Dieses Gründungsdokument des internationalen "Kommunikationsnetzwerks für den Sozialismus" stammt aus der Feder von Prof. Fernando Buen Abad Domuez von der Friedrich-Engels-Stiftung. Es wird im Rahmen des internationalen Treffens "Kommunikationsmedien und Sozialismus", das am kommenden Mittwoch in Bolivien stattfinden wird, offiziell präsentiert.

Kommunikation im breitest möglichen Sinne

In unzähligen Debatten, politischen Programmen und Aktivitäten taucht die Frage nach dem Privateigentum an den Kommunikationsmitteln auf (an Kameras, Mikrophonen, Fernsehstationen, Druckereien, Telekommunikationsmitteln, Transportmitteln wie Züge, Flugzeuge, Schiffe usw.) Ebenso die Frage, wie mit „Zugeständnissen“ von Regierungen umzugehen sei, die Frage nach der Abhängigkeit von technischen Hilfsmitteln zur konkreten Umsetzung und Diffusion der medialen Inhalte… wie auch die Frage, wie mit den entfremdenden ethischen und ästhetischen Schreckensbildern jener Ideologieformate umzugehen sei, die unsere „Wahrnehmung“, unsere „Meinungen“, unseren Konsum des hegemonischen Diskurses prägen. Es ist hoch an der Zeit in der revolutionären Debatte darüber nachzudenken, wie Kommunikationsstrategien auf dem Weg zum Sozialismus auszusehen könnten – organisieren wir schnell die Debatte, den Kampf in diesem ungleichen Krieg – einem Krieg, in dem eine Handvoll Leute ihre bürgerlichen Waffen der Ideologie auf eine gleichsam schutzlose Bevölkerung richtet.

Die Diskussion ist so weit fortgeschritten, dass heute niemand mehr irgendwelche individuellen Vorrechte auf die Ressourcen und den Reichtum erheben kann – auf das also, was eigentlich dem Volk gehört. Dies beinhaltet selbstverständlich den Luftraum genauso wie die Sendefrequenzen, die für uns so lebenswichtig sind wie das Wasser, der Boden oder die Bergwerke. Die Debatte ist so weit fortgeschritten, dass sie sich gegen die Nutznießer der Sendefrequenzen stellen muss, gegen die tägliche Vergeudung und Verschwendung, gegen das unverantwortliche Verhalten, gegen die dauernden Angriffe. Die Debatte hat einen Punkt erreicht, wo sie das Konzept des Privateigentums in Frage stellen muss; sein Sinn und Unsinn, seine Schattenseiten zum Thema macht; schließlich den Sozialismus, die Zukunft selbst, auf die Tagesordnung setzt. Sie treibt uns an, uns rund um ein weltweit gültiges Programm der Arbeiter- und Bauernkontrolle zu organisieren, unterstützt von der solidarischen Hilfe der besten Fachleute. Niemand wird von diesem Prozess ausgeschlossen. Verdoppeln wir unsere Anstrengungen!

Kapitalismus – das nicht einfach nur ein System der Warenproduktion. Er ist auch ein System, das kulturelle, moralische, ästhetische Werte hervorbringt, um die Existenzgrundlage der Bourgeoisie zu sichern, zu verteidigen, zu reproduzieren: das Privateigentum an den Produktionsmitteln und die Ausbeutung der Arbeitskraft der ArbeiterInnenklasse.

Jenseits der Debatte über die endgültige Abschaffung des Regimes des Privateigentums an den sog. Massenmedien gilt es darüber nachzudenken, wie sozialistische Kreativität im Bereich Information und Kommunikation aussehen könnte. Etwa: Wodurch werden wir CNN ersetzen? Wird es sozialistische Seifenopern geben? Comics? Sollen wir die bürgerlichen Formate imitieren, sie aufgreifen, weiterentwickeln, darüber nachdenken, wie wir sie verbessern und positiv aufheben können? Sollen wir neue Formate entwickeln, ganz andere Formen der „Unterhaltung“, andere Interviews, Quiz-Sendungen und Fernsehdiskussionen? Oder können wir sie verbessern? Machen wir Meinungsumfragen, Abstimmungen, Wahlen ... um die Inhalte, die Art der Berichterstattung, die Länge der Sendungen zu bestimmen?

Wir müssen das ideologische Vermächtnis der Bourgeoisie studieren: Wie langweilig sind die Dinge, die wir im privaten wie im öffentlich rechtlichen Fernsehen zu sehen bekommen – mit ihren Wiederholungen, ihrem schlechten Geschmack, ihrer Mittelmäßigkeit. Untersuchen wir dies Vermächtnis mit dem Ziel es aufzuheben; jene bürgerlichen Werte abzustreifen, d.h. die Attribute „mittelmäßig“, „vulgär“, „phantasielos“. Und tun wir all dies im öffentlichen Raum: auf Versammlungen, Kongressen, in Workshops. Diskutieren wir darüber, welche Art von Kommunikation wir wollen – in einem offenen Rahmen; einE jede soll sich beteiligen können, ohne Angst, ohne Zensur.

Begreifen wir die Kommunikationsmöglichkeiten als Teil des Reichtums der Völker, d.h. als jenseits des Privateigentums, im Rahmen eines gerechten, eines sozialistischen, eines planwirtschaftlichen Projekts. Weder SektiererInnen noch BürokratInnen werden uns diese Aufgabe abnehmen. Deren Beschränktheit haben wir nur zur Genüge kennen lernen müssen.

Wir richten uns auch gegen die Vorurteile der Gelehrten und die Irrwege des Empirio-Kritizismus. Es geht uns um einen Kampf für die schonungsloseste Aufdeckung des Geschmacks der Unternehmer, um unseren ganz eigenen Gegenentwurf; darum, die Unterschiede zwischen diesen beiden Polen aufzuzeigen, und was sie in letzter Instanz bedeuten. Wir müssen das Konzept der Entfremdung diskutieren, ihre Ausmaße und gesellschaftlichen Unkosten. Eine kollektive Art der Kommunikation ist nötig, unsere Art – und gerade weil sie uns gehört, wird sie nicht schlecht, wertlos, verwerflich sein: Eine Art der Kommunikation, die uns gehört, gerade weil es sich darum handelt, uns durch sie auszudrücken und uns mit ihr zu identifizieren. Sie stiftet Identität in Mitten des Klassenkampfs, auf dem Weg zum Sozialismus. Diese Art zu kommunizieren wird uns nicht fremd sein, sie wird uns informieren, anregen, stärken; eine Art zu kommunizieren, die uns aus der Passivität reißen und auf die Höhen der sozialistischen Tat schlechthin emporheben wird – die Kommunikation unter Gleichen; kurz: die Kommunikation.

Unsere Debatte richtet sich gegen jedEn KlassenfeindIn, gegen die entfremdende Ideologie der Massenmedien, gegen alles, was sie uns eingeimpft haben; gegen die Art und Weise, in der die herrschende Debatte geführt wird; gegen den Handel und Vertrieb ihrer massenmedialen Waren; gegen das Privateigentum an den Produktionsmitteln in der Industrie wie im Kommunikationswesen. Es braucht diese Debatte, diesen Kampf, während wir gleichzeitig wirklich neue Vorschläge hervorbringen, denn unsere Debatte richtet sich gegen all diejenigen, die uns davon abhalten wollen, eine solche tiefe und weit gefasste Kommunikationsrevolution zu träumen und in die Tat umzusetzen – eine Revolution, die zu tiefst verwurzelten Vorurteile beiseite schieben wird. Und dies wird selbst jene Bewusstseinsregionen erfassen, die am meisten unter den betäubenden Schlägen des kapitalistischen Diskurses leiden mussten.

Hierzu braucht es ein sozialistisches Übergangprogramm für das Kommunikationswesen. Dieses Programm müssen sich die Bewegungen der organisierten ArbeiterInnen, der Bauernschaft und der indigenen Völker selbst geben. Diese Debatte weist alle Unverrückbarkeit des Gedanken, jede Form des Autoritarismus zurück. Sie verfügt über genügend Kräfte, um aus ihren Tiefen eine sozialistische Revolution für das Kommunikationswesen hervorzubringen. Das mag großartig klingen, ist aber für sich genommen nicht genug. Ohne ein politisches Programm der direkten Aktion hin zu einer revolutionären Art der Kommunikation, um den gegenwärtigen Zustand der Barbarei und des Elends herauszufordern - d.h. die Kommunikationswerkzeuge selbst in die Hand zu nehmen und sie unter die Kontrolle der ArbeiterInnen und der Gemeinden in ihrem Marsch zum Sozialismus zu stellen – wird es sich nur um leeres Gerede handeln. Jeder Diskurs wird dann zu Demagogie, Reformismus, Bürokratismus, Sektierertum. Nichts aber ist die „Souveränität“ über die Produktionsmittel wert ohne einen Kommunikationsplan (Ideen, Übereinkünfte, Methoden,… Praxis) hin zum Sozialismus, der von Volksversammlungen, Gewerkschaften, kommunalen Räten, besetzten Betrieben und Ländereien vorangetrieben wird: Eine sozialistische Revolution der Kommunikation, angetrieben durch den Willen des Volks zur Bestimmung über sein eigenes Schicksal. Wirtschaftliche, ideologische, künstlerische Macht… sozialistische Macht eben. Diese Diskussion schnell auszuweiten, das ist die Aufgabe des Tages.

Die Bedeutung des wissenschaftlichen Sozialismus

Die Planungsaufgaben hinsichtlich Inhalt und Form der “Massenmedien” gehen Hand in Hand mit der leidenschaftlichen, vielseitigen, wissenschaftlichen Untersuchung der Produktionsverhältnisse, der Bedeutung der sozialistischen Kommunikation und ihr dialektisches Verhältnis zur nicht entfremdeten Arbeit. Legen wir das wirtschaftliche Gesetz frei, das die Produktion von Symbolen beherrscht – das Gesetz einer revolutionären Gesellschaft, die auf die Emanzipation ihrer selbst zugeht: Geben wir den wissenschaftlichen Beweis für die unabwendbare revolutionäre Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus!

Die Planung der Kommunikation setzt die leidenschaftliche Untersuchung der Übergangsgesetze vom Kapitalismus zum Sozialismus voraus; Mittel und Wege um die sozialistische Produktionsweise zu etablieren; objektive Gesetze des Sozialismus; dialektisch erstrittene Fortschritte; Entstehungsgesetze des weltweiten sozialistischen Systems; schließlich – dessen Bewegungsgesetze selbst. Die Umsetzung der Planung der Kommunikation über den Weg der „Massenmedien“ muss eine Waffe in unserem Kampfe sein, eine Anleitung zum Handeln. Eine solche Planung der Symbolproduktion muss das Wesen des Kapitalismus enthüllen und den Kampf gegen alles Sektierertum und gegen den Bürokratismus unterstützen. „Demokratische“ Kontrolle der Kommunikationsmittel von unten ist nötig, ebenso wie Planung im Interesse der ArbeiterInnen, nicht der AusbeuterInnen. Das ist undenkbar ohne ArbeiterInnenkontrolle, ohne Wachsamkeit und Einsatz der ArbeiterInnen, die die Gefahr des Verrats nur zu gut kennen.

Es wird notwendig sein, Planungskomitees einzurichten, Delegiertenräte mit Wurzeln in den sozialen Bewegungen für die sozialistische Kommunikation zu bilden – als eines der Mittel um ArbeiterInnenkontrolle konkret zu verwirklichen. Dies kann zu einem Motor der Symbolwirtschaft werden. Wenden wir uns der Aufgabe sozialistischer Kommunikation zu! Es ist notwendig, Kommunikationskomitees von verschiedensten Produktionszweigen zu organisieren. Eröffnen wir den Wissenschaften genügend Raum für Planung und Programmierung, was wiederum technisch hoch stehende Projekte möglich machen wird, um die Qualität der Kommunikation zu verbessern. Auf diese Weise wird die ArbeiterInnenkontrolle zum Motor der permanenten Revolution in der nach planwirtschaftlichen Kriterien organisierten Symbolwirtschaft werden. Das wird eine großartige Errungenschaft des Sozialismus sein. Unterschätzen wir diese Aufgaben nicht: Es eilt.


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Das ProponentInnenkomitee des Kommunikationsnetzwerks für den Sozialismus (Corriente de la Comunicación hacia el Socialismo) wird von Professor Fernando Buen Abad Domínquez koordiniert. Er ist Professor für Philosophie, Mitglied der Friedrich-Engels-Stiftung sowie der Internationalen Marxistischen Strömung (IMT). Geboren in Mexiko, gilt er als Spezialist in der Philosophie des Bildes, der Kommunikation und der Kulturkritik. Seine Spezialgebiete sind Film, Fernsehen, Radio und Verlagswesen. Er unterrichtete u.a. an Universitäten in Mexiko, Argentinien, den Vereinigten Staaten, ist Vorsitzender des „Instituto de Investigaciones sobre la Imagen“, Mitglied der „Asociación Mundial de Estudios Semióticos“, des „Movimiento Internacional de Documentalistas“, des Beratungsgremium von Telesur, Mitarbeiter von „Rebelión“ und anderen Internetzeitungen, sowie Vize-Rektor der „Universidad Abierta de México“.


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