Die Stahlindustrie steckt in einer tiefen Krise. Mit diesem Positionspapier wollen wir einen Beitrag zur Debatte über die Perspektiven der Stahlkrise und der Klassenkämpfe in diesem Schlüsselsektor der europäischen Wirtschaft leisten.

Wolfgang Eder, CEO des im August 2005 privatisierten voestalpine Konzerns ließ aufhorchen, als er am 15. Februar vor laufender ORF-Kamera verlautbarte, dass Facharbeiterlöhne hierzulande um ein Viertel zu hoch seien. Doch dies ist nur die Spitze seiner Ideenwelt, denn „nicht nur das Sozial- das gesamte europäische Gesellschaftssystem sei zu teuer“.

Eder ist der Chef des größten österreichischen Industriekonzerns mit über 19.000 Beschäftigten (exklusive Leiharbeiter) in Österreich, und mehr als doppelt so viele in Europa. Da er auch Präsident des europäischen Stahlunternehmerverbandes (Eurofer) ist, haben seine Ideen auch eine zentrale Bedeutung für die Industriepolitik der Europäischen Union.
Eders Initiative zur Verbesserung der Produktionsbedingungen in Europa basiert auf vier zentralen Eckpunkten: Senkung der Energiekosten, Senkung der Umweltkosten (CO2-Zertikifakte), Senkung der Arbeitskosten, Zerstörung von Stahlkapazitäten in Europa.
In diesen Punkten betreibt Eurofer ein permanentes Lobbying, das für Juni 2013 in einen Aktionsplan für die Stahlindustrie der EU-Kommission münden soll. Dabei ist es Eurofer gelungen, sowohl das EU-Parlament, also auch die europäischen Gewerkschaftsspitzen (im Rahmen des Roundtable of european sectoral social cooperation, der Sozialpartnerschaft auf EU-Ebene) für zentrale Punkte seiner Strategie zu gewinnen.

Überproduktion: Resultat der Profitwirtschaft

Die Überproduktion von Waren und Dienstleistungen ist ein typisches, regelmäßig auftretendes Phänomen der kapitalistischen Produktionsweise. Der letztendliche Grund für die Überproduktion liegt darin, dass Lohnabhängige nicht den Gegenwert ihrer Produktionsleistung in Form des Lohnes ausbezahlt bekommen, daher also in ihrer Gesamtheit nie das zurückkaufen können was sie produzieren. Die Eigentümer der Produktionsanlagen lassen jedoch nur produzieren, wenn sie die Produkte mit Profit auf dem Markt unterbringen können.
Derzeit gibt es in Europa Produktionskapazitäten für 210 Mio. Tonnen Stahl pro Jahr. Diese Kapazität wurde zuletzt 2007 ausgeschöpft. Seither schwankt der europäische Stahlverbrauch zwischen 115 Mio. und 150 Mio. Tonnen im Jahr. Leerstehende Kapazitäten wirken sich verheerend auf die Profitabilität des Unernehmens/Standorts aus, und drücken die Preise der Produkte am Markt.
Die europäischen Konzerne haben daher einige gemeinsame Interessen: niedrigere Energie- und Umweltkosten, niedrigere Lohnkosten, billigeren Zugang zu Rohstoffen, Schutz des Heimmarktes und eine Exportstrategie der EU auf Drittmärkte sowie die Übernahme von sozialen Kosten bei Standortschließungen.

Profitstabilisierung durch Vernichtung

Der Wettbewerb zwischen den einzelnen Konzernen hört jedoch auch in der Krise nicht auf, und daher wollen sich unterschiedliche Anbieter im Preis unterbieten, um mittlerweile am Markt zu bleiben um kommenden Aufschwung mit zu partizipieren. Daher argumentieren bestimmte Unternehmen für eine „Marktbereinigung“, also den Abbau der leerstehenden Kapazitäten durch Standortschließungen. Dazu gehört auch voestalpine CEO Wolfgang Eder. Und er hat gute Gründe dafür:
Der voest-alpine Konzern produziert ca. 8 Mio. Tonnen Stahl, und gehört damit zu den kleineren Produzenten. Allerdings sind die voest-Produkte mehrheitlich im obersten Qualitätssegment angesiedelt und der Konzern verfolgte seit Jahren eine Strategie im sogenannten „Upstream-Segment“, also eine Wegentwicklung vom reinen Stahlkocher. Die Idee im ehemals boomenden Osteuropa zu investieren ist mehr zufällig, als durch eine bewusste Managemententscheidung vereitelt worden. Der ursprüngliche Plan ging davon aus, dass der Stahlverbrauch in Ost-, Mitteleuropa sich vervielfachen würde - da wollte Eder mit dabei sein. Im Projekt „Edelweiß“ sollte an der unteren Donau in Rumänien ein neues Stahlwerk auf die grüne Wiese gestellt worden. Das Gesamtvolumen dieses Projektes belief sich auf sieben Mrd. €. Das Grundstück wurde bereits gekauft, doch dann brach 2008 die Krise aus. Wäre der Terminplan nur einige Monate schneller umgesetzt worden, wäre die voestalpine heute in ähnlichen Problemen wie ihr deutscher Konkurrent Thyssen-Krupp, dessen Brasilien-Engagement sich in ein Milliarden-Grab verwandelte.
Doch mit Management-Glück an der Spitze und den tüchtigen Arbeitern und Angestellten an den Öfen und in den Büros im Rücken hat die voestalpine heute eine mit zwei Milliarden Euro an täglich abrufbarem Vermögen prall gefüllte Kriegskassa, und muss damit expandieren, denn Kapital, das nicht investiert ist, und damit keinen Profit erzeugt, drückt auf die Bilanz des Unternehmens, das in erster Linie den Aktionären verpflichtet ist.
Aber da Investitionen nur Sinn machen, wenn das investierte Kapital Gewinn abwirft, drängt Eder auf eine systematische Vernichtung von Stahlkapazitäten: „Hier setzt die Idee Eders für einen europäischen Strukturplan Stahl an. So etwas könne nicht über Eurofer laufen, dort dürfe nicht über Preise, Marktbereinigungen oder Fusionen gesprochen werden. Deshalb bringt Eder die EU-Kommission ins Spiel. Es gebe «vorsichtige Vorkontakte», unter Federführung der EU einen mittelfristigen Plan zur Adaptierung der Stahlkapazitäten in Europa an die Marktsituation auszuarbeiten. Man müsse dabei ganz offen kommunizieren, welche Standorte mittelfristig nicht zu halten und deshalb schrittweise, aber zügig zu schliessen wären. Die einzelnen Staaten müssten sich aus diesem Prozess weitgehend heraushalten, selbst nötige Unterstützungen im Sozialbereich (wie die Finanzierung von Arbeitsstiftungen) sollten aus Brüsseler Fördertöpfen kommen.“ (NZZ, 24.6.2012).
Im Interview mit den OÖN vom 4.4.2013 geht Eder von der Vernichtung von zehn Stahlstandorten in Europa aus.

Die Rolle der EU

Es ist offensichtlich, dass Eder einen Akteur braucht, der die Kannibalisierung der europäischen Stahlindustrie störungsfrei durchsetzen kann. Seine Vision: „Der Manager geht davon aus, dass die Produktionskapazität von Rohstahl in den 27 EU-Mitgliedstaaten bis 2030 auf rund 50 Mio Tonnen jährlich fallen wird. Derzeit sind es etwa 210 bis 215 Mio Tonnen. Als Gründe nannte er Wettbewerbsnachteile und verwies auf das zunehmend unflexible Arbeitsrecht in der EU, gepaart mit strikteren Umweltschutzvorschriften und höheren Steuern.“ (Produktion, 18.6. 2012)
Diese Vision ist ein Horrorszenario für ganze Regionen und den Lebensstandard der Arbeiterklasse in Europa an sich. Da muss man nicht spekulieren, sondern es reicht die Resultate des wirtschaftlichen Strukturwandels der 1980iger Jahre zu sehen: der Rohrpott, das belgische Wallonien, die entindustrialisierten britischen Städte und Dörfer. Kulturhauptstädte und Museen moderner Kunst können die Lücken die die Industrie hinterlässt nicht füllen. Eder ist dies bewusst: „Dort sieht man, was passiert, wenn die Industrie zurückgedrängt wird. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die sozialen Unruhen steigen, es entwickeln sich politische Extrempositionen.“ (Die Presse, 19.1.2013)

Und Eder weiß, dass er mit dem heftigsten Widerstand der Arbeiterklasse zu rechnen hat. „Stahlwerke sterben drei mal, bis sie wirklich tot sind“, so Eder der gewerkschaftliche und politische Einmischung scharf ablehnt. Daher plant er, dass die seiner Meinung nach unumgänglichen Werkschließungen durch die EU geplant und durchgesetzt werden müssen. Nur die EU-Kommission kann weitgehend frei vom sozialen Druck die Stabilisierung der Profitmargen für die Stahlaktionäre durchsetzen. Es ist klar, dass Eder hier die finanzpolitischen Strukturanpassungen in Südeuropa und Irland im Auge hat. Keine Regierung schafft es ohne die permanente Erpressung der Troika das eigene Volk auf griechisches Hungerniveau herunterzufahren. Die Brüssler Stahltroika, der Supra-Staat, soll es machen.

Dazu eine kurze Nebenbemerkung: Die sogenannten „higl level“-Sozialpartner (die Information wer das ist, bleibt dem interessierten Publikum leider versagt, auch eine Nachfrage beim ÖGB ergab keine Resultate; statutarisch ist jedoch festgelegt, dass die Hälfte davon Gewerkschafter sind, die im „Geiste der Kooperation und des Konsenses“ agieren müssen) haben sich Eders Multi-Abbauplänen am 12. Feber 2013 inhaltlich zugestimmt. Und um korrekt zu sein, der EU-Kommission zwei weitere Ideen nahe gebracht: einerseits dass „nachfrageorientierte Elemente gesetzt werden“, und weiters dass die Kommission in ihrer Mission Kahlschlag „eine vorausblickende Herangehensweise und einen sozial verantwortlichen Restrukturierung, insbesondere durch Heranziehung der Sozialpartner“ an den Tag lege.

In Europas Werken brennen nicht nur die Hochöfen

Die Beispiele der jüngsten Wochen zeigen jedoch dass Stahlarbeiter und ihre regionalen Gewerkschaften in den Stahlstädten ganz andere Ideen als die anonymen Brüsseler Chefs-Versteher. Eine Welle von harten Arbeitskämpfen erschütterte in den letzten Monaten die Stahlstädte.
Im belgischen Lüttich ist ein monatelanger harter Konflikt um die teilweise Werkschließung des lokalen Arcelor-Mittal Stahlwerks entbrannt, ArbeiterInnen, Polizei und Unternehmen schenken sich hier nichts. In der süd-italienischen Hafenstadt Taranto ist die Nachricht von der Schließung des größten europäischen Stahlwerkes durch einen sofortigen Besetzungsstreik verhindert worden, auch die Kollegen des genuesischen ILVA-Schwesterwerks traten in den sofortigen Solistreik - mit dem Bulldozer vor dem Rathaustor wurde signalisiert, dass sie nicht mit sich spaßen lassen. Unter diesem Druck lenkte die Regierung sofort ein. An den Standorten spanischen Arcelor-Werken finden permanente Streiks und Blockaden gegen drohende Lohnkürzungen um ein Viertel statt.
In der Stahlverarbeitung ist der seit 16. Jänner anhaltende Besetzungsstreik der PSA-ArbeiterInnen im Pariser Werk Aulnay (Peugeot) zum Focuspunkt einer Welle von harten Arbeitskämpfen zum Erhalt von Arbeitsplätzen und Löhnen geworden. Gemeinsame Aktionstage aller kämpfenden Betriebe werden koordiniert. Die französische bürgerliche Presse schäumt über „wildgewordene Gewerkschafter“. Diese Liste an Kämpfen ließe sich beliebig weiterführen.

Für die Verstaatlichung!

Das Erstaunliche ist nicht die Härte der Auseinandersetzungen – nur die dümmsten Ideologen des herrschenden Systems konnten glauben, dass Arbeiter sich ihre Lebensgrundlage kampflos zerstören lassen würden. Bemerkenswert ist wie unter den Hammerschlägen des Realkapitalismus die Forderung nach der Verstaatlichung wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird. Dies ist erstaunlich, weil wir zwei Jahrzehnte lang von der neoliberalen Propaganda der Unmöglichkeit staatlichen Eigentums vollgedröhnt wurden – nicht zuletzt von den Führungen der Arbeiterparteien.
Die französische politische Diskussion konzentriert sich heute um dieses Thema, seit die Belegschaftsvertretung aller Fraktionen von Arcelor in Florange die Forderung nach der Verstaatlichung des vor der Schließung bedrohten Stahl-Standortes erhob. Ende November 2012 platze dem sozialistische Wirtschaftsminister Montebourg angesichts der provokativen Haltung von Mittal dem Eigentümer von Arcelor-Mittal der Kragen, und teilte ihm mit „dass er in Frankreich nicht mehr willkommen sei.“ Er stellte eine vorübergehende Verstaatlichung des Werkes in den Raum. Zwar ruderte er schon wenige Tage später zurück, doch die Debatte um die Verstaatlichung ist nicht mehr vom Tisch zu bekommen.
Unabhängig von der französischen Entwicklung ist diese Idee ausgehend von der Auseinandersetzung um den FIAT-Standort Pomigliano auch in der italienischen Arbeiterbewegung wieder aktuell, wenn auch momentan noch nicht mehrheitsfähig.
In der Auseinandersetzung in belgischen Lüttich haben sich sowohl die Metallarbeitergewerkschaft als auch die Gewerkschaft der Angestellten unter dem Motto „Der Hochofen gehört uns“ für die Verstaatlichung des Standortes ausgesprochen. Momentan ist es gelungen den Arbeitskampf unter Hinweis auf potentielle private Investoren und einen EU-Plan zur Rettung der Stahlindustrie zu entradikalisieren – das österreichische Publikum erinnert sich an Semperit.
Wir MarxistInnen unterstützen die Forderung nach Verstaatlichung vor Zerstörung mit voller Kraft. Nur wenn die Verfügungsgewalt der Unternehmer über die Standorte in Frage gestellt wird, können wir der Kahlschlagpolitik was entgegensetzen und eine positive industrielle Zukunft garantieren.

Die Metaller in Österreich

Die aktuelle Ausgabe der „Glück auf“, der Zeitung der Pro-Ge widmet sich den strategischen Herausforderungen der Gewerkschaftsbewegung im fünften Krisenjahr. Bereits im Editorial widmet sich der Vorsitzende Rainer Wimmer den Themen „Löhne, Arbeitszeit und Soziales Europa“. Die Klarstellung, dass das Motto „länger arbeiten und weniger Lohn“ für die Pro-Ge nicht in Frage kommt ist gut und wichtig. Dies ist was die Kollegen und Kolleginnen hören wollen. Die Auseinadersetzung um Durchrechnungszeiträume und Streichung von Zulagen wird heuer wieder ganz oben auf dem Wunschzettel der Eigentümervertreter stehen. Dies zu verhindern wird heuer wieder eine Herausforderung für die gesamte Bewegung werden. Mit der Verteidigung unseres Lebensstandards verteidigen wir gleichzeitig die Interessen unserer Kollegen und Kolleginnen an allen europäischen Standorten – wenn wir unsere kollektivvertraglichen Errungenschaften verteidigen und ausbauen, durchkreuzen wir den Kürzungswettbewerb zwischen den nationalen Standorten.
Die Führung der Pro-GE ist sich der europäischen Dimension der heutigen Klassenauseinandersetzung bewusst. Kollege Wimmer warnte auf der Leondinger Betriebsrätekonferenz im Mai 2012 vor dem Schicksal der italienischen Schwestergewerkschaft FIOM, ausgehend vom Fiat-Werk Pomigliano in dutzenden Betrieben illegalisiert und ausgesperrt wurde. Auch der Landesvorsitzende der Pro-Ge Oberösterreich Karl Schaller definierte auf der oberösterreischischen Landeskonferenz die Politik der EU-Kommission niedrigere Lohnabschlüsse zu erzwingen als zentrale Herausforderung der Gewerkschaftsbewegung.
Umso enttäuschender ist die kommentarlose Widergabe des Interviews mit der EU Abgeordneten Regner (Glück auf, Ausgabe 1, 2013) die sich selbst als aktive Gewerkschafterin sieht und ihre Vision des Stahlstandortes Europa so skizziert: Forschung, Innovation, Weiterbildung, Umschulung, Minderung von Energie, Rohstoff und Umweltkosten, sozialpartnerschaftliche weitblickende Überwachung des Sektors, Sicherstellung der Information von ArbeitnehmerInnen, Einbindung von Sozialpartner bei Umstrukturierungen und Entlassungen.
Kurz und bündig: Regner stellt sich hier in den Dienst des von Eder angezetttelten, von der EU angeleiteten Zerstörungswerkes. Dieses Programm der bürgerlichen Krisenbewältigung (Zerstörung als Vorbedingung für Neuinvestitionen) muss von der Arbeiterbewegung rundweg abgelehnt und mit allen Mitteln bekämpft werden.

Der EU-Industrieplan

Doch halt! Ruft nun Frau Regener. Die Redaktion des Funke schenkt der allgemeinen EU-Industriestrategie keine Beachtung, und verzerrt dadurch meine Position. Tatsächlich hat die EU-Komission im Oktober vergangen Jahres ein Memo verfasst, das die Re-Industrialisierung der EU zum Ziel hat.
Die strategischen Ideen der EU sind gut, folgende Sektoren sollen dafür sorgen, dass der Anteil der Industrie am BIP in den kommenden sieben Jahren (bis 2020) um vier Prozentpunkte auf 20% des europäischen BIPs angehoben wird:
- Umwelttechnologie (Abwasser, Müllerverarbeitung,..)
- Key Enabling Technologies (Nanotechnologie, neue Werkstoffe, Photonik, Biotechnologie,..)
- Bauindustrie
- Grüne Autos
- Intelligente Stromnetze
- Intelligente Haushaltseinrichtungen für alte und behinderte Menschen
- Kosumentennahe Kleinproduktion mit 3D-Printern (Maschinen die selbstdesignte Produkte „ausdrucken“)

Das klingt gut. Hier werden Bedürfnisse genannt die einem schönen Leben in einer zivilisierten Gesellschaft entsprechen würden. Dass solche Dinge erst formuliert werden, wenn die Profitmöglichkeiten der Kapitalbesitzer im Argen liegen sei dahingestellt.
Wie soll das erreicht werden: Die Rahmenbedingungen die die EU bereitstellen will sind ident mit Eders Programm, einige Dinge sind genauer, andere unklarer formuliert. Die Idee ist: wird den Kapitalbesitzern ermöglicht wieder Profite zu machen, dann wird die „aktive Rolle und das Engagement der Industrie entscheidend zu tragen kommen.“

Die EU-Kommission will mit besseren Rahmenbedingungen (und dazu gehört nun eben auch die Zerstörung von montanen Überkapazitäten) die Investitionstätigkeit der Kapitalbesitzer anregen. Sie nennt die Ausgangslage und Zielvorstellung:
„Die Bruttoinvestitionen betrugen im Jahr 2011 18,6 % des BIPs. Vor der Krise erreichte dieser Wert 21,25 % des BIPs im Jahr 2007. Der Investitionsbedarf um unsere Produktivität zu erhöhen würde verlangen, dass wir bis 2015 das Vor-Krisenniveau erreichen, und dann jährliche Durchschnittwerte über 23% bis zum Jahr 2020. Momentan beträgt das Investment in Produktionsanlagen zwischen 6 und 7 % des BIPs. Um die Produktivität zu erhöhen und neue Technologien einzuführen, müsse es vor Vor-Krisenniveau erreichen und dann bis zum Jahr 2020 Werte von über 9 % des BIPs erreichen.“

Nur schlichte Gemüter können dies Glauben. Erstens kann man nicht planen was einem nicht gehört. Zweitens investieren Unternehmer eben gerade nicht, sondern schließen ganze Standorte, weil die Märkte verstopft sind. Die Kaufkraft wird durch die permanente Sparpolitik, Lohnkürzungen und Arbeitslosigkeit untergraben. Eine öffentliche Investitionspolitik ist aufgrund der quasi-Verstaatlichung maroder Banken schlichtweg unmöglich. Die von führenden Sozialdemokraten emphatisch vorgebrachte Idee, dass Forschungsförderung verbunden mit Ausbildungs- und Beschäftigungsprogrammen für Europas Jugend des Kapitalismus Rätsels Lösung sei ist lächerlich: noch nie in der Geschichte der Menschheit lungerten in den Strassen Madrids, Mailands und Athens so gut gebildete Jugendliche rum – nämlich mehrsprachige AkademikerInnen (jede/r vierte Obdachlose in Madrid ist UniversitätsabgängerIn).

Oder um wieder zum Thema der Stahlproduktion zurückzukommen. Angenommen, die Kapitalbesitzer zeigen sich patriotisch und beginnen mit einer intensiven Investitionstätigkeit (die EU will die Investitionen in den Produktionsapparat um 50% erhöht sehen!) in den genannten Bereichen. Warum soll dann gleichzeitig die Stahlkapazitäten in Europa um 75% (Voest CEO Eder) reduziert werden? Werden diese Maschinen, die Europa innert sieben Jahren zum umwelt- und generationengerechten Lebensparadies verwandeln sollen etwa nicht aus Stahl gefertigt sein?

Standort Linz…

Aufgrund des Produktivitätsvorsprunges großer Teile der österreichischen Stahl und Metallverarbeitenden Industrie werden nicht wenige Betriebsratsvorsitzende und Hauptamtliche versucht sein nicht so genau hinzuschauen, wenn anderswo in Europa die Öfen für immer ausgeblasen werden. Tatsächlich könnte man glauben, dass man mehr Spielraum im eigenen Betrieb bekommt, wenn die Preise durch Vernichtung von Konkurrenzbetrieben stabilisiert werden. Diese Idee ist so kurzsichtig, dass sie keine einzige Betriebsratsperiode überleben kann.
Auf die Frage ob Eder in Linz eine neue Fabrik bauen lassen würde, antwortet er klar: „Nein, das Werk wäre im laufenden Betrieb um mindestens 15 Prozent teurer.“ (Die Presse, 19.1.2013). Seine Haltung zu Löhnen ist klar manifestiert (ein Viertel zu hoch), und die Unternehmensstrategie klar auf außereuropäische Standorte und Weltmarktführerschaft in Einzelsparten ausgerichtet. Konsequenter Weise wird die voestalpine sich in den kommenden Jahren darauf beschränken an bestehenden Standorten Modernisierungsinvestitionen zu tätigen. Nur außerhalb von Europa sollen fünf neue Werke eröffnet werden.
Eders Ansage zu den Lohnkosten kommt, nachdem seit 2009 ein Kosteneinsparungsprogramm („Projekt Zukunft“) gefahren wurde, mit dem jährlich über 200 Mio. an neuen Einsparungen lukriert wurden. Das größte Einsparvolumen wurde dabei mit 370 Mio. € in der Division Stahl erzielt. Auf das Auslaufen dieses Programms soll nun durch ein neues Sparprogramm folgen.
Die Arbeiter und Angestellten der voestalpine werden mit Ende des Geschäftsjahres – das von historisch niederen Stahlpreisen geprägt war - einen Reingewinn von 800 Mio. € erarbeitet haben. Dies bedeutet für die Kapitalgeber eine Profitmarge jenseits von 10 %. Dieser Wert soll gehalten und ausgebaut werden, und in Weltmarktführerschaft umgemünzt werden.
Mit Stichtag 31.12.2012 arbeiteten im Konzern 44.700 Arbeiter und Angestellte (davon 20.900 in Österreich), was einer Reduktion (zum Beginn des Geschäftsjahres im April 2012) von 3,8 % entspricht. Besonders stark, nämlich um 30%, wurden die Leiharbeiter gekürzt. Mittels Leiharbeit und Pensionierungen wurden so im abgelaufenen Jahr öffentlichwirksame Entlassungswellen verhindert – was den Umstand von Arbeitsplatzvernichtung jedoch nicht beseitigt. Kompensiert werden diese Abgänge durch eine ständige Verdichtung der Arbeit. Dies wird keinesfalls nur durch technologische Verbesserung erzielt. So wurden durch Pausen- und Waschzeitenkürzungen in der Abteilung Instandhaltung des Standortes Linz Anlagentechnik im ablaufenden Winter 34,4 Arbeitsplätze vernichtet. Ein besseres Beispiel dafür, dass Flexibilisierung der Arbeitszeit – die im Großmaßstab auf dem KV-Wunschzettel der Metall-Unternehmer ganz oben steht - nicht direkt mit Arbeitsplatz und Lohnkürzungen verbunden wäre, könnte man gar nicht erfinden.
Einen dauerhaften Frieden mit Eder gibt es nur unter Missachtung der Interessen der Kollegenschaft. Uns muss bewusst sein, dass das „Projekt Zukunft“ etwas permanentes ist, eine neue betriebliche Realität darstellt. Diese Bedingungen verändern die Aufgaben betrieblicher und gewerkschaftlicher Realität grundlegend.

… und schwächere Betriebe

Der voestalpine-Konzern (immer inklusive Boehler-Uddeholm zu verstehen) gehört zu den zu den ehemaligen verstaatlichen Betrieben, die bis heute mit einer potentiell starken betrieblichen Interessensvertretung gesegnet sind. Auf dem weiten Land der hunderten kleineren Metall- und Metallverarbeitenden Betriebe weht ein viel schärferer Wind. Teilweise herrschen heute hier Zustände, die Gewerkschafter für unmöglich halten, oder bestenfalls in osteuropäischen Ländern vermuten würden.
Auch an die Erfahrung des letzten Kollektivvertrages sei hier erinnert. Die Aufspaltung des Kollektivvertrages erfolgte durch eine gezielte Initiative der Kapitalisten im schwächer organisierten Sektor der Metallindustrie. Zwar konnte dieses mal noch einheitlich abgeschlossen werden, aber nur die Rückerkämpfung eines gemeinsamen Metaller-KVs kann den Standortwettbewerb nach unten im eigenen Land stoppen.

Für eine gesamteuropäische Strategie!

Im Kampf um Arbeitsbedingungen und Erhalt aller Standorte schlagen wir ein koordiniertes und solidarisches Vorgehen der Gewerkschaften und Belegschaftsvertretungen Europas vor. Eine gemeinsame Verteidigungsfront könnte von einer gesamteuropäischen Konferenz der Arbeiternehmer und ihrer Vertretungen geschmiedet werden.

Folgende Eckpunkte würden MarxistInnen hier vorbringen:

- Bedingungslose gemeinsame Verteidigung gewerkschaftlicher Freiheiten: garantierte Repräsentanz am Arbeitsplatz, Kollektivvertragsfähigkeit.
- Nein zu polizeilichen Repressionen und gerichtliche Verfolgung von streikenden KollegInnen.
- Verteidigung nationaler Branchenkollektivverträge.
- Technologische Umrüstung statt Standortschließungen: Kein Standort darf geschlossen werden. Bei geplanten Schließungen: Öffnung der Geschäftsbücher des Konzerns, der Nachweis der Unmöglichkeit der Weiterführung des Standorts muss öffentlich unter Beiziehung von gewerkschaftlichen Vertrauensleuten erfolgen.
- Bei Schließung: Verstaatlichung des Standortes. Entschädigungszahlungen - nach Abzug aller erhaltener Subventionen und Steuerbetrügereien – nur für Aktionäre die soziale Bedürftigkeit nachweisen können.
- Ein Investitionsprogramm der öffentlichen Hand übernommene Betriebe: Umrüstung auf Zukunftstechnologien unter Beibehaltung aller kollektivvertraglichen und sozialrechtlichen Regeln der Belegschaften.
- Für die Schaffung eines öffentlichen transeuropäischen Stahlkonzerns, der eine planmäßige Entwicklung der Industrie, Forschung und Produktionstätigkeit im Sinne der Bedürfnisbefriedigung der Menschen Europas vorantreibt.


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