Rechtzeitig zur Vorweihnachtszeit ist die Debatte um die Sonntagsöffnung im Handel wieder voll entbrannt. Einige Geschäftsleute spielen den Eisbrecher und im Hintergrund warten bereits die großen Einkaufshäuser. Es drohen weitere Verschlechterungen für die Handelsangestellten.

Eine Vorreiterrolle spielen derzeit eine Handvoll kleiner Geschäftsleute in der Wiener Innenstadt. Sie haben am ersten Adventsonntag bewusst gegen das Ladenöffnungsgesetz verstoßen und ihre Geschäfte aufgesperrt. In der grünen Hochburg am Spittelberg in Wien-Neubau gibt es ähnliche Absichten. In den Medien bekommen sie nun große Publicity. Die zweite Front hat der Möbelriese IKEA eröffnet. Am Standort in Wien-Nord will man zumindest das eigene Restaurant öffnen und mit einer Gutscheinaktion KundInnen anlocken. Schon in den letzten Monaten wurde der Boden für diese Debatte aufbereitet. Der Chef der Donaucity in Wien 22 hat im Wahlkampf bei einem Besuch von Wolfgang Schüssel die Forderung nach Sonntagsöffnung erhoben. In ein ähnliches Horn stößt der Eigentümer der SCS in Wien-Vösendorf oder die Wiener Lugner City. Rückendeckung erhalten diese Unternehmer von ÖVP-PolitikerInnen und zuletzt von Alexander Zach, dem Vorsitzenden der Phantompartei Liberales Forum, die durch ein Nationalratsmandat auf der Liste der SPÖ politisch wieder zum Leben erweckt worden ist. "Genosse" Zach hat vor einigen Tagen eine Unterschriftenaktion für die Öffnung der Geschäfte am Sonntag zwischen 13-19 Uhr gestartet und will damit eine Debatte im Nationalrat erwirken. Hier zeigt sich in der Praxis erstmals, dass die Liberalen die Rolle eines Trojanischen Pferdes spielen. Zach & Co. haben in der Sozialdemokratie nichts verloren! Die SPÖ und vor allem die GewerkschafterInnen in der SPÖ müssen in diesem Konflikt klar Farbe bekennen und dürfen auf keinen Fall einer Aufweichung der Ladenöffnungsbestimmungen zustimmen.

Die Befürworter

Das Argument der Befürworter einer weiteren Liberalisierung der Öffnungszeiten ist, dass im benachbarten Ausland die Regeln viel liberaler sind. In Ungarn und der Slowakei sei in den großen Einkaufszentren Shopping rund um die Uhr möglich. Beim britischen Supermarkt Tesco ist dies sogar wortwörtlich zu nehmen. Hier sieht man schon, was auf die Handelsangestellten zukommen könnte, wenn man diesen Dammbruch widerstandslos hinnehmen würde.
Die Geschäftsleute bringen für die Sonntagsöffnung das Argument ins Treffen, dass dies gewaltige Umsatzsteigerungen möglich machen würde. Mehr Umsatz wieder legt die Basis für steigende Beschäftigung. Außerdem gäbe es gerade unter vielen jungen ArbeitnehmerInnen viel Offenheit für flexible Beschäftigungsmodelle. Mangels familiären Verpflichtungen wäre es für sie auch kein Problem am Sonntag zu arbeiten, um im Gegenzug unter der Woche mal frei zu haben.

So nebenbei: Der Umsatz wird gesamtökonomisch betrachtet nicht mehr, sondern nur umverteilt. Was die Beschäftigten angeht: Zweifelsohne wurde der Arbeitsmarkt bereits im letzten Jahrzehnt derart zugerichtet, dass es genügend Arbeitskräfte gibt, die sich unter dem Deckmantel der "Flexibilität" dem Diktat der UnternehmerInnen voll unterwerfen und notfalls auch am Sonntag arbeiten würden. "Flexibilisierung" heißt in dieser Gesellschaft nicht so sehr arbeiten wann man selber will, sondern arbeiten wenn es der/die UnternehmerIn will.

Gerade im Handel hat diese Flexibilisierung eine lange Geschichte. Seit 1989 wurden die Ladenöffnungszeiten schrittweise verlängert. Das damit verbundene "Jobwunder" entpuppt sich bei genauerer Betrachtung der Statistiken jedoch als einzige Propagandalüge der Flexibilisierungsbefürworter. Gemessen an Vollzeitarbeitsplätzen gibt es diesen Zuwachs an Beschäftigung nicht. Die Unternehmen haben vielmehr Vollzeitjobs durch Teilzeitjobs und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ersetzt. Vor allem Frauen nehmen solche Jobs an, die gerade einmal ausreichen um das Gesamtfamilieneinkommen auf ein Niveau zu bringen, auf dem man dann halbwegs durchkommt. Mehr als einen Dazuverdienst, den viele dringend benötigen, bieten diese Beschäftigungsverhältnisse aber nicht.

Die Teilzeitjobs haben aber in Wirklichkeit massive Nachteile für die Beschäftigten. Die Einbußen werden bei der Pension, beim Krankenstand oder bei Arbeitslosigkeit, beim 13. und 14. Monatsgehalt deutlich spürbar. Diese schöne neue Arbeitswelt hat für die Beschäftigten kaum Vorteile, im Gegenzug verdienen sich die UnternehmerInnen mit solchen flexiblen Modellen eine goldene Nase.

Die Befürworter längerer Öffnungszeiten betonen auch immer wieder, dass damit die Menschen nicht so gestresst seien, wenn es darum geht, ihre Einkäufe und Beschaffungen zu erledigen. Es sei einfach bequem, wenn man nicht mehr schnell nach der Arbeit noch kurz in den Supermarkt flitzen müsse, sondern am Samstag oder halt auch am Sonntag und an Feiertagen shoppen gehen zu können. Mal ganz abgesehen davon, ob es tatsächlich unser Ziel sein kann, dass unser Leben nur noch aus Arbeiten, Schlafen und Shopping bestehen soll, wird das Pferd hier vom falschen Ende her aufgezäumt. Wenn jemand tatsächlich ein Interesse daran hat, den Stress und die tagtäglichen Belastungen der Menschen zu reduzieren, dann müssen wir einen anderen Weg einschlagen. Der Schlüssel für ein stressfreieres Leben liegt in der Verkürzung der Arbeitszeit, wobei die Löhne so sein müssen, dass man davon auch leben können muss. Solange die ArbeitnehmerInnen permanent "flexibel" sein müssen, sprich länger (und wie eine Studie jüngst beschrieben hat, oft dazu noch unbezahlt) in der Arbeit bleiben müssen, Überstunden leisten, um genügend zu verdienen oder nur um das Damoklesschwert "Arbeitslosigkeit" abwehren zu können, solange wird dieses Problem bestehen. Und eins muss klar sein: die UnternehmerInnen wollen die Schraube immer mehr anziehen, sie werden immer mehr fordern. Jedes Mal wenn wir nachgeben, werden sie eine neue Forderung auf den Tisch knallen und an uns appellieren, dass wir doch zusammen den Standort sichern müssten. Wenn bei den Handelsangestellten eine Verschlechterung durchgeht (z.B. die Öffnung am Sonntag), dann ermuntert das auch die anderen UnternehmerInnen zu weiteren Angriffen. Und schon ist es aus mit der durch die Sonntagsöffnung gewonnene Bequemlichkeit.

Es ist die Aufgabe der Gewerkschaft mit dieser Standortlogik zu brechen. Sie muss die Interessen der Beschäftigten konsequent vertreten und die ArbeitnehmerInnen organisieren. In der aktuellen Debatte um die Sonntagsöffnung gilt es hart zu bleiben. Die Händler, die jetzt als Provokateure und Eisbrecher in Erscheinung treten, müssen die geballte Stärke der ArbeiterInnenbewegung zu spüren bekommen. Die GPA als zuständige Gewerkschaft spricht immer vom Ausschöpfen des rechtlichen Rahmens. Das kann nicht schaden. Es braucht aber Aktionen (Blockadeaktionen von Betrieben, die offen halten, bis zu Demonstrationen und anderen effektiven Kampfmaßnahmen) um den öffentlichen Druck aufzubauen, der notwendig sein wird, um die jetzigen Regelungen zu verteidigen. Es darf in dieser Frage keinen Kompromiss geben. Ein solcher Kompromissvorschlag seitens der Wirtschaft wären Sonderregelungen für Tourismusregionen (wie auch die Wiener Innenstadt). Das würde aber erst Recht wieder die Spirale zum Drehen bringen und andere Unternehmen (z.B. die Einkaufszentren am Stadtrand) dazu bringen, ihrerseits Forderungen zu erheben. Jedes weitere Zugeständnis wäre ein Erfolg für die UnternehmerInnen und würde nur weiteren Verschlechterungen den Weg ebnen.

Die Kampagne "Wir sind ÖGB" und die SJ haben bereits eine Initiative zu einer Aktionseinheit gestartet, um diesen weiteren Angriff abzuwehren. Am 17.12. werden wir mit schlagkräftigen Aktionen gegen die Sonntagsöffnung protestieren. Die UnternehmerInnen dürfen mit ihren Plänen nicht durchkommen!


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