Das Weiße Haus hat ein Dokument mit dem Titel "The Opportunity Costs of Socialism" („Die Opportunitätskosten des Sozialismus“) veröffentlicht, das die steigende Popularität des Sozialismus in den Vereinigten Staaten (insbesondere unter Jugendlichen) anerkennt und versucht, eine wissenschaftliche Widerlegung zugunsten des Kapitalismus zu bewirken. 

Alan Woods, Herausgeber von In Defence of Marxism, antwortet auf die Verleumdungen dieses Dokuments und untersucht, warum sozialistische Ideen in den USA an Bedeutung gewinnen.


 

Vor kurzem hat eine Gruppe von Spezialisten im Weißen Haus einen 76-seitigen Bericht über den Sozialismus verfasst, den sie offensichtlich als eine wachsende Bedrohung für die Vereinigten Staaten von Amerika betrachten. Der Bericht kann hier vollständig gelesen werden. Die Verfasser des Berichts sind Mitglieder des so genannten Council of Economic Advisers (CEA). So beschreibt sich der Rat selbst:

"Der Rat der Wirtschaftsberater, eine Agentur im Exekutivbüro des Präsidenten, hat den Auftrag, dem Präsidenten eine objektive wirtschaftliche Beratung bei der Formulierung der nationalen und internationalen Wirtschaftspolitik anzubieten. Der Rat stützt seine Empfehlungen und Analysen auf die Wirtschaftsforschung und empirische Erkenntnisse und verwendet die besten verfügbaren Daten, um den Präsidenten bei der Festlegung der Wirtschaftspolitik unseres Landes zu unterstützen."

Angesichts der Tatsache, dass die Politik des jetzigen Amtsinhabers im Oval Office aus Sicht vieler Kapitalstrategen als höchst fragwürdig angesehen wird, könnte man vermuten, dass die objektive Beratung durch den CEA nicht von höchster Qualität ist. Dieser Verdacht wird durch dessen Ratschläge in Bezug auf den Sozialismus auch weitgehend bestätigt. Doch bevor wir den Text abschließend beurteilen, sollten wir zumindest seine wichtigsten Argumentationslinien überprüfen.

Die tapferen Schneiderlein im Weißen Haus

Im Märchen schlägt das tapfere Schneiderlein - der Held, verärgert über das Summen der Fliegen um sein Marmeladenbrot - diese mit der Zeitung oder etwas vergleichbarem (ob es damals Zeitungen gab, entzieht sich unserer Kenntnis) und tötet sieben von den lästigen Insekten. Voller Stolz auf seine Errungenschaft zieht er mit einem Gürtel durch die Stadt, auf dem "Sieben auf einen Streich" steht. Die Menschen gehen natürlich davon aus, dass es sich dabei um sieben Menschen und nicht um sieben Fliegen handelt. Folglich wächst sein Ruhm immer weiter an, er stellt sich mehreren Riesen und besiegt sie, heiratet eine Prinzessin, wird König und lebt glücklich bis ans Ende seiner Tage.

Die Errungenschaften des CEA sind mit denen des tapferen kleinen Schneiderleins vergleichbar, nur in einem weitaus größeren Maßstab. Die intellektuellen Vertreter des Weißen Hauses (wenn wir sie so mutig beschreiben wollen) gehen nicht mit einem Gürtel durch die Straßen, sondern veröffentlichen ihre Abenteuer auf dem Gebiet der Ideen in den Massenmedien.

Trotz oberflächlicher Ähnlichkeiten gibt es aber einen Unterschied zwischen beiden. Während das kleine Schneiderlein in der Geschichte sich seiner Handlungen nicht bewusst war, sind sich diejenigen im Weißen Haus, die dieses traurige Dokument zusammengefügt haben, sehr bewusst, dass sie auf die dreisteste Art von Tricks zurückgreifen müssen, um die Ideen des Sozialismus zu diskreditieren. Diese Tricks mögen durchaus dazu dienen, leichtgläubige Leute zu täuschen, aber für diejenigen von uns, die noch ein Gehirn haben, mit dem sie denken können, ist der Betrug so durchsichtig, dass er skurril wirkt, wie so vieles, was heutzutage aus dem Weißen Haus kommt.
Es ist sehr bedeutsam, dass sie so ziemlich alles tun würden, um den Sozialismus "wissenschaftlich" zu widerlegen, obwohl dies auf eine vulgäre Karikatur hinausläuft, oder, wie einige Leute gern dazu sagen, auf Fake-News. Sie stellen einen Strohmann auf, um ihn dann wieder niederzuschlagen. Der hauptsächliche Trick besteht darin, den Sozialismus entweder mit dem bürokratisch-totalitären Stalinismus oder dem sozialdemokratischen Reformismus gleichzusetzen. Beide Analogien sind falsch, wie wir zeigen werden.

Marx ist zurück!

Das Dokument beginnt in auffallend schwungvoller Weise:

„Zeitgleich mit dem 200. Geburtstag von Karl Marx feiert der Sozialismus ein Comeback im politischen Diskurs Amerikas.“

Über diese Einschätzung kann es keine zwei Meinungen geben. Der bemerkenswerte Erfolg der Kampagne von Bernie Sanders, das Wachstum der Demokratischen Sozialisten von Amerika und viele andere Symptome zeigen eine markante Veränderung der Einstellung Amerikas zum Sozialismus.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde der Sozialismus in den USA mit dem Kommunismus gleichgesetzt, der wiederum mit dem stalinistischen Russland gleichgesetzt wurde, das wiederum gleichgesetzt wurde mit dem Reich des Bösen, das, wie wir alle wissen, gleichgesetzt wurde mit dem finsteren Reich Satans, des Antichristen und aller Dinge, die im Widerspruch zu Apfelkuchen, Mutterschaft und jedem anderen bekannten amerikanischen Wert stehen.

Seit Jahrzehnten werden der amerikanischen Öffentlichkeit ununterbrochen solches Zeug vorgesetzt. Es ist daher für viele überraschend, dass die jüngsten Meinungsumfragen eine bedeutende Veränderung in der Einstellung der einfachen Amerikaner zum Sozialismus ergeben haben. Daher kommt es unter konservativen Kommentatoren zu einer wachsenden Besorgnis, diese in Donald Trumps Weißem Haus mit eingeschlossen.

Die Ängste sind begründet. Die wachsende Unterstützung für sozialistische Ideen ist gut dokumentiert. Hier sind nur einige Beispiele. Fast die Hälfte der Anhänger der Demokraten aus der Millennial-Generation bezeichnen sich als Sozialisten oder demokratische Sozialisten, so die neue Umfrage von BuzzFeed News und Maru/Blue. Fast die Hälfte, 48 Prozent, gaben an, sich als demokratische Sozialisten oder Sozialisten zu bezeichnen. Demgegenüber betrachteten sich 39 Prozent als nichts von beidem.

Die Prozentsätze waren natürlich unter den Anhängern der Republikaner der Millennium-Generation niedriger, obwohl erstaunlicherweise auch von diesen 23 Prozent sich selbst sich als demokratische Sozialisten oder Sozialisten bezeichnen würden! Fast doppelt so viele Angehörige der Millennial-Generation gaben an, eher zu den Demokraten als zu den Republikanern zu neigen – 48 Prozent gegenüber 25 Prozent. 19 Prozent der Befragten erklärten sich für unabhängig.

Zum ersten Mal haben in den Gallup-Umfragen der letzten zehn Jahre die Anhänger der Demokraten ein positiveres Bild vom Sozialismus als vom Kapitalismus. Die Einstellung der Demokraten zum Sozialismus hat sich seit 2010 nicht wesentlich geändert, 57 Prozent haben heute eine positive Einstellung. Die größte Veränderung unter den Demokraten war eine weniger positive Einstellung zum Kapitalismus, die in diesem Jahr auf 47 Prozent fiel, das ist weniger als bei allen drei vorangegangenen Umfragen, obwohl die Republikaner dem Kapitalismus gegenüber nach wie vor viel positiver eingestellt sind als dem Sozialismus (16 Prozent betrachten den Sozialismus als positiv), mit wenig nachhaltigen Veränderungen in ihren Ansichten zu beiden Systemen seit 2010.

Am 18. März 2017 erschien in der National Review ein Artikel mit der interessanten Überschrift: „Die steigende Popularität des Sozialismus bedroht die Zukunft Amerikas“. Er stellt fest:

„Das alarmierendste Ergebnis, so George Barna, war, dass vier von zehn Erwachsenen sagen, sie bevorzugten den Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus‘, stellte das ACFI (American Culture & Faith Institute) in seinem Kommentar zur Umfrage fest. ‚Das ist eine große Minderheit‘, erklärte Barna, ‚und dazu gehört auch die Mehrheit der Liberalen - die darauf drängen werden, dass in unserem Land ein völlig anderes Wirtschaftsmodell vorherrscht. Aus diesem Stoff sind Bürgerkriege gemacht: Bei den traditioneller orientierten Führern sollte das die Alarmglocken zum Schrillen bringen, und zwar überall im Land.‘ Dass 40% der Amerikaner jetzt den Sozialismus dem Kapitalismus vorziehen, könnte eine Ankündigung dafür sein, dass es in der Politik der Gesetzgeber und politischen Führer und in der Rechtsprechung der Richter, die über die Anwendung neuer und bestehender Gesetze entscheiden, einen großen Wandel geben wird.“

Falls jemand den Ernst der Situation nicht verstanden haben sollte, wird der Artikel durch eine angemessen dramatische Zwischenüberschrift eingeleitet: „Zu viele von uns haben die Lehren aus dem Kalten Krieg vergessen.“ Das Dokument des Weißen Hauses unterstreicht diesen Punkt:

„Detaillierte Politikvorschläge von selbsternannten Sozialisten gewinnen im Kongress und bei einem Großteil der Wahlberechtigten an Unterstützung.“

Soweit sich das Dokument auf die Wahlberechtigten (d.h. die breite Bevölkerung) bezieht, ist diese Beobachtung richtig. Aber die Vorstellung, dass der US-Kongress mit Roten überschwemmt ist, stellt die Vorstellungskraft selbst des fähigsten Gehirns auf die Probe. Offensichtlich meinen die Intellektuellen des Weißen Hauses, es gebe im Kongress einige Leute, die solch revolutionäre Ideen befürworten wie das Recht des amerikanischen Volkes auf allgemeine Gesundheitsversorgung, kostenlose Bildung, ein bedingungsloses Grundeinkommen und noch weitere derart absurde Vorschläge, die eindeutig die Ideale des freien Marktes hintertreiben.

Unglücklicherweise stützt sich die Ansicht, dass die Demokraten im Kongress im Begriff sind, die rote Flagge über dem Capitol Hill zu hissen, auf nichts. Die oben genannten bescheidenen Vorschläge sind bei weitem nicht revolutionär, oder zumindest würden sie in keiner relativ zivilisierten Gesellschaft als solche betrachtet. Viele davon existieren auf in der ein oder anderen Form in Skandinavien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland und scheinen der kapitalistischen Ordnung nicht im Geringsten geschadet zu haben.

Dass es jetzt bei einigen Demokraten im Kongress eine gewisse lauwarme Unterstützung für den "Sozialismus" gibt, deutet offensichtlich auf eine Veränderung hin gegenüber der Vergangenheit, in der es absolut keine Unterstützung dafür gab. Aber das stellt keineswegs eine plötzliche Bekehrung der Demokraten zum wirklichen Sozialismus dar. Tatsächlich zeigt es einen wachsender Druck von unten auf den Kongress durch Millionen von Amerikanern an, die zunehmend unzufrieden mit dem Gesetz des Dschungels sind, das ihr Leben bisher beherrscht hat.

Der Bericht geht weiter: "Es ist natürlich unklar, was genau ein typischer Wähler im Sinn hat, wenn er oder sie an den Sozialismus denkt." Das ist leider wahr. Aber obwohl es der Fall sein kann, dass die meisten Menschen nicht genau wissen, was sie wollen, ist es auch wahr, dass sie genau wissen, was sie nicht wollen. Sie wollen nicht in einer Gesellschaft leben, in der Millionen von Menschen eine elementare Gesundheitsversorgung verweigert wird, die das unveräußerliche Recht der Menschen in jeder halbwegs zivilisierten Gesellschaft sein sollte. Sie wollen nicht von raffgierigen Kapitalisten ausgebeutet werden, die ihnen Hungerlöhne für lange Stunden schwerer Arbeit zahlen.

Sie wollen auch nicht von einer winzigen Clique obszön reicher Bankiers und Kapitalisten beherrscht werden, die nichts produzieren, aber alles besitzen und kontrollieren. Sie haben genug von dem alten System, in dem gut situierte Politiker - sowohl Republikaner als auch Demokraten - die Erfüllungsgehilfen der Wall Street sind und entsprechend den Interessen ihrer Klasse zum Nachteil der Interessen der überwältigenden Mehrheit regieren.
Jahrzehntelange Wut, Empörung und Frustration, die sich allmählich unter der Oberfläche angesammelt haben, beginnen endlich zu explodieren. Auf eigentümliche Weise spiegelte auch die Wahl von Donald Trump diese Wut wider. Aber Trump, selbst Milliardär, vertritt nicht die Interessen der Mehrheit der Arbeiterklasse in den USA. Im Wesentlichen vertritt er die gleichen Klasseninteressen wie Hillary Clinton: die der Bankiers und Kapitalisten, obwohl er dies auf seine ganz eigene Weise tut, die nicht immer nach deren Geschmack ist.

Leere Phrasen

Ohne weiter um den heißen Brei zu reden, kommt der CEA nun zur Sache:

"[....] Ökonomen sind sich im Allgemeinen darüber einig, wie man den Sozialismus definiert, und sie haben viel Zeit und Ressourcen dafür aufgewandt, die damit verbundenen Kosten und Vorteile zu untersuchen. Gestützt auf diese umfangreiche Literatur werden in diesem Bericht die historischen Visionen und Absichten des Sozialismus, seine wirtschaftlichen Merkmale, seine Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung und sein Verhältnis zu den jüngsten politischen Vorschlägen in den Vereinigten Staaten diskutiert.“

Eines der unglücklichen Merkmale des modernen Kapitalismus und seiner intellektuellen Gurus ist die ständige Verwässerung der englischen Sprache. Worte werden ständig verdreht und bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und verwandeln sich häufig in ihre Gegensätze. So hat heutzutage niemand mehr „problems“ [Probleme], sondern nur noch „issues“ [Fragestellungen]. Menschen werden nicht mehr „killed“ [getötet], sondern nur noch „taken out“ [entfernt]. In Kriegen gibt es keine „innocent civilian casualties“ [unschuldigen zivilen Opfer] mehr, sondern nur noch „collateral damage“ [Kollateralschäden]. So wird das Neusprech George Orwells auf die Spitze der Erhabenheit getrieben.

Die Autoren des vorliegenden Berichts haben ihr Bestes getan, um die sanfte Kunst der sprachlichen Verdunkelung weiterzuentwickeln. Ein Beispiel dafür ist der Begriff „Opportunitätskosten“. Aber zumindest versuchen sie, ihr seltsames Vokabular mit einer Definition aus einem Wörterbuch zu erklären. „Opportunitätskosten“ werden definiert als „entgangene Erlöse, die dadurch entstehen, dass vorhandene Möglichkeiten nicht wahrgenommen werden.“

Dass wir mit mehreren verschiedenen Möglichkeiten konfrontiert sind, ist selbst für ein nicht sehr intelligentes Kind von sechs Jahren selbstverständlich. Aber über welche konkreten Alternativen sprechen wir? Eine Alternative ist das, was bereits existiert. Es ist bekannt als Kapitalismus. Das bedeutet, in einer sehr einfachen Sprache: ein Wirtschaftssystem, in dem alles von einer Sache abhängt: der Produktion für den Profit. Das Leben von Millionen von Männern und Frauen wird im Kapitalismus von diesem einfachen Sachverhalt bestimmt.

Solange die Kapitalisten und Bankiers den Profit, den sie für angemessen halten, durch die Auspressung der Arbeiter erzielen können, werden sie weiterhin produzieren, die Menschen werden Arbeitsplätze haben und vielleicht sogar ein paar Krümel vom Tisch des reichen Mannes bekommen. Aber wenn die Kapitalisten nicht das bekommen, was sie für eine angemessene Entlohnung für ihre „Arbeit“ halten (woraus diese Arbeit eigentlich besteht, ist eine strittige Frage), werden sie die Fabriken schließen, als wären sie Streichholzschachteln, Arbeiter ohne die geringste Zurückhaltung auf die Straße werfen, ganze Gemeinschaften zerstören und eine ganze Generation zur Verzweiflung bringen.

Das ist tatsächlich schon einigen amerikanischen Arbeitern so passiert. Ehemals wohlhabende Gebiete, in denen die Großindustrie massenhaft Waren produzierte, wurden zu industriellen Wüsten. In Pennsylvania, Ohio und Michigan, Nordindiana, Ost-Illinois und Wisconsin wurden Minen und Fabriken geschlossen, Gemeinden dezimiert und Millionen von amerikanischen Bürgern auf ein Niveau von Armut, Elend und Verzweiflung reduziert, das seit den 1930er Jahren nicht mehr zu verzeichnen war.

Es war die Ablehnung dieser so genannten Alternative, die weitgehend hinter der verzweifelten Suche nach einem anderen Weg stand, die bei den letzten Präsidentschaftswahlen sehr deutlich wurde. Sie äußerte sich im Aufstieg Donald Trumps, der sich demagogisch an die Millionen von Amerikanern wandte, die vom kapitalistischen System auf den Schrott geworfen worden waren. Seine Rhetorik traf Menschen, die andere Politiker nicht bemerkt oder gar nicht erwähnt hatten. Es war diese Tatsache und nicht irgendeine „russische Einmischung“, die das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen bestimmte.

Trump and Sanders

Diese Frage hat jedoch noch eine andere Seite. Als Bernie Sanders zum ersten Mal seine Kandidatur ankündigte, hatten nur sehr wenige Amerikaner überhaupt von ihm gehört. Auf der anderen Seite kannte jeder Hillary Clinton. Doch innerhalb kürzester Zeit schoss Bernie Sanders in den Umfragen in die Höhe. Zu seinen Veranstaltungen kamen Zehntausende begeisterter, überwiegend junger Menschen, die nach einer Alternative suchten.

Auf diesen Massenveranstaltungen sprach Sanders über den Sozialismus, griff die Reichen und Mächtigen an und sprach sogar von der Notwendigkeit einer politischen Revolution gegen die Milliardärsklasse. Und die Reden fanden ihren Widerhall, nicht nur bei seinen eigenen Unterstützern, sondern auch bei vielen Menschen, die Donald Trump unterstützten. Tatsächlich war Sanders der einzige Kandidat, der Trump hätte besiegen können. Am Ende fiel das Establishment der Demokratischen Partei – wie vorherzusehen war - Bernie Sanders in den Rücken, der das leider hinnahm und die Menschen aufforderte, für Hillary Clinton zu stimmen - die zu Recht von vielen Wählern als Kandidatin der Wall Street gesehen wurde. Das Ergebnis ist allgemein bekannt.

Der große amerikanische Schriftsteller Gore Vidal erklärte einmal: „Unsere Republik hat eine Partei – die Eigentumspartei – mit zwei rechten Flügeln.“ Dieser bemerkenswerten Definition der amerikanischen Politik ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Sanders' großer Fehler war es, seine Kampagne an die Demokratische Partei zu binden, die, nicht weniger als die Republikanische Partei, eine Partei der Kapitalisten ist.

Was bedeutet Sozialismus?

Nun endlich versuchen die Autoren des Dokuments, uns zu sagen, was der Sozialismus denn eigentlich sei:

„Für die Ökonomen ist der Sozialismus kein Entweder-Oder. Ob ein Land oder eine Industrie sozialistisch ist, ist abhängig davon, in welchem Umfang a) die Produktionsmittel, der Verkehr und der Handel im Eigentum des Staates sind oder von ihm reguliert werden; und b) der Staat seine Kontrolle nutzt um die Wirtschaftsleistung verteilt, ohne zu beachten was der Endkonsument bereit ist zu zahlen oder einzutauschen (das heißt, Ressourcen ,gratis herzugeben´). Wie wir weiter unten erklären, stimmt diese Definition sowohl mit Aussagen als auch politischen Vorschlägen führender Sozialisten überein, angefangen von Karl Marx über Wladimir Lenin bis hin zu Mao Zedong und heutigen amerikanischen Sozialisten.“

Die Definition von „Sozialismus“ dieser anonymen Ökonomen kommt direkt aus der Ära der „Roten Angst“ der amerikanischen Politik. Im Sozialismus - so erklärt man uns - wird sich alles in den Händen des Staates, des monströsen, unterdrückerischen, bürokratischen Staates befinden, der alle Aspekte unseres Lebens kontrollieren will und uns dabei auf den Status von Sklaven reduziert.

Schlimmer noch: In einer Wirtschaft, in der Produktion, Verteilung und Austausch „im Eigentum des Staates sind oder von ihm reguliert werden“, wird die „Wirtschaftsleistung“ - was auch immer das heißt - „verteilt, ohne zu beachten was der Endkonsument bereit ist zu zahlen“. Oh Schreck - das heißt „Ressourcen gratis herzugeben.“

Allein die Vorstellung, etwas kostenlos herzugeben, sendet kalte Schauer über den Rücken jedes ehrenhaften Geschäftsmannes und Bankiers von den Florida Keys bis nach Alaska. Diese ungeheuerliche Idee würde das Ende der Zivilisation bedeuten, wie wir sie kennen! Aber betrachten wir diese Frage ein wenig detaillierter. Zunächst bringen wir dafür unsere eigene einfache Definition zum fundamentalen Unterschied von Sozialismus und Kapitalismus. Kapitalismus ist Produktion für privaten Profit. Sozialismus ist Produktion zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Wenn wir an diesen beiden grundlegenden Gedanken festhalten, kann es gar keine Verwirrung in dieser Sache geben.

Nehmen wir die aktuelle Situation. In den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts leben wir in einer Welt, in der die Produktivkräfte in so einem Ausmaß entwickelt sind, dass wir zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte ehrlich sagen können, dass niemand hungern müsste, niemand obdachlos sein müsste, keine Kinder am Mangel sauberen Wassers oder medizinischer Grundversorgung sterben müssten und auch niemand Analphabet sein müsste.
Nichts davon ist notwendig in der modernen Welt. Und doch sind all diese Dinge reichlich vorhanden, nicht nur in der sogenannten „Dritten Welt“ - Afrika, Asien, Lateinamerika. Es gibt sie auch in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, die USA, das reichste Land der Welt, mit eingeschlossen.

„Zahlungsbereitschaft”

Es gibt eine unüberbrückbare Kluft zwischen der Theorie der kapitalistischen „freien Marktwirtschaft“ und ihrer Praxis. Das Dokument spricht von der „Zahlungsbereitschaft“ der Verbraucher. Was aber wirklich gemeint ist, ist deren Fähigkeit zu zahlen. Jeder wäre bereit, für ein schönes Apartment in New York oder San Francisco zu zahlen - wenn er denn könnte. Das Problem ist, dass der Preis einer Wohnung in den großen amerikanischen Städten so gewaltig ist, dass so eine grundlegende Sache wie ein eigenes Heim für viele, wenn nicht sogar die meisten Amerikaner außer Reichweite liegt.

Hier kommen wir zurück zum fundamentalen Unterschied zwischen Sozialismus und Kapitalismus. Im Kapitalismus werden Güter nur produziert, wenn es eine Nachfrage für sie gibt. Aber das Wort Nachfrage muss hier präzise definiert werden. Es gibt einen gigantischen Unterschied zwischen „abstrakter Nachfrage“ und dem, was die Ökonomen „effektive Nachfrage“ nennen. Es gibt offensichtlich eine riesige Nachfrage nach Wohnraum in den USA, ebenso wie ein Großbritannien und allen Ländern. Unglücklicherweise ist die„effektive Nachfrage“ eine ganz andere Sache.

Der gefeierte französische Schriftsteller, Anatole France, hat einmal geschrieben: „Das Gesetz in seiner majestätischen Gleichheit verbietet den Reichen wie den Armen, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“ Dieses Zitat ist leicht anwendbar auf die aktuelle Situation in den USA. Natürlich genießt jeder im Kapitalismus die Freiheit, sich zu entschiden. Aber für Millionen armer Menschen kommt die viel gelobte Wahl, welche die Marktwirtschaft anbietet, der Wahl gleich, ob man in einem Hauseingang oder unter einer Brücke schlafen möchte.

Die hohen Wohnkosten sind einer der großen Skandale des Zeitalters, in dem wir leben. Die Millionen Obdachlosen, die verzweifelt versuchen, an ein Dach über dem Kopf zu kommen, haben bedauerlicherweise nicht die Mittel, die es ihnen ermöglichen würden, aus ihrem abstrakten Willen einen tatsächlichen Kauf zu machen.

Gibt es Anreize im Kapitalismus?

Das Dokument fährt fort:

„Wir stellen fest, dass die historische Verfechter sozialistischer Politik und diejenigen in den heutigen Vereinigten Staaten einige Visionen und Absichten gemeinsam haben. Beide charakterisieren die Einkommensverteilung in den Marktwirtschaften als ungerechtes Ergebnis der ‚Ausbeutung‘, die durch eine umfassende staatliche Kontrolle korrigiert werden soll.“

Wir stellen fest, dass das Wort Ausbeutung in Anführungszeichen gesetzt ist. Das bedeutet, dass es keine kapitalistische Ausbeutung gibt. Demnach müssen die Gewinne der Kapitalistenklasse aus dem Nichts kommen. Das Verhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit soll völlig harmonisch, gleich und gerecht sein. Und wir alle leben glücklich bis ans Ende unserer Tage.

Jede(r) amerikanische Arbeiter(in) weiß, dass das ein Märchen ist. Die Beziehungen zwischen Arbeitern und Kapitalisten sind keineswegs harmonisch, sondern vollkommen feindlich. Das muss aus dem einfachen Grund der Fall sein, weil die Gewinne der Kapitalisten aus der unbezahlten Arbeit der Arbeiterklasse stammen. Sie können ja gar nicht irgendwo anders herkommen. Die Autoren des Dokuments weisen den Begriff „Ausbeutung“ als „Beschwerde“ der Linken zurück. Verschämt verweisen sie auf die „Einkommensverteilung in der Marktwirtschaft“. Aber sie teilen uns nicht mit, was diese Verteilung ist. Nehmen wir uns einen Moment Zeit, sie aufzuklären.

Die Statistiken zeigen, dass die Ungleichheit zwischen den reichsten Schichten der amerikanischen Gesellschaft und den ärmsten langfristig zunimmt. Nach der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich tatsächlich verringert. Jetzt ist die gegenteilige Tendenz zu erkennen. Derzeit verdient ein Viertel der amerikanischen Arbeiter weniger als 10 Dollar pro Stunde, was unter der Armutsgrenze der USA liegt. Zwischen 1979 und 2007 stieg das Haushaltseinkommen für die reichsten ein Prozent der Haushalte um 275 Prozent. Für das obere Fünftel stieg es um 65 Prozent. Das Einkommen des unteren Fünftels stieg nur um 18 Prozent.

Nach Schätzungen des US Census Bureau (Statistikbehörde) aus dem Jahr 2017 lebten nach offiziellen Angaben 12,3 Prozent der amerikanischen Bevölkerung (39,7 Millionen Menschen) in Armut. Die Umfrage wird an die US-Haushalte geschickt, so dass die Armutsschätzungen diejenigen, die obdachlos sind, nicht berücksichtigen. Diese Zahlen schließen auch Militärangehörige aus, die nicht mit mindestens einem zivilen Erwachsenen zusammenleben, sowie inhaftierte Erwachsene.

Andere Schätzungen sind noch höher. Laut dem Census Bureau vermeldeten 18,5 Millionen Menschen tiefe Armut, was ein Haushaltseinkommen unter 50 Prozent der Armutsgrenze von 2017 bedeutet. Diese Personen stellten schätzungsweise 5,7 Prozent aller Amerikaner und 46,7 Prozent der Armen dar. Die meisten ArbeiterInnen im Niedriglohnsektor erhalten von ihren Arbeitgebern keine Krankenversicherung, Krankengeld oder Altersvorsorge. Diese ArbeiterInnen können es sich nicht leisten, krank zu sein und haben keine Hoffnung, jemals in den Ruhestand zu gehen.

Die Bedeutung der kapitalistischen Ausbeutung

Karl Marx hat vor langer Zeit erklärt, dass die Gewinne der Kapitalisten in Wirklichkeit die unbezahlte Arbeit der Arbeiter sind. Das Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital ist daher an sich feindlich. Dies gilt auch in guten Zeiten, wenn die Löhne steigen, wie Marx betont:

„Wir sehen also, daß selbst, wenn wir innerhalb des Verhältnisses von Kapital und Lohnarbeit stehnbleiben, die Interessen des Kapitals und die Interessen der Lohnarbeit sich schnurstracks gegenüberstehn.

Eine rasche Zunahme des Kapitals ist gleich einer raschen Zunahme des Profits. Der Profit kann nur rasch zunehmen, wenn der Preis der Arbeit, wenn der relative Arbeitslohn ebenso rasch abnimmt. Der relative Arbeitslohn kann fallen, obgleich der reelle Arbeitslohn gleichzeitig mit dem nominellen Arbeitslohn, mit dem Geldwert der Arbeit steigt, aber nur nicht in demselben Verhältnis steigt wie der Profit. Steigt z.B. in guten Geschäftszeiten der Arbeitslohn um 5 Prozent, der Profit dagegen um 30 Prozent, so hat der verhältnismäßige, der relative Arbeitslohn nicht zugenommen, sondern abgenommen.

Vermehrt sich also die Einnahme des Arbeiters mit dem raschen Wachstum des Kapitals, so vermehrt sich gleichzeitig die gesellschaftliche Kluft, die den Arbeiter vom Kapitalisten scheidet, so vermehrt sich gleichzeitig die Macht des Kapitals über die Arbeit, die Abhängigkeit der Arbeit vom Kapital.

Der Arbeiter hat ein Interesse am raschen Wachstum des Kapitals, heißt nur: Je rascher der Arbeiter den fremden Reichtum vermehrt, desto fettere Brocken fallen für ihn ab, um desto mehr Arbeiter können beschäftigt und ins Leben gerufen, desto mehr kann die Masse der vom Kapital abhängigen Sklaven vermehrt werden.

Wir haben also gesehen:
Selbst die günstigste Situation für die Arbeiterklasse, möglichst rasches Wachstum des Kapitals, sosehr sie das materielle Leben des Arbeiters verbessern mag, hebt den Gegensatz zwischen seinen Interessen und den Bourgeoisinteressen, den Interessen des Kapitalisten, nicht auf. Profit und Arbeitslohn stehen nach wie vor im umgekehrten Verhältnis.

Ist das Kapital rasch anwachsend, so mag der Arbeitslohn steigen; unverhältnismäßig schneller steigt der Profit des Kapitals. Die materielle Lage des Arbeiters hat sich verbessert, aber auf Kosten seiner gesellschaftlichen Lage. Die gesellschaftliche Kluft, welche ihn vom Kapitalisten trennt, hat sich erweitert." (Karl Marx, Lohnarbeit und Kapital, MEW Bd. 6, S. 415f, Dietz Verlag, Berlin/DDR, 1959)

Dies ist sicherlich in den USA der Fall, wo die Gewinne boomten, während die Löhne weitgehend stagnierten und der Anteil der Löhne der Arbeitnehmer an dem von ihnen geschaffenen Reichtum deutlich gesunken ist. In einem Bericht des Economic Policy Institute (August 2018) heißt es dazu:

„Von 1973 bis 2017 stieg die Nettoproduktivität um 77,0%, während der Stundenlohn der typischen Arbeiter im Wesentlichen stagnierte -und über 44 Jahre hinweg nur um 12,4% (inflationsbereinigt) stieg. Das bedeutet, dass die Amerikaner zwar produktiver denn je arbeiten, die Früchte ihrer Arbeit aber vor allem denen an der Spitze und den Unternehmensprofiten zugutekommen, das gilt besonders in den letzten Jahren.“

Die Reichen sind nach der Finanzkrise 2008 beständig reicher geworden. Im Jahr 2012 nahmen die obersten 10 Prozent der Einkommensbezieher 50 Prozent des gesamten Einkommens mit nach Hause. Das ist der höchste Prozentsatz der letzten 100 Jahre. Bis 2015 lagen die obersten 10 Prozent Amerikas bereits mehr als neunmal so hoch wie die unteren 90 Prozent. Und das oberste ein Prozent der Amerikaner verzeichnete durchschnittlich mehr als das 40-fache des Einkommens der untersten 90 Prozent.

Da die Reichen schneller reicher wurden, wurde ihr Anteil am Kuchen größer. Die wohlhabendsten 1 Prozent steigerten ihren Anteil am Gesamteinkommen um 10 Prozent. Alle anderen sahen, wie ihr Stück vom Kuchen um 1-2 Prozent schrumpfte. Auch wenn sich die Einkommen der Armen in absoluten Zahlen verbesserten, fielen sie im Vergleich zu den Reichsten weiter zurück. Infolgedessen nimmt die Ungleichheit ständig zu.

Obszöne Gewinne werden von den großen Kapitalisten erzielt. Der Vorstandsvorsitzende von Marathon Petroleum verdiente 19,7 Millionen Dollar, 935 Mal mehr als einer der durchschnittlichen ArbeiterInnen des Unternehmens (21.034 Dollar). Der Vorstandsvorsitzende von Whirlpool verdiente 7,1 Millionen Dollar, das 356-fache eines durchschnittlichen Mitarbeitergehalts von 19.906 Dollar. Honeywells durchschnittlicher Arbeiterlohn beträgt 50.000 Dollar. Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens verdiente 16,8 Millionen Dollar oder 333 Mal mehr.

Dieser Trend beschränkt sich nicht nur auf die USA. Tatsächlich gibt es weltweit einen Trend zur Zunahme der Einkommensungleichheit in Entwicklungs- und Industrieländern. Erstens stagnieren die Reallöhne für die Mehrheit der Bevölkerung, obwohl die Produktivität aufgrund arbeitnehmerfeindlicher Maßnahmen, die die Tarifverhandlungen untergraben, steigt. Zweitens haben sich die Vermögen durch sinkende Steuern für Unternehmen und Menschen mit hohem Einkommen an der Spitze angehäuft.

David Autor, ein Ökonom am Massachusetts Institute of Technology, veröffentlichte zusammen mit vier anderen Ökonomen ein Papier mit dem Titel „The Fall of the Labor Share and the Rise of Superstar Firms“. (Der Rückgang des Anteils der Arbeit und der Aufstieg von Superstar-Firmen) Darin lesen wir: „Die Branchen lassen sich zunehmend mit ‚winner take most‘ [Die Gewinner nehmen das Meiste] charakterisieren, wobei eine kleine Anzahl von Unternehmen einen sehr großen Marktanteil erreichen.“

Unter Ökonomen ist eine der meist diskutierten Entwicklungen der sprunghafte Rückgang des Anteils der Arbeit an der gesamten Wirtschaftsleistung. In einem Papier aus dem Jahr 2016, „Declining Labor and Capital Shares“ (Rückläufige Arbeits- und Kapitalanteile), fand Simcha Barkai, Professor für Finanzwesen an der London School of Business, heraus, dass der Rückgang der Arbeitsquote einen großen Gewinner hervorbrachte, die Gewinnquote, die von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 1984 auf 16 Prozent 2014 stieg. Barkai schreibt:

„Um ein Gefühl für die Größenordnung zu vermitteln: die gemeinsamen Anteile von Arbeit und Kapital sind um 13,9 Prozentpunkte gesunken, was 1,2 Billionen Dollar im Jahr 2014 entspricht. Die Gewinnquote betrug im Jahr 2014 ca. 15,7%, was 1,35 Billionen US-Dollar oder 17.000 US-Dollar für jeden der ca. 80 Millionen Mitarbeiter im nichtfinanziellen Unternehmenssektor gleichkommt.“

Mit anderen Worten, Aktionäre und Unternehmer haben durch die Erhöhung der Gewinnquote Gewinne in Höhe von 1,35 Billionen US-Dollar oder 17.000 US-Dollar pro Mitarbeiter erzielt. Tatsächlich ist die Kluft zwischen Arbeitern und Kapitalisten, Reichen und Armen, jetzt größer als je zuvor in den letzten hundert Jahren - das heißt, seit der Zeit, als Teddy Roosevelt die raubgierige Herrschaft derer, die er die Räuberbarone nannte, verurteilte.

Was die Fachsprache der Ökonomen verschleiern kann, ist, dass das für viele Menschen sehr schmerzhaft ist. Die unaufhaltsame Zunahme der Ungleichheit zwischen Reich und Arm in den Vereinigten Staaten ist keineswegs eine Erfindung der Linken. Es ist eine empirisch überprüfbare Tatsache, die bei den hartnäckigsten Verteidigern des kapitalistischen Systems immer häufiger die Alarmglocken klingeln lässt.

Dies erklärt großteils, warum die Ideen des Sozialismus in den Vereinigten Staaten von Amerika ein immer größeres Publikum finden. Sie entlarvt auch die Lüge, dass die Interessen von Arbeitern und Kapitalisten identisch sind und unterstreicht die Tatsache, dass die grundlegende Bruchlinie in der Gesellschaft der Gegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital ist.

Kein Anreiz?

Nun zur kleinen Frage der Motiviaton. Das Dokument teilt uns mit:

„Bei der Bewertung der Auswirkungen sozialistischer Politik ist es wichtig zu erkennen, dass diese wenig materielle Anreize für Produktion und Innovation bietet und durch die kostenlose Verteilung von Waren und Dienstleistungen verhindert, dass Preise wirtschaftlich wichtige Informationen über Kosten und Verbraucherbedürfnisse und -wünsche offenlegen. In diesem Zusammenhang argumentierte die damalige Premierministerin des Vereinigten Königreichs, Margaret Thatcher (1976), einmal: ‚Sozialistischen Regierungen.... geht irgendwann das Geld anderer Leute aus‘, und deshalb besteht der Weg zum Wohlstand darin, dass der Staat den Leuten mehr Wahlmöglichkeiten gibt, ‚ihr eigenes Geld auf ihre eigene Weise auszugeben‘.

Jetzt wissen wir, dass „der Sozialismus die private Initiative zerstört und die Innovation hemmt“. Ja, wir kennen diese alte Leier. Sie wird schon seit langer Zeit gespielt. Das heißt aber nicht, dass sie mit der Zeit besser wird.

Aber Moment! Ihr sagt, der Sozialismus bietet keinen Ansporn für die Initiative der Arbeiter. Aber welchen Ansporn haben die Arbeiter in eurem System?

Arbeiter in den USA arbeiten viele Stunden, oft unter sehr schlechten Bedingungen und viel zu oft haben sie mehrere Jobs, um bis zum Ende eines Monats zu überleben. Eine Arbeiterin steht früh am Morgen auf, schleppt sich in die Arbeit, arbeitet rund um die Uhr, kommt geistig und körperlich verbraucht zurück, schläft vor dem Fernseher ein, wacht auf am Morgen und beginnt mit der ganzen elenden Routine von vorne. Gewiss müssen sich einige Leute fragen, ob das Beschriebene tatsächlich ein Leben ist?

Es gibt eine Geschichte über Donald Trump. Sie mag wahr oder falsch sein, aber sie ist sicherlich erhellend. Der Präsident war zu einem Abendessen mit seinen Milliardärsfreunden in Manhattan eingeladen. Während seiner Rede nach dem Abendessen prahlte er in seiner typisch aufgeblasenen Art: „Ich habe eine Million neuer Jobs geschaffen.“ Der Kellner, wahrscheinlich ein Latino-Einwanderer, merkte dazu an: „Ich weiß, Herr Präsident. Ich habe drei davon!“

Die Kapitalisten haben einen Haufen materieller Anreize: Ein riesiges Vermögen anzuhäufen, indem sie den Mehrwert aus dem Schweiß der Arbeiter herauspressen. Letztere sind im Gegensatz dazu dadurch „motiviert“, dass sie überleben wollen, denn sie müssen genug verdienen, um ihre monatlichen Rechnungen und Miete zu zahlen, um zu verhindern, dass sie und ihre Familien auf die Straße geschmissen werden. In diesem Fall muss das Wort „Motivation“ durch ein anderes Wort ersetzt werden: Nämlich Zwang.

Das Ende des amerikanischen Traums

In der Vergangenheit gab es den sogenannten amerikanischen Traum. Viele Menschen glaubten, dass, wenn sie hart genug arbeiteten, Opfer brachten und Geld sparten, sie eines Tages in der Lage sein könnten, die Arbeiterklasse hinter sich zu lassen und zu wohlhabenden Geschäftsleuten zu werden. Das ist vorbei! Der amerikanische Traum ist zum amerikanischen Albtraum geworden. Egal, wie hart man arbeitet, man spart sich nie genug Geld an, um sein Leben zu verändern. Alles scheint immer gleich zu bleiben. Tatsächlich scheint es eher immer schlimmer zu werden.

In der Vergangenheit konnten auch arme Menschen hoffen, dass es für ihre Kinder besser werden würde. Jede Generation junger Amerikaner konnte sich auf ein Leben freuen, das besser war als das ihrer Eltern. Das ist vorbei! Die Zahlen und Fakten belegen, dass die heutige Generation junger Amerikaner kein besseres Leben erwarten kann als ihre Eltern. Im Gegenteil, das Leben wird härter, gemeiner, ungleicher, ungerechter und unsicherer als je zuvor.

Zu all diesen Tatsachen haben die Autoren des Dokuments nichts zu sagen. Die Summe ihrer Weisheit besteht darin, die amerikanischen ArbeiterInnen und Jugendlichen zu warnen, dass der Sozialismus ihnen keinen Anreiz bietet. Welchen Anreiz sie möglicherweise im derzeitigen System haben könnten, verschweigen sie.

„Dies ist ein empirischer Bericht über den Sozialismus, der die aktuelle US-Politik zum Maßstab nimmt. Dieser Maßstab hat den Vorteil, vergleichbar zu sein, unterscheidet sich aber notwendigerweise von theoretischen Konzepten vom ‚Kapitalismus‘ oder der ‚freiern Märkte‘, da die US-Regierung ihre Tätigkeit nicht auf theoretisch definierte öffentliche Güter beschränken darf.“

Es ist unmöglich, die Bedeutung dieses Absatzes zu verstehen - auch wenn man sich aus einem verwickelten Dschungel von Grammatik und Syntax herauskämpfen könnte (was an sich schon eine beachtliche Leistung wäre). Weisen wir zunächst danach hin, dass es sich bei weitem nicht um einen „empirischen Bericht“ handelt, sondern um absolut nichts Empirisches. Eine Reihe von unbegründeten Behauptungen und Anschuldigungen steht da und wird von keiner einzigen Tatsache untermauert. Dennoch sind sie so dreist, zu behaupten, dass dieser „empirische Bericht“, der nicht auf identifizierbaren Fakten basiert, den Vorteil habe, den Vorteil der „Vergleichbarkeit“ zu haben.

Was soll uns die Vergleichbarkeit! Es wäre ein großer Vorteil, wenn er zumindest verständlich wäre.
Da erwartet man allerdings vielleicht zu viel von einem Weißen Haus, das den geistigen Windungen eines Donald J. Trump folgt. Vergleichen kann man in den Vereinigten Staaten von Amerika sicher, wie die Reichen in obszöner Weise immer reicher werden, während die Armen anhaltend weiter verarmen. Das ist ein Maßstab, der selbst für die Blindesten unter den Blinden sehr durchschaubar ist. Leider scheint er der intellektuellen Elite des Weißen Hauses nicht klar zu sein.

Nachdem wir mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, um uns aus dem syntaktischen und grammatikalischen Dschungel zu kämpfen, erreichen wir endlich nun eine Lichtung. Mit einem hörbaren Seufzer der Erleichterung sind die Autoren des Dokuments endlich zu dem Schluss gekommen:

„Im Vergleich zum US-Maßstab stellen wir fest, dass sozialistische öffentliche Politik, obwohl sie angeblich gut gemeint ist, klare Opportunitätskosten hat, die unmittelbar mit dem Grad zusammenhängen, in dem sie besteuern und kontrollieren.“

Unsere Freunde im Weißen Haus teilen uns freundlicherweise mit, dass Sozialisten zwar gute Absichten haben, aber unmöglich mit den großen Erfolgen und Möglichkeiten der freien Marktwirtschaft (hier als „US-Maßstab“ bezeichnet) konkurrieren können. Warum nicht? Wegen des Grades, in dem sie besteuern und regulieren.

Nun weiß jeder, dass es zwei Wörter gibt, um engagierte Republikaner garantiert zu einem Tobsuchtsanfall zu bringen. Diese Wörter sind Steuern und Regulierung. Solche Worte zu äußern, wird von ihnen als annähernd gleichwertig mit dem Fluchen am Sonntag in der Kirche angesehen.

Besteuerung und Regulierung sind der Tod der freien Marktwirtschaft, wie wir alle wissen. Die Märkte funktionieren am besten, wenn es überhaupt keine staatliche Beteiligung daran gibt. Wenn sie sich selbst überlassen werden, werden die Märkte alle Probleme lösen. Es wird keine Krisen geben, wir werden alle ein glückliches, produktives und vor allem profitables Leben führen.

Diese beruhigende Theorie, wie sie von Margaret Thatcher, die in dem Dokument liebevoll zitiert wird, begeistert angenommen wurde, war früher in jedem Schulbuch enthalten. Sie wurde bis zum Überdruss in jedem Seminarraum der Universität wiederholt. Sie nahm einen ähnlichen Platz in den Geheimnissen der politischen Ökonomie ein wie die Zehn Gebote in der Bibel.

Heutzutage ist eine wachsende Zahl von Ökonomen – das müssen nicht unbedingt Linke sein - zu dem Schluss gekommen, dass ein gewisses Maß an Regulierung absolut notwendig ist, um das schreckliche Durcheinander, wie wir es 2008 erlebt haben, zu verhindern. Sie erkennen, dass eine neue Krise unvermeidlich ist. Und sie haben völlig Recht, denn solche Krisen sind dem kapitalistischen System innewohnend und völlig unvermeidlich.

Aber unsere Intellektuellen im Weißen Haus können sich nicht dazu durchringen, dem zuzustimmen. Sie können die Idee der Regulierung der kapitalistischen Wirtschaft nicht ertragen, da diese ihrer Meinung nach von selbst sehr gut funktioniert. Die Lektionen von 2008, oder besser gesagt 1929, sind für sie ein Buch mit sieben Siegeln.

Was die Besteuerung betrifft, so ist das eine unverzeihliche Einmischung in die grundlegende Triebkraft des Kapitalismus. Sie stört das Allerheiligste: die Gewinne. Es ist egal, dass viele Schulen im reichsten Land der Welt zusammenfallen. Es ist egal, dass das amerikanische Gesundheitssystem Millionen von Menschen im Stich lässt und von den Bürgern anderer Länder mit Entsetzen betrachtet wird. Vergesst all diese Dinge, solange die Gewinne der Großbanken und Wall-Street-Haie gesichert sind. Tatsächlich zahlen die Bankiers und Kapitalisten in den USA und in allen anderen kapitalistischen Ländern wenig oder gar keine Steuern. Sie bezahlen kluge Anwälte, um Lücken in den Gesetzen zu finden, die es ihnen ermöglichen, dass Milliarden von Dollar in Steueroasen in der Karibik und anderswo abfließen. Ihre ständige Prinzipienreiterei bezüglich der Steuerlast ist pure Heuchelei.

In Wirklichkeit sind es die Arbeiterklasse und die Mittelschicht, die den Löwenanteil der Steuern zahlen. Aber das hinderte Trump nicht daran, eine Gesetzgebung einzuführen, die die Besteuerung der Reichen drastisch reduziert, während sie dem Rest ein paar Krümel überlässt. Hier haben wir also den eigentlichen Maßstab der US-Wirtschaftspolitik: die Armen auszurauben, um den Reichen zu helfen. Das ist ein sehr schöner Anreiz - für die reichsten ein Prozent der Bevölkerung, aber keineswegs für die restlichen 99 Prozent.

Die „Markteffizienzhypothese“

Die Ökonomen präsentieren uns ein schönes Bild, auf dem der freie Markt alle unsere Probleme ohne Regulierung oder staatliche Eingriffe löst. Nach dieser Theorie gleichen sich Angebot und Nachfrage am Ende immer aus, so dass der Markt wie eine Art Pendel wirkt, das glatt von einem Punkt zum anderen schwingt, aber immer zu einem perfekten Gleichgewicht zurückkehrt.

Die wunderbare Idee, dass sich die kapitalistische Marktwirtschaft automatisch und ohne staatliche Eingriffe regulieren lässt, wurde in einer Theorie verankert, die als Markteffizienzhypothese bekannt ist. Sie wird als neue Idee präsentiert. Tatsächlich ist es eine sehr alte Idee. Früher war sie als Say‘sches Theorem bekannt - ein Unsinn, der vor etwa 150 Jahren von Karl Marx systematisch demontiert wurde.

Im Gegensatz zu den theoretischen Ökonomen des Seminarraums der Universität hat der Milliardär George Soros ein ziemlich gutes Verständnis dafür, wie Märkte in der Praxis funktionieren, da er damit viel Geld verdient hat. Er sagte, der Markt sei nicht wie ein Pendel, sondern wie eine Abrissbirne. Er sollte recht behalten, als 2008 die freie Marktwirtschaft über Nacht wie ein Kartenhaus zusammenbrach.

Was taten die Bankiers und Kapitalisten damals? Haben sie gesagt: „Der Staat darf sich nicht einmischen. Die Märkte werden sich am Ende selbst in Ordnung bringen“? Nein, haben sie nicht! Sie kamen mit ausgestreckten Armen zum Staat gerannt und forderten große Mengen an öffentlichen Geldern, um sie zu retten. Und dann geschah etwas Außergewöhnliches. George W. Bush, ein republikanischer Präsident und energischer Anhänger der freien Marktwirtschaft und Gegner jeglicher staatlichen Intervention, kam mit einem offenen Scheckbuch daher. „Wie viel wollt ihr, Jungs? Eine Milliarde? Nehmt eine Milliarde! Zehn Milliarden? Hier, nehmt alles! Schließlich sind es nur öffentliche Gelder.“

Und die Bankiers nahmen es - alles. Das und die gewaltigen Kosten der Afghanistan - und Irak-Kriege sind der Ursprung der berüchtigten Staatschulden – zu denen die Autoren dieses Dokuments absolut nichts zu sagen haben. Tatsache ist, dass im Jahr 2008 das kapitalistische System mit atemberaubenden Mengen an öffentlichen Geldern gerettet wurde.

Im Kommunistischen Manifest schrieben Marx und Engels: „Der Staat wird zum bloßen ‚Ausschuss‘, der die ‚gemeinschaftlichen Geschäfte‘ der Bourgeoisie verwaltet.“ Das ist genau das, was wir hier sehen. Im Jahr 2008 wurde das kapitalistische System durch die Intervention des Staates gerettet - genau desselben Staats, der keine Rolle in der Wirtschaft spielen sollte. Die Privatbanken und Unternehmen wurden vom Staat wie ein kranker Mann auf Krücken unterstützt. Ohne diese Intervention wären sie zusammengebrochen.

Die Priorität des kapitalistischen Staates ist die Erhaltung der gegenwärtigen Ordnung. Sein oberstes Anliegen ist es, die Gewinne des Privatsektors zu sichern, desselben Privatsektors, der 2008 die Weltwirtschaft ruiniert hat. Natürlich haben die Jungs von der CEA zu all dem überhaupt nichts zu sagen. Es ist zu peinlich zuzugeben, dass ihre viel gepriesene Marktwirtschaft gezeigt hat, dass sie (buchstäblich) bankrott war und vom amerikanischen Steuerzahler gerettet werden musste. Sie sind auch nicht geneigt, uns mitzuteilen, wie hoch die Opportunitätskosten dieser Operation waren oder wie die Großzügigkeit der US-Steuerzahler belohnt wurde.

Drücken wir das in einer einfachen Sprache aus, damit auch die Mitglieder der CEA es verstehen können. Die Privatbanken und Unternehmen erhielten das Äquivalent einer riesigen Bluttransfusion, welche die öffentlichen Finanzen trockenlegte und sie in einen Zustand chronischer und lebensbedrohlicher Blutarmut brachte. Ein riesiges schwarzes Loch in den privaten Finanzen der Großbanken wurde auf wundersame Weise in ein gigantisches schwarzes Loch in den öffentlichen Finanzen verwandelt. Seitdem wird uns gesagt, dass es kein Geld für Schulen, Gesundheit, Renten, Straßen, Häuser oder etwas anderes gibt, das vom kapitalistischen System nicht als Priorität angesehen wird.

Wenn ein Arbeiter eine Maschine in einer Fabrik zerstörte, würde er sofort entlassen und möglicherweise auf Schadenersatz verklagt werden. Aber wenn eine Bande hochbezahlter Bankiers das gesamte Weltfinanzsystem zerstört, werden sie nicht entlassen, nicht verklagt, nicht wegen Betrugs ins Gefängnis gesteckt, wie sie es wohl verdient hätten. Stattdessen werden sie mit riesigen Mengen an öffentlichen Geldern belohnt - Geld, das aus den Taschen der ärmsten und verletzlichsten Schichten der Gesellschaft gestohlen wird. Es bedeutet Austeritätspolitik für die Unteren und öffentliche Zuwendungen für die Oberen. Es ist wie bei Robin Hood, nur umgekehrt!

Skandinavischer Sozialismus?

„Obwohl sie manchmal als relevantere sozialistische Erfolgsgeschichten genannt werden, stützen die Erfahrungen der nordischen Länder auch die Schlussfolgerung, dass der Sozialismus den Lebensstandard senkt. In vielerlei Hinsicht unterscheidet sich die Politik der nordischen Länder heute erheblich von dem, was Ökonomen im Sinn haben, wenn sie an den Sozialismus denken. So bieten sie beispielsweise keine kostenlose Gesundheitsversorgung; die Finanzierung des nordischen Gesundheitswesens beinhaltet eine erhebliche Kostenbeteiligung. Die Steuersätze auf Arbeitseinkommen in den nordischen Ländern sind heute nur noch etwas höher als in den Vereinigten Staaten und die nordische Besteuerung ist insgesamt überraschend weniger progressiv als die US-Steuer. Auch besteuern die nordischen Länder Kapitalerträge weniger und regulieren die Produktmärkte weniger als die Vereinigten Staaten. Die nordischen Länder regulieren und besteuern die Arbeitsmärkte jedoch etwas mehr; so würden amerikanische Familien, die den Durchschnittslohn verdienen, 2.000 bis 5.000 Dollar mehr pro Jahr mehr an Steuern zahlen wenn die Vereinigten Staaten gegenwärtig eine Politik wie die nordischen Länder betreiben würde. Der Lebensstandard in den nordischen Ländern ist um mindestens 15% niedriger als in den USA.

Es kann gut sein, dass amerikanische Sozialisten sich vorstellen, unsere Politik an die der nordischen Länder in den 1970er Jahren anzupassen, als deren Politik eher der traditionellen Definition des Sozialismus, wie er von Ökonomen verstanden wird, entsprach. Wir schätzen, dass, wenn die Vereinigten Staaten diese Politik übernehmen würden, ihr reales BIP langfristig um mindestens 19% oder etwa 11.000 Dollar pro Jahr für den Durchschnittsbürger sinken würde."

Dieses Dokument, das sich als ein Beispiel für eine unabhängige, wissenschaftliche und „empirische“ Forschung ausgibt, ist nichts dergleichen. Die Autoren haben sorgfältig „Beweise“ ausgesucht, um zu zeigen, dass der Sozialismus eine „schlechte Idee“ ist. In Wirklichkeit zeigt jedoch gerade die Tatsache, dass sie sich gezwungen fühlten, ein solches Dokument zu erstellen, dass sie über das wachsende Interesse am Sozialismus besorgt sind.

Unter dem Druck der Arbeiterklasse und der Arbeiterbewegung hat die Kapitalistenklasse bestimmter Länder einige Maßnahmen im Interesse der ArbeiterInnen durchgeführt, wie beispielsweise die öffentliche Gesundheitsversorgung. Das war in den nordischen Ländern in den Jahrzehnten des wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall.

Damals konnten es sich die Kapitalisten leisten. Aber die Krise des Kapitalismus hat die skandinavischen Länder so hart getroffen wie alle anderen auch, und statt Reformen sehen wir jetzt Kürzungen und Sparmaßnahmen. Wie in dem Dokument dargelegt, ist es nicht wahr, dass die Gesundheitsversorgung in den meisten nordischen Ländern als „kostenloses“ Geschenk des Staates angeboten wird. Nur in Dänemark ist die Gesundheitsversorgung kostenlos. In Norwegen, Schweden und Finnland kostet sie Geld, obwohl nur eine Schutzgebühr von 25 bis 76 Dollar zu zahlen ist, die eine Überbeanspruchung verhindern soll. Aber das wäre ein enormer Fortschritt für die meisten amerikanischen ArbeiterInnen, verglichen mit den unerschwinglichen Kosten der Gesundheitsversorgung in den Staaten.

Die wegwerfende Haltung der Verfasser des Dokuments gegenüber Skandinavien ist jedenfalls sehr unehrlich. Sie versuchen, den Lebensstandard in den USA als besser darzustellen als den in den nordischen Ländern. Das ist zutiefst irreführend. Obwohl diese Länder vom Sozialismus weit entfernt sind, sind sie den USA, dank der Errungenschaften der Arbeiterbewegung in der Vergangenheit, in vielerlei Hinsicht voraus.

Der Human Development Index (Index der menschlichen Entwicklung), der Dinge wie die Lebenserwartung beinhaltet, weist die USA auf Platz 13 auf der Weltrangliste aus, während Finnland 15. ist. Aber Dänemark ist 11., Schweden 7., Island 6. und Norwegen sogar erster Schweden, Norwegen, Island, Dänemark und Finnland haben alle eine höhere Lebenserwartung als die USA.

Klar ist, dass die Arbeiterinnen in den nordischen Ländern mehr Vorteile haben, wie Gesundheitsversorgung, Bildung und Wohnungsbau. Und obwohl der Durchschnittslohn in den USA hoch ist, verdeckt dies die Tatsache, dass er sehr ungleich ist, da niedrig bezahlte Arbeitnehmer im Vergleich zu ihren nordischen Kollegen sehr wenig Geld haben. Darüber hinaus müssen US-ArbeiterInnen viel mehr Stunden arbeiten oder mehr als einen Job haben, um zu überleben.

Doch lassen wir uns nicht zu sehr vom sogenannten schwedischen „Sozialismus“-Modell einlullen. Die Länder Skandinaviens haben, wie alle anderen europäischen Länder auch, nichts mit dem Sozialismus zu tun. Sie stützen sich im Wesentlichen auf das Privateigentum an Produktionsmitteln und funktionieren nach den Gesetzen der freien Marktwirtschaft. Aufgrund dieser Tatsache ergeben sich zwangsläufig bestimmte Konsequenzen.

Der Sozialstaat, insbesondere in Schweden, aber auch in den anderen nordischen Ländern, wurde seit Mitte der 80er Jahre stark zurückgefahren. Dazu gehört auch, die Besteuerung weniger progressiv zu gestalten und die Subventionen für die Zahnbehandlung etc. abzuschaffen. Auch die Einkommensungleichheit hat sich dramatisch erhöht. Der Gini-Koeffizient (der die Ungleichheit misst) stieg in Schweden von 0,2 im Jahr 1980 auf 0,33 im Jahr 2013. Obdachlosigkeit, psychische Gesundheit, Stress am Arbeitsplatz usw. sind zu ernsthaften Problemen geworden.

Mit anderen Worten, Skandinavien hat sich dem Rest der kapitalistischen Welt in einem schnellen und endlosen Wettlauf nach unten angeschlossen. Und das hat mit Sozialismus überhaupt nichts zu tun.

Der Kapitalismus fügt Ihrer Gesundheit erheblichen Schaden zu

Das Dokument setzt seine Fehde gegen Skandinavien - und jedes andere Land, das die geringste Tendenz in Richtung „Sozialismus“ zeigt - unermüdlich fort:

„Die nordische und europäische Version der öffentlichen Krankenversicherung wurde von den modernen US-Sozialisten als so wünschenswert angesehen, dass sie vorgeschlagen haben, die Zahlungen für den Gesundheitssektor (der mehr als ein Sechstel der US-Wirtschaft ausmacht) durch den jüngsten Vorschlag „Medicare for All“ zu verstaatlichen. Diese Politik würde die Gesundheitsversorgung „kostenlos“ (d.h. ohne Kostenbeteiligung) über eine staatliche Krankenkasse zugänglich machen, die alle Preise, die an Versorger wie Ärzte und Krankenhäuser gezahlt werden, zentral festlegt. Wir stellen fest, dass, wenn diese Politik aus den laufenden Bundesausgaben ohne Kreditaufnahme oder Steuererhöhungen finanziert würde, mehr als die Hälfte des gesamten bestehenden Bundeshaushalts gekürzt werden müsste. Oder wenn sie durch höhere Steuern finanziert würde, würde das BIP 2022 aufgrund hoher Steuersätze um 9% oder etwa 7.000 US-Dollar pro Person sinken, was die Produktionsanreize verringern würde. Belege für die Produktivität und Effektivität von Single-Payer-Systemen (Einheitskrankenversicherungen) deuten darauf hin, dass "Medicare for All" sowohl die kurz- als auch die langfristige Lebenserwartung und die Gesundheitsversorgung verringern würde, obwohl der krankenversichte Bevölkerungsanteil zahlenmäßig etwas zunähme“.

Offenbar betrachtet die gesamte amerikanische Rechte die Idee eines kostenlosen öffentlichen Gesundheitswesens wie etwas aus einem Horrorfilm. Die bloße Erwähnung der Idee reicht aus, um gute Republikaner dazu zu bringen, nach ihrem Colt greifen. Wenn die Kapitalisten die Luft in Flaschen füllen könnten, würden sie uns für das Atmen bezahlen lassen! Doch ein öffentliches Gesundheitswesen wird von der überwiegenden Mehrheit der Europäer - nicht nur in Skandinavien - als grundlegende Voraussetzung für ein zivilisiertes Leben angesehen.

Der CEA vermeidet es sorgfältig, die exorbitanten Gewinne der großen Pharmaunternehmen und der privaten Krankenversicherungskonzerne (HMO) in den USA zu erwähnen. Sie sprechen an keiner Stelle von dem schrecklichen Elend, das viele Millionen Amerikaner ohne Gesundheitsversorgung erleiden. Sie versuchen, die Fakten zu verschleiern, indem sie alles verallgemeinern, indem sie BIP-Durchschnitte und Pro-Kopf-Einkommen angeben, anstatt die Klassenbasis der ungleichen Reichtumsverteilung in Amerika zu betrachten. Das Fehlen eines anständigen Systems der öffentlichen Gesundheitsversorgung bleibt ein klaffendes Loch, das die amerikanische Gesellschaft zerstört.

Die Autoren des Dokuments zeichnen ein erschreckendes Bild von einem Monsterstaat, der amerikanische Bürger unter einem Berg von Steuern zerquetscht. Aber wenn wir menschenwürdige öffentliche Dienstleistungen finanzieren wollen, ist ein angemessenes Steuerniveau zweifellos notwendig. Die Frage ist nur: Wer soll die Rechnung bezahlen?

Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass in Amerika, wie in jedem anderen Land, die Reichen nicht viel an Steuern zahlen. Fast die gesamte Steuerlast liegt auf den Schultern der Arbeiterklasse und der kleinen Unternehmen. Das ist der Grund, warum der republikanische Schlachtruf „keine Steuern“ eine gewisse Sympathie in der Öffentlichkeit bekommt. Aber es gibt keinen Grund, warum Steuern die Armen stärker treffen sollten als die Reichen.

Schon die Vorstellung, dass es sich das reichste Land der Welt nicht leisten kann, sich um die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Bürger zu kümmern, ist eine Beleidigung für deren Intelligenz. Die Frage ist nicht, ob es sich Amerika leisten kann, eine gute Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Die Frage ist: Kann sich Amerika leisten, dies nicht zu tun? Abgesehen von den menschlichen Kosten für Leid, Schmerz und Tod gibt es einen sehr hohen wirtschaftlichen Preis für die Vernachlässigung der Gesundheit der Bevölkerung in Form von Arbeitsausfallzeiten in beträchtlicher Höhe.

Eine gute Gesundheitsversorgung sollte kein Luxus sein, der nur Menschen mit hohem Einkommen zur Verfügung steht. Sie ist eine notwendige Investition in die Zukunft der Gesellschaft. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung propagiert die Vorstellung, dass Leben, Freiheit und das Streben nach Glück unveräußerliche Menschenrechte sind. Aber wie kann das menschliche Leben geschützt werden, wenn es keine Garantie dafür gibt, dass die Gesundheit der Menschen erhalten bleibt? Und was bedeutet das Streben nach Glück, wenn Männer und Frauen ständig von der Angst vor Krankheiten oder dem finanziellen Ruin aufgrund des mangelhaften Gesundheitswesens verfolgt werden?

Die Freiheit von Angst ist sicherlich auch ein unveräußerliches Recht. Und es ist eine Verurteilung der heutigen Prioritäten der US-Gesellschaft, dass das Recht auf Gewinne stärker betont wird als die Erhaltung der Gesundheit ihrer Bürger. Wir sind für die Besteuerung der Reichen und die Verstaatlichung des Gesundheitssektors, um die kostenlose Gesundheitsversorgung für alle zu bezahlen. Erstens sollten alle indirekten Steuern als ungerecht abgeschafft werden und den Menschen zugutekommen, die sie sich am wenigsten leisten können. Stattdessen sollte eine starke progressive Einkommenssteuer eingeführt werden, die den Menschen auferlegt wird, die sich diese am ehesten leisten können – den Reichen.

Aber wie ist das mit Russland?

Die Verteidiger des Kapitalismus haben die Vogelscheuche des Stalinismus benutzt, um Menschen von der Idee des Sozialismus abzuschrecken, so wie Eltern versuchen, ihre unartigen Kinder zu erschrecken, indem sie sie vor dem Schwarzen Mann warnen. Die Menschen in Amerika sind keine kleinen Kinder und lassen sich nicht so einfach Angst einjagen wie früher vielleicht. Aber das hindert die Verteidiger des Kapitalismus nicht daran, den Schwarzen Mann bei jeder Gelegenheit heranzuziehen:

„Wir beginnen unsere Untersuchung mit einer genauen Betrachtung der bekanntesten sozialistischen Fallbeispiele, die typischerweise Agrarwirtschaften sind, wie das maoistische China, Kuba und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR). Ihre undemokratischen Regierungen ergriffen die Kontrolle über die Landwirtschaft und versprachen, die Nahrungsmittelversorgung zu verbessern. Das Ergebnis war eine deutlich geringere Nahrungsmittelproduktion und Dutzende von Millionen Todesfälle durch Hungertod.“

Ist es wirklich wahr, dass die verstaatlichte Wirtschaft in der Sowjetunion nie etwas anderes hervorgebracht hat als einen Zusammenbruch der Produktion und des Lebensstandards? Schauen wir uns die Fakten an. Im Jahr 1917 war das zaristische Russland ein enorm rückständiges Land. In vielerlei Hinsicht war es rückständiger als das heutige Pakistan. Vor 1917 gab es in einem Land mit 150 Millionen Einwohnern, die meist Analphabeten waren, nur rund vier Millionen Industriearbeiter. Mit anderen Worten, das zaristische Russland war wesentlich rückständiger als Bolivien oder Peru heute. Wie ist die UdSSR also von einem extrem rückständigen Land zur zweiten Weltmacht nach den Vereinigten Staaten geworden?

Die Wahrheit ist, dass die Transformation der Sowjetunion eines der bemerkenswertesten Phänomene in der Weltgeschichte ist. Für alle bürgerlichen Lügner, Verdreher und Verleumder, die um jeden Preis versuchen wollen, die beeindruckenden Errungenschaften der Sowjets zu unterbewerten und zu leugnen, unterstreicht diese Transformation - ohne historisches Vorbild - die Überlegenheit der verstaatlichten Planwirtschaft gegenüber der kapitalistischen Anarchie.

In ein paar Jahrzehnten errichtete die Sowjetunion eine starke industrielle Basis, die bildungspolitischem, wissenschaftlichem und kulturellem Fortschritt den Weg ebnete. Nicht weniger wichtig waren ihre Durchbrüche im Gesundheitswesen und in der Medizin. Der Zweite Weltkrieg offenbarte die massive Überlegenheit der Sowjetunion im militärischen Bereich. Der Krieg in Europa reduzierte sich auf einen gigantischen Kampf zwischen der UdSSR und Hitlerdeutschland, unterstützt durch die in ganz Europa geraubten Ressourcen. Sowohl die Amerikaner als auch die Briten waren bis zur letzten Minute nur Zuschauer.

Nach dem Krieg und trotz des Verlusts von 27 Millionen seiner Bürger - die Hälfte aller Kriegsopfer weltweit - und der Zerstörung des großteils ihrer Produktivkräfte, die von der sowjetischen Arbeiterklasse so mühsam geschaffen worden waren, gelang es der Sowjetunion, ihre Wirtschaft in nur wenigen Jahren wieder aufzubauen. In den 1950er und 1960er Jahren gab die CIA zu, dass die Sowjets in vielen Bereichen, einschließlich der Weltraumforschung, einen deutlichen Vorsprung hatten.

Letztendlich hat die Bürokratie die nationalisierte Planwirtschaft untergraben und zerstört. Der große russische Marxist Leo Trotzki erklärte, dass eine verstaatlichte Planwirtschaft Demokratie so sehr braucht wie der menschliche Körper Sauerstoff. Es versteht sich von selbst, dass Trotzki nicht von der Karikatur der Demokratie sprach, die im Westen existiert, wo eine kleine Minderheit reicher Parasiten das Land, die Banken und die Monopole besitzt. Er sprach von der echten, sowjetischen Demokratie, die nach dem Sieg 1917 in Russland etabliert wurde.

Was in der Sowjetunion scheiterte, waren weder Sozialismus noch Kommunismus, sondern eine bürokratische, totalitäre Karikatur des Sozialismus.

Für die Feinde des Sozialismus ist der Zusammenbruch der Sowjetunion der ultimative Beweis dafür, dass der Marxismus versagt hat und der Sozialismus unmöglich ist. Sie sprachen über das Ende des Sozialismus und des Kommunismus und sogar über das Ende der Geschichte selbst. Die Freude der Bourgeoisie über den Fall der Berliner Mauer war jedoch eher verfrüht. Die Ereignisse der letzten 26 Jahre liefern genügend überzeugende Beweise dafür, dass die Geschichte noch lange nicht vorbei ist. Überall erleben wir die tiefe Krise des Kapitalismus, die von Kriegen, Revolutionen und Konterrevolutionen geprägt ist. Wir leben in der unsichersten Zeit seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Man könnte hinzufügen, dass Francis Fukuyama, der Mann, der den berüchtigten Satz über das "Ende der Geschichte" geprägt hat, jetzt sagt, dass der "Sozialismus" eine Renaissance erleben sollte!

Und Venezuela?

Die alten B-Movies der 1950er Jahre waren oft Horrorfilme über außerirdische Monster aus dem All oder Zombies, die von den Toten auferstehen. Aber heutzutage haben diese Monster ihren Schrecken verloren und wirken eigentlich ziemlich niedlich. Auf die gleiche Weise haben die alten Geschichten über Russland durch ständige Wiederholung viel von ihrer Wirkung verloren. Also muss die alte Vogelscheuche durch eine neue ergänzt werden. Und los:

„Auch wenn eine sozialistische Politik unter dem Dach der Demokratie friedlich umgesetzt wird, sind die grundlegenden Anreizverzerrungen und Informationsprobleme durch große staatliche Organisationen und die zentrale Kontrolle der Ressourcen auch in den Industrieländern vorhanden, wie es derzeit in Venezuela der Fall ist. Die Lehren aus den schlecht funktionierenden Agrarwirtschaften unter sozialistischen Regimen werden auf die staatliche Übernahme anderer moderner Industrien übertragen: Sie produzieren weniger, nicht mehr.“

Es ist interessant, festzuhalten, dass das Dokument im Zusammenhang mit Venezuela (das es nur am Rande erwähnt, ohne eine ernsthafte Analyse auch nur vorzugeben) stillschweigend zugibt, dass die bolivarische Revolution tatsächlich „friedlich unter dem Dach der Demokratie“ durchgeführt wurde. Eine erfrischende Veränderung im Vergleich zu der ständigen Propagandaflut, die 20 Jahre lang oder länger beharrlich Hugo Chávez als „Diktator“ bezeichnete.

Tatsächlich gewann Chávez mehr Wahlen und andere demokratische Abstimmungen als jeder andere Politiker auf der Welt. Man kann auch nicht behaupten, diese Wahlen seien manipuliert worden, denn sie wurden von internationalen Beobachtern, darunter dem ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter, mit mikroskopischer Präzision überprüft. Hätten die Beobachter auch nur den geringsten Hinweis auf Wahlbetrug gefunden, wäre er von allen Zeitungen und Fernsehsendern der Welt lautstark verkündet worden. Aber es wurden nie solche Beweise entdeckt.

Die USA haben jede bösartige, blutgetränkte Diktatur unterstützt, die es in Lateinamerika je gab: von Somoza bis Batista und von Pinochet bis Noriega. Welches Problem die Herren in Washington auch immer mit Hugo Chávez hatten, Sie können absolut sicher sein, dass die Frage der Diktatur oder Demokratie nichts damit zu tun hatte.

Anastasio Somoza war bekannt dafür, ein rücksichtsloser Diktator zu sein, aber die Vereinigten Staaten unterstützten sein Regime weiterhin als nicht-kommunistische Festung in Nicaragua. Präsident Franklin D. Roosevelt (FDR) soll 1939 bemerkt haben: "Somoza mag ein Hurensohn sein, aber er ist unser Hurensohn." Das Problem mit Chávez - das einzige Problem - war, dass er im Gegensatz zu Somoza nicht der gehorsame Diener Washingtons war.

Die Tatsache, dass Chávez von erdrutschartigen Mehrheiten gewählt wurde, können die Autoren des Dokuments nicht erklären. Sie erwähnen nie die Tatsache, dass Chávez das Geld aus dem Verkauf von Öl verwendete, um dem venezolanischen Volk zum ersten Mal eine kostenlose Gesundheitsversorgung und Bildung zu bieten. Das Geld wurde für den Bau von Häusern, Schulen und Krankenhäusern verwendet. Und Chávez gab den Armen eine Stimme und einen Sinn. Er gab ihnen Hoffnung für die Zukunft, die sie noch nie zuvor hatten.

Niemand kann an der kolossalen Popularität von Chávez zweifeln, deren Gründe für jeden ehrlichen Beobachter selbstverständlich wären. Am Anfang sprach er nicht vom Sozialismus, noch führte er Verstaatlichungen durch. Er beschränkte sich auf soziale Reformen zum Wohle der Menschen und eine neue und sehr demokratische Verfassung. Dennoch (oder besser gesagt, deswegen) verurteilte die venezolanische Oligarchie ihn als „Kommunisten“. Die USA und ihre Agenten in Caracas waren entschlossen, ihn loszuwerden, und sie organisierten im April 2002 einen gewaltsamen Putsch, um ihn zu stürzen.

Dieser Putsch wurde unter aktiver Beteiligung der amerikanischen Botschaft und der CIA organisiert, was seit Jahrzehnten ein allgemeines Merkmal der US- Politik in Lateinamerika ist. Der Putsch wurde von den Bankiers und Kapitalisten (unter der Leitung des Präsidenten der venezolanischen Arbeitgeberorganisation), unter aktiver Beteiligung von Generälen, Polizeichefs, den Medien (die eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung für den Putsch spielten) und der römisch-katholischen Kirche unterstützt.

Dieser Putsch wurde durch eine spontane Bewegung der Massen besiegt und innerhalb von 48 Stunden beendet. Diese Tatsachen wurden der US-Bevölkerung nie erklärt, die seit Jahrzehnten mit einem ständigen Strom von Lügen, Verzerrungen und Verfälschungen gefüttert wird, um die bolivarische Revolution zu diskreditieren. Dies war jedoch nur die Spitze eines sehr großen und hässlichen Eisbergs.

Der US-Imperialismus sah in der venezolanischen Revolution eine tödliche Bedrohung, die um jeden Preis besiegt werden musste. Sie hat Maßnahmen ergriffen, um Venezuela international zu isolieren und seine Wirtschaft durch brutale Sanktionen zu ruinieren. Zusammen mit dem sinkenden Ölpreis, der die Hauptindustrie Venezuelas hart traf, wurde die Wirtschaft schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Krise, die wir jetzt in Venezuela erleben, war zu einem großen Teil das Ergebnis der aggressiven Politik des US-Imperialismus. Wirtschaftliche Sabotage war ein wichtiger Teil des Versuchs, ein Regime zu stürzen, das aus seiner Sicht im Widerspruch zu seinen Interessen stand.

Es ist jedoch richtig, dass der gegenwärtige wirtschaftliche Zusammenbruch auch auf andere Faktoren zurückzuführen ist. Das Problem der venezolanischen Revolution besteht nicht darin, dass sie bei der Einführung sozialistischer Maßnahmen zu weit ging, sondern dass sie nicht weit genug ging. Sie machte kurz vor der Enteignung wichtiger Sektoren der Privatwirtschaft einen Rückzieher. Den venezolanischen Kapitalisten wurde erlaubt, eine Politik (unter aktiver Beteiligung der USA) zu betreiben, mit der sie das Land durch einen Kapitalstreik sabotierten, die bereits geschwächte Wirtschaft lähmten, Lebensmittel und andere grundlegende Rohstoffe horteten, um Versorgungsengpässe zu schaffen und die Inflation zu anzuheizen.

Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass es unmöglich ist, eine halbe Revolution durchzuführen. Eine Wirtschaft kann nach kapitalistischen oder sozialistischen Gesichtspunkten geführt werden. Aber es kann keine Mischform sein, in der Elemente der Nationalisierung und der staatlichen Regulierung mit Elementen der Marktwirtschaft koexistieren. Das ist ein fertiges Rezept für das Chaos, das wir heute in Venezuela sehen.

Ein weiterer Faktor, der die verstaatlichten Wirtschaftssektoren untergrub, war die Abschaffung der Arbeiterkontrolle und die Einführung eines bürokratischen Regimes nach dem Vorbild des Stalinismus. Dies trug dazu bei, die aufstrebende sozialistische Wirtschaft zu erwürgen, was zu massiver Korruption, Verschwendung und Ineffizienz führte. Genau das hat die UdSSR zerstört und stellt auch die Zukunft der venezolanischen Revolution in Frage.

All dies jedoch zeigt nicht die Überlegenheit der kapitalistischen Marktwirtschaft gegenüber der sozialistischen Planung, sondern die Notwendigkeit einer echten sozialistischen Planung, die nach demokratischen Gesichtspunkten erfolgen muss. Sie bietet sicherlich keine Rechtfertigung für reformistische Halbheiten. Der Versuch, den Kapitalismus zu regulieren, anstatt ihn abzuschaffen, führt zu einer Katastrophe. Das ist die wahre Schlussfolgerung aus der Bolivarischen Revolution in Venezuela und aus allen anderen Versuchen, den Kapitalismus zu reformieren.

Der Sozialismus in den USA

Nachdem sie ein völlig verzerrtes und einseitiges Bild von der Art „Sozialismus“ vorgelegt haben, der in Venezuela, Russland und China eingeführt wurde, ergehen sich die Autoren des Dokuments dann in wunderbaren futuristischen Fantasien. Welche Auswirkungen hätte eine sozialistische Planung, wenn sie in den USA eingeführt würde? Die Autoren haben natürlich eine fertige Antwort auf diese faszinierende Frage:

"Diese Länder sind Beispiele für ein allgemeineres Muster der negativen Effekte des Sozialismus auf die Produktion. Solche Ergebnisse wurden auch in länderübergreifenden Studien über die Auswirkungen größerer wirtschaftlicher Freiheit - quantifiziert als Index für Steuern und öffentliche Ausgaben, das Ausmaß staatlicher Unternehmen, Wirtschaftsregulierung und andere Faktoren - auf das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) beobachtet. Diese Literatur findet einen starken Zusammenhang zwischen mehr wirtschaftlicher Freiheit und besserer Wirtschaftsleistung. Sie stützt die Annahme, dass die Ersetzung der US-Politik durch eine sozialistische Politik wie in Venezuela das reale BIP langfristig um mindestens 40 % senken würde – für den Durchschnittsbürger um etwa 24.000 $ pro Jahr.“

Da haben wir es! Der Sozialismus in den USA würde „auf lange Sicht“ eine Verringerung des realen BIP um mindestens 40 Prozent und damit einen katastrophalen Zusammenbruch des Lebensstandards bedeuten. Wir wissen nicht, wie lange „langfristig“ sein könnte. Aber was wir wissen, ist, dass der Lebensstandard in den USA für die Mehrheit der Bevölkerung seit geraumer Zeit sinkt oder im besten Fall stagniert. Wie wir bereits erwähnt haben, leben viele Familien im reichsten Land der Welt an der Grenze zur Armut oder darunter. Viele Menschen sind obdachlos. Viele mehr haben keine Krankenversicherung und sind ständig mit der Angst konfrontiert, krank zu werden.

Die Verfasser des Dokuments, wie der jetzige Amtsinhaber des Weißen Hauses selbst, sind sich dieser Fakten glücklicherweise nicht bewusst. Für sie, um den berühmten Satz aus Voltaires Candide zu umschreiben, steht alles zum Besten in der besten aller kapitalistischen Welten. Und jeder, der verrückt genug ist, dieses kapitalistische Paradies in Frage zu stellen, wird sofort eingeladen, die Situation in Venezuela zu untersuchen, als eine schreckliche Warnung davor, was der Sozialismus in den USA bedeuten würde.

Auf der Grundlage fortschrittlicher Technologien wäre es möglich, die sozialistische Planung in den USA auf demokratischer Basis unter Einbeziehung der gesamten Bevölkerung umzusetzen. Nicht nur die ArbeiterInnen, sondern auch die WissenschaftlerInnen, TechnikerInnen, ÖkonomInnen, ManagerInnen und andere Fachleute würden an der Ausarbeitung eines demokratischen Produktionsplans und der Überwachung seiner Umsetzung beteiligt sein.

Die mächtigen demokratischen Instinkte des amerikanischen Volkes und das starke Gefühl für die individuellen Rechte und Freiheiten, die es aus seiner revolutionären Vergangenheit geerbt hat, bieten auch eine ernsthafte Garantie gegen jeden Versuch, bürokratische oder totalitäre Herrschaft durchzusetzen. Im Gegenteil, von Anfang an wären die Menschen in der Lage, alles einer strengen demokratischen Kontrolle zu unterziehen.

Wollen wir alles verstaatlichen?

Das Dokument besagt:

„Der CEA erwartet nicht, dass eine sozialistische Politik zu Nahrungsmittelknappheit in den Vereinigten Staaten führen würde, weil die Sozialisten nicht länger propagieren, die Nahrungsmittelproduktion zu verstaatlichen. Vielmehr sind die historischen Erfahrungen mit der Landwirtschaft relevant, weil sie wirtschaftliche Hemmnisse, eine zentrale Planung und ein staatliches Monopol über einen Sektor beinhalteten, der zu Beginn der Einführung des Sozialismus groß war - ähnlich der heutigen Gesundheitsversorgung. Die historischen Beweise deuten darauf hin, dass das sozialistische Programm für die USA zu einer Verknappung oder anderweitigen Verschlechterung der Qualität von Produkten oder Dienstleistungen führen würde, die unter ein öffentliches Monopol gestellt werden. Das Innovationstempo würde sich verlangsamen und der Lebensstandard wäre im Allgemeinen niedriger. Das sind die Opportunitätskosten des Sozialismus aus einer modernen amerikanischen Perspektive.“

Wir sind sehr erleichtert festzustellen, dass die Einführung des Sozialismus in den Vereinigten Staaten nicht sofort zu einer eine Hungersnot von biblischem Ausmaß führen wird. Danke für die kleine Gnade! Wir wissen jedoch nicht, welche amerikanischen Sozialisten „nicht mehr vorschlagen, die Lebensmittelproduktion zu verstaatlichen“, da sie nicht genannt werden. Auch definiert der CEA nicht, was genau er unter „Nahrungsmittelproduktion“ versteht.

Wenn das bedeutet, dass wir uns nicht für die Verstaatlichung des Eigentums der Kleinbauern einsetzen, dann haben sie völlig Recht. Aber wenn es bedeutet, dass wir die großen Agrarunternehmen und die großen Unternehmen, von denen Dinge wie Transport, Chemikalien und Düngemittel kontrolliert werden, oder auch die großen Supermärkte und Lebensmittelmonopole nicht verstaatlichen werden, dann irren sie sich sehr.

Die rechten Verteidiger der Marktwirtschaft versuchen im Kampf gegen den Sozialismus häufig, die Mittelschicht, die Kleinbauern, den kleinen Ladenbesitzer, den Kleinunternehmer mit der Behauptung zu erschrecken, dass „die Sozialisten alles verstaatlichen wollen“, sie wollen alles unter die erstickende Kontrolle des bürokratischen Staatsmonopols bringen und so weiter und so fort.

Das ist völlig unwahr. Was die Sozialisten vorschlagen, ist die Enteignung der Großbanken und Monopole, die die Menschen unterdrücken und ausbeuten - nicht nur die Arbeiterklasse, sondern auch die Mittelschicht und die kleinen Produzenten. Die Banken zum Beispiel kontrollieren die Kreditvergabe streng und berechnen exorbitante Zinssätze und andere Gebühren, die kleine Unternehmen lähmen. Ein verstaatlichtes Bankensystem würde den Kleinbauern und Ladenbesitzern billige Kredite ermöglichen.

Tatsächlich ist bewiesen, dass das Großkapital der Privatinitiative und den Interessen des Kleinerzeugers zutiefst feindlich gesinnt ist, und zwar gerade in der Landwirtschaft. Der Kleinbauer und seine Familie arbeiten hart daran, Milch, Butter, Fleisch, Obst und Gemüse zu produzieren, die die Menschen brauchen. Aber die Landwirte erhalten keine faire Gegenleistung für ihre harte Arbeit. Die großen Supermarktketten zahlen absurd niedrige Preise für landwirtschaftliche Produkte, während sie dem Verbraucher exorbitante Preise für dieselben Produkte berechnen.

Aber der Raubzug gegen den Kleinbauern hört damit nicht auf. Die großen Transportunternehmen nehmen ihren Anteil, ebenso wie die großen Chemie- und Saatgutkonzerne, die hohe Preise für die von ihnen verkauften Produkte verlangen. Um die Position des Kleinbauern zu verbessern, ist es notwendig, den Zwischenhändler zu eliminieren. Durch die Enteignung der Großbanken und Monopole, die den Kleinerzeugern das Blut aussaugen, wird es möglich sein, sowohl einen angemessenen Lebensstandard für die Bauern zu gewährleisten als auch gleichzeitig die Lebensmittelpreise für die Verbraucher zu senken.

Ein konkretes Beispiel dafür ist der große Generalstreik, der im Mai 1968 in Frankreich stattfand. Die streikenden Arbeiter nahmen Kontakt zu den Bauernorganisationen in den ländlichen Gebieten auf und die Lebensmittelversorgung wurde organisiert, wobei die Preise von den Arbeitern und Bauern festgelegt wurden. Um Wucher zu verhindern, mussten die Geschäfte einen Aufkleber anbringen, auf dem geschrieben stand: „Dieses Geschäft ist berechtigt zu öffnen. Die Preise stehen unter ständiger Aufsicht der Gewerkschaften.“ Der Aufkleber wurde von den Gewerkschaften unterzeichnet. Infolgedessen wurde ein Liter Milch für 50 Centimes verkauft, verglichen mit den normalen 80. Ein Kilo Kartoffeln wurde von 70 Centimes auf 12 reduziert, ein Kilo Karotten von 80 auf 50 und so weiter.

Wenn man den Zwischenhändler ausschließt, gewinnt jeder - mit Ausnahme der Bonzen an der Wall Street. Aber ihre Sorgen berühren uns nicht besonders, und auch sonst niemanden. Tatsache ist, dass die kleinen Erzeuger bereits unterdrückt und von den Monopolen ausgebeutet werden. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sich diese Monopole im Kapitalismus in privater Hand befinden und nur dazu da sind, die Gewinne aus der Arbeit der Arbeiterklasse und der Kleinproduzenten zu pressen. Durch die Ersetzung des privaten Monopols durch das staatliche Monopol wird das Gewinnstreben beseitigt und sowohl der Produzent als auch der Verbraucher gewinnen enorm viel.

SozialistInnen haben überhaupt kein Interesse an der Verstaatlichung von Kleinunternehmen. Tatsächlich können kleine Unternehmen in bestimmten Wirtschaftszweigen recht effizient arbeiten, z.B. kleine Eckläden oder Bars. Es würde absolut keinen Sinn machen, sie zu verstaatlichen. Wir müssen die großen Monopole und Banken nationalisieren, denn so erhalten wir die Kontrolle über die wichtigsten Hebel des Wirtschaftslebens – die Kommandozentralen der Wirtschaft - wie sie genannt werden.

Sobald wir die Kontrolle über die Banken und die großen Monopole haben, werden wir in der Lage sein, die Wirtschaft im Interesse der Gesellschaft insgesamt zu planen. Der grundlegende Unterschied besteht darin, dass im Kapitalismus die privaten Monopole nur die Interessen einer winzigen privilegierten Minderheit vertreten, während im Sozialismus der Staat und die nationalisierten Industrien im Besitz der Arbeiterklasse sein werden, die die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft ausmacht.

Das ist der Unterschied zwischen der Karikatur der Demokratie, die es jetzt gibt, wo immer das eine Prozent der superreichen Parasiten entscheidet, wer im Weißen Haus sitzt und einer echten sozialistischen Demokratie, die der Mehrheit der Menschen, die wirklich den Reichtum der Gesellschaft schaffen, sowohl die wirtschaftliche als auch die politische Macht überträgt.

Es kann sein, dass kleine Ladenbesitzer und Landwirte auf lange Sicht entscheiden werden, dass sie besser in öffentlichen Unternehmen arbeiten, wo sie zweifellos weniger Stunden unter besseren Bedingungen tätig sein werden. Aber diese Entscheidung muss von ihnen freiwillig getroffen werden. In der Zwischenzeit wird es dem Kleinbauern freistehen, das Land wie bisher zu bearbeiten, aber es wird ihm besser gehen als zu der Zeit, als er von den Großbanken und Monopolen versklavt wurde.

Der Staat der Kapitalisten

Genau wie auf dem Gebiet der Ökonomie die Vorstellung, dass alle Verbraucher gleich sind und „frei wählen“ können, eine bedeutungslose Abstraktion ist, so ist auch auf dem Gebiet der Politik die Vorstellung, dass in einer formalen kapitalistischen Demokratie die Menschen tatsächlich entscheiden können, wer über ihr Leben und ihr Schicksal bestimmt, eine ebenso leere Vorstellung. Politiker und Präsidenten werden in der Marktwirtschaft wie jede andere Ware gekauft und verkauft. Und diese oligarchische Kontrolle hebt die Demokratie auf, die sich auf eine leere und bedeutungslose Farce reduziert.

Um die Macht der Oligarchie zu brechen und die wahre Verfügungsgewalt in die Hände des Volkes zu legen, ist es absolut notwendig, die Wirtschaftsmacht der herrschenden Klasse zu brechen. Die Grundvoraussetzung für den Sozialismus ist die Enteignung des großen Kapitals - der Großbanken und Unternehmen, die die Gesellschaft wirklich regieren. Um die Wirtschaft zu kontrollieren, ist es notwendig, diese Kommandohöhen ganz aus dem Privatbesitz zu nehmen.

Das ist der einzige Weg, um die Diktatur des Kapitals zu vernichten und ein Wirtschaftssystem zu schaffen, das sich im Besitz der Mehrheit befindet und von ihr kontrolliert wird und nicht von einer privilegierten Minderheit von obszön reichen Familien. Doch diese äußerst demokratische und notwendige Maßnahme wird mit den unheimlichsten Begriffen beschrieben, als ob die Rechte und Freiheiten der einfachen Bürger an einen totalitären Monsterstaat übertragen würden.

Das stellt die Wahrheit vollständig auf den Kopf. Es ist das gegenwärtige System, das zutiefst undemokratisch ist. Es ist die Herrschaft einer unverantwortlichen, nicht gewählten und nicht verantwortlichen Minderheit, die eine despotische und erstickende Kontrolle über das Leben der Menschen ausübt. Unter dem gegenwärtigen System spielt es keine Rolle, wer in den Kongress und das Weiße Haus gewählt wird, denn die Wall Street streckt ihre Greifarme auf alle Ebenen des politischen Lebens aus.

Die föderale Bürokratie in den USA ist ein Monster. Sie besteht aus rund 2,6 Millionen fest angestellten und vielen freien Mitarbeitern. Der größte Teil der Bürokratie ist an der Umsetzung der Gesetze beteiligt. Es gibt 17.985 Polizeibehörden in den Vereinigten Staaten, zu denen die Campuspolizei an den Universitäten, die Sheriff-Departments, die lokale Polizei und die Bundesbehörden gehören. Der repressive Charakter des Staates wird immer deutlicher aufgrund der zahlreichen Fälle von Morden, die von Polizisten begangen werden, denen meist Schwarze und Latinos zum Opfer fallen. Und die Zahl der Gefängnisinsassen explodiert.

Nach Angaben des US Bureau of Justice Statistics (BJS) wurden 2013 2.220.300 Erwachsene in Bundes- und Staatsgefängnissen sowie Bezirksgefängnissen der USA inhaftiert. Im Oktober 2013 war die Inhaftierungsrate der Vereinigten Staaten von Amerika mit 716 pro 100.000 Einwohner die höchste der Welt. Während die Vereinigten Staaten etwa 4,4 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, beherbergen sie rund 22 Prozent der weltweiten Gefangenen. Die durchschnittlichen Kosten der Inhaftierung für Gefängnisinsassen im Jahr 2015 betrugen 31.977,65 USD pro Person (87,61 USD pro Tag).

Dieser riesige Repressionsapparat ist notwendig, weil eine kleine Minderheit von Ausbeutern über die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung herrscht. Er stellt einen enormen Verlust für den Reichtum und die Ressourcen der Gesellschaft dar. Die Kosten für die Aufrechterhaltung dieser aufgeblähten Armee von Bundesbürokraten lagen im Jahr 2015 bei rund 58 Milliarden Dollar pro Jahr. Das waren etwa 14 Prozent der gesamten Staatsausgaben und rund 16 Prozent der Einnahmen.

Die wahren Kosten des Militarismus

Die Militärausgaben sind ein gewaltiger Aufwand. Donald Trump hat unterzeichnet, was seine Regierung den größten Militärhaushalt in der Geschichte der USA nennt: 717 Milliarden Dollar und nicht weniger. Alles, was er sagt, deutet darauf hin, dass er diesen Betrag in Zukunft noch erhöhen will. Tatsächlich werden amerikanische Steuerzahler in den nächsten zehn Jahren etwa 6 Billionen Dollar an das Pentagon zahlen, da die militärischen Kosten auf ein Niveau steigen werden, das den Höchststand zur Zeit des Kalten Krieges um 20 Prozent übersteigt, so das Congressional Budget Office.

Das ist aber noch nicht alles. Die ständige Beteiligung der USA an ausländischen militärischen Abenteuern ist eine endlose Belastung, die selbst die Ressourcen der reichsten Nation der Welt stark belastet. Und diese Zahlen beinhalten nicht die Kosten für so genannte „overseas contingency operations“ [internationale Notfalleinsätze]. Das ist der Militärjargon für die Milliarden, die jedes Jahr außerhalb des Budgets für den endlosen „Krieg gegen den Terror“ ausgegeben werden.

Die USA begannen den so genannten globalen Krieg gegen den Terror nach den Anschlägen vom 11. September, bei denen fast 3.000 Menschen ums Leben kamen und die von der islamistischen Terrorgruppe Al-Kaida organisiert wurden. Wochen später führten die USA eine Invasion in Afghanistan an, das damals unter der Kontrolle der Taliban, der Verbündeten von Al-Kaida, stand.

Im März 2003 stürzte Washington den irakischen Präsidenten Saddam Hussein und beschuldigte ihn, Massenvernichtungswaffen entwickelt und von den USA benannte Terrororganisationen beherbergt zu haben. Beide Behauptungen waren falsch. Trotz oft wiederholter Behauptungen, dass die USA „unwiderlegbare Beweise“ dafür hätten, dass der Irak „Massenvernichtungswaffen“ besitze, wurden solche Waffen nie gefunden. Es war eine unverhohlene Lüge, die die US-Bevölkerung täuschen und die Invasion und Besetzung eines souveränen Staates rechtfertigen sollte.

Die Behauptung, der Irak beherberge dschihadistische Terrororganisationen wie Al-Kaida und habe irgendwie mit dem Angriff auf das World Trade Center zu tun, war eine weitere Lüge. Man vergisst leicht, dass von den 19 Terroristen, die die Flugzeuge für die Anschläge auf die Twin Towers entführt hatten, 15 saudische Bürger waren. Es gab keinen einzigen Iraker unter ihnen und Saddam Hussein war in der Tat ein erbitterter Feind von Al-Kaida, die keine Basis im Irak hatte. Doch nicht in Saudi-Arabien, sondern im Irak wurde einmarschiert.

Was auch immer über Saddam Hussein gesagt werden mag, er war ein weltlicher Herrscher und unerbittlicher Gegner des islamischen Extremismus. Er unterdrückte rücksichtslos alle Gegner - auch die Dschihadisten. Erst nachdem die US-Invasion den irakischen Staat zerstört hatte, gelang es Al-Kaida, eine starke Basis aufzubauen (die schließlich auch zur Schaffung des „Islamischen Staates“ führte) und trotz aller Rückschläge noch heute eine Bedrohung darstellt.

Jemand hat errechnet, dass der "Krieg gegen den Terror" zusätzliche 2,1 Billionen Dollar zu den bereits riesigen Schulden der USA beigetragen hat, etwa 10 Prozent der Gesamtverschuldung. Die Steuerzahler gaben allein für den Irakkrieg mehr als 800 Milliarden Dollar aus. Die 2,1 Billionen Dollar, die für den Krieg gegen den Terror ausgegeben wurden, sollen 18 Millionen Arbeitsplätze geschaffen haben. Aber wenn das Geld stattdessen in die Bildung gegangen wäre, wären fast 38 Millionen Arbeitsplätze entstanden. Das vermittelt einen Eindruck von der kolossalen Verschwendung durch Rüstungsausgaben.

Mittlerweile scheint es jedoch, dass selbst diese augenfällige Schätzung den Gesamtbetrag unterbewertet. Das Costs of War Project am Watson Institute der Brown University veröffentlichte kürzlich eine Steuerschätzung über die Summe, die in den sogenannten Krieg gegen den Terror eingeflossen ist. Vom 12. September 2001 bis zum Geschäftsjahr 2018 betrug diese fast 6 Billionen Dollar (einschließlich der zukünftigen Kosten für die Versorgung von Veteranen). Im Durchschnitt sind das mindestens 23.386 Dollar pro Steuerzahler.

Diese Studie beinhaltet sowohl die Ausgaben des Pentagons als auch das Konto für „internationale Notfalleinsätze“ und „kriegsbezogene Ausgaben des Außenministeriums, vergangene und obligatorische Ausgaben für die Versorgung von Kriegsveteranen, Zinsen für die Schulden, die für die Bezahlung der Kriege aufgewendet wurden sowie die Prävention und Reaktion auf den Terrorismus durch das Heimatschutzministerium“.

„Die Vereinigten Staaten haben sich bis zum Geschäftsjahr 2019 geschätzte 5,9 Billionen Dollar (zu aktuellen Kursen) für den Krieg gegen den Terror zur Verfügung gestellt und sind verpflichtet, diese auszugeben, darunter direkte Kriegs- und kriegsbezogene Ausgaben und Verpflichtungen für zukünftige Ausgaben für Kriegsveteranen nach dem 11. September.“

Der Bericht kommt zu dem Schluss:

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hohe Kosten für Krieg und kriegsbedingte Ausgaben ein nationales Sicherheitsproblem darstellen, da sie nicht nachhaltig sind. Der Öffentlichkeit wäre durch mehr Transparenz und die Entwicklung einer umfassenden Strategie zur Beendigung der Kriege und zur Bewältigung anderer dringender nationaler Sicherheitsprioritäten besser gedient.“

Im Jahr 2014 schlossen sich die USA einer internationalen Koalition zur Bekämpfung der Terrorgruppe des Islamischen Staates (ISIS) an, die aus einem sunnitisch- muslimischen Aufstand im Irak nach der Invasion hervorging und sich auf das benachbarte Syrien und darüber hinaus ausbreitete.

Das von den USA geführte westliche Militärbündnis der NATO intervenierte in Libyen und half den Aufständischen, Muammar Gaddafi zu stürzen, wodurch die Nation in einen Zustand von unsäglichem Chaos, Anarchie und Bürgerkrieg geriet. Unter Gaddafi war Al-Kaida keine ernstzunehmende Kraft in Libyen. Jetzt wächst sie dort und streckt ihre Tentakeln über das subsaharische Afrika aus.

Der Bericht ergab auch, dass das „US-Militär in 76 Ländern oder etwa 39 Prozent der Nationen der Welt Anti-Terror-Aktivitäten durchführt und damit seine Mission auf der ganzen Welt ausdehnt“. Darüber hinaus wurden diese Operationen „von Verletzungen der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten in den USA und im Ausland begleitet“.

Die menschlichen Verluste bei diesen ausländischen Abenteuern waren enorm. Insgesamt schätzt der Bericht, dass „zwischen 480.000 und 507.000 Menschen in den Kriegen der Vereinigten Staaten nach dem 11. September im Irak, in Afghanistan und Pakistan getötet wurden“. Diese Zahl „beinhaltet nicht die mehr als 500.000 Todesopfer durch den Krieg in Syrien, der seit 2011 andauert“, als ein westlich unterstützter dschihadistischer Aufstand die Regierung herausforderte, die mit Russland und dem Iran verbündet ist.

Die Zahl der Todesfälle kann viel höher sein und wird ebenfalls durch Hunderttausende verschlimmert, die durch die Begleiterscheinungen solcher Konflikte getötet werden. Das Watson Institute berechnete auch, dass die gesamten menschlichen Verluste für die USA während ihrer Aktionen in Afghanistan, Irak und Pakistan 6.951 Soldaten, 21 Zivilisten und 7.820 Söldner betragen.

In dem Bericht heißt es: „Während wir oft wissen, wie viele US-Soldaten sterben, sind die meisten anderen Zahlen bis zu einem gewissen Grad unbekannt. Tatsächlich werden wir vielleicht nie die Gesamtzahl der direkten Todesopfer in diesen Kriegen kennen. So sind beispielsweise Zehntausende von Zivilisten bei der Rückeroberung Mosuls und anderer Städte vom IS gestorben, aber ihre Leichen wurden wahrscheinlich nicht geborgen.

Darüber hinaus beinhaltet diese Zählung nicht die indirekten Todesfälle. Indirekte Schäden entstehen, wenn die Zerstörung von Kriegen zu langfristigen, ‚indirekten‘ Folgen für die Gesundheit der Menschen in Kriegsgebieten führt, z.B. durch den Verlust des Zugangs zu Nahrung, Wasser, Gesundheitseinrichtungen, Strom oder anderer Infrastruktur“.

Saddam Hussein und Muammar Gaddafi waren brutale Diktatoren und keine Freunde der unterdrückten Massen. Aber kann jemand ehrlich sagen, dass der Irak und Libyen sicherer und stabiler geworden sind, nachdem der Imperialismus diese Länder verwüstet hat? Und was ist mit Afghanistan? Nach 17 Jahren (länger als der Vietnamkrieg), den Kosten von Billionen von Dollar und schrecklichen Verlusten an Menschenleben ist das Land ein blutiger Sumpf, in dem die Taliban weiterhin 70 Prozent des Landes bedrohen.

Trotz der ersten schnellen Siege dort wurde das US-Militär von anhaltenden Aufständen verfolgt - nicht nur im Irak und in Syrien. Die Invasion des Irak hat die gesamte Region destabilisiert. Dies zwang die USA, ihre "Anti-Terror-Maßnahmen" weit über den Nahen Osten hinaus auf Libyen, Pakistan, Somalia und den Jemen auszudehnen.

Diese endlosen militärischen Abenteuer machen Amerika nicht sicherer oder stärker. Sie machen auch die terroristische Bedrohung nicht weniger stark. Im Gegenteil, die terroristischen Wahnsinnigen werden von Tag zu Tag zahlreicher. Sie leben von der Instabilität, die durch die militärische Intervention der USA verursacht wurde. Die Welt ist heute ein viel unsichererer und gefährlicherer Ort als 2001. Die Invasion des Irak löste eine riesige Welle von Ressentiments und Hass aus, für die in Zukunft unzählige weitere Opfer aufkommen müssen - sowohl außerhalb als auch innerhalb der Grenzen Amerikas.

Der Nazi Hermann Göring, Luftfahrtminister im faschistischen Deutschland, sagte einst: „Kanonen statt Butter! Erz hat stets ein Reich stark gemacht, Butter und Schmalz haben höchstens ein Volk fett gemacht." Aber Amerikas kolossale Rüstungsausgaben, die Hitlers Aufrüstungsprogramm im Vergleich dazu zwergenhaft erscheinen lässt, haben nichts dazu beigetragen, Amerikas Größe wiederherzustellen. In einer Welt, die von ständigen Kriegen zerrissen wird, welche die Krise des Kapitalismus widerspiegeln, werden die USA immer tiefer in einen blutigen Sumpf gezogen.

Im Februar beschwerte sich Präsident Trump darüber, dass “wir sieben Billionen Dollar im Nahen Osten ausgegeben haben“ und fügte hinzu: „Was für ein Fehler!“. Wochen später soll er seinen Militärberatern gesagt haben, sie sollten einen Plan für den Rückzug aus Syrien vorbereiten, da der Krieg gegen den IS in die Endphase eingetreten sei. Aber seitdem wurde die militärische Intervention der USA in Syrien fortgesetzt und sogar verstärkt, was einen sinnlosen Konflikt hinauszögert, der bereits zu viele Menschenleben gekostet hat.

All dies erinnert an die berühmten Worte des römischen Historikers Tacitus: „Sie schaffen eine Wüste und nennen es Frieden.“

Die Arbeiterklasse muss die Macht übernehmen!

Der Sozialismus ist demokratisch oder er ist nichts. Sozialismus heißt, die Kontrolle über die Gesellschaft den Händen einer gierigen, unverantwortlichen und korrupten Elite zu entreißen und sie in die Hände der überwältigenden Mehrheit zu legen. Das bedeutet den Sturz des existierenden Staates und seine Ersetzung durch eine neue Art von Staat.

Engels beschreibt den Staat als „eine scheinbar über der Gesellschaft stehende Macht (…) aber sich über sie stellende, sich ihr mehr und mehr entfremdende Macht“. Diese Worte sind eine genaue Beschreibung der aktuellen Situation. Das Pentagon, das Heimatschutzministerium, die US Nuklear- und Waffenindustrie, und der Rest dessen, was man militärisch-industrieller Komplex nennt, ist ein Staat im Staat geworden, mit seinen eigenen Interessen, der eine kolossale Macht und viel Einfluss auf die Bundesregierung hat. Trump hat am eigenen Leib erfahren, dass die Geheimdienste, die angeblich der Bevölkerung dienen, niemandem außer sich selbst und dem kapitalistischen Establishment dienen, dessen Interessen sie repräsentieren.

Die Verteidiger des Kapitalismus zeigten früher auf Russland und China und sagten zu den Bürgern der USA: „Ihr wollt Sozialismus? Da habt ihr euren Sozialismus! Die Gulags, der KGB, Diktatur, Spitzel an jeder Straßenecke, stundenlang für einen Laib Brot oder ein Stück Seife anstehen. Wollt ihr das wirklich?“ Und der verängstigte Bürger schüttelte seinen Kopf und sagte: „Nein danke! Das ist nichts für mich!“

Natürlich will niemand, der bei Verstand ist, die oben beschriebenen Dinge. Aber diese Dinge sind kein notwendiges Produkt einer sozialistischen Planwirtschaft. Sie sind eher das Produkt wirtschaftlich rückständiger Staaten, in denen die materiellen Bedingungen für Sozialismus nicht vorhanden waren. Das ist etwas ganz anderes als in den USA.

Während sich die Produktivkräfte in Russland und China bei den dortigen Revolutionen (und das war auch in Venezuela, mit Ausnahme der Ölindustrie, teilweise der Fall) auf einem sehr niedrigen Niveau befanden, sind die Produktivkräfte in den USA äußerst hoch entwickelt. Der allergrößte Teil der US-Bevölkerung kann lesen und schreiben und es gibt eine starke demokratische Tradition - alles Dinge, die in den oben genannten Ländern gefehlt haben.

Wir stehen für die Kontrolle der Banken und Industrie durch den Staat, aber wir stehen ebenso für die demokratische Kontrolle des Staates durch die gesamte Bevölkerung. Unter einem System der Arbeiterkontrolle wäre alle wirtschaftliche Macht in den Händen der Arbeiter selbst. Die Menschen, die den gesamten Reichtum einer Gesellschaft herstellen, müssen die Produktivkräfte selbst besitzen und kontrollieren.

Das bedeutet als erstes, den Reichtum der Gesellschaft und die Produktivkräfte aus dem Privateigentum in Staatseigentum zu überführen. Aber der künftige proletarische Staat hat nichts zu tun mit dem bürokratischen Ungeheuer der Staatsmacht der Banker und KapitalistInnen. Die sozialistische Revolution wird den alten Staat der Ausbeuter und Unterdrücker beseitigen und eine neue, wirklich demokratische Staatsmacht erschaffen, die viel kleiner, rechenschaftspflichtiger und unvergleichlich effizienter sein wird.

Wie wird ein Arbeiterstaat aussehen? Vor einem Jahrhundert hat Lenin in seinem berühmten Werk „Staat und Revolution“ die Frage nach den grundsätzlichen Bedingungen, nicht für Sozialismus oder Kommunismus, sondern für die ersten Tage der Arbeitermacht beantwortet. Diese können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Freie und demokratische Wahlen, mit dem Recht alle Beamten und Vertreter jederzeit abzuberufen.
  • Keine Beamten und Vertreter sollen mehr als das Gehalt eines Facharbeiters erhalten.
  • Keine stehende Armee oder Polizei, sondern das bewaffnete Volk (eine Miliz der Bevölkerung).
  • Nach und nach sollen alle Aufgaben der Verwaltung abwechselnd von der gesamten Bevölkerung durchgeführt werden. Wenn jeder Bürokrat ist, ist niemand Bürokrat.

 

Solche Maßnahmen werden sicherstellen, dass der amerikanische Arbeiterstaat wirklich demokratisch und repräsentativ ist. Das wäre die wahre Verwirklichung der demokratischen Bestrebungen, die das amerikanische Volk seit der amerikanischen Revolution und dem Bürgerkrieg, der eigentlich eine zweite amerikanische Revolution war, inspiriert haben.

Das wäre das echte Gesicht der sozialistischen Revolution. Das hat nichts mit dem bürokratischen, totalitären Staat des Stalinismus zu tun. Im Gegenteil, es ist eine demokratische Konzeption der Gesellschaft im Einklang mit den revolutionär-demokratischen Traditionen dieses Landes (den USA) – Traditionen, die im System der kapitalistischen Oligarchie systematisch abgebaut und vernichtet worden sind.
Der Übergang zum Sozialismus

Das Dokument aus dem Weißen Haus erklärt: „Die vorgeschlagenen Lösungen umfassen eine staatliche Krankenversicherung, hohe Steuersätze (‚jeder nach seinen Fähigkeiten‘) und eine Politik, die einen Großteil der Waren und Dienstleistungen des Landes ‚kostenlos‘ (‚jeder nach seinen Bedürfnissen‘) verteilt. Sie unterscheiden sich [von historischen Vorschlägen] darin, dass zeitgenössische demokratische Sozialisten die staatliche Brutalität anprangern und es dem Einzelnen erlauben würden, die Produktionsmittel in vielen Branchen privat zu besitzen.“

Hier reiht sich ein Irrtum an den nächsten. Die Autoren haben eine vage Erinnerung daran, dass Sozialismus etwas mit der Losung „jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ zu tun hat. Aber zunächst einmal hat diese Formel überhaupt nichts mit der Besteuerung zu tun. Tatsächlich wurde diese Formulierung von Marx verwendet, um die Situation zu beschreiben, die in einer völlig klassenlosen Gesellschaft vorherrschen würde. In einer solchen Gesellschaft würde auf der Grundlage einer sehr hohen Entwicklung der Produktivkräfte und der damit verbundenen Zunahme von Reichtum und Kultur eine Situation entstehen, in der jeder Einzelne genau den Beitrag zur Gesellschaft leisten würde, den sein körperliches und geistiges Potenzial erlaubt. Im Gegenzug würde er oder sie alles erhalten, was nötig ist, um ein erfülltes und wahrhaft menschliches Leben zu führen.

Marx war kein Utopist. Er war sich bewusst, dass nicht jeder das gleiche Potenzial hat. Nicht jeder ist ein möglicher Darwin, Einstein oder Rembrandt. Dennoch hat jeder Mensch ein gewisses Potenzial und sollte die Möglichkeit haben, dieses voll auszuschöpfen. Jeder Mann und jede Frau sollte in der Lage sein, nach bestem Wissen und Gewissen zur Gesellschaft beizutragen. Im Gegenzug kann er oder sie erwarten, das Recht auf ein zivilisiertes Leben zu bekommen.

Während der Übergangsphase kommt es, wie Marx in der Kritik des Gothaer Programms sehr deutlich erklärte, nicht in Frage, das Prinzip „jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ sofort einzuführen. Er schreibt:

„Der eine ist aber physisch oder geistig dem andern überlegen, liefert also in derselben Zeit mehr Arbeit oder kann während mehr Zeit arbeiten; und die Arbeit, um als Maß zu dienen, muß der Ausdehnung oder der Intensität nach bestimmt werden, sonst hörte sie auf, Maßstab zu sein. Dies gleiche Recht ist ungleiches Recht für ungleiche Arbeit. Es erkennt keine Klassenunterschiede an, weil jeder nur Arbeiter ist wie der andre; aber es erkennt stillschweigend die ungleiche individuelle Begabung und daher Leistungsfähigkeit der Arbeiter als natürliche Privilegien an. Es ist daher ein Recht der Ungleichheit, seinem Inhalt nach, wie alles Recht. Das Recht kann seiner Natur nach nur in Anwendung von gleichem Maßstab bestehn; aber die ungleichen Individuen (und sie wären nicht verschiedne Individuen, wenn sie nicht ungleiche wären) sind nur an gleichem Maßstab meßbar, soweit man sie unter einen gleichen Gesichtspunkt bringt, sie nur von einer bestimmten Seite faßt, z.B. im gegebnen Fall sie nur als Arbeiter betrachtet und weiter nichts in ihnen sieht, von allem andern absieht. Ferner: Ein Arbeiter ist verheiratet, der andre nicht; einer hat mehr Kinder als der andre etc. etc. Bei gleicher Arbeitsleistung und daher gleichem Anteil an dem gesellschaftlichen Konsumtionsfonds erhält also der eine faktisch mehr als der andre, ist der eine reicher als der andre etc. Um alle diese Mißstände zu vermeiden, müßte das Recht, statt gleich, vielmehr ungleich sein.

Aber diese Mißstände sind unvermeidbar in der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft nach langen Geburtswehen hervorgegangen ist. Das Recht kann nie höher sein als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der Gesellschaft.

In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ (MEW 19,21)

Ohne eine Übergangszeit, die Marx als die niedere Phase des Kommunismus bezeichnete, wäre es unmöglich, direkt aus dem kapitalistischen Dschungel in die höhere Form des Sozialismus zu springen. Während dieses Zeitraums würde es eine Einkommensungleichheit geben, obwohl die Differenz weit unter der heute bestehenden obszönen Ungleichheit liegen und sich tendenziell noch weiter verringern würde, da ungelernte und unqualifizierte Arbeitskräfte der Vergangenheit angehören würden.

Die Dauer dieser Übergangsperiode würde durch den anfänglichen Entwicklungsstand der Produktivkräfte, der Technik, der Kultur usw. in einer bestimmten Gesellschaft bestimmt. In Russland übernahmen die Bolschewiki 1917 die Macht in einem extrem rückständigen Land mit einer schmalen industriellen Basis und einer weitgehend ungebildeten Bevölkerung. Daher nahm die Übergangsperiode in Russland einen besonders schwierigen und schmerzhaften Charakter an.

Lenin und Trotzki verstanden sehr wohl, dass die materiellen Bedingungen für den Aufbau des Sozialismus in Russland fehlten und dass es den Sieg der sozialistischen Revolution in einem oder mehreren fortgeschrittenen Ländern (z.B. Deutschland) erfordern würde, um in Richtung eines echten Sozialismus voranzukommen. Die Probleme der jungen Sowjetrepublik waren das Ergebnis extremer wirtschaftlicher und kultureller Rückständigkeit. Es waren diese objektiven Bedingungen, die zur bürokratischen Degeneration der russischen Revolution führten, die in der Abscheulichkeit des stalinistischen Totalitarismus endete.

Aber in einem fortgeschrittenen kapitalistischen Land wie den Vereinigten Staaten mit seinem kolossalen Produktionspotenzial, seiner gut ausgebildeten Bevölkerung und seinen demokratischen Traditionen würde der Fortschritt in Richtung Sozialismus viel leichter, viel weniger schmerzhaft und viel schneller erreicht werden als im rückständigen Russland.

Die Überlegenheit der sozialistischen Planwirtschaft

Welchen Effekt würde eine Verstaatlichung der Banken und Monopole auf die Produktion haben? Unsere Freunde im Weißen Haus sprechen von einem Kollaps von möglicherweise 40% „auf lange Sicht“. Die nächste Zahl, die sich jemand aus dem Finger gesogen hat. Nirgendwo wird versucht, den geringsten Beweis dafür anzuführen. Aber wir denken, dass wir in imstande sind, das genaue Gegenteil zu demonstrieren. Wir beziehen wir uns auf ein konkretes Beispiel, um zu zeigen, was eine Planwirtschaft erreichen könnte.

Unter schrecklichen wirtschaftlichen Bedingungen der sozialen und kulturellen Rückständigkeit begannen die Bolschewiki mit der gewaltigen Aufgabe, Russland mit einer Planwirtschaft aus dieser Situation zu befreien. Innerhalb von zwei Jahrzehnten schaffte sich Russland eine starke industrielle Basis, entwickelte Industrie, Wissenschaft, Technologie und beseitigte den Analphabetismus. In einer Periode von 50 Jahren verneunfachte die UdSSR ihr Bruttoinlandsprodukt.

In den späten 70er Jahren war die Sowjetunion eine eindrucksvolle Industriemacht, die in absoluten Zahlen die restliche Welt in einer Reihe von Schlüsselsektoren überholte hatte. Die UdSSR war die zweitstärkste Industriemacht hinter den USA und der größte Produzent von Öl, Stahl, Zement, Traktoren und Werkzeugmaschinen.

Das zeigt jedoch nur einen Teil des gesamten Bildes. Zudem war etwa Arbeitslosigkeit wie im Westen in der Sowjetunion unbekannt. Die UdSSR hatte ein ausgeglichenes Budget und erwirtschaftete sogar einen kleinen jährlichen Überschuss. Keine einzige westliche Regierung erzielte Ergebnisse wie diese. Das Bundesbudgetdefizit der USA war im Jahr 2017 665 Milliarden $, im Gegensatz zu 587Milliarden $ im Jahr 2016. Das ist eine Steigerung von 82 Milliarden $, oder in etwa 13%. Aktuell beträgt die öffentliche Gesamtverschuldung der USA ca. 20 Billionen $, das ist ein Wachstum von erstaunlichen 115% im letzten Jahrzehnt.

Während der gesamten Nachkriegszeit gab es darüber hinaus wenig oder keine Inflation in der UdSSR. Das galt insbesondere für Güter des täglichen Bedarfs. In den frühen 1980ern war der Preis von Brot, Zucker und den meisten Lebensmitteln seit 1955 nicht mehr gestiegen. Die Miete war äußerst günstig, in Wirklichkeit fast kostenlos, und beinhalteten gratis Strom und Gas. Man vergleiche das mit dem Westen, wo ArbeiterInnen ein Drittel oder mehr ihres Lohnes für Wohnraum ausgeben und die hohen Kosten für Wohnen bedeuten, dass Millionen Menschen niemals eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus haben werden und weitere Millionen zu Obdachlosigkeit verdammt werden.

In den 1980ern gab es in der UdSSR mehr Wissenschaftler als die USA, Japan, Großbritannien und Deutschland zusammen. Erst kürzlich war der Westen dazu gezwungen, widerwillig zuzugeben, dass das sowjetische Raumfahrtprogramm weiter fortgeschritten war als das amerikanische. Die westlichen Kritiker der Sowjetunion reden darüber nicht gerne, weil es die Möglichkeiten einer Übergangsökonomie demonstriert, ganz zu schweigen von denen eines vollausgebildeten Sozialismus.

Wenn also diese Ergebnisse möglich waren auf der Basis einer extrem rückständigen, halbfeudalen Wirtschaft mit einer analphabetischen Bevölkerung, dann muss man kein Genie sein, um zu verstehen, dass viel großartigere Ergebnisse möglich wären, würde man die demokratisch-sozialistische Planung auf der Basis einer fortgeschrittenen, industrialisierten Ökonomie wie den USA anwenden. Das riesige, unbenutzte produktive Potential dieses mächtigen Landes würde zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse mobilisiert. Alle Männer und Frauen, die dazu fähig wären, würden dazu eingeladen, am sozialistischen Neuaufbau der USA teilzuhaben. Ein umfassendes Wohnungbauprogramm würde die Plage der Obdachlosigkeit beseitigen und die bröckelnde Infrastruktur des Landes wieder aufbauen.

Nachdem sie von der parasitären Kontrolle einer Oligarchie von Bankern und KapitalistInnen befreit wäre, könnte die von ArbieterInnen geleitete und kontrollierte US-Wirtschaft rasant wachsen. Unter einer demokratisch-sozialistischen Planwirtschaft wäre ein Wirtschaftswachstum von 10% ein bescheidenes Ziel. Dies würde die Verdopplung des kollektiven Wohlstandes der USA innerhalb von weniger als zwei 5-Jahres-Plänen bedeuten. Der Lebensstandard würde nicht zusammenbrechen, sopndern auf ein in der Geschichte noch nie gesehenes Niveau steigen. Die Arbeitszeit könnte drastisch reduziert werden und den Menschen die Zeit geben sich körperlich, geistig und seelisch zu entwickeln.

Das ist keine unmögliche Utopie. Wir haben bereits das produktive Potential in Form einer modernen Wissenschaft und Technologie in unseren Händen, um uns eine Zukunft des Wohlstands auf einer Ebene zu garantieren, die alle menschlichen Bedürfnisse ohne jeden wilden Kampf um die eigene Existenz befriedigen kann. Ist dieses Ziel wirklich außerhalb der Reichweite der Spezies Mensch? Nur ignorante und engstirnige Misanthropen würden es wagen, so etwas zu sagen.

Wenn die mächtige amerikanische Wirtschaft einmal vom Würgegriff der privaten Banken und Monopole befreit ist, wird es möglich sein, die Produktivkräfte in einer harmonischen und planvollen Art und Weise zu organisieren, die jeder Frau, jedem Mann und jedem Kind einen weitaus höheren Lebensstandard als heute garantiert.

Die demokratische Beteiligung der Arbeiterklasse, die die Vorbedingung für den Aufbau des Sozialismus ist, wäre in Anbetracht der Tatsache, dass die Bevölkerung der USA gut gebildet ist, leicht umzusetzen. Die flächendeckende Anwendung moderner Technologie - Computer, moderne Taschenrechner, Smartphones und anderer Wunder der modernen Wissenschaft - würde die Aufgaben der Buchhaltung und Kontrolle für alle zugänglich machen. Damit wäre eine solide Basis für die Einführung der Arbeiterkontrolle und -verwaltung auf allen Ebenen der Industrie und Wirtschaft geschaffen.

Wenn sie so befreit davon wären, tagtäglich um ihre Existenz zu kämpfen, wären die Menschen frei, ihren Interessen nachzugehen und ihr volles Potential auszuschöpfen. Die Schulen und Universitäten wären offen für alle Menschen, die ihr Wissen über Wissenschaft, Kultur und Kunst erweitern möchten. Der Zugang zu Bildung und Kultur würde gratis durch den Staat garantiert. So würde die Grundlage für eine neue Renaissance der Kunst, Malerei, Musik, Literatur und Architektur gelegt. Das wäre ein gigantischer erster Schritt hin zum letztendlichen Ziel: einer sozialistischen Föderation der ganzen Welt.

Jedoch wird eine solche Welt nur möglich sein, nachdem die Menschheit sich vom parasitären Joch des Kapitalismus befreit hat. Und das ist genau der Grund, warum die Herren von der CIA so darauf erpicht sind, die amerikanische Bevölkerung vor einer solchen Perspektive zu warnen.

12. November 2018


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