Italien. Am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, dem 26. November, wurde ein Sektor der Großdemonstration in Rom massiv medial angegriffen. Es waren die GenossInnen der IMT wegen ihres Transparents „Meloni raus – unsere Befreiung durch Revolution!“ Von Yola Kipcak.
Bürgerliche Medien und die politische Rechte griffen sie dafür an, dass sie Slogans gegen die ultrarechte Premierministerin, Giorgia Meloni, erhoben. Mit identitätspolitischen Scheinargumenten wurde ihre politische Haltung gegen eine frauen-, arbeiter- und transfeindliche Rechtsregierung als Aufruf zur Gewalt „von Frauen gegen eine Frau“ dargestellt.
Die Hauptorganisatoren der Demonstration, die Führungsclique innerhalb von „Ni una di Meno“ (NUDM), griffen diese bürgerliche Schmutzkübelkampagne willig auf und attackierten die GenossInnen mit Mobbingmethoden: Flyer wurden zertrampelt, die GenossInnen wurden physisch bedroht, auf Planungstreffen – die IMT ist seit Jahren Teil der Bündnisse – wurde ihnen das Rederecht verweigert. Wie konnte es dazu kommen?
Um 2017 war die Bewegung gegen Gewalt an Frauen ein massenhafter Anziehungspunkt in einer Reihe von Ländern. Damals fanden in Polen, Lateinamerika, Spanien, Italien u.a. Massenproteste für Frauenbefreiung und Abtreibungsrechte statt. Den 8. März zu einem Massenstreiktag zu machen war in Diskussion und wurde etwa in Spanien 2018 erfolgreich umgesetzt. Auch in der italienischen Gewerkschaftsbewegung stand die Streikfrage zur Debatte und die Gewerkschaftsführung der CGIL stand unter Zugzwang.
Doch anstatt die Bürgerlichen und die Reformisten mit einer klassenkämpferischen Orientierung herauszufordern, um die Bewegung auf eine breite Basis zu stellen, setzte sich in der Führung von NUDM ein kompromisslerischer Weg durch. 2017 schrieben die italienischen GenossInnen der IMT:
„Wir sind der Meinung, dass die Schwierigkeiten der Bewegung – zumindest hier in Italien – darin bestehen, dass keine klare Kampfstrategie gegen den Status Quo formuliert wird. Das hängt mit der Klassenposition derjenigen zusammen, die die Bewegung anführen. Sie akzeptieren die gegenwärtige Regierung und beschränken sich darauf, einfach die eine oder andere Gesetzesvorgabe der Renzi-Regierung zu kritisieren.“ Und weiter: „[Der Streikaufruf] ist eine diplomatische Abmachung zwischen den feministischen Gruppen, die ihn erhoben haben, und den Gewerkschaftsbürokratien, die nur halbherzig darauf reagierten.“
In Italien ließ sich die Führung von NUDM auf Gespräche mit der Regierung ein und das Kampfpotenzial verflog. Der Klassenkampf wich dem „Kulturkampf“, indem Diskussionen über identitätspolitische Repräsentation in den Vordergrund rückten. Diese Art der Argumente sind nur die Kehrseite der bürgerlichen Angriffe; sie spalten anhand der Identität und verwischen die Klassenfrage. Diese inhaltliche Ausrichtung wird mit bürokratischen Mobbingmethoden durchgefochten. Innerhalb von NUDM dominieren inzwischen AnhängerInnen der Queer Theory, die systematisch Gruppen, die inhaltliche Differenzen haben, mit teilweise aggressiven Taktiken hinausgedrängten. Anstelle einer breiten Bewegung, in der alle ihre Ideen offen präsentieren können und diese Ideen somit auch hinterfragbar und abtestbar sind, dominiert die Vorstellung der scheinbaren „Unparteilichkeit“, also der Versuch, bestimmte politische Slogans, Fahnen und Transparente von öffentlichen Kundgebungen und Demonstrationen zu verbieten. In einem NUDM-Plenum wurde das offen ausgesprochen: „Wir akzeptieren niemanden, der Inhalte auf die Straße bringt, die nicht auf einem Treffen geteilt und diskutiert wurden.“
Die GenossInnen der IMT in Italien haben nun eine Kampagne gestartet, um diesem skandalösen Zustand der Bewegung offen entgegenzutreten. Die Kampagne richtet sich an alle Personen und Organisationen, die für Frauenbefreiung kämpfen möchten. In ihrem Aufruftext schreiben sie:
„Wir weigern uns zu akzeptieren, dass Aktionstage wie der 25. November […] und noch weniger der internationale Frauenkampftag am 8. März (eine über 100-jährige Tradition), das Monopol einer einzigen Organisation werden. Straßendemonstrationen und Massentreffen der Bewegung sind öffentliche Räume, in denen jeder das Recht auf Meinungsäußerung hat. […] Gleichermaßen können wir die Zensur derjenigen, die offen gegen die Meloni-Regierung sind, nicht hinnehmen. Wir haben die dringende Aufgabe, eine breite Gegenbewegung zu den Angriffen, die diese Regierung plant, aufzubauen. (…)“
Die hier beschriebenen Konflikte und undemokratischen Methoden sind nicht auf Italien und auch nicht nur auf das Thema der Frauenbefreiung beschränkt. Sie sind ein internationales Phänomen. Auch in Österreich hört man immer öfter, dass Fahnen, Transparente und selbst das Verteilen von Flugblättern oder Demo-Sprüche von den Organisatoren „untersagt“ seien. Das ist nichts anderes, als Versuche bürokratischer Zensur im Sinne ungewählter Cliquen. Faktisch ist es eine Kapitulation vor den Bürgerlichen. Bei Demonstrationen von Fridays for Future versuchten Demo-OrdnerInnen oft, klassenkämpferische Sprüche zu untersagen, während von der Bühne lediglich Appelle an die Regierung mit immer minimalistischeren Forderungen zu hören sind.
Objektiv stellen diese Methoden den Druck der Bourgeoisie auf soziale Bewegungen dar, vermittelt durch die subjektiven Aspirationen kleinbürgerlicher und reformistischer VertreterInnen und gekleidet in postmoderne Ideen. Angesichts der zahlreichen sozialen Explosionen und Proteste der letzten Jahre sind diese Ideen zum Scheitern verurteilt und werden tatsächlich von immer mehr Menschen hinterfragt. Bewegungen lernen mit jeder Erfahrung. Die GenossInnen der IMT-Italien haben daher die politische Initiative ergriffen, um das Steuer in der Bewegung gegen Gewalt an Frauen wieder auf einen erfolgversprechenden Kurs zu bringen.
(Funke Nr. 210/19.1.2023)