Glaubt man der gängigen populärwissenschaftlichen Sicht in bürgerlichen Massenmedien dann ist der Mensch in erster Linie ein Produkt seiner Gene. Die Gene seien für alles verantwortlich – sie seien auch die Quelle allen Übels. Die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse weisen jedoch auf ein äußerst komplexes Zusammenspiel zwischen Genen und Umwelt hin.
Im Jahr 2000 wurde im Rahmen des Humane Genome Projects die Gesamtheit der menschlichen Gene entschlüsselt. Diese Studie stellt einen gewaltigen Fortschritt für die wissenschaftliche Erkenntnis über den Menschen dar, deren Bedeutung der britische Marxist Alan Woods in einem Artikel eingehend analysiert hat. Die Kenntnisse über Genetik sind in weiten Teilen der Öffentlichkeit aber immer noch auf dem Stand des österreichischen Augustinerpaters Gregor J. Mendel (1822-84), der als der Begründer der Erblehre gilt. Wer kann sich nicht an die Bildtafel aus Schulzeiten erinnern, wo am Beispiel von Hülsenfrüchten oder Meerschweinchen die Vererbung von Merkmalen der biologischen Grundausstattung von Organismen gezeigt wird.
Diesem Bild zufolge werden aber nicht nur Augen-, Haut- oder Haarfarbe nach einem festgelegten Erbgang an die Nachkommen weitergegeben sondern auch Eigenschaften, Wesenszüge, Intelligenz, physische wie psychische Krankheiten usw. Demzufolge sind es die Gene, die nach einem starren Muster funktionieren und das menschliche Leben ganz wesentlich vorprogrammieren. Wenn
dieser Ansatz stimmen würde, wären etwa Sucht oder auch Kriminalität
tatsächlich vererbbar, was die sog. Zwillingsforschung seit bald einem halben
Jahrhundert zu beweisen sucht, dabei aber immer wieder kläglich scheitert.
Diese Vorstellung hält jedoch den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften, vor allem auf dem Gebiet der neurobiologischen Forschung, auf keinen Fall stand. Auch die Gene sind einer Unzahl an Einflüssen ausgesetzt und spulen nicht einfach nur ein vorgegebenes Programm herunter. Es ist mittlerweile erwiesen, dass Umwelteinflüsse, also auch Einflüsse aufgrund von zwischenmenschlichen Beziehungen im Gehirn biologische Veränderungen herbeiführen können. Dementsprechend macht das menschliche Gehirn ständige Veränderungen durch.
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Die Erfahrungen und Erlebnisse in zwischenmenschlichen Beziehungen und die daraus resultierenden Emotionen werden in den sogenannten Nervenzell-Netzwerken im Gehirn gespeichert. Neue Erfahrungen verändern diese Netzwerke in ihrer Feinstruktur, was wiederum große Auswirkungen auf die Steuerung der Gene haben kann. Die Folgen für die psychische und körperliche Gesundheit des Menschen können enorm sein.
Exkurs: Wie funktionieren Gene?
Die Genfunktion wird durch zwei Aspekte bestimmt. Einerseits durch den „Text“ eines Gens, die „DNS-Sequenz“, der in jedem Lebewesen von Anfang bis zum Ende festgelegt ist und bei Fortpflanzung auch vererbt wird. Es gibt zwar Erbkrankheiten, die über diesen Weg an spätere Generationen weitergegeben werden, diese sind jedoch äußerst selten. Aus medizinischer Sicht weit relevanter ist der Aspekt der Regulation der Genaktivität. Diese aber ist vor allem von Umwelteinflüssen abhängig. Gene stehen gewissermaßen unter dem Kommando von „Genschaltern“ (den „Promotern“), die jedem Gen vorgeschaltet sind. Diese kurzen Abschnitte vor einem Gen sind die Stelle, wo von außen kommende Signalstoffe (sogenannte „Transkriptionsfaktoren“) angelagert werden. Solche Signalstoffe kommen großteils aus anderen Körperregionen, zu einem gewissen Maße aber auch aus der Umwelt (Nahrung, Umweltverschmutzung usw.). Zu letzteren gehören weiters psychische Einflüsse im Zusammenhang mit sozialen Eindrücken. Diese Erlebnisse werden im Gehirn in bioelektrische Impulse und in die Freisetzung von Nerven-Botenstoffen umgewandelt. Wenn solche Signalstoffe gehäuft bei einem Gen angelagert werden, dann erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass das Gen aktiviert oder „angeschaltet“ wird. Dies konnte mittels Stresstests herausgefunden werden.
Stress
Bei vermehrtem Stress (oder zu erwartendem Stress) wird im Gehirn ein Gen namens CRH-Gen angeschaltet, dies führt über eine Kettenreaktion binnen Minuten im Körper dann wiederum zur steigenden Produktion eines bestimmten Hormons, dem Cortisol. Die Folgen einer gehäuften Aktivierung des CRH-Gens können eine Reihe von Krankheiten und Unwohlbefinden verursachen (Bluthochdruck, Appetitlosigkeit, Hautreaktionen, verminderte Produktion von Sexualhormonen,...). Bei einer erhöhten Cortisolkonzentration wird außerdem eine Reihe von Genen blockiert, die zur Stärkung des Immunsystems benötigt werden, dies erhöht wiederum die Anfälligkeit für Virusinfektionen (von Erkältungen bis Herpes) oder verschlechtert die Wundheilung. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass ständige Stresserlebnisse den Körper krankheitsanfälliger machen, den Verlauf von Krankheiten komplizieren und die Lebenserwartung drastisch senken können. Stress kann außerdem nachhaltige Schädigungen der Gehirnstruktur nach sich ziehen und die Gehirnalterung beschleunigen (Stichwort Alzheimer).
Nicht jeder Mensch reagiert auf Stress gleich. Entscheidend sind individuelle Vorerfahrungen und wie diese im Gehirn gespeichert sind. Dies erfolgt in den Nervenzell-Netzwerken des Großhirns und des limbischen Systems (Zentrum für emotionale Intelligenz). Hier liegt die Basis für Interpretations- und Handlungsmuster von Menschen bei der Bewertung neuer Situationen. Zur Steigerung der Anpassungsfähigkeit gibt es die Fähigkeit zu Antizipation von Geschehnissen – in solchen Fällen können Stressreaktionen auch schon im Vorhinein ausgelöst werden. Untersuchungen an Tieren haben ergeben, dass der Umgang mit Stresssituationen, was an der Aktivierung des CRH-Gens ablesbar ist, auf keinen Fall vererbt ist. Prägend dürften in diesem Zusammenhang bereits die ersten Lebensmonate sein und ob der Nachwuchs in dieser ersten Lebensphase die nötige Zuneigung durch Bezugspersonen bekommt oder nicht. Dies setzt sich dann ein Leben lang fort: soziale Beziehungen prägen ganz entscheidend die Bildung von Nervenzell-Netzwerken und somit die Hirnstruktur. Anregende, angemessene Umweltbedingungen vermehren die Zahl von Nervenzellen und Synopsen (Verknüpfungen von Nervenzellen) bzw. aktivieren Gene, die wichtige Auswirkungen auf das Wachstum der Nerven haben. Die persönliche Entwicklung von Babys und Kleinkindern, aber später auch von Erwachsenen, ist zu tiefst abhängig von den Umweltbedingungen.
Umwelt und Neurobiologie
Das menschliche Gehirn hat also die Fähigkeit Eindrücke aus zwischenmenschlichen Beziehungen, aus der Umwelt in biologische Signale umzuwandeln. Dadurch wird die Aktivität zahlreicher bedeutsamer Gene reguliert, und dies hat wiederum nicht nur seelische sondern auch biologische Auswirkungen – im positiven wie im negativen Sinne. Eine Reihe von Krankheiten, die immer weiter verbreitet sind, sind nur aufgrund dieser Erkenntnis zu verstehen. Dazu gehören Depressionen, Borderline-Syndrom oder posttraumatische Belastungsstörungen, die wiederum in engem Zusammenhang mit der Verbreitung von Krankheiten wie Hypertonie zu sehen sind. Nur ein verschwindend kleiner Teil der medizinisch bekannten Krankheiten (1-2 Prozent) wird durch Genveränderungen (Mutationen) verursacht bzw. vererbt.
In der Folge wollen wir anhand einiger Krankheiten den Zusammenhang zwischen Umwelt und Genen darstellen.
a) Depression
Alle Menschen sind dann und wann mit einer Verminderung oder dem Verlust des Selbstwertgefühls und somit der Lebenskraft, also mit depressiven Gefühlen, konfrontiert. In zunehmendem Ausmaß kommt es aber in diesem Zusammenhang zu echten Erkrankungen. Untersuchungen haben ergeben, dass rund 15 Prozent der Menschen in den entwickelten kapitalistischen Industriestaaten zumindest einmal in ihrem Leben eine schwere Depression erleben, rund 30 Prozent haben leichtere Formen der Depression.
Die Depression ist also längst zu einem anerkannten Massenphänomen geworden, eine gesundheitliche Störung mit Folgen für das seelische Befinden und die Aktivität von Genen.
Als der Psychiater Emil Kraepelin 1890 erstmals den Begriff „depressiv“ in die wissenschaftliche Debatte einbrachte, ging er davon aus, dass es sich bei dieser Krankheit um eine „endogene Psychose“ handle, d.h. eine Geisteskrankheit, die „mindestens sehr oft, vielleicht immer angeboren ist“. Diesen PatientInnen könne daher im Regelfall auch nicht geholfen werden. Sehr schnell wurde dieser Ansatz in der Psychiatrie somit auch zu einem Schlachtross des Sozialdarwinismus. Dies ging dann auch bis zur Rechtfertigung der späteren Euthanasie im Nationalsozialismus durch Psychiater wie Alfred Hoche, dem Co-Verfasser der Schrift „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“.
Mittlerweile weiß man jedoch mehr über diese Erkrankung. Vor dem erstmaligen Auftreten einer Depression steht immer ein einschneidendes soziales Ereignis: Konflikt in Beziehungen, Tod einer nahe stehenden Person und nicht zuletzt Konflikte, Überforderung in der Arbeit. Der Verlust sozialer Beziehungen steht fast immer am Beginn einer Depression. In der Folge kann eine Depression aber auch ohne ein solches von außen eindeutig nachvollziehbares Ereignis auftreten. Lange Zeit glaubte man daher, es gäbe zumindest eine Form der Depression, die aus einem bisher unerklärlichen, geheimnisvollen Grund „endogen“ sei, also von innen kommt. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass nicht nur zwischenmenschliche Beziehungen, sondern auch Krankheitserfahrungen in den Nervenzell-Netzwerken gespeichert werden können.
Die Depression ist eine besondere Form der Stresserkrankung. Die oben skizzierten Vorgänge bei Stressreaktionen (Aktivierung von Genen,...) können auch bei Depressionen beobachtet werden.
Bei an Depression erkrankten Personen lassen sich übrigens eindeutige Beeinflussungen der Persönlichkeitsstruktur ausmachen. Die negative Erfahrung mit Bindungsverlusten wirkt sich nachhaltig aus in dem Verhaltensmuster entwickelt werden, die auf die Sicherung von sozialen Beziehungen abzielen: Arbeitseifer, Gewissenhaftigkeit, Hilfsbereitschaft, Fürsorglichkeit...
Depression ist letztlich aber mehr als eine Stresskrankheit. Der Verlust des Selbstwertgefühls führt dazu, dass die Nervenzell-Netzwerke, in denen sich gewissermaßen im Zuge der Biographie eines Menschen das Selbstwertgefühl gespeichert hat, verändert oder zerstört werden.
In weiterer Folge haben an Depression erkrankte Menschen übrigens mit einem enorm gestiegenen Risiko zu Herzkrankheiten, Herzinfarkt oder Herztod zu leben. Dies erfolgt über die Verbindungen zwischen zentralem Nervensystem und dem Herz. Weiters gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Depression und der Entwicklung des Immunsystems, auch hier ist das Stresshormon Cortisol von enormer Bedeutung. Ständiger Stress bringt das natürliche Gleichgewicht zwischen Stress- und Immunsystem aus dem Ruder und erhöht somit die Krankheitsanfälligkeit (einschließlich das Tumorrisiko).
In der Medizin herrscht seit den 1950ern der Ansatz vor Depression in erster Linie als Krankheit zu sehen, die mit biochemischen Methoden bekämpft werden kann. Antidepressiva sind für die Pharmakonzerne ein äußerst profitabler Markt. Der Einsatz von Psychopharmaka zur Bekämpfung von Depressionen oder auch anderen psychischen Erkrankungen wie dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) bei Kindern, welche im Gehirn die Ausschüttung von Botenstoffen verändert, ist aber eine reine Symptombekämpfung. Die sozialen Ursachen werden damit nicht aus der Welt geschaffen. Und diese sind in vielen Fällen eng verknüpft mit der zusehends bedrängteren Stellung des Menschen im Kapitalismus, dessen bevorzugtes Prinzip jeder gegen jeden lautet.
Es gibt Diskussionsansätze, welche sich gegen die Pathologisierung jeglicher Befindlichkeitsstörung, jeder Verhaltensabweichung wehren (wie z.B. Depressionen und ADS), da sie davon ausgehen, dass die Normen für psychische Gesund- bzw. Krankheit in weiten Teilen gesellschaftlich gemachte sind, welche zu großen Teilen von den Interessen der Herrschenden bestimmt werden, tatsächlich aber nicht unbedingt einer materiellen Realität entsprechen (müssen). Abweichungen im menschlichen Verhalten hat es aber immer gegeben und diese müssen in einer Gesellschaft, welche für den Menschen da ist, innerhalb eines kollektiv vereinbarten Rahmens auch akzeptiert werden. Dass dies im Kapitalismus nicht der Fall ist, liegt
nicht nur an den Verwertungserfordernissen der Ware Arbeitskraft, sondern auch
an den Interessen der Pharmaindustrie, welcher bei einem solchen Zugang eine
fette Profitquelle verlorengehen würde.
b) Borderline
Wir gehen in diesem Beitrag also von der These aus, dass soziale, zwischenmenschliche Beziehungen enorme Auswirkungen auf physische Abläufe, inklusive Genaktivität und –regulation haben. Die große Bedeutung von Beziehungen trifft vor allem bei Kindern zu, die von diesen ganz besonders abhängig sind. Die bürgerliche Kleinfamilie, die lange Zeit als optimaler Ort für die Kindererziehung und Persönlichkeitsentwicklung des Nachwuchses galt, erweist sich jedoch immer deutlicher als Institution, in der ein unvorstellbar hoher Anteil der Kinder Erfahrungen mit psychischer und körperlicher Gewalt sowie mit Missbrauch machen.
Gewalt und Missbrauch sind in der Regel Ausdruck der Tatsache, dass die Familien enormen Belastungen ausgesetzt sind (Wohnverhältnisse, soziale Unsicherheit, Defizite in der Kindererziehung und im Bildungssystem usw.) oder ganz einfach mit ihren Aufgaben überfordert sind, was sehr viel mit der Krise herkömmlicher Wertevorstellungen und Normen zu tun hat. Eine perfekte Erziehung, wie sie sich die überwältigende Mehrheit der Eltern wohl wünschen, ist unter diesen Bedingungen de facto unmöglich. Zu oft wird jedoch eine Grenze überschritten, die für das Kind nachhaltig katastrophale Folgen haben kann. Erkrankungen, die sich aus kindlichen Traumaerlebnissen herleiten, haben in der jüngsten Vergangenheit massiv zugenommen. Meist reagieren solche Kinder mit dem, was in der Medizin „Dissoziation“ genannt wird. D.h. sie befinden sich in einer psychisch und/oder körperlich unerträglichen Situation, aus der es herauszukommen gilt. Nachdem Kinder in den meisten Fällen aber keine wirkliche Alternative zum Leben in ihrer Familie haben, suchen sie einen anderen Ausweg zur Verminderung oder gar Ausschaltung ihrer Schmerzen. Sie nehmen in gewisser Maße Abstand von der eigenen Identität. Krankheiten wie Borderline oder Essstörungen, die mit für andere Menschen schwer nachvollziehbaren Verhaltensweisen verbunden sind, stellen einen (verzweifelten) Versuch dar, diese Dissoziation wieder aufzuheben.
Wie bei der Depression reichen oft Bilder oder Erinnerungen an vergangene Erlebnisse, die zum Auslöser für solche Erkrankungen werden können. Es gibt also auch hier die Möglichkeit, dass sich die Krankheit quasi selbständig macht.
Bei Borderline kommt es meist zu Formen der Selbstverletzung, -vergiftung oder zu Gewalt nach außen. Dabei produziert der Körper jedoch schmerzdämpfende Endorphine. Die PatientInnen geben meist selbst an, unter enormen inneren Spannungen und Aggression, dann wieder unter unbeschreiblicher innerer Leere, Einsamkeit, Angst zu leiden. Oft geht die Krankheit einher mit dem Konsum von Suchtmitteln. Stabile zwischenmenschliche Beziehungen fallen in dieser Phase extrem schwer und scheitern regelmäßig oder werden gar nicht in Angriff genommen – trotz quälender Einsamkeit.
Eine andere, (vor allem bei Mädchen und jungen Frauen) weit verbreitete Form der krankhaften Dissoziation ist die „Binge eating disorder“, wo es zu Fressattacken kommt.
Die Forschung lässt mittlerweile keinen Zweifel mehr daran, dass diese Krankheiten in direktem Zusammenhang mit Traumaerfahrungen basierend auf Gewalt und Missbrauch im Kindesalter stehen. Oft schlummern diese Erfahrungen gewissermaßen über Jahre im Körper. Erst während der Pubertät beginnt sich das schmerzlich Erfahrene durch auffälliges Verhalten Gehör zu verschaffen.
c) Burn-Out
Einen großen Teil unserer Lebenszeit verbringen wir in der Arbeit. Die Bedingungen, unter denen dies passiert, sind geprägt von Entfremdung und Ausbeutung. Der körperliche und psychische Verschleiß durch Lohnarbeit ist unvorstellbar hoch. Krankheitsursache Nr. 1 sind mittlerweile sogar die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz, die gekennzeichnet sind von Hierarchien und Unterdrückung.
Das Burnout-Syndrom ist mittlerweile zu einem weiteren Massenphänomen geworden. In Deutschland leiden 30-35 Prozent der Erwerbstätigen an objektiv beschreibbaren psychischen Belastungen, psychosomatische Körpersymptome plagen sogar 60-80 Prozent.
Die Hauptmerkmale von Burnout sind: emotionale Erschöpfung, eine negative Einstellung gegenüber Vorgesetzten, KollegInnen,... sowie eine negative Einschätzung gegenüber der eigenen Arbeit. Meist kommt es beim Burnout zu einem gemeinsamen Auftreten mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depression, Schlafstörung usw.
Auch hier sind trotz der sozialen Ursachen die körperlichen Folgen groß: Veränderungen der Produktion des Stresshormons Cortisol, Störungen im Immunsystem.
Burnout kommt vor allem dort gehäuft auf, wo Lohnabhängige hohen Anforderungen (vor allem im Umgang mit anderen Menschen) ausgesetzt sind, selber aber wenig Gestaltungsmöglichkeit haben. Dies trifft vor allem auf Berufe im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich zu. Das Fehlen solidarischer Strukturen unter der Belegschaft und der Zwang, sich als EinzelkämpferIn durchzuschlagen, begünstigen den Ausbruch dieser Erkrankung.
Selbst diese wenigen Beispiele zeigen eines: zwischen Genen und Umwelt herrscht eine dialektische Beziehung, wobei Umweltbedingungen und vor allem soziale Beziehungen von größter Bedeutung für die biologische Entwicklung des Menschen sind.
Unter den derzeit vorherrschenden Bedingungen bedeutet das ein enormes Gesundheitsrisiko für große Bevölkerungsteile. „Dieses System macht krank“, dieser Spruch hat heute mehr denn je Gültigkeit. Die Umwälzung der sozialen Verhältnisse ist eine Grundvoraussetzung, wenn wir unsere psychische und somit auch biologische Entwicklung in einem positiven Sinne beeinflussen wollen.