Das Unrecht hat einen Namen; auch dann, wenn es den einer Toten trägt. Ein Nachruf auf Liese Prokop, die am späten Silvesterabend des abgelaufenen Jahres unerwartet verstorben ist.
Am 3. Jänner überschlugen sich die in Koalitionsverhandlungen befindlichen Parteien SPÖ und ÖVP sowie die bürgerliche Presse in Empörung. Auslöser hierfür war eine umstrittene Aussendung des Asyl in Not – Obmanns Michael Genner gewesen, die Prokops Ableben als „gute Nachricht zum Jahresbeginn“ wertete. „Geschmacklos oder sogar menschenverachtend“ befand dies Der Standard, „Pietätlose Hasstiraden` gegen Prokop“ ortete wiederum Die Presse den ÖVP- Generalsekretär Lopatka zitierend.
Auch wenn die Kritik Genners wohl am Kern des Problems vorbeigeht, so mutet die hysterische Reaktion darauf doch recht eigenartig an. Dies nicht etwa deshalb, weil die österreichische Asylpolitik nicht schon seit Jahren im Konsens aller im Parlament vertretenen Parteien vonstatten gehen würde. Vielmehr wollte eine kritische Bilanz ihrer Amtszeit ganz offensichtlich nicht so recht ins Konzept der kollektiven Trauergemeinde passen. Zu sehr hatte man in den Tagen nach ihrem Tod das Bild einer herzenswarmen Ministerin strapaziert. „Professionalität und Menschlichkeit“ attestierten ihr die BeamtInnen des Innenministeriums, „ein großes Herz“ glaubte die ÖVP-Spitze ausgemacht zu haben und Erwin Pröll gestand in einem Moment ausnehmender Offenheit gar: „Wir haben sie geliebt“.
Von all dem haben diejenigen, die von Prokops Politik betroffen waren, wenig wahrgenommen. Die 18-jährige Floridsdorfer Schülerin Relly etwa, deren Abschiebung erst nach massiven Protesten, an denen sich auch die Funke Redaktion beteiligt hatte, im April des Vorjahres verhindert werden konnte. Die unzähligen Frauen und Männer, deren EhepartnerInnen aufgrund ihres Aufenthaltsstatus´ abgeschoben wurden. Oder Bakary J., der von 3 Polizisten fast zu Tode gefoltert, nach wie vor auf seine Abschiebung wartet, während die mit bedingten Strafen davongekommenen Fremdenpolizisten seit wenigen Wochen wieder Dienst versehen. By the way, Liese Prokop wollte sich dereinst für das Vorgehen ihrer Beamten nicht entschuldigen; Bakary J. sei doch ein Drogendealer gewesen, entgegnete sie stattdessen bockig.
Nicht nur in Menschenrechtsfragen fungierte, die am 27. März 1941 geborene, ehemalige Leichtathletin Prokop, als Verfechterin einer restriktiven und rassistischen Politik mit Hang zur Hetze. Im Mai 2006 eröffnete sie mit einer falsch wiedergegebenen Studie, der zufolge 45% der Muslime und Muslimas „integrationsunwillig“ seien, den in weiterer Folge von BZÖ und FPÖ fortgeführten rassistischen AusländerInnenwahlkampf. Als wenige Wochen vor der Wahl ein Anschlag auf das Büro der Muslimischen Jugend Österreichs (MJÖ) verübt wurde, war ihr dies keinen Kommentar wert.
Am 31. Dezember 2006 beendete ein Riss der Aorta Leben und Amtszeit von Liese Prokop. In Erinnerung bleiben wird sie entgegen der öffentlichen Kampagne um ihre Person, als Verwalterin rassistischer Politik. Als diejenige, die das schärfste Asylgesetz der Geschichte der Zweiten Republik vorbereitet, beschließen lassen (im Übrigen mit Zustimmung der SPÖ) und vollzogen hat.
Wir nehmen uns aus, nicht zu trauern. Wir nehmen uns aus, an sie und das von ihr begangene Unrecht zu erinnern. Dem gilt unsere Empörung.
Samuel Stuhlpfarrer