, und somit das klarste Konzept vertrat, wie denn der Burschiball zu verhindern wäre, die meisten Menschen mobilisierte. Auf der Demonstration dieses Bündnisses, das aus großen Teilen der radikalen Linken sowie Teilen der Sozialistischen Jugend, VSStÖ, aks und Gewerkschaftsjugend besteht, waren mehr DemonstrantInnen als letztes Jahr. Eine Blockadestrategie war schon im Vorfeld ausführlich geplant worden, ein realer Erfolg im Kampf gegen die ewiggestrigen Burschenschafter war hier am greifbarsten. Auf der „No WKR“-Demo, zu der hauptsächlich aus dem autonomen Spektrum aufgerufen wurde, war die Zahl der TeilnehmerInnen ungefähr stabil. Und auf der „Jetzt Zeichen setzen“-Kundgebung am Heldenplatz, die letztes Jahr noch tausende Menschen angezogen hatte, waren dieses Mal nur wenige Hundert anwesend. Initiatoren waren neben der Verbandsführung der SJ auch zivilgesellschaftliche Gruppen und sozialdemokratische Vorfeldorganisationen. Bezeichnend für den Charakter dieses zivilgesellschaftlichen Protests war, dass die SPÖ diesen offiziell unterstützte und gleichzeitig die SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße durch Absperrungen und ein Polizeiaufgebot vor DemonstrantInnen „sichern“ ließ. Es hat sich erwiesen, dass die Führung der SJÖ auf das völlig falsche Pferd gesetzt hat indem sie es abgelehnt hat, eine tragende Rolle im „Offensive gegen rechts“-Bündnis zu spielen. Umso erfreulicher ist, dass viele GenossInnen der SJ mit den Füßen abgestimmt haben und sich an den Blockadeaktionen beteiligten.

Blockaden und Polizeigewalt

Die Demonstration und die folgenden Blockadeaktionen selbst waren größtenteils von sehr großer Entschlossenheit gekennzeichnet. Bis spät in die Nacht zogen DemonstrantInnen auf der Suche nach Blockademöglichkeiten durch die ganze Innenstadt, in Einzelfällen wurden sogar Polizeiketten durchbrochen und die Polizei zurückgedrängt, Plätze trotz Androhung von Strafen und Repressalien durch die Polizei nicht geräumt, Taxis, die Ballgäste beförderten blockiert und Burschis und ihre Begleiterinnen nachhaltig eingeschüchtert.

In vielen Situationen erwies sich die Polizei, die 1000 (!) Beamte im Einsatz hatte, als sichtlich überfordert. In den Medien wird on einem „ruhigen“ und „gut geplanten“ Einsatz geschrieben. Die Wirklichkeit sah anders aus. Von Schlägen mit Schildern, Schlagstockattacken, Tritten, Fausthieben, brutalen Verhaftungen bis hin zu Ordnungsstrafen zeugte der Polizeieinsatz vor allem von Plan- und Hilflosigkeit, die nicht selten mit Gewalt überdeckt wurde. In der Schottengasse wurde ein Demonstrant nach der friedlichen Blockade eines Taxis bewusstlos geprügelt. In der Wipplingerstraße wurden zwei abseits einer Sitzblockade Stehende nach einem Witz darüber, dass die Taxler sich aufgrund des laufenden Taxometers über die Blockade ja freuen könnten, von mehreren WEGA-Polizisten brutal angehalten. Vor einem Restaurant, in dem mehrere FPÖ-Granden (unter anderem Martin Graf) zu Abend aßen, wurden DemonstrantInnen von der Polizei eingekesselt. Zwei unbeteiligte junge Mädchen wollten den Kessel verlassen, wurden aber von den WEGA-Einsatzkräften derb gegen ein wartendes Taxi geschleudert.

Einige wenige gewöhnliche PolizistInnen zeigten sich selbst von dem Einsatz genervt und sprachen sich gegenüber DemonstrantInnen gegen den Ball aus. Doch auch wenn einzelne ihren Unmut zeigten: Die Aufrechterhaltung der Disziplin innerhalb der Polizei sorgt dafür, dass diese ihre Funktion in diesem System zur Aufrechterhaltung der „Ruhe und Ordnung“ erfüllte und im konkreten Fall die reaktionärste Schicht des österreichischen Bürgertums gegen den antifaschistischen Protest beschützte. Der Demospruch „Wiener Polizisten schützen die Faschisten“ war Realität. Umso befremdlicher ist es, wenn die FSG stolz darauf ist, die „Kollegen bei diesem schweren Einsatz mit Essen und Trinken versorgt“ zu haben. Wenn Polizisten wirklich ernsthafte Opposition gegen solche Einsätze zeigen wollen, müssen sie sich (etwa nach dem Vorbild ihrer portugiesischen KollegInnen) organisieren und Einsätze gegen die ArbeiterInnenbewegung kollektiv ablehnen. Wenn aber die Disziplin in den Reihen der aufrecht erhalten bleibt und die Staatsgewalt offen gegen unseren legitimen Protest eingesetzt wird, dürfen wir auch nicht vor Mitteln wie einem Durchdrücken von Polizeiketten zurückschrecken.

Antifaschistischer Erfolg

Zur Organisation der Demonstration und der Blockaden bleibt festzuhalten: Trotz aller Unkenrufe im Vorfeld ist das Konzept der geplanten Blockaden insgesamt aufgegangen. Große Teile der Linken haben in einer konkreten antifaschistischen Einheitsfront gut zusammengearbeitet. Doch für die Zukunft müssen wichtige Lehren gezogen werden, wenn dieser Erfolg wiederholt oder verbessert werden soll. Erstens: Die Mobilisierung muss eindeutig verbreitert werden, um den Burschiball (wie auch immer er nächstes Jahr dann heißen wird) tatsächlich mit Blockaden verhindern zu können. An einigen Blockadepunkten waren schlicht und ergreifend zu wenige AktivistInnen, um die Blockade lückenlos durchzusetzen.

Ein wichtiger Schritt dazu wäre, dass in Organisationen wie der SJ oder den Gewerkschaften (von denen einige sogar offiziell zur Demo aufgerufen haben) das Verständnis geschaffen wird, dass man in Form einer systematischen Kampagne für diesen wichtigen antifaschistischen Protest mobilisiert. Das Konzept des „Jetzt Zeichen setzen“-Bündnisses, mit Medienaktionen die Betreibergesellschaft der Hofburg zum Umdenken zu bringen und Mahnwachen abzuhalten, muss jetzt kritisch hinterfragt werden. Nur die eigene Aktivität der antifaschistischen Kräfte kann zum Ziel führen und die Faschisten und ihre Zuträger im Parlament stoppen.

Zweitens: Die Blockaden wurden von AktivistInnen aus den verschiedensten linken Zusammenhängen und auch von vielen unorganisierten AntifaschistInnen getragen. Die Einheit in der Aktion ist angesichts der sonstigen Zersplittertheit der Linken ein positiver Fortschritt. Die Organisierung in Bezugsgruppen, die dezentrale Entscheidungsstrukturen an den einzelnen Blockadepunkten ermöglicht zwar eine gewisse Flexibilität im Handeln, trotzdem wurden an diesem Abend die Schwächen der Linken auch offensichtlich. Mangels einer gewählten zentralen Demoleitung, die einen Überblick über die Kräfte auf den Straßen hat, zogen Gruppen von DemonstrantInnen oft planlos oder Gerüchten folgend durch die Innenstadt, während an anderen Schlüsselpunkten nur wenige ausharrten und die Polizei so relativ einfach verschiedene Blockaden auflösen konnte. Das Fehlen starker linker Massenorganisationen ist in solchen Situationen schmerzhaft spürbar. Umso verheerender ist es, wenn Organisationen wie die SJ oder die Gewerkschaften, die ansatzweise so eine Funktion übernehmen könnten, ihrer Verantwortung nicht gerecht werden und ihre AktivistInnen nicht koordiniert und organisiert an den Protesten teilnehmen.

Insgesamt gesehen, haben die Proteste gegen den FPÖ-Burschenschafterball vor allem gezeigt, wie groß das Potential des Widerstandes gegen die extreme Rechte in Österreich sein könnte. Dieses Potential gilt es im nächsten Jahr zu organisieren.


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