Martin Wieland, Vertrauensperson im AKh Linz, erzählt von seinen Erfahrungen der jüngsten Ereignisse im Gehaltskampf in Oberösterreich und speziell auf seiner Station.
Ihr habt im AKH auf den operativen Intensivstationen A und B eine Streikresolution beschlossen. Nun kam es nicht zum Streikaufruf und ohne Urabstimmung wurde ein Verhandlungsergebnis zwischen den Gewerkschaftsvertretern von Vida, Gpa-djp, GdG und GöD und LH Pühringer verkündet. Wie wurde dieses auf den beiden kämpferischen Stationen aufgenommen?
Generell fand es die Mehrheit lächerlich, dass die Gewerkschaft zuerst mit großem Pomp ein demokratisches und kämpferisches Vorgehen versprochen hatte, danach aber alles von einem kleinsten Kreis beschlossen wurde. Da wurde die Forderung nach einer Gehaltserhöhung von 20% zu einem Bumerang. Hatte sie anfangs große Dienste zur Steigerung der Aufmerksamkeit der Belegschaften geleistet, so legte sie nach dem Abschluss nur die Großsprecherei und gleichzeitige Duckmäuserei des Verhandlungsteams bloß. Natürlich verärgerte auch, dass die Erhöhung, die brutto für uns in etwa 8,5% beträgt, erst nach 4 Jahren voll zur Auszahlung kommt. Für uns ist klar, dass wir den kämpferischen Schwung, den wir in den letzten Monaten auf unseren beiden Intensivstationen aufgebaut haben, aufrechterhalten wollen. Aufgrund unserer Aktivitäten steht uns ja noch ein Termin bei Landeshauptmann Pühringer ins Haus. Wir werden ihn da mit unseren konkreten Forderungen für eine adäquatere Gehaltserhöhung konfrontieren.
Was sind die spezifischen Bedingungen, dass eure zwei Stationen den Arbeitskampf auch nach der Einigung der Sozialpartner weiterführen?
Das liegt zum Einen sicherlich an den konkreten Bedingungen unserer Arbeit. So erfuhren wir in den letzten Jahren eine beträchtliche Zunahme der pflegerischen Aufgaben im mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich. Die Arbeitsdichte nahm stetig zu. Außerdem hatte die Pflege einen wesentlichen Anteil am Aufbau der Kinderherzchirurgie im AKh, die zu den weltbesten gehört. Vor allem jene KollegInnen, die schon länger bei uns arbeiten, also z.B. 15-20 Jahre, nehmen den enormen Zuwachs an Verantwortung und Leistung in der Pflege wahr. Genau jene KollegInnen sind es auch, die den Anstoß für unser Eigenengagement gaben.
Zum Anderen versuche ich selbst nun schon seit bald 10 Jahren, eine Kultur der Selbstorganisation auf unseren beiden Stationen zu aufzubauen. Wenn viel Unmut herrscht braucht es manchmal den entscheidenden Anstoß, damit sich dieser Unmut auch organisiert und zu seiner eigenen Sprache findet. Das gelingt mir manchmal schlechter und manchmal besser. Diesmal gelang es uns allen sehr gut!
Wo stehen die CaREvolutionen in den verschieden Bundesländern momentan?
Ich glaube, dass mit den Bewegungen im Frühjahr und Sommer dieses Jahres der erste organisierte Aufschrei der Gesundheits-ArbeitnehmerInnen (Ärzte, PflegerInnen und nichtärztliches/pflegerisches Personal) zu hören war. Die Pflege nimmt da aufgrund ihrer zahlenmäßigen Größe und ihrer Rolle im Gesundheits-Produktionsprozess naturgemäß eine zentrale Stelle ein. Es ist nicht hoch genug einzuschätzen, dass sich die CaREvolutionen zum Ziel gesetzt haben, der Stimme der Belegschaften klar Ausdruck zu verleihen. Es soll endlich Schluss sein mit der Stellvertreterpolitik unserer Gewerkschaftsspitzen. Jede Bewegung verläuft in Wellen. Nun müssen wir daran arbeiten, dass sich die neu gewonnene Kultur in eine Arbeit zur Revolutionierung der Gewerkschaften umsetzt.
Wie siehst du das Spannungsfeld zwischen traditioneller Interessensvertretung, Gewerkschaften und der Selbstermächtigungsprozesse an den Krankenhäusern?
Das ist eigentlich schon im letzten Satz enthalten: Ich sehe da in den Gewerkschaften einen Kampf lebendiger Kräfte. Alle Kräfte, die für den Selbstermächtigungsprozess stehen, sollten gemeinsame Front zur Eroberung der Gewerkschaften machen. Wir können nicht ohne Gewerkschaften. Wir brauchen aber Gewerkschaften, die wirklich nur auf Seiten der Belegschaften stehen und sich nicht auch als eine Art Ordnungshüter in Zeiten der Krise(n) sehen.
Vor 10 Jahren warst du als Jugendlicher einer der Anführer der Bewegung der KrankenpflegerschülerInnen, die damals erfolgreich beim Land OÖ eine Erhöhung des Taschengelds durchgesetzt hat. Über all diese Jahre warst du aber auch als bewusster Marxist politisch organisiert und aktiv. Was bringt das eigentlich?
Vor allem die Fähigkeit, die Prozesse der Bewusstseinsbildung und der Kämpfe von uns ArbeitnehmerInnen reflektiert mitzuerleben. Ohne politische Theorie sieht man meist den Wald vor lauter Bäumen nicht. So aber nimmt man überall Kräfte wahr, die es uns ermöglichen sollten, in baldiger Zukunft eine bessere Welt aufzubauen. Diese Kräfte tagtäglich am Arbeitsplatz wahrzunehmen, zu versuchen sie mit zu beeinflussen und zu erleben, dass die Mitgestaltung gelingt, bringt mir große Erfüllung.