Ein Bericht unseres Korrespondenten über die Bezirkskonferenz der SPÖ Wels.
„Wenn wir bis Ende November mit der ÖVP nichts zustande bringen, dann reichen wir den Antrag für eine Minderheitsregierung ein“
(E. Haider, LPV SPÖ-OÖ am 30.10.08)
Die Bezirkskonferenz der SPÖ Wels, zu der mehr als 190 Delegierte zusammentraten, fand am 30.10.2008 vor dem Hintergrund einerseits laufender Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP und andererseits einer sich vertiefenden Wirtschaftskrise statt.
Bemerkenswert an dieser Konferenz ist vor allem die Tatsache, dass die aktuelle innenpolitische Situation sowie die öffentliche Debatte rund um die Stabilisierung der Finanzmärkte beginnt ihre Spuren im Denken der organisierten ArbeiterInnenbewegung zu hinterlassen. Dementsprechend groß war das Interesse an den Anträgen, welche die SJ Wels auf Initiative der GenossInnen der Funke-Strömung zur Diskussion stellte.
Als erstes wurde der Antrag mit der Forderung nach einer SPÖ-Minderheitsregierung behandelt und von Gen. Florian Gérard vorgestellt. Dieser Antrag wurde jedoch von der Antragsprüfungskommission mit der Begründung, dass er einen negativen Effekt auf die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP hätte, zur Ablehnung empfohlen. Trotz dieser „Aufforderung“ der Antragsprüfungskommission den Antrag abzulehnen, votierten ca. 10 Delegierte mit uns für die Annahme des Antrages und weitere 6 GenossInnen enthielten sich. Auch wenn der Antrag somit keine Mehrheit fand ist das doch ein für uns bemerkenswertes Ergebnis, da noch vor wenigen Jahren eine solche Resonanz auf einen gegen die offizielle Parteilinie formulierten Antrag undenkbar gewesen wäre.
Interessante Anekdote am Rande: Selbst Gen. Erich Haider, welcher das politische Referat hielt, gab sich und dem Parteivorstand bis Ende November noch Zeit für ein Zustandekommen der Großen Koalition, ansonsten müssten die Weichen für eine SPÖ-Minderheitsregierung gestellt werden.
Des Weiteren wurde ein Antrag zur Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und Banken unter Kontrolle der Beschäftigten (siehe unten) eingebracht und von Gen. Mihai Csabai vorgestellt, welcher von der Antragsprüfungskommission ohne weitere Begründung zur Annahme empfohlen und mit nur einer einzigen Gegenstimme angenommen wurde. Vor allem hier machte sich die absurde Begründung der Antragsprüfungskommission im Hinblick auf den ersten Antrag bemerkbar, denn gemäß der inneren Logik dieser Begründung wäre auch der Antrag zur Verstaatlichung abzulehnen gewesen angesichts der Verkaufsverhandlungen bei der AUA z.B.
Den Abschluss machte Gen. Christian Kenndler mit dem Hinweis, dass die Manager der großen Banken und Versicherungen ihre Unfähigkeit, die Wirtschaft zu lenken, hinlänglich bewiesen haben. Es sei nun Aufgabe der organisierten ArbeiterInnenbewegung die Forderung nach einer Übernahme dieser Unternehmen durch die Lohnabhängigen aufzustellen und diese als staatliche und in einen nationalen Plan eingebettete Betriebe fortzuführen
Im Zuge der Bezirkskonferenz verkauften wir außerdem 22 Zeitungen von der aktuellen Ausgabe des „Funke“ und einige Exemplare unserer Broschüren zur Krise des Kapitalismus. Auch nach dem Ende der Konferenz führten wir noch viele interessante Diskussionen, welche in den nächsten Wochen im Rahmen der gewerkschaftlichen Aktivgruppe in Wels fortgesetzt werden sollen.
Antrag:
Nein zu Privatisierungen – Für Verstaatlichungen unter der Kontrolle der
Beschäftigten!
Der Verkauf der ehemals verstaatlichten Betriebe, der Banken, der
Bundeswohnungen, Post und Telekom hat zu einer wesentlichen Verteuerung der
öffentlichen Leistungen geführt. Tausende Arbeitsplätze wurden vernichtet.
Die Sicherung der Lebensgrundlage kann für einen wesentlichen Teil der
Bevölkerung nur mehr durch staatlichte Zuschüsse sichergestellt werden.
Die Gewinner der Privatisierungen sind die neuen Eigentümer die das
öffentliche Eigentum unter dem Wert gekauft, und nun von den überhöhten
Preisen profitieren. Beim Verkauf der Bundeswohnungen wurden den Käufern ein
Geschenk von über 3 Milliarden € gemacht. Die Unternehmen wie VOEST und
Telekom weisen in ihren Bilanzen Überschüsse von mehreren Hundert Millionen
Euro aus.
Diese Gewinne können nur auf den Rücken der ArbeitnehmerInnen erwirtschaftet
werden. Radikaler Personalabbau, erhöhte Ausbeutung und Lohnkürzungen sind
die Rezepte der Managements. Die höhere Arbeitslosigkeit und den fehlenden
Einnahmen im Sozialbereich gehen ebenfalls zu Lasten der Öffentlichkeit.
Betriebe, die um ein Butterbrot gekauft wurden und jahrzehntelang Gewinne
schrieben, werden verkauft, weil sie zu wenig produktiv sind (siehe
Glanzstoff).
Die weltweite Krise des Finanzkapitals zeigt die Grenzen der Deregulierung
und Privatisierung auf. Durch die unermessliche Gier des Systems wurden
Milliardenbeträge verzockt. Die neoliberalen Akteure, die dieses Debakel zu
verantworten haben, fordern nun vom Staat finanzielle Unterstützungen. Dabei
wären die hunderten Milliarden Euro, die nun dem Finanzkapital zugeschossen
werden, im Sozial- und Bildungssystem viel besser investiert.
Daher fordern wir:
- Leistungen, die die Lebensgrundlage der Bevölkerung sicherstellen:
Wasser, Energie, Wohnen, Mobilität und Kommunikation müssen unter
Verantwortung der Öffentlichkeit!
- Das Gesundheits-, Bildungs- und Pensionssystem muss unter öffentlicher
Regie weiter ausgebaut werden!
- Nein zu jeglicher Privatisierung, auch nicht an „heimisches" Kapital!
Für öffentliche Unternehmen unter der demokratischen Kontrolle der
Beschäftigten, des Staates und der KonsumentInnen!