Die Verhandlungen zum Lehrerdienstrecht sind gescheitert. Warum wir einen Lehrerstreik für richtig halten.
Bildungsreform geht anders
Seit Monaten redet die Regierung von einer Bildungsreform, doch der wichtigste Entwurf, den sie präsentiert, ist ein Lohnkürzugsprogramm für Lehrkräfte. Dem kann man unmöglich zustimmen. Gleichzeitig krankt es jedoch auch im Bildungssystem an allen Ecken und Enden, und die Große Koalition ist organisch unfähig hier Abhilfe zu schaffen.
Der konservative Standesdünkel rund um das Gymnasium ist unerträglich. Der österreichische Bürgerliche war seit jeher weniger unternehmerisch als staatsorientiert geprägt. Die umfassende Ausbildung im Gymnasium hob ihn in seinem Selbstwertgefühl vom Hackler ab, der mit 15 Metallteile feilt, während der Sprössling aus besserem Hause am Auswendigerlernen vom Zauberlehrling verzweifeln darf. Jeder schnapsnasige ÖVPler weiß, dass die staatlich verwaltete und organisierte Aussiebung des Nachwuchses durch die unterschiedlichen Schultypen eine soziale Selektion darstellt, die ihn gegenüber den Proleten privilegiert. Dem gegenüber plädieren wir für eine Ganztagsschule und eine Verlängerung der Schulpflicht. Die Schulen müssen für diesen Zweck ausgebaut und modernisiert werden. Eine angstfreie Pädagogik soll in lichtdurchfluteten Schulen Einzug halten. Dies erfordert natürlich Ressourcen. Tatsächlich ist es so, dass einige Lehrergewerkschafter genau dem Typus des hier beschriebenen, konservativen Bewahrers entsprechen. Doch dies darf kein Anlass sein, den Lohnraub bei den LehrerInnen zu unterstützen. Offensichtlich ist aber die SPÖ-Spitze davon überzeugt, dass zusätzliche Ressourcen für den Bildungsbereich nur durch Lohnraub aufgetrieben werden können. Diese neoliberale Logik müssen wir ablehnen. Der Kampf um die Erhöhung des Bildungsbudgets stand auf der Forderungsliste aller Proteste an den Unis und Schulen. Diese Frage wird in der kommenden Legislaturperiode wieder sehr aktuell werden. Jede Initiative, die in diese Richtung zeigt, ist ein Schritt vorwärts. Rund um ein solches Programm werden wir auch an den Schulen aktiv.
Ein Kommentar der Funke-Redaktion
Länger arbeiten, weniger verdienen
Seit längerem schon verhandeln Regierung und Gewerkschaft über ein neues LehrerInnendienstrecht. Seit der Gesetzesentwurf ohne Zustimmung der Gewerkschaft in Begutachtung geschickt wurde, formiert sich Widerstand.
Von Seiten des Bildungsministeriums wird das neue Dienstrecht als Gewinn für LehrerInnen verkauft: Die flachere Gehaltskurve komme JunglehrerInnen zu Gute. Wie der immer lauter werdende Protest zeigt, sehen das die Betroffenen allerdings anders – doch warum? Was würde sich durch das neue Dienstrecht ändern? Was sind die Kritikpunkte?
Der wohl bekannteste Kritikpunkt ist die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung auf 24 Stunden. Weniger bekannt ist, dass es sich dabei um bis zu 40% mehr Stunden in der Klasse handelt, denn in den bürgerlichen Medien ist zumeist nur von einer Erhöhung um zwei Stunden die Rede. Man muss allerdings das heutige System kennen, um zu verstehen, warum das falsch ist. Derzeit unterrichten LehrerInnen zwanzig Werteinheiten. Jedes Fach hat eine andere Wertigkeit, sodass dem unterschiedlichen Vor- und Nachbereitungsaufwand Rechnung getragen werden kann. Beispielsweise haben LehrerInnen, die ausschließlich Sprachen unterrichten, bereits mit knapp mehr als 17 Unterrichtsstunden eine volle Lehrverpflichtung, während MusiklehrerInnen dafür 21 Stunden in der Klasse stehen müssen.
Das mag aus der Sicht anderer Branchen vielleicht wenig wirken, allerdings umfasst die Arbeitszeit sehr viel mehr als nur die Unterrichtszeit. Zu den Tätigkeitsbereichen von LehrerInnen gehören nicht nur der Unterricht, Stundenvorbereitungen und Korrekturen, sondern auch viele andere Aufgaben in der Schule, wie z.B. organisatorische Arbeit, Supplierstunden, Gangaufsichten, Eltern- und Schülergespräche, Teamsitzungen, Konferenzen, das Planen von Schulveranstaltungen, etc. LehrerInnen haben also durchaus einen Ganztagsjob, auch wenn durch die Medien oft ein falsches Bild vermittelt wird. Wie so oft dient diese Meinungsmache bloß dazu, verschiedene Berufsgruppen gegeneinander aufzuhetzen, um so ihren Arbeitskampf zu sabotieren.
Wenn es nach den Vorstellungen des Bildungsministeriums geht, sollen LehrerInnen also künftig bis zu 40% mehr Stunden halten. Da nur mehr wenig Zeit für die Vor- und Nachbereitung bleibt, kann diese Reform nur zu einem massiven Qualitätsverlust führen. Engagierte LehrerInnen, die ihren Unterricht weiterhin sorgfältig planen und schriftliche Arbeiten genau korrigieren wollen, werden überlastet und sich entweder anpassen müssen oder den Beruf aufgeben. Das wird den heute bereits akuten LehrerInnenmangel noch weiter verstärken.
Der Entwurf sieht weiters eine deutlich flachere Gehaltskurve vor. Laut Berechnungen des Ministeriums führt diese nicht zu größeren Verlusten, die Berechnungen der Gewerkschaft zeigen allerdings am Ende der Berufslaufbahn Verluste im Bereich von 500.000 Euro. Wie sind dermaßen unterschiedliche Berechungsergebnisse möglich? Die Regierung vergleicht den Lohn für eine volle Lehrverpflichtung heute (z.B. 18 Stunden) mit dem Lohn für eine volle Lehrverpflichtung nach dem neuen System (z.B. 24 Stunden). Ein sinnvoller Vergleich müsste allerdings die Arbeitszeit berücksichtigen. Doch selbst ohne Berücksichtigung der höheren Arbeitszeit bedeutet das neue Dienstrecht für die meisten universitär ausgebildeten LehrerInnen langfristig einen Verlust. Zu den universitär ausgebildeten Lehrkräften gehören durch die Einführung der LehrerInnenbildung NEU in Zukunft auch PflichtschullehrerInnen. Also wäre das Dienstrecht auch für diese kein Erfolg.
Insgesamt wird deutlich, dass es sich beim vorliegenden Dienstrechtsentwurf nicht um eine Bildungsreform, sondern um ein Sparpaket handelt. Doch selbst abgesehen von einer Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich gibt es noch weitere Punkte, die negative Auswirkungen auf das Bildungssystem hätten. Gemäß dem Entwurf sollen LehrerInnen beispielsweise dazu verpflichtet werden können, Fächer zu unterrichten, für die sie keine Ausbildung haben.
Aufgrund der zahlreichen drohenden Verschlechterungen wurde in letzter Zeit Widerstand laut. Bereits im Frühjahr 2012 haben JunglehrerInnen, UnterrichtspraktikantInnen und Lehramtsstudierende die „Initiative für ein faires LehrerInnendienstrecht“ gegründet, um im Fall des Falles vernetzt und bereit für Protestmaßnahmen zu sein. Das Fass zum Überlaufen brachte die Regierung, indem sie im August den Dienstrechtsentwurf ohne Zustimmung der Gewerkschaft in Begutachtung geschickt hat. Seither konnte die Initiative ihre Mitgliederzahl auf Facebook von 400 auf 1800 fast verfünffachen. Innerhalb weniger Tage wurde eine Protestkundgebung organisiert, die von sämtlichen Medien kommentiert wurde. Selbst die FCG-dominierte Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) ruft zu Dienststellenversammlungen auf und ermutigt LehrerInnen dazu, Stellungnahmen zu schreiben. Bisher sind bereits über 1700 beim Parlamentsklub eingegangen. Es zeigt sich: Die Betroffenen wehren sich, und das ist gut so. Sollte es möglich sein, solch drastische Verschlechterungen wie eine Arbeitszeiterhöhung um bis zu 40% bei gleichzeitigen Lohneinbußen zu beschließen, wäre das ein Präzedenzfall mit fatalen Folgewirkungen auf weitere Angestellte im Öffentlichen Dienst und schließlich auch auf alle anderen Lohnabhängigen. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, sich mit den Betroffenen zu solidarisieren und sie in ihrem Kampf gegen das Bildungssparpaket zu unterstützen.
Die Autorin ist eine Junglehrerin aus Wien
Diese Beiträge erschienen im Funke Nr. 120 (Oktober 2013)