Am 29.10. hat sich die Industrie letztlich durchgesetzt. Überstundenzuschläge sind (teilweise) weg, die Gehälter und Löhne werden um 1,5 % angehoben. Die individuelle Freizeitoption wurde vereinbart.
Die heurige Herbstlohnrunde begann mit einem Eklat. Die Industriellen verweigerten die Aufnahme der Verhandlungen, wenn die Gewerkschaften nicht auf die gesetzliche Verankerung der sechsten Urlaubswoche nach 25 Jahren Beschäftigung verzichteten. Gegen diese Verknüpfung protestierten die Gewerkschaften mit einer eilig einberufenen Betriebsrätekonferenz und nahmen zeitgleich die Verlängerung des Urlaubs vom Tisch.
Dieser Rückzug drückte sich auf der Betriebsrätekonferenz in der Unklarheit des Ziels, der Wortwahl und durch die vorgelegte Resolution aus. Hier wurde gesamthaft der Eindruck vermittelt, dass dies kein Auftakt zu einem Arbeitskampf ist, sondern der Versuch vor den Geschäftsführungen Mobilisierungsstärke zu demonstrieren, ohne die KollegInnen in den Betrieben mobilisieren zu wollen. Das Ergebnis davon ist der schlechteste Abschluss der letzten Jahre.
UnternehmerInnen am Hungertuch?
Die Jammerei der Unternehmer war in diesem Jahr besonders penetrant. Dabei ist die Profitmasse konstant hoch und von 2013 auf 2014 um 4,6% gestiegen. Dreiviertel der erwirtschafteten Profite, über zwei Milliarden Euro, wurden im vergangenen Jahr von den Eigentümern aus den Betrieben entnommen, nur ein Viertel wurde reinvestiert. Die Datenlage der gewerkschaftlichen VerhandlerInnen zeigte deutlich, dass selbst mega-hohe Lohnerhöhungen nur zu Lasten der Taschen der Unternehmer, jedoch nicht der betrieblichen Substanz gehen würden: pro 100 € an aufgewendeten Lohnkosten wandern 20 € aus den Unternehmen hinaus in die Taschen der Kapitalgeber.
Dass die Geschäftsführungen Oberwasser haben und heuer große Verschlechterungen durchsetzen, ist ein Ergebnis des jahrelangen Verzichts der Gewerkschaftsspitzen auf eine offensive KV-Politik. Stattdessen wurden lieber schrittweisen Verschlechterungen zugestimmt, beziehungsweise wurden diese auf Betriebsebene faktisch durchgesetzt. Die kampflos durchgesetzte Aufspaltung des KVs und die nicht-Mobilisierung in den Betrieben hat die Gewerkschaftsbewegung in den letzten Jahren so stark geschwächt, sodass die Zeit heuer reif war den KV entscheidend auszuhöhlen.
Massive Gehaltseinbußen
Generell ist so vom ursprünglichen Forderungspaket wenig übriggeblieben. Von geforderten fünf rahmenrechtlichen Verbesserungen gab man sich mit der Durchsetzung des arbeitsfreien 31.12. zufrieden. Dafür wurde ein sensibles Thema abgeschlossen, ohne darüber die KollegInnen überhaupt erst zu informieren: Die Überstundenzuschläge sind im schwarzen Loch einer 23 stündigen Dauersitzung in der Wirtschaftskammer verschwunden.
Vier Jahren hielt die Gewerkschaft gegen die Verbilligung der Mehrarbeit. Dabei ist die Argumentation aus den letzten Jahren heute noch genauso gültig: Der Kollektivvertrag sah bereits jetzt flexible Arbeitszeitmodelle vor, die die Ausweitung der Normalarbeitszeit (38,5 Stunden) problemlos möglich machte. Kein einziges Beispiel von entgangenen Aufträgen wegen mangelnder Flexibilität konnte jemals genannt werden, es ging den Chefs immer nur um Lohnkürzungen durch die Hintertür. Denn diese Extra-Stunden und die flexible Einsatzbereitschaft der MetallerInnen wurden mit einem Zuschlag von 50% ab der ersten Stunde Mehrarbeit gut entlohnt.
Jetzt wurden die flexiblen Arbeitszeitmodelle des KVs so verändert, dass für die ersten 60 Überstunden gar keine Zuschläge mehr ausbezahlt werden müssen, für weitere 40 werden 10% draufgeschlagen, für weitere 67 beträgt der Aufschlag 20%. Die Überstunden werden über ein Jahr hinweg durchgerechnet und können im Ausmaß von 40 Stunden in das neue Jahr mitgenommen werden.
Das bedeutet den Verlust von barem Geld: Viele KollegInnen haben in den letzten Jahren versucht, durch harte Arbeit und Überstunden ein würdevolles Leben zu bewahren. Diese individuellen Lösungen für den immer größer werdenden Druck in der Gesellschaft werden nun dem Profit geopfert.
Die Auswirkungen sind unterschiedlich, aber durchwegs gravierend, wie uns Betriebsräte und ArbeiterInnen verschiedener Betriebe bestätigten. In einem Betrieb mit 9-Stunden Schichtproduktion würden etwa 7% Lohn verloren gehen. In einem 24-h Montagebetrieb sind es 30% oder mehr. Unternehmervertreter Knill hat allen Grund zu jubeln: „Erstmals ist dadurch innerhalb eines gewissen Rahmens eine 45-Stunden-Woche ohne Zeitzuschlag möglich.“ Der Rahmen ist dabei begrenzt durch die 167 Stunden des Zeitkontos und die erforderliche betriebsrätliche Zustimmung zu diesem Lohnraub.
Dynamik in den Betrieben
Wir müssen die Dinge klar beim Namen nennen: Dieser Abschluss ist eine Niederlage für die Gesamtbewegung. Und das im doppelten Sinne: Neben den drohenden Gehaltseinbußen wurde vor allem die Kampffähigkeit der Gewerkschaftsbewegung geschwächt. Man kann nun nicht mehr um einen gemeinsamen Kollektivvertrag herum die KollegInnen der gesamten Metallbranche gemeinsam mobilisieren und damit wirkliche Macht zu demonstrieren. Stattdessen bleibt es nun den KollegInnen in den einzelnen Betrieben überlassen gegen die massive Verschlechterungsmöglichkeit allein zu kämpfen. Eine Isolierung und Vereinzelung von möglichem Widerstand droht. Dies alles ist das direkte Resultat der sozialpartnerschaftlichen Verhandlungslogik, wo der „gemeinsame Abschluss“ mehr zählt, als das eigentliche Ergebnis.
Nach dem Abschluss auf bundesweiter Ebene wurde jetzt der Ball auf Betriebsebene gespielt. Die Rolle des Betriebsrates steht nun in den Mittelpunkt des Interesses: stimmt dieser der Verschlechterung zu oder nicht? In dieser Situation ist es wichtig, den Druck nicht auf einer Person (dem Betriebsratsvorsitzenden) alleine lasten zu lassen, sondern in allen betroffenen Betrieben zu diskutieren: Was können WIR tun? KollegInnen sollten sofort beim Betriebsrat nachfragen, ob er gedenkt diesem Lohnraub durchgehen zu lassen. Transparente Informationspolitik durch den Betriebsrat und regionale Absprachen zwischen Betriebsratskörperschaften sind weitere Schritte, um eine Isolierung zu verhindern. Das ist auch der einzige Weg zu einer Erneuerung der Gewerkschaftsbewegung und einer Abkehr von der bankrotten Sozialpartnerschaft, die in Wirklichkeit nur eine Taktik der UnternehmerInnen für Verschlechterungen möglichst ohne Widerstand ist. Wer sich jedoch darauf beschränkt, sich passiv vertreten zu lassen, wird dies jedenfalls bald böse im Geldbörserl spüren.