Sozialbereich. Thomas Landerl berichtet für uns über den Arbeitskampf gegen die Kürzungen im oberösterreichischen Behindertenbereich.

Anfang Februar wurde vom Land Oberösterreich, genauer von der Abteilung Soziales bekannt gegeben dass für die Aufrechterhaltung des Betriebes in Oberösterreich ca. 25 Mio. Euro eingespart werden sollen. Betroffen davon sind die einzelnen Träger der Behindertenarbeit, der psychiatrischen Vor- und Nachsorge und der Wohnungslosenhilfe. Wie viel dies für die einzelnen Träger konkret bedeuten soll, war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Klar wird aber sein, dass hauptsächlich über Personalkosten eingespart werden wird, denn diese machen über 80% des Budgets aus, das heißt, dass in etwa 500 Vollzeitarbeitsplätze gefährdet sind. Da in diesem Bereich aber der Großteil der Beschäftigten Teilzeitbeschäftigt sind, betrifft dies also in etwa 1000 Arbeitsplätze.

Die Folgen für die Betroffenen wären enorm, da sich der Arbeitsdruck massiv erhöhen wird und Leistungen stark verdichtet werden, dadurch sinkt die Betreuungsqualität. Dabei sind dies nicht die ersten Einsparungen, denn der Leistungsdruck steigt schon seit Jahren kontinuierlich.

Dem Diakoniewerk wurden bereits 3 Jahre lang vom Land Oberösterreich die Lohnerhöhungen nicht bezahlt. Dies führt dazu, dass MitarbeiterInnen mittlerweile nicht mehr in die entsprechende Verwendungsgruppe aufgestuft werden, sobald sie mit ihrer Diplomausbildung fertig sind.

Nun ist der Klassenkampf auch im Behindertenbereich angekommen, denn aufgrund dieser Ankündigungen haben sich die Betriebsräte der betroffenen Einrichtungen vernetzt und haben gemeinsam mit den Gewerkschaften GPA-djp und vida zu einer Demonstration am 18. März 2015 aufgerufen. Bis zu 2200 TeilnehmerInnen protestierten lautstark vor dem Linzer Landhaus und setzten damit ein Zeichen, dass diese Kürzungen nicht kampflos hingenommen werden.

Entscheidend wird wohl sein, dass es gelingt die Beschäftigten und die Betroffenen weiterhin zu mobilisieren, die passenden Kampfmaßnahmen zu finden sowie die Unterstützung breiterer Gesellschaftsschichten zu erhalten, denn dieses Thema geht uns alle an. Wenn die Entwicklung so weiter geht, sind wir bald wieder bei „Sicher – Satt – Sauber“ angelangt. Aber jene, die Unterstützung brauchen, sollen diese auch bekommen, um ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben führen zu können. Und jene, die in diesem Bereich arbeiten, müssen auch mit ihrem Einkommen auskommen können! Denn Soziale Arbeit ist Mehr-Wert!

KollegInnen sagen: „Es reicht uns!“

Nach der Demo gegen die geplanten Kürzungen im oö. Sozialbereich  sprachen wir mit betroffenen KollegInnen, die in der Behindertenbetreuung tätig sind:

"Ich arbeite bei FAB im Bereich der geschützten Arbeit und betreue mit meinem Team Menschen mit Beeinträchtigungen, die wir im Rahmen des oö. Chancengleichheitsgesetzes (CHG) am 1. Arbeitsmarkt vermitteln und begleiten. Es ist absurd, wenn uns zum einen die Menschen von den Bezirksverwaltungsbehörden und Magistraten zugeteilt werden und dann werden im Grunde von der selben Behörde die Mittel gekürzt. Wie soll das funktionieren? Der Bedarf kann schon jetzt nicht mehr gedeckt werden!!! Wir benötigen in diesem Bereich viel mehr Mittel. Was mich am meisten aufregt: Da stehen Menschen, Schicksale dahinter, und weil Menschen mit Beeinträchtigungen scheinbar keine Lobby haben, wird einfach drübergefahren. So nicht, nicht mit uns. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, der sich alle stellen müssen. Wollen wir wirklich mit den Schwachen in der Gesellschaft so umgehen? Wollen wir in so einer Gesellschaft leben?"

Martina Mayrhofer

"Ich arbeite als Behindertenfachbetreuer in einer Einrichtung in Schenkenfelden und bin dort mit 40 Stunden in der Tagesbetreuung angestellt. Als ich vor 15 Jahren in einer Einrichtung in Gallneukirchen in der Behindertenhilfe zu arbeiten begonnen habe, war damals viel im Aufbruch. Neue Konzepte wurden erarbeitet, es gab monatlich eine Team-Supervision, monatlich eine Besprechung mit einer Psychologin und eine Team-Besprechung. Wir Betreuer konnten unseren Fokus ganz bei den uns anvertrauten Menschen mit besonderen Bedürfnissen haben und sie bestmöglich bei allen Aufgaben des Lebens begleiten. Dann kamen die Bedarfsermittlungen des Landes und nach und nach verlagerte sich der Fokus immer mehr hin zur genaueren Dokumentation, wo nichts mehr vergessen werden durfte. Denn es war nun wichtiger zu wissen, z.B. wie genau ein Bewohner seine Zähne putzen kann, als die persönlichen Wünsche und Bedürfnisse des selbigen Bewohners. Der Verwaltungsaufwand und die Anforderungen stiegen stets weiter an, was dazu führte das der Verwaltungsapparat in den Einrichtungen vergrößert wurde, zum Teil auf Kosten der Betreuung. Die größten Einschnitte gab es dann während der blau-schwarzen Bundesregierung. Damals wurden viele Leistungen einfach gestrichen und selbst ein Volksbegehren konnte die radikalen Vorhaben nicht bremsen. Seither wurden immer wieder neue Ideen von der Politik geboren, wie man immer mehr Menschen mit besonderen Bedürfnissen ohne volle finanzielle Abgeltung in der Behindertenbetreuung unterbringen könnte. Das ist unter normalen Bedingungen noch machbar, auch wenn immer mehr Bedürfnisse und Wünsche der BewohnerInnen dadurch auf der Strecke bleiben. Krass wird es jedoch, wenn mehrere KollegInnen im Krankenstand, auf Fortbildung oder auf Urlaub sind. Dann muss man oft über Wochen unter großer Anspannung und Arbeitsdruck die Dienste bestmöglich leisten. Kommt es dann auch noch aufgrund des immer stärker steigenden Arbeitsdrucks auch noch zu zusätzlichen Spannungen im Team, nährt das den Boden für noch mehr Krankenstände oder Erschöpfungszustand. Wenn dann noch so oberschlaue Politiker meinen, wir arbeiten nicht effizient genug, obwohl die selben Politiker wohl nur wenig von unserer Arbeitsleistung wissen oder verstehen, steigert das den Frust. Es steigert den Frust auf die Politik im Land, den Frust gegenüber den Reichen, welche völlig entspannt im Luxus schwelgen und z.B. als Industrielle den Politikern über die Medien ausrichten, was aus ihrer Sicht gut für das Land sei. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um zu sagen: Es reicht uns! Es reicht uns, wie die Politik mit unseren Arbeitsplätzen leichtfertig umspringt, und es reicht uns, wie mit uns als Menschen umgegangen wird."

Michael Reisinger


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