Mit der Übergabe der Forderungen Ende November und der ersten Verhandlungsrunde Anfang Dezember haben die Kollektivvertragsverhandlungen für den privaten Gesundheits- und Sozialbereich begonnen. Die Gewerkschaft setzt heuer auf eine auch unter den Mitgliedern umstrittene Strategie und hat den Bestrebungen der Arbeitgeber bislang wenig entgegenzusetzen. Von Sarah Ott.
Wirft man einen Blick auf die Seite der Arbeitgeber, so wird sehr schnell klar, dass dies nicht einfach wird. Bereits kurz nach den Wahlen hat die SWÖ ein Papier an die zukünftige Regierung veröffentlicht. Sie bieten sich hier an, kostengünstig (sic!) und unterstützt durch Spenden und Ehrenamt, für die Gesellschaft notwendige Tätigkeiten anzubieten, um den Staat zu entlasten.
Sie wollen also Privatisierung und mehr Geschäft für sich selbst. Die günstigen Kosten ergeben sich dabei aus den Forderungen, mit denen sie in die Verhandlungen gehen:
Durchrechnungszeiträume von einem Jahr (auch für Teilzeitangestellte), damit wir nichts mehr von unseren Mehrstunden haben und für diese auch keine Zuschläge mehr bekommen, individuell flexibler gestaltbare Arbeitszeiten statt Arbeitszeitverkürzung für alle, Abflachung der Gehaltskurve und Reduzierung der Zuschläge auf Zeitguthaben bei Kündigung durch die ArbeitnehmerInnen. Kostengünstig sollen vor allem die MitarbeiterInnen sein. Um das zu verhindern, ist ein Arbeitskampf vorprogrammiert.
Schwache Gegenwehr
Im letzten Jahr gingen die Gewerkschaften GPA-djp und Vida mit ungewöhnlich starken Forderungen in die Verhandlungen. Sie wollten nicht nur 6% mehr Lohn, sondern auch eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich, die 6. Urlaubswoche für alle und eine deutlich bessere Anrechnung der Vordienstzeiten. Rund um diese Forderungen fand eine breite Mobilisierung statt, die zwei große Demos in Wien und einen Streiktag mit öffentlichen Versammlungen ermöglichte.
Zahlreiche Betriebskonflikte in diesem Jahr zeigen an, dass es die Beschäftigten satt haben, und sich auch auf Betriebsebene wehren (VKKJ, Caritas, A.S.B., Wiener Pflegeheime u.a.). Die Gewerkschaft entschied sich jedoch nicht, an dieser Dynamik anzuknüpfen und für einen Sprung nach vorne zu kämpfen. Bei der Übergabe der Forderungen am 29.11. wurde nur die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich gefordert. Das sorgte bereits im Vorfeld bei einer Betriebsrätekonferenz in Wien für heftige Debatten. Kritik kam vor allem aus den Bereichen mit niedrigen Verwendungsgruppen, für die eine Nulllohnrunde noch schwerer zu verkraften ist und wo auch deutlich mehr Vollzeitangestellte sind. Würde nämlich nur diese eine Forderung so umgesetzt werden, heißt das für Teilzeitkräfte zwar gleiche Stundenanzahl und dabei höheres Gehalt, aber für Vollzeitkräfte bedeutet es zwar weniger Stunden, aber gleiches Gehalt und folglich einen Reallohnverlust!
Viele BetriebsrätInnen kritisierten daher zurecht, dass keine zusätzliche Lohnforderung gestellt wird, und sahen das als Rückschritt im Vergleich zum Vorjahr. Ein Antrag, der die Gewerkschaft aufforderte, die Forderungen vom Vorjahr zu stellen, wurde nur sehr knapp mit wenigen Stimmen Unterschied abgelehnt.
Für uns ist völlig klar: Arbeitsverkürzung ist eine wichtige Forderung, sie darf aber nicht gegen die dringend nötige Gehaltserhöhung getauscht werden. Gerade im Sozialbereich, in dem die Löhne ohnehin weit unter dem Durchschnitt liegen, bedeutet das für viele nur einen weiteren Schritt in Richtung (Alters)armut.
Die Argumentation der Gewerkschaftsspitze war hier sehr schwach. Es wurde immer wieder darauf gepocht, dass es nötig sei nur diese eine Forderung zu stellen, da sich die Arbeitgeberseite sonst weigern würde überhaupt über Arbeitszeitverkürzung zu reden. Das wäre nämlich bereits in den Vorjahren der Fall gewesen. Dabei wurde aber mit keinem Wort die eigene Schwäche in den Verhandlungen thematisiert, oder wie es möglich ist, dass sich die Arbeitgeberseite eines Themas einfach verweigern kann. Hätte die Gewerkschaft anstatt gleich nach dem ersten Streiktag abzuschließen, die bestehende Dynamik genutzt und weitergekämpft, hätte sich sicher auch in den Verhandlungen ein anderes Bild geboten.
Gemeinsamer Kampf ist nötig
Klar ist jedenfalls, dass auch die eine Forderung nach 35-Stunden -Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich nicht einfach zu erreichen sein wird. Viel wahrscheinlicher ist, dass eine Reduktion nur über mehrere Jahre gezogen akzeptiert wird (z.B. eine Stunde für die nächsten 3 Jahre), aber auch das sicher nur mit massiven Zugeständnissen an die Forderungen der Arbeitgeber. Das sollten wir nicht zulassen. Dass heuer erstmals auch Caritas und Diakonie mit der gleichen Forderung in die Verhandlungen gehen, bietet die Chance, die Aufspaltung auf drei Kollektivverträge zu überwinden und gemeinsam zu kämpfen.
Ohne Kampf wird es nicht gehen. Es gilt also, diesen jetzt auf möglichst breiter Basis zu organisieren und im Zuge dessen auch weitere Forderungen in den Mittelpunkt zu rücken. Das ist auch das Ziel der Basisinitiative „Sozial aber nicht blöd“, die dafür eintritt, die Forderungen aus dem Vorjahr wieder aufzugreifen und für deren tatsächliche Umsetzung zu kämpfen.
(Funke Nr. 179/11.12.2019)