Sozialabbau. Anlässlich der Auseinandersetzung um Obergrenzen im Flüchtlingsbereich luden VertreterInnen von  work@social Wien zu einer Diskussionsrunde zum Thema „Solidarität kennt keine Obergrenzen“ ein. Mit dabei war Erich Fenninger, neuer Vorsitzender der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) und ausgesprochener Gegner der Bundesregierung.

Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialbereich kennen die Begrenzungen in ihrem Arbeitsbereich schön länger. Obergrenzen an Zeit, Ressourcen, Personal, Budget sind heute normal. Die Budgets für die einzelnen Bereiche der Daseinsfürsorge werden zunehmend durch Obergrenzen gedeckelt, andererseits werden alle Schrauben angezogen um die Arbeitszeit der Beschäftigten zu intensivieren. Konkret bedeutete es, dass ab einer festgelegten Kostengrenze PatientInnen/KlientInnen nicht mehr oder nur unzureichend versorgt werden dürfen. So gibt es dann im Flüchtlingsheim kein Abendessen mehr, es entstehen Wartelisten für Kindertherapieplätze bis zu 2 Jahre, Obergrenzen für Behandlungsplätze für Suchtkranke und (von der Politik) vorgegebene Prozentsätze, wie viel Kinder einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben dürfen. Die Zurufe, dass die Dauer von Therapien verkürzt werden sollen werden vehement lauter.

Seit Oktober wurden viele neue Arbeitsplätze im Flüchtlingsbereich geschaffen. Gleichzeitig ist mit dieser Aufnahmewelle eine massive Lohndumpingspirale zu beobachteten. Die chronisch unterfinanzierten Bereiche helfen sich mit ehrenamtlicher Tätigkeit aus, die Grenzen zwischen Hilfsbereitschaft und Professionalität verschwimmen und drücken sich im sinkenden Lohnniveau aus. So werden die Beschäftigten aktuell in niedrigere Lohngruppen gestuft, Ausbildung und Qualität werden zwar verlangt aber nicht mehr bezahlt. Hier findet ein massiver Umbau im Sozialbereich statt. Einen wohltuenden Kontrast bieten da die Aussagen Fenningers. Die ArbeitgeberInnen im Sozialbereich hätten die Verantwortung, für ausreichend finanzielle Ausstattung ihrer Angebote zu sorgen. Dafür müssten sie die Politik in die Pflicht nehmen, anstatt den Arbeitsdruck auf ihre Beschäftigten ständig zu erhöhen.

Die geschaffene Wirklichkeit

Spätestens seit der sogenannten Finanzkrise wird eine Wirklichkeit konstruiert, in der „wir“ über unsere Verhältnisse gelebt haben und deshalb nun sparen müssen. Der Sozialabbau der letzten Jahre wurde mit diesen Bildern ideologisch begründet. Die offensichtliche Vermögenskonzentration einiger weniger, die auch in Krisenzeiten ständig reicher werden, strafen dieses Märchen Lügen. Offensichtlich geht die schamlose Bereicherung einiger Weniger an der Allgemeinheit munter und sogar beschleunigt weiter (Stichwort: Panama).

Mit der sogenannte Flüchtlingskrise wärmt die Geschichte des „Zuwenig für alle“ neue auf. Wieder werden Horrorszenarien von Zerstörung und Untergang kreiert und ganz bewusst mit falschen Zahlen operiert. Ein Beispiel dafür ist die Diskussion um die Mindestsicherung (BMS). Mittlerweile argumentieren Geldgeber im Sozialbereich Kürzungen mit der Unterstützung für die Flüchtlingshilfe. Und weil es so gut ins Bild passt werden der Bildungs- und Gesundheitsbereich gleich mit in die Debatte reingezogen: Alles nicht mehr finanzierbar! Dabei macht die BMS lediglich 0,7% der Sozialausgaben aus und nur 0,008% der Sozialausgaben wurden 2014 für Schutzsuchende verwendet. Selbst mit der Steigerung 2015 ist das nur ein verschwindend kleiner Teil der Gesamtausgaben.

Achtung Grenze!

Hier werden gesellschaftspolitische Grenzen aufgezogen, die uns hindern sollen weiterzudenken oder zu hinterfragen. In Zeiten einer Überproduktionskrise werden Bilder einer Mangelgesellschaft entworfen. Neid und Angst vor jenen die noch weniger haben sollen kritisches Hinterfragen und solidarisches Handeln unterbinden.
Der Mangel findet allerdings auf einer ganz anderen Ebene statt. Ein Mangel an Geld, Mitbestimmung und Kontrolle über die zentralen Bereiche des Lebens zeichnen eine Wirklichkeit aus, mit der die meisten Menschen konfrontiert sind. Anstatt sich selbst zu begrenzen zu lassen und andere auszugrenzen, gilt es (auch gedankliche) Grenzen zu überwinden und gemeinsam für soziale Anliegen und wirtschaftliche Selbstbestimmung zu kämpfen.

Lis Mandl
work@social Wien
Betriebsrätin VKKJ


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