Wehrpflicht abschaffen? Berufsheer einführen? Bundesheer ganz abschaffen? Ein Beitrag zur Heeresdebatte aus marxistischer Sicht.
Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs, spätestens aber mit der politischen Integration des ehemaligen Ostblocks in die EU, ist die Gefahr, Österreich könne in einen Krieg verwickelt werden, weggefallen. Trotzdem wurden mit den Euroflghtern teure Jagdbomber gekauft und das Bundeheer mit der Beteiligung an der EU-Armee für neue Auslandseinsätze vorbereitet. Grund dafür ist, dass die Herrschenden in der ganzen EU gemä́ß der neuen europäischen Verteidigungsdoktrin militärische Aufrüstung durchsetzen, um in der „Dritten Welt“ Rohstoffe und Absatzmärkte gegenüber den Mächten USA und China, aber auch sozialen Bewegungen, behaupten zu können. Im Rahmen dieser Entwicklung wurde in Österreich immer wieder die Ersetzung des Bundesheeres durch eine für diese Zwecke besser geeignete professionelle Berufsarmee gefordert.
Gerade für die Sozialdemokratie ist es aber unverzeihlich, dass sie diese Entwicklung mitträgt. Im Februar 1934 konnte das Bundesheer eingesetzt werden, um einen Aufstand der Sozialdemokratie gegen die faschistische Diktatur Dollfuß niederzuschlagen, weil Österreich ein Berufsheer hatte. Eine Armee, die sich aus den Bewohnern der Gemeindebauten rekrutiert, hätte nicht auf ihre eigenen Wohnviertel und ihre eigenen NachbarInnen geschossen. Die Beispiele Spanien (Berufsarmee löst Streik der Fluglotsen auf) und Tunesien (Wehrpflicht-Soldaten solidarisieren sich mit Protesten gegen die Diktatur) zeigen, wie wichtig die soziale Zusammensetzung der Armee auch heute ist.
Dass jetzt die ÖVP die Wehrpflicht verteidigt liegt aber an etwas völlig anderem: Mit dem Ende der Wehrpflicht würde auch der Zivildienst wegfallen. Die SPÖ präsentierte als Ersatzmodell ein aufgewertetes freiwilliges soziales Jahr, das mit 1300 Euro Mindestlohn und Anwendung der Kollektivverträge den Trägerorganisationen aber keine billigen Zivis als Lohndrücker liefern würde. Absurderweise wirft nun die ÖVP, die unterbezahlte Zwangsarbeit verteidigt, der SPÖ „Sozialabbau“ vor, weil bei höherem Gehalt und gleichem Budget weniger Arbeitsstunden bezahlt werden können.
Unsere Position dazu lautet:
* Erhöhung der Sozialbudgets, um einen angemessenen Lohn und ausreichendes Angebot in allen Sozialbereichen zu finanzieren
Wir fordern:
* Beibehaltung der Wehrpflicht
* Demokratische Rechte und angemessener Lohn für Grundwehrdiener und Zivildiener.
* Keine Auslandseinsätze des österreichischen Heeres
Kommentar: Bundesheer abschaffen?
Drill, Routine, Zwang – das verbinden die meisten jungen Männer mit dem Grundwehrdienst. Dementsprechend unbeliebt ist er auch. Und in einem Land wie Österreich ist es auch offensichtlich, dass es keine ernsthafte militärische Bedrohung gibt, die ein Heer rechtfertigen würde. Die Losung „Bundesheer abschaffen“ erscheint daher vielen Jugendlichen recht sympathisch. Die SJ, die sonst gerne betont, wie wichtig es ist „Realpolitik“ zu machen, begibt sich in dieser Frage aber offen auf das Terrain des Utopismus.
Der bürgerliche Staat würde nie und nimmer auf so ein wichtiges Instrument zur Aufrechterhaltung seines Gewaltmonopols verzichten. Das bürgerliche Heer hat dabei eine militärische Funktion nach innen wie nach außen zu erfüllen. Eine Welt ohne Heere, ohne Kriege und militärische Unterdrückung ist natürlich das Ziel von SozialistInnen. Aber es ist definitiv ein Ziel, dass wir nur im Sozialismus erreichen können. Wer sich in der aktuellen Debatte auf die Position „Bundesheer abschaffen“ zurückzieht und nicht für die Verteidigung der Wehrpflicht (bzw. politische Arbeit im Heer) eintritt, der überlässt denen das Feld, die jetzt ein Berufsheer für zukünftige Auslandseinsätze einführen wollen. Genau das macht aber Genosse Moitzi derzeit.
Und er setzt noch eins drauf, um die politische Verwirrung komplett zu machen. Die österreichische Außenpolitik solle sich auf „humanitäre Auslandseinsätze, Entwicklungszusammenarbeit und eine aktive Diplomatie“ stützen. Schon vergessen, dass unter dem nett klingenden Titel „humanitäre Auslandseinsätze“ die imperialistischen Interventionen am Balkan, in Afrika und in Afghanistan durchgeführt wurden. Schon vergessen, dass „Entwicklungshilfe“ kein Mittel der internationalen Solidarität sondern zur Festigung ökonomischer Abhängigkeiten gedacht ist. Und spätestens seit Wikileaks sollte dem letzten Pazifisten klar geworden sein, dass Diplomatie eines von vielen Instrumenten der imperialistischen Mächte zur eigenen Herrschaftssicherung ist.
Österreich mag ein kleiner, schwacher Imperialismus sein, der nur wenig militärisches Potential zur Sicherung seiner außenpolitischen Interessen hat. Aber wir sollten nicht glauben, dass Österreich kein imperialistisches Land ist. In diesem Sinne: Aufwachen, Genossinnen und Genossen!