Das bürgerliche Lager ist klarer Sieger dieser Wahlen. Die Verluste der ÖVP unter Michael Spindelegger waren geringer als erwartet, die FPÖ konnte sich massiv an Arbeiterstimmen bedienen. Und da wären dann noch die zwei Milliardärsparteien FRANK und der hippe Ableger des Baukonzerns STRABAG. Die Grünen sind auch wieder dabei. Gemeinsam ergibt dies eine satte bürgerliche Parlamentsmehrheit. Eine Wahlanalyse der Funke-Redaktion abseits moralin-saurer Wählerbeschimpfungen.
Die Idee war gut: Seit dem 1. Mai 2013 präsentierte sich die SPÖ als „Partei der Arbeit“. Doch das wollen ihr die eigenen Leute immer weniger glauben. Daher verlor die SPÖ in erster Linie an die NichtwählerInnen, nämlich mehr als 170.000 Stimmen. An die FPÖ waren es „nur“ 50.000.
Was ist passiert? Der SPÖ-Führung wird einfach nicht mehr abgekauft, dass sie gegen die Millionäre steht. Kein Wunder, kam doch die neu entdeckte Leidenschaft für die Arbeiterschaft in Kombination mit der Alternativlosigkeit neoliberaler Krisenbewältigung, und der Perspektive einer Fortsetzung „der Großen Koalition mit dem Michi“ (geht’s eigentlich noch chovialer?) daher. Dann wurden alle Fragen nach sozialen Missständen, Arbeitslosigkeit und Armut im eigenen Land, mit europäischen Vergleichsstatistiken vom Tisch gewischt. Dies ist jenen Hunderttausenden, die unter steigendem Druck und Unsichersicht leiden, zu recht herzlich egal. Erst nachdem klar wurde, dass man die Menschen nicht mir Gefühlen in Rot zur Wahlurne hypnotisieren kann, wurden den Wahlkämpfern dann konkrete Dinge in die Hand gegeben, wie eine lang erhoffte – wenn auch sehr mickrige - Lohnsteuerreform.
Sogar dort, wo die SPÖ-Führung progressiv auftritt und am antifaschistischen Grundverständnis im Land anknüpft, kommt dies staatstragend, systemerhaltend und bürgerlich daher. Paradigmatisch: Häupls Absage an die FPÖ ist in einem Atemzug ihrem „Anti-EU-Charakter“ ebenso geschuldet wie ihrem Rechtsextremismus.
Das Motto „gut, weiter so, noch mal fünf Jahre bitte“ entspricht der innersten Überzeugung der großkoalitionären Parteigranden. Sozialdemokratische GewerkschafterInnen tun sich mit dieser Haltung aber umso schwerer, desto näher sie an der Basis sind. Tausende Genossinnen und Genossen haben den Wahlkampf mit einer Defensivstrategie gegen die zu erwartende bürgerliche Offensive („Entfesselung“) bestritten. Hoffnung oder Vertrauen, dass die Parteispitze hier und jetzt für die Arbeiterklasse in die Offensive gehen wird, gab es aufgrund der Erfahrungen der letzten fünf Jahre wenig bis keine.
Die Mehrheit der zornigen Arbeiter, die sich längst keiner Partei mehr verbunden fühlt und oft auch noch nie eine starke Gewerkschaft erlebt hat, wählte damit die FPÖ, weil HC Straches Wettern gegen das politische System, die Banken und die EU ihrer Gefühlslage entspricht. Am deutlichsten ist dieser Umstand in der Steiermark geworden: Die „Reformpartnerschaft“ aus SPÖ und ÖVP hat hier die FPÖ zur stärksten Kraft gemacht. Hysterie über die angebliche rechte Bedrohung ist aber fehl am Platz und lenkt nur von den wahren Aufgaben der Arbeiterbewegung ab.
Bürgerliches Powerplay
Im kommenden Nationalrat wird es eine deutliche Mehrheit rechts der Mitte geben. Diese ist aber über mehrere Parteien aufgeteilt, und sowohl die FPÖ als auch die neuen Formationen (Stronach, NEOS) sind keine geeichten Kräfte für eine Entfesselung des Klassenkampfes von oben. Nicht zuletzt sprechen auch die härtesten Befürworter eines rechten Bürgerblocks dem ÖVP-Obmann die notwendigen politischen Fähigkeiten für eine derartige Konstellation ab. Wir sehen nun schwierigen Koalitionsverhandlungen entgegen. Die ÖVP wird den Preis für eine Koalition – die für die SP-Spitze als einzige politische Option gilt – sehr hoch treiben. Nur falls dieser Plan am Widerstand des Gewerkschaftsflügels scheitern sollte, würden sich wie im Jahr 2000 die Bürgerlichen an die Bildung einer rechten Koalition machen, was aber mit großen politischen Turbulenzen verbunden wäre.
Herausforderungen der Linken
Die wechselnden Lieblingsfarben der politisch korrekten Bobos sind uns herzlich egal. Aber der Umstand, dass die soziale Frage in Österreich so erfolgreich nationalistisch abgehandelt wird, ist ein Dilemma, dem sich die Linke stellen muss. Die Spitze der SPÖ hat gezeigt, dass sie dem keine Alternative entgegenstellen kann. Sie hat sich zu sehr der bürgerlichen Krisenverwaltung verschrieben und will mit aller Macht den Polit-Zombie Große Koalition (womöglich in der pink extended version) weiterleben lassen. Denn in der kommenden Periode ist die Zeche für die Hypo-Pleite zu bezahlen und nach den deutschen Wahlen werden auch auf europäischer Ebene die Karten wieder offen auf den Tisch gelegt. Die Aufgabe der SPÖ-Minister wäre es durch Einbindung der Gewerkschaften die soziale Ruhe im Land zu garantieren. Dies hätte für die Arbeiterbewegung in Österreich katastrophale Folgen und ist mit allen Mitteln abzulehnen.
Die linken Kräfte in der Arbeiterbewegung sind gut beraten dieser traurigen Absicht nicht tatenlos beizuwohnen. Wir haben immer festgehalten, dass diese Wahl nur ein (wenn auch ein wichtiges) Element im Klassenkampf ist. Die unmittelbare Auseinandersetzung um die Verteidigung des Lebensstandards der Arbeiterklasse wird nun auf anderen Ebenen geführt, beginnend im Oktober mit dem Kampf um den Metaller-KV. Dass die politischen Rahmenbedingungen sich hier verschlechtert haben, ist nicht vom Tisch zu reden. Umso mehr gilt es hier die Kraft der Arbeiterklasse in den Betrieben und auf den Straßen voll zu entfalten. Die „Kampagnenfähigkeit der Gewerkschaft“ wird heuer, angesichts der aggressiven Haltung der Unternehmer des FMMI auf die Probe gestellt werden. Hier muss die Arbeiterbewegung in der Praxis zeigen, dass sie fähig ist die Lebensinteressen der Lohnabhängig offensiv zu verteidigen.
Auch in anderen Branchen werden die Bürgerlichen nun härtere Bandagen anlegen (siehe den Vorstoß von Hartlauer in Sachen Handels-KV), und das nächste Sparpaket ist nur eine Frage der Zeit.
Perspektivisch braucht die Arbeiterbewegung aber auch ein politisches Sprachrohr, eine Partei der Arbeit. Viele WählerInnen der Arbeiterbewegung und der Linken haben die Nase voll davon, immer strategisch wählen zu müssen. Das Wahldilemma lautet: Moralischer Protest durch Nichtwählen, Weißwählen oder KPÖ-Wählen, oder das Kreuz doch bei der SPÖ machen?
Der Funke hat aufgerufen die SPÖ zu wählen, weil das Ergebnis der SPÖ für die Bürgerlichen der wichtigste Indikator ist, wie ungehemmt sie in der kommenden Periode den Klassenkampf von oben führen kann. Dies hat sich schon in den Stunden nach diesen Wahlen schmerzlich gezeigt.
Es ist klar, dass diese Haltung für sich genommen unzureichend ist. Die Geschichte und die aktuellen Ereignisse in Europa zeigen auch, dass die Halbheiten und die bürgerliche Politik der Sozialdemokratie die Arbeiterbewegung schwächen und schlussendlich den Sieg der Barbarei vorbereiten. Die Frage am Wahlzettel ist jedoch konkret: Gab es eine Kraft in der Arbeiterbewegung, die das politische Spektrum links von der SP-Spitze im Parlament abbilden hätte können? Diese Frage ist ganz klar mit Nein zu beantworten.
Die einzige Kraft, die das Potential hätte, links von der SPÖ, einen Prozess zur Bildung einer Linkspartei in Gang zu setzen, ist aufgrund ihrer regionalen Verankerung die KPÖ Steiermark. Ein entscheidendes Element wird aber auch weiterhin sein, ob es in der Sozialdemokratie (vor allem in ihrem Gewerkschaftsflügel) Kräfte gibt, die bereit sind mit dem bürgerlichen Kurs der Parteispitze zu brechen und eine politische Alternative dazu zu entwickeln. Alle Prozesse, die in diese Richtung gehen, sind in den kommenden Jahren aktiv zu unterstützen. Der politische Charakter einer linken Formation wird nicht zuletzt von der Stärke der MarxistInnen in ihr mitbestimmt werden.