Von 22.-24. Mai finden an den Universitäten ÖH-Wahlen statt. Eine Stellungnahme der marxistischen Strömung „Der Funke“.

Noch bevor diese Regierung angetreten war, begann der VSStÖ für die Rücknahme der Studiengebühren zu mobilisieren und Druck auf die Spitze der SPÖ auszuüben. 
Die Demonstration zur Angelobung hat eines klargemacht: Auf den Universitäten gibt es momentan keine Kraft, die größeres Potential hat, die Interessen der StudentInnen zu verteidigen und gleichzeitig eine konsequente Oppositionskraft gegen diese Regierung aufzubauen.

Deshalb ruft die marxistische Strömung "Der Funke" alle Studierenden dazu auf bei den ÖH-Wahlen von 22.-24, Mai den VSStÖ zu wählen. Stärken wir die Opposition gegen die rot- schwarze Koalition!

VSStÖ wählen alleine ist aber nicht ausreichend. Nach vier Jahren zermürbenden Rückzugsgefechten gegen den schwarz-blauen Bildungsabbau ist die linke ÖH in einer Identitätskrise. Um aus der Defensive heraus zu kommen und einen Schritt vorwärts machen bzw. sein gesamtes Potential ausschöpfen zu können, muss der VSStÖ aber seine Ideen und Methoden auf Herz und Nieren überprüfen.

Raus aus der Defensive!

Seit der Niederlage der Bewegung gegen die Studiengebühren im Jahr 2000 sind die Universitäten mehr und mehr zu einem neoliberalen Experimentierfeld geworden. In kaum einem anderen Lebensbereich der Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren so viel zum schlechteren verändert: Der Unmut, der sich angestaut hat, führt aber verbunden mit einem tiefsitzenden Ohnmachtgefühl bei den meisten Studierenden zu einer "Augen zu und durch"- Mentalität. Die Ursache für dieses Gefühl der Ohnmacht bei den Studierenden liegt darin, dass die Kampfmittel der letzten Jahre nicht zum Ziel geführt haben. Die Arbeit der linken ÖH in den letzten Jahren hat gezeigt, dass die herkömmliche Gremienarbeit nicht zum Ziel führt, dass es aber auch schwierig ist, aus der Stellvertretungspolitik herauszukommen.

Es hat sich aber vor allem gezeigt, dass die neoliberalen Angriffe nicht zurückgeschlagen werden können, wenn der Widerstand auf den Unis isoliert bleibt. Soll ein wirklicher Umschwung herbeigeführt werden, muss es gelingen über sämtliche Bereiche der Gesellschaft hinweg eine Gegenmacht zu schaffen, um die Offensive des Kapitals zu stoppen. Es geht darum, die Kämpfe um die Verteidigung des Bildungssystems, des Gesundheitssystems, der Arbeitszeitregelungen, der Arbeitsplätze, der Pensionen usw. zusammenzuführen, um gemeinsam unseren Lebensstandard zu verteidigen.

Es geht vor allem auch darum, eine positive politische Alternative zur neoliberalen Politik aufzubauen. Nur wenn wir nicht immer nur gegen etwas sind, sondern auch sagen worin die alternativen gesamtgesellschaftlichen Lösungen bestehen, können wir wirklich glaubwürdig sein.

Studierende alleine stellen für die Regierungen keine Gefahr dar. Weil auch die Studierenden das wissen, haben sie ein Ohnmachtgefühl entwickelt. Zu einer Gefahr werden StudentInnen erst, wenn ihr Kampf mit gewerkschaftlichen und betrieblichen Kämpfen verschmilzt, oder zu verschmelzen droht. Genau das sind die Lehren der französischen Massenproteste gegen das CPE (Aufweichung des Kündigungsschutzes für junge ArbeitnehmerInnen) und der erfolgreichen Arbeit der spanischen Studierenden- und SchülerInnengewerkschaft SE. Erst wenn den Studierenden bewusst wird, dass ihnen bei der Verschmelzung des sozialen Widerstands und im Aufbau einer neuen politischen Alternative eine Schlüsselrolle zukommt, werden sie ein neues Selbstbewusstsein entwickeln.

Die Wiederentdeckung des politischen Mandats der Universitäten!

Das politische Mandat der Unis bedeutet, dass es das Recht und die Pflicht der Studierenden ist, sich in alle politischen Fragen einzumischen. Diese Idee stammt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich eine Reihe deutscher Intellektueller im politischen Mandat der Universitäten einen antifaschistischen Schutzmechanismus erhofften. In den 1960er Jahren entwickelte sich aus dieser Idee das Selbstverständnis der Studierenden, VorkämpferInnen einer neuen Zeit zu sein, die Spitze einer die gesamte Gesellschaft umfassenden Bewegung für sozialen Wandel.

Genau weil in den 1960er Jahren der Kampf der Studierenden gesamtgesellschaftliche Sprengkraft entwickelte, weil sich der Kampf für die Interessen der Studierenden mit einer allgemeinen Revolte für einen Politikwechsel verband, konnte in dieser Zeit so viel für Studierende erreicht werden.

An diesen Traditionen gilt es heute anzuschließen. Der VSStÖ kann heute gemeinsam mit der Sozialistischen Jugend die Organisation werden, um die sich eine neue politische Kraft in der Linken bildet, eine politische Kraft, die in die Schulen, Betriebe und in die Gewerkschaftsbewegung hineinreicht. Diese politische Kraft wird sich von Anfang an auch als Erneuerung der ArbeiterInnenbewegung verstehen. Genau diese Idee, nämlich Studierendenbewegung und ArbeiterInnenbewegung zu verschmelzen, eine Idee, die in den 1960er Jahren noch sehr abstrakt war, wird heute höchst konkret: Erstens arbeiten die meisten Studierenden heute und sie wissen was die Prekarisierung der Arbeitswelt bedeutet und welche Auswirkungen dies auf das gesamte Leben hat. Zweitens studieren heute Studierende unter dem Druck der neoliberalen Umstrukturierung der Unis kürzer und sehen sich sofort nach dem Studium mit allen Problemen der heutigen prekarisierten Arbeitswelt konfrontiert, mit schlechter Bezahlung, unbezahlten Überstunden, Leasingverträgen, schlechter Interessensvertretung, Auslagerung, Abwanderung von Betrieben, Arbeitslosigkeit, ständig steigendem Arbeitsdruck. Die überwältigende Mehrheit der Studierenden erhält heute keine privilegierten Jobs mehr wie in den 1960er Jahren. Die Bewegung in Frankreich gegen das CPE war ein erster Ausdruck dessen, dass Studierende die Probleme der Arbeitswelt mehr und mehr als zentral empfinden, und dass sie selbst zu einem Motor der modernen ArbeiterInnenbewegung werden können.

In Österreich kann eine neue linke politische Kraft unter den gegebenen Bedingungen nur dann in der Gesellschaft Fuß fassen, wenn sie sich als linker, wirklich sozialistischer Flügel der SPÖ und des ÖGB konstituiert. Dies deshalb, weil sich genau dort Tausende einen politischen Kurswechsel wünschen und Hunderte bereit sind dafür aktiv einzutreten. In diesem Sinn betrachten wir auch den Austritt von Barbara Blaha und anderer führender VSStÖ-FunktionärInnen aus der SPÖ als einen Fehler. Nicht sich von der SPÖ abwenden heißt es jetzt, sondern in der organisierten ArbeiterInnenbewegung eine neue politische Alternative aufbauen. Auf diesem Weg treffen wir Gusenbauer und Konsorten dort wo es ihm am meisten weh tut, und genau darum handelt es sich auch, wenn man die Verbesserung der Studienbedingungen als eigenen politischen Ausgangspunkt sieht.

Die stolze Geisteshaltung des politischen Mandats ist notwendig, um aus der Defensive zu kommen, um das Ohnmachtgefühl durch ein neues Selbstbewusstsein, einen neuen aufrechten Gang auszutauschen. Welche Organisation, wenn nicht der VSSTÖ kann diese Kampforganisation organischer Intellektueller werden - Intellektueller, die einerseits die volle sozialistische politische Perspektive verstehen und die gleichzeitig fähig sind, diese Perspektive mit allen Lebensbereichen der Gesellschaft zu verbinden, mit Schule, Uni und Betrieb. Die 2.000 Studierenden, die im Jänner dieses Jahres gegen die Angelobung der Regierung Gusenbauer demonstrierten, und die sich überwiegend im Klaren darüber waren, dass es hier um mehr geht, als um die Studiengebühren, dass die allgemeine politische Situation der fortgesetzten schwarz-blauen Wende untragbar ist, diese 2.000 sind eine erste Basis auf der es aufzubauen gilt.

Sozialismus des 21. Jahrhunderts

Eine politische Alternative benötigt eine Vision. Wenn in den 1960er und 1970er Jahren diese Vision in einer diffusen Verherrlichung von Maoismus, Guerilla und der kolonialen Revolution gipfelte, von der sich wenig bis gar nichts auf Westeuropa anwenden ließ, kündigt sich heute in Lateinamerika und besonders in Venezuela ein „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ an, der das Potential globaler Attraktivität in sich birgt.

Besetzte Betriebe unter ArbeiterInnenkontrolle, die Verstaatlichung und demokratische Verwaltung der gesellschaftlichen Reichtümer durch die Beschäftigten und Betroffenen sind kein exotisches Kuriosum. Das ist die soziale Medizin gegen die Massenarbeitslosigkeit, gegen die Ausdehnung der Arbeitszeiten, gegen den Abwanderungsdruck der großen Betriebe, also die Antwort auf die drängendsten Probleme unserer Zeit in Westeuropa. Es ist kein Zufall, dass in jedem entscheidenden Arbeitskampf der letzten drei Jahre - Airbus (Frankreich-Deutschland), Fiat (Italien) und jetzt bei Delphi (Spanien) - immer die Frage der Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle in der Belegschaft hitzig diskutiert wurde und von einer qualifizierten Minderheit als Lösung gesehen wurde.

In Wirklichkeit gibt es nur eine Möglichkeit das Bildungs- und Gesundheitssystem zu verteidigen, nämlich durch den Einsatz der gesellschaftlichen Ressourcen für die Bedürfnisse der Menschen und nicht für die Profite einer kleinen Minderheit. Beim „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ geht es um nichts weniger als um die Verwirklichung der andauernd auf den Unis gepredigten Wissensgesellschaft, d.h. einer Gesellschaft, in der alle Mitglieder Teil eines kreativen, die gesamte Welt umspannenden, demokratischen und informationstechnologisch ermöglichten Schaffensprozesses werden.

Welchen VSStÖ braucht es?

Es braucht einen mutigen VSStÖ, der es versteht drei Aufgaben miteinander zu kombinieren. Erstens sollte VSStÖ die Initiative setzen zur Schaffung von Kanälen, in denen sich der universitäre Widerstand über alle politische Meinungen hinweg sammeln kann. Es geht darum in Form von Aktionskomitees, Sammelpunkte des studentischen gewerkschaftlichen Widerstandes zu schaffen in denen sich die StudentInnen zur Verteidigung ihrer Interessen organisieren können und in denen eine Einheitsfront aller kampfbereiten AktivistInnen hergestellt werden kann.

Zweitens geht es darum, sich mit allen anderen gesellschaftlichen Gruppen, die sich den Angriffen des Kapitals entgegenstellen wollen, zusammenzutun und mit diesen gemeinsam am Aufbau einer gesamtgesellschaftlichen politischen Alternative zu arbeiten. Unser wichtigster Orientierungspunkt dazu müssen die Gewerkschaften und kämpferische BetriebsrätInnen sein. In der jetzigen Situation stehen wir vor der Aufgabe, dass sich diese Kraft als sozialistischer Flügel in den traditionellen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung etabliert.
Drittens handelt es sich darum in dieses Projekt die Vision des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ einzubringen.

Die letzten beiden Aufgaben verlangen es, dass der VSStÖ neben seiner gewerkschaftlichen Interessensvertretungstätigkeit selbst zu einer politischen Kampforganisation wird. Dies setzt eine intensive Auseinandersetzung mit sozialistischer Theorie in den VSStÖ-Gruppen voraus: Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Wirtschaftstheorie, der politischen und ökonomischen Entwicklung in Österreich, in Europa und weltweit, mit dem revolutionären Prozess in Lateinamerika, den Lehren der Klassenkämpfe und revolutionären Bewegungen im 20 Jahrhundert. Nur eine solche intensive geistige Bewaffnung kann den VSStÖ für die Aufgaben der Zukunft vorbereiten.


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