Gewalt an Frauen. Alleine in diesem Jahr wurden in Österreich bereits 14 Frauen ermordet (Stand 12.5., Statistik AÖF) – in nicht einmal 5 Monaten. Sonja Kopf bezieht Stellung.
Fast alle dieser Fälle haben eines gemeinsam: Der Täter ist der Ehemann, der Freund, der Ex oder ein anderes männliches Familienmitglied. Der Besitzanspruch des Mannes auf die Frau ist in der Gesellschaft tief verankert und geht auf den Beginn der Klassengesellschaften zurück. Das Leben der Frau gehört nicht ihr selbst, bis in den Tod.
Die traditionelle Rolle der Frau
Eine der Säulen der Klassengesellschaft ist, dass Frauen tagtäglich Arbeit in Form von Hausarbeit, Kindererziehung und der Pflege der Eltern, verrichten. Frauen sind der wahre Sozialstaat, ohne den die Gesellschaft zusammenbrechen würde. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert: Kinderbetreuungspflichten wirken sich bei Müttern viermal häufiger auf die Erwerbstätigkeit aus als bei Vätern und dies in stärkerem Ausmaß. Deshalb arbeiten Frauen oft in Teilzeit, gar nicht, oder haben große Beschäftigungslücken in ihrem Leben.
Kurzum, die gesellschaftliche Rolle der Frau ist klar definiert: Ihre Aufgabe ist es sich um Haushalt und Kinder (und dann um die Eltern) zu kümmern, ein selbstständiges Leben ist ihr nicht von vornherein geschenkt. Dieses Gefängnis wird von klein auf ideologisch antrainiert und wird oft genug Teil der Selbstidentität einer Frau.
Gewalt ohne Ausweg
28% der Frauen ab dem 15. Lebensjahr in Österreich geben an, dass ihr Verhalten durch einen Partner kontrolliert wird. 20% sind körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Die Pandemie und der Lockdown verschärfen diese Situation drastisch. So hat die Frauenhelpline im Lockdown bis zu über 70% mehr Anrufe erhalten.
Für viele ist es völlig unverständlich, warum Frauen, die in der Beziehung misshandelt werden, sich nicht einfach trennen. Doch so einfach ist es eben nicht: Die finanzielle Lage der Frauen ist oft schwierig. Ohne ausreichendes Einkommen würden sie von heute auf morgen mit ihren Kindern vor dem Nichts stehen.
Gleichzeitig ist der gesellschaftliche Druck eine gute Partnerin und Mutter sein zu müssen, Unsicherheit und sich selbst die Schuld für eine „nicht funktionierende“ Beziehung zu geben, tief im Bewusstsein verankert. Das wird von Kindesbeinen an ideologisch angelernt. Die Mutter von Marija, einem der jüngsten Opfer, berichtet in einem Interview davon, dass ihr immer klar war, dass ihre Tochter von ihrem Partner geschlagen wird, doch sie wusste ihr eben nicht zu helfen. Im Nachhinein sagt sie, hätte sie sei bestärken sollen zu reden „egal mit wem, einer Freundin, der Polizei, egal wem“. Marija hat dies auch getan, aber niemals war sie so stark, auch vollständig mit ihrem Kindesvater zu brechen. Über ein Jahrzehnt lang konnte sie sich nicht von ihm lösen, wurde sogar ein zweites Mal schwanger, und dies alles obwohl sie schon früh ein negatives Urteil über diesen Mann hatte und wiederholt versuchte, sich von ihm zu trennen.
Wird es wieder besonders unerträglich ist die Furcht vor den Konsequenzen einer Trennung groß: Während einer Trennung sind die Aggressionen hoch und die Angst vor der Rache des Ex-Partners besonders begründet. Nach einer Trennung stehen die Frauen vor finanziellen Problemen. Auch fürchtet man um die Reaktion der Umgebung, wünscht dem Kind trotz alledem einen Vater, usw.
Gewaltschutz
Dazu gibt es praktische Probleme: In Österreichs Frauenhäusern gibt es viel zu wenige Plätze und in der Vergangenheit hat die Regierung an genau dieser Stelle immer wieder Kürzungen vorgenommen. In den 15 Autonomen Österreichischen Frauenhäusern mussten 2018 183 Frauen und Kinder wegen Platzmangels abgewiesen werden.
Die Regierung kündigte in Reaktion auf den gesellschaftlichen Aufschrei angesichts des Gewaltexzesses die Erhöhung der Budgetmittel von 14,5 auf 25 Mio. Euro an – viel zu wenig, wenn es nach den VertreterInnen der Gewaltschutzorganisationen geht: Sie fordern eine Erhöhung auf 228 Mio. Euro, um ihre Arbeit abzusichern. Das fehlende Budget wirkt sich fatal auf die tägliche Arbeit in der Krisenintervention aus. So ist in der Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt eine Betreuerin für 310 Opfer zuständig – eine professionelle Betreuung für alle Schutzsuchenden ist so unmöglich.
Ein Systemproblem
Die beste Gewaltprävention ist der erfolgreiche Kampf um die materielle Unabhängigkeit der Frauen der Arbeiterklasse. Ist diese erreicht, besteht auch eine feste Basis die vielfältigen ideologischen Rechtfertigungen der Frauenunterdrückung endgültig zum Einsturz zu bringen. Für die Herrschenden ist es eben extrem profitabel, die Haus- und Familienarbeit auf die Frauen außerhalb von Lohnarbeitsverhältnissen zu schieben – schließlich ist das die profitschonendste Lösung fürs Kapital. Solange Frauen aber in ihrer der Familie untergeordneten Rolle gefangen sind, wird es immer auch Fälle exzessive Gewalt gegen sie geben. Die Unterdrückung der Frau, und damit die Gewalt gegen sie, gehört untrennbar zum Kapitalismus und kann nur durch seinen Sturz beendet werden.
Für ein menschenwürdiges Leben für alle, für den Sozialismus! Die Frau frei vom Mann, beide befreit vom Kapital!
(Funke Nr. 194/26.5.2021)