Charity. Viele Reiche spielen sich gern als große Wohltäter auf, die Armut bekämpfen und das Gesundheits- sowie Bildungsniveau in Entwicklungsländern heben. Warum echte Wohltätigkeit Klassenkampf bedeutet, zeigt Martin Halder.
Nach der Ankündigung des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg 99% seiner Facebook-Anteile karitativen Zwecken zu widmen, brachen die bürgerlichen Medien in Jubelstimmung aus. Die Begeisterung war jedoch schnell verflogen, als bekannt wurde, dass es sich bei der Initiative von Zuckerberg und seiner Frau Priscilla Chan nicht um eine gemeinnützige, sondern um eine profitorientierte Rechtsform handelt. Schnell kam die Vermutung auf, ob die Facebook-Familie mit dieser Aktion nicht einfach nur vor der Steuer flüchten möchte. In Wirklichkeit bieten jedoch sowohl karitative wie auch privatnützige Stiftungen die Möglichkeit zur Steuerflucht, indem Geldvermögen und Wertgegenstände steuerfrei bzw. steuervermindert angelegt werden können. Länder wie Liechtenstein und die Schweiz sind dafür besonders beliebt, weil den Vermögensbesitzern dort massive Steuervorteile geboten werden und die Intransparenz gegenüber Kontrollbehörden gewahrt bleibt.
Profitables Geschäft
Schaut man sich die Charity-Initiativen von Superreichen etwas genauer an, findet man schnell heraus, dass diese nicht im Geringsten aus reiner Selbstlosigkeit erfolgen. So werden Stiftungen vorwiegend zur Steuerflucht, aber auch für Werbezwecke genützt. Außerdem bieten sie eine Möglichkeit profitorientierte Investitionen unter der weißen Charity-Weste zu tätigen.
Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Stiftung der Familie Gates, die weltweit größte Privatstiftung (Kapital: 43,5 Milliarden USD), in welche der Muster-Spekulant Waren Buffet seit 2006 jährlich Milliardenbeträge einzahlt. Bill Gates und seine Frau fungieren auch als große Vorbilder für andere KapitalistInnen, so auch für Mark Zuckerberg. Zu den größten „Glanztaten“ der „Bill- und Melinda-Gates-Stiftung” gehören die Unterstützung von berühmt berüchtigten Umweltsündern (z.B. BP oder Anglo American), das Vorantreiben einer härteren Patentpolitik in Pharmazie und Landwirtschaft (z.B. Monsanto) und die Finanzierung des repressiven Sicherheitsdienstes G4S. Dies alles geschah unter erheblichen Steuervorteilen und fetten Erträgen von jährlich durchschnittlich 3 Milliarden US-Dollar. Mit diesen Erträgen wurden somit zum größten Teil Pharmakonzerne und andere Unternehmen bzw. Organisationen finanziell unterstützt.
Die Microsoft-Stiftung finanziert aus diesen Erträgen aber auch Soft- und Hardware für zahlreiche Schulen in den USA, wodurch SchülerInnen sich schon früh an das Windows-Betriebssystem gewöhnen, was auf eine weitere Ausweitung ihres Marktanteils gegenüber den Konkurrenten abzielt. Diese milden Gaben für die Bildung sind so von Marktinteressen gesteuert, dass sich die LehrerInnengewerkschaft AFT gegen eine weitere Zusammenarbeit mit der Gates-Stiftung ausgesprochen hat.
Rentiert haben sich für Bill Gates seine nicht so gemeinnützigen Investitionen auf jeden Fall, befand er sich die letzten 20 Jahre doch 15 Mal auf Platz 1 der Liste der reichsten Menschen der Welt. Sein Vermögen konnte er von 2009 (40 Mrd. USD) bis 2015 (79,2 Mrd. USD) nahezu verdoppeln.
Hinter Mark Zuckerbergs Versprechen von Anfang Dezember 2015, Facebook-Aktien im Wert von 45 Milliarden USD karitativen Zwecken zu widmen, steckt ebenfalls die Absicht seinen eigenen Marktanteil auszubauen. Für den Facebook-Milliardär ist der Zugang zum Internet für alle Menschen ein wichtiges Anliegen, da dies mehr potenzielle Kunden für seine Firma bedeutet. Wie stümperhaft die Investition in diese Richtung aussieht, zeigte Facebook bereits in Kooperation mit anderen IT-Unternehmen mit dem Projekt „Free Basics“, welches Millionen von Menschen in Entwicklungsländern Internetzugang bieten sollte. Dieser Zugriff bleibt aber auf wenige ausgewählte Apps, darunter „Facebook“ und „WhatsApp“ (gehört ebenfalls zur Facebook Inc.), beschränkt.
Ein ähnlich amateurhaftes Produkt lieferte das „One-Laptop-Per-Child“-Projekt, welches leistbare Laptops vor allem für Entwicklungsländer produzierte. Der Hauptfokus für die beteiligten Unternehmen, darunter Google, war es, Daten aus unerschlossenen Gegenden zu sammeln, wozu ihnen ein amateurhaftes Gerät ohne Festplatte, mit Mini-Display und einer Akku-Handkurbel mehr als recht war. Echte Hilfe für derartige Länder müsste zuerst ein massives Wohnbauprogramm sowie den Aufbau einer funktionierenden Wasser-, Nahrungsmittel- und Stromversorgung garantieren, anstatt ein halbfertiges IT-Produkt zu liefern.
Karitative Heuchelei
Selbst wenn es sich um High Society-Wohltätigkeit in seiner ideellsten Form handeln würde, bei der also Selbstlosigkeit und nicht Profit im Vordergrund stünde, was im modernen Kapitalismus eine Seltenheit ist, bedeutet dies nichts weiter als Scheinheiligkeit. Dabei geht es nicht um die subjektiven Wesenszüge der MilliardärInnen, sondern um ihre objektive Rolle, welche sie in der kapitalistischen Klassengesellschaft spielen müssen.
Um dies weiter auszuführen, sollten wir uns einen zentralen Aspekt der marxistischen Ökonomie in Erinnerung rufen. Im Kapitalismus sind die LohnarbeiterInnen dazu gezwungen den KapitalistInnen ihre Arbeitskraft zu verkaufen und mit deren Produktionsmitteln Waren (Güter und Dienstleistungen) zu produzieren. Die ArbeiterInnen schaffen in diesem Produktionsprozess einen neuen Wert, zu welchem diese Ware nun vom Kapitalisten am Markt verkauft wird. Jedoch bekommen die ArbeiterInnen nicht den kompletten, von ihnen geschaffenen Wert als Lohn ausbezahlt, sondern der Kapitalist behält sich einen Teil. Bei diesem Teil, seinem Gewinn, handelt es sich also um einen Wert, welcher nicht von ihm, sondern von den ArbeiterInnen geschaffen wurde, er eignet ihn sich nur an. Somit kann man den Arbeitstag eines Arbeiters in zwei Teile einteilen, im ersten arbeitet er für seinen eigenen Lohn und im zweiten arbeitet er für seinen Kapitalisten.
Die Klasse der KapitalistInnen, egal ob direkt (Industriekapital) oder indirekt (Finanzkapital), generiert somit ihren Profit aus der unbezahlten Mehrarbeit der ArbeiterInnenklasse, dies nennt Marx den Mehrwert.
Aus der Mehrwerttheorie folgen zweierlei Dinge, die uns nun unmittelbar interessieren. Erstens bedeutet der Reichtum der Kapitalisten auf der einen Seite, die Armut der Massen auf der anderen. Das heißt die herrschende Klasse hat durch Mehrwertabschöpfung (Ausbeutung) und deren Maximierung, die Armut und das Elend auf dieser Welt zu verantworten. Die Profitlogik der Herrschenden ist also überhaupt erst der Grund, weshalb die Notwendigkeit für Wohltätigkeit besteht. Zweitens ist jeder Geldbetrag der von der Bourgeoise gespendet wird, nicht von ihr geschaffener Wert, sondern von den Massen der Lohnabhängigen. Es wird also nur ein kleiner Teil der Arbeiterklasse zurückgegeben, welcher sowieso den LohnarbeiterInnen als Klasse gehören würde.
Somit ist die Wohltätigkeit des Kapitals, egal wie nett gemeint, blanke Heuchelei oder bestenfalls das Schönreden der kapitalistischen Verhältnisse, handelt es sich doch bei der Philanthropie der Bürgerlichen um nichts weiter als jemanden, der irgendwo einbricht, die Einrichtung demoliert, teure Wertgegenstände erbeutet und ein paar Münzen zur Behebung des entstandenen Schadens zurück lässt. Oder um Engels heranzuziehen, welcher diese Heuchelei schon Mitte des 19. Jahrhunderts in „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ aufgedeckt und folgenderweise polemisiert hat: „Als ob dem Proletarier damit gedient wäre, dass ihr (englische Reiche, Anm.) ihn erst bis aufs Blut aussaugt, um nachher euren selbstgefälligen, pharisäischen Wohltätigkeitskitzel an ihm üben zu können und vor der Welt als gewaltige Wohltäter der Menschheit dazustehen, wenn ihre dem Ausgesogenen den hundertsten Teil dessen wiedergebt, was ihm zukommt!“
Wohltätigkeit und Imperialismus
Neben der geheuchelten Wohltätigkeit der Herrschenden gibt es auf der anderen Seite eine Vielzahl an selbstlosen Menschen, welche mit Spenden und freiwilliger, ehrenamtlicher Arbeit der Armut den Kampf ansagen wollen. Diese Hilfe bleibt nicht auf die eigene Nation beschränkt, sondern wird auch durch zahlreiche Spendenkampagnen in die ärmsten Länder dieser Welt getragen. Dies ist nicht zuletzt auch ein Ausdruck von enormem Mitgefühl für das Schicksal von Menschen auch in anderen Ländern. Außerdem widerlegt es den bürgerlichen Mythos, dass Menschen von Natur aus egoistisch seien.
Eins muss aber ganz klar gesagt werden: Jeder Erfolg solcher globalen Spendenaktionen, wie groß er auch sein mag, wird durch die Funktionsweise des Imperialismus wirtschaftlich, politisch und ideologisch um ein Vielfaches wieder zurückgeworfen. Solche Projekte sind also nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Selbst wenn gemeinnützige Schulen in Ländern des Mittleren Ostens oder Afrikas nicht zerstört werden, bleibt trotzdem die Frage, wie man nach der Schule einen Arbeitsplatz finden soll. Die Tatsache, dass die größten Monopole und Banken der industrialisierten Welt auf der Suche nach mehr Profit diese Länder bis aufs Mark ausbeuten, verhindert, dass sich innerhalb des Kapitalismus dort eine ausgebaute Infrastruktur und entwickelte Industrie finden lässt.
Der Kapitalismus in seinem höchsten Stadium (der Imperialismus) schafft die Aufteilung der Welt in wenige reiche und zahlreiche verarmte Länder, wobei Letztere gezielt ausgesaugt werden. Dies ist der Profitlogik des Kapitalismus und im speziellen den Industrie- und Bankenmonopolen der imperialistischen Länder geschuldet. Die meisten HelferInnen ignorieren diese Klassenfrage und argumentieren sehr moralistisch. Sie erklären die fatale Armut von sechs Milliarden Menschen durch den relativen Reichtum der anderen Milliarde aus westlichen Ländern, unabhängig davon, ob es sich um Spekulanten und Großindustrielle oder ausgebeutete Lohnabhängige handelt.
Unser Wohl
Wir sehen also, die KapitalistInnen handeln nicht gemeinnützig und ihre Wohltätigkeit dient im Regelfall nur als Deckmantel, um darunter ihren Profit maximieren zu können. Die Armen aber aus ihrer Armut zu befreien, können weder die individuellen Beiträge der Bourgeoisie noch des Proletariats ermöglichen, sondern nur der Klassenkampf. Nur wenn wir die Betriebe und Banken sowie ihr Vermögen in gesellschaftlichen Besitz überführen und es demokratisch kontrollieren, können wir die Armut bekämpfen und die Forschung, Bildung, sowie Gesundheit tatsächlich im Interesse der gesamten Menschheit weiterentwickeln.