Ein Leserbrief einer arbeitenden Mutter über die Belastung, der die Arbeiterklasse im Allgemeinen, aber insbesondere Frauen, ausgesetzt ist und darüber, dass nur der Sozialismus einen Ausweg bietet.

Seit sich Minister Kocher mit seiner obskuren Idee, Sozialleistungen für Teilzeitbeschäftigte zu kürzen, zu Wort gemeldet hat, überschlagen sich bürgerlich elitäre, selbsternannte Feministinnen damit, über fehlende Kinderbetreuungsplätze und mangelnde Vollzeitalternativen zu lavieren. Dass wir im Verständnis der herrschenden Klasse nicht mehr als Arbeitsmarktkapital sind, ist wenig überraschend, dass sich aber auch Gewerkschaft und Sozialdemokratie in diesem Kontext nicht vehement für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich einsetzen, ist ein Armutszeugnis und Klassenverrat.

Arbeitszeitverkürzung scheint für die Gewerkschaften nicht mehr als der Ruf nach mehr Freizeit zu sein, für Frauen*, Eltern, Kinder wird sie in der Zwischenzeit immer mehr zum dringend notwenigen Instrument halbwegs funktionierender Familienorganisation. Wenn Frauenvorsitzende mit traurigem Blick vom Gender-Pay-Gap, von Altersarmut und gerechter Verteilung der Care-Arbeit schwadronieren, würde mir mein Frühstückskaffee wieder hochkommen – hätte ich neben der Versorgung der Kinder Zeit gehabt, ihn zu trinken.

Im Artikel zum internationalen Frauenkampftag in der aktuellen Funke-Ausgabe (Nr. 211) schreibt die Genossin: „Wird z.B. eine magere Pension ‚gerecht‘ auf die Familienmitglieder aufgeteilt, bleibt immer noch zu wenig für ein würdiges Leben.“ Und genau das ist die Realität und mitunter der Grund, warum nach wie vor hauptsächlich Frauen Karenzzeiten in Anspruch nehmen oder „nur“ in Teilzeit arbeiten. Ziel kann es aber nicht sein, unter dem jetzigen Status-quo die Erwerbsarbeitszeit der Frauen* erhöhen zu wollen, denn unter den aktuellen Bedingungen im Kapitalismus erhöht sich so nur die Ausbeutung der Frau*.

Ich bin Mutter zweier Kinder, in Teilzeitbeschäftigung, im Ehrenamt, mit Partner ebenfalls in Teilzeitbeschäftigung, und es gibt Momente, da überschlagen wir uns – wenn einer länger im Dienst ist, mit dem Schulkind gelernt werden sollte und das Kindergartenkind beschäftigt werden will. Irgendwo piept die Waschmaschine und am Tisch steht um 18 Uhr noch das Geschirr des Frühstücks. Dazu die ständigen Sorgen, ob das Geld mit den steigenden Preisen ausreicht, denn wir arbeiten ja „nur“ Teilzeit. Und dann erklären mir abgehobene Realitätsverweigerer*innen, dass sich mein Stress in Luft auflösen würde, gäbe es nur mehr Kinderbetreuungsplätze, denn dann könnte ich Vollzeit arbeiten und wäre endlich gleichberechtigt. Auf diese Gleichberechtigung spucke ich. Im Kapitalismus kann es keine echte Gleichberechtigung geben, denn diese ist gar nicht im Interesse der herrschenden Klasse. Gewerkschaft und Sozialdemokratie machen sich zum Handlanger der Wirtschaftsinteressen, während ihnen in der aktuellen gesellschaftspolitisch historischen Entwicklung die sozialen Themen am Silbertablett serviert werden. Und noch etwas, es scheint für manche da draußen unvorstellbar, aber Eltern* verbringen tatsächlich gerne Zeit mit ihren Kindern.

„Kein Sozialismus ohne die Befreiung der Frau, keine Befreiung der Frau ohne Sozialismus“ – da können manche so lange und gerne an einzelnen Bausteinen herumdoktern, Kinderbetreuung, Arbeitszeitreduzierung, mehr Lohn, Vergesellschaftung von Gemeinwohl usw. sind keine separat zu betrachtenden Elemente, sondern hängen unweigerlich zusammen.

(Funke Nr. 212/21.3.2023)


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