Die Metallindustrie, insbesondere die Automobilindustrie und deren Zulieferer sind wirtschaftlich stark unter Druck. 397.000 Arbeitsplätze in Österreich hängen am Automobilsektor. Ein Arbeiter von Mahle-König in Vorarlberg zur Lage in seinem Konzern, den Auto-ArbeiterInnen im Allgemeinen und der Klimafrage.
Peugeot PSA hat das Ende der Motorenproduktion in Wien-Aspern angekündigt, über dem Magna Graz Werk hängt die Drohung von massenhaftem Stellenabbau und Auslagerung nach Slowenien.
Der Mahle-Konzern macht in Europa gerade vier Werke dicht. Als Gründe werden Kostendruck und die Umstellung auf E-Mobilität genannt. Nicht anders geht es den Kollegen rund um den Globus. Wir arbeiten nicht plötzlich schlechter – im Gegenteil, die Fabriken werden immer noch produktiver. Die Krise der Branche ist für die feinen Herren nur ein notwendiges Übel, den es gilt auf dem Weg zur maximalen Profitsteigerung zu nutzen.
Metaller-KV
Bei uns bei Mahle-König in Rankweil bekommen wir schon seit geraumer Zeit den stärker werdenden Druck zu spüren, den die Flaute der ganzen Industrie verursacht. Kündigungen werden ausgesprochen, die Arbeitszeit verdichtet. „Faule Eier”, die da nicht ganz mithalten können, werden ausgetauscht und Überstunden gibt's von heute auf morgen nicht mehr.
In diesem Klima wurde im Herbst eine Betriebsversammlung abgehalten, um Einigkeit für die Forderungen der PRO-GE zu demonstrieren. Doch dieses Jahr war schon besonders. Die Beteiligung war immens, selbst aus der Nachtschicht waren einige Kollegen da, die Solidarität war spürbar. Auch unser Betriebsrat schlug schärfere Töne an. Er sprach darüber, die Gewerkschaft müsse wieder zur Bewegung werden und schwor uns auf Kampfmaßnahmen ein. Die Stimmung war gut, so wurde nach dem Gruppenfoto die Betriebsversammlung unterbrochen. Sie wird erst einmal keine Fortsetzung finden; nach aller Kampfrhetorik gibt es einen Abschluss.
Es wurde wieder „das Beste für Alle“ verhandelt, denn wir haben ja unsere 2,8%. Die Probleme in der Firma, die es bei uns brodeln lassen, sind nicht Teil dieser Verhandlung und das wird weiter unsere Sorge sein. Indes zeigt Mahle international, woher der Wind weht (siehe hier).
Jeden Arbeitsplatz, jeden Standort verteidigen!
Die jüngste Stellungnahme des ÖGB zur nächsten Massenentlassung im GM-Werk am Standort Wien-Apern entspricht punktgenau dieser Politik der Niederlagen:
„Der ÖGB fordert, dass sich die österreichische Politik – unter Einbeziehung der Sozialpartner – ebenfalls diesem Thema annimmt. Es braucht auch in Österreich staatliche Unterstützung, um die negativen Folgen der Klimakrise für ArbeitnehmerInnen in besonders vom Strukturwandel betroffenen Branchen abzufedern.“
Überall droht uns dasselbe Schicksal. Unsere Köpfe rollen für ihren Profit. Dem müssen wir einen eigenständigen Standpunkt gegenüberstellen: Die betroffenen Werke müssen sowohl in unserem unmittelbaren Interesse als auch zum Wohle der Gesellschaft erhalten werden. Keine Massenentlassungen, keine Standortschließung! Wer zusperren will, wird verstaatlicht! Unter der Kontrolle der Beschäftigten, jene die tagtäglich das Werk am Laufen halten, stellen wir die Produktion auf Produkte und Technologien um, die wir jetzt brauchen.
Denn: Um die Welt als lebenswerten Ort für alle Menschen zu erhalten, müssen wir sogar noch neue Fabriken bauen, nicht alte verschrotten. Ansonsten wird die Umstellung auf neue Motoren und Antriebe nur einen Sinn haben: Profitmaximierung einzelner zulasten fast aller.
Der massive Ausbau der Öffentlichen Verkehrsmittel, die Umrüstung der Fabriken auf neue, umweltschonende Produktionsmethoden, technologische Innovation und vieles mehr müssen bewältigt werden. Dazu müssen die bestehenden Fabriken, enorme Infrastruktur, die einfach vernichtet werden soll, umgerüstet werden. Ja, Diesel und Co. sind am Ende, das muss jeder einsehen. Doch nicht die Profitgier darf diktieren, wie es mit den Fabriken und unseren KollegInnen weitergeht. Die Bosse lügen und heucheln, wir dürfen uns nicht von ihnen über den Tisch ziehen lassen.
Überall machen wir die gleichen Erfahrungen. Unsere KollegInnen in Öhringen, Foetz, La Loggia und Saluzzo verlieren ihre Jobs, wie Zehntausende andere sie verlieren werden, wenn wir nicht handeln.
Klima ist eine Klassenfrage
Die Herrschenden und ihre „Experten“ machen den Klimaschutz in der Arbeiterklasse zunehmend zum Unwort. Entlassungen, Schließungen, Verteuerungen, Management-Drohungen, nichts was nicht mit dem Klima argumentiert würde. Man merkt, dass es diesen Menschen in erster Linie mal um die Steigerung des Profits in der Produktion und die Umwälzung der staatlichen Steuerlasten auf Massensteuern geht. Gleichzeitig sprießen die staatlichen Förderungen für Unternehmen wie Pilze nach dem Sommerregen: 4,35 Mrd. € sollen nun in Form von „Stilllegungsprämien“ an deutsche Braunkohle-Verstromer fließen, 500 Mio. € in private Wasserstoff-Projekte in Österreich.
Wir hingegen kämpfen für eine Klimabewegung, in der es tatsächlich um die Abwendung der Klimakatastrophe und ihrer globalen sozialen Katastrophe geht. So wie es die Arbeiterbewegung war, die einst unsere Kinder aus den dunklen Schächten heraus und von den gefährlichen Maschinen weg ans Licht der Sonne und in die Schule gebracht hat. Jetzt kämpfen wir auch dafür, dass die Welt ein Ort bleibt, an dem man leben kann.
Wir wehren uns daher gegen jene, die die Ausbeutung von Mensch und Natur im Namen der „Umwelt“ argumentieren. Wir werden nur dann vorankommen, wenn wir verstehen, dass die Ausbeutung von Mensch und Natur dieselbe Grundlage haben: das Profitstreben. Dies gilt es zu überwinden. Dies gilt für Klima-AktivistInnen genauso wie für ArbeiterInnen. Weitsichtige AktivistInnen der Arbeiterbewegung und der Klimabewegung verstehen das und tun sich auf dieser Basis zusammen.
Die Profitproduktion gefährdet jetzt nicht mehr nur unsere Lebensbedingungen, sondern die Existenz der gesamten Menschheit. Deshalb in Deutschland, Italien, Österreich und ganz Europa: Vertrauen wir auf unsere Kraft und fordern wir:
- Nein zu Massenentlassungen, nein zu Werksschließungen!
- Den massiven Ausbau des Öffentlichen Verkehrs!
- Statt Ausbeutung von Mensch und Natur: Eine verstaatlichte Industrie unter Kontrolle der Beschäftigten und KonsumentInnen.
Der Konzern baut um: internationale Erfahrungen
Mahle-Luxemburg: kampflos in den Untergang
Inzwischen haben die KollegInnen im luxemburgischen Foetz größere Sorgen. Dort wurden im Rahmen der Umstrukturierung bereits vor zwei Jahren 60 der 140 KollegInnen entlassen. Dies sollte das Werk retten, die Entlassenen ein Sozialplan erhalten. Nun soll dieses Opfer umsonst gewesen sein. Die Gewerkschaften haben bereits den nächsten Sozialplan ausgehandelt, das Werk wird dicht gemacht, da es anscheinend den geänderten Anforderungen nicht genüge. Der Verlust von Arbeitsplätzen wurde von den Gewerkschaften von Anfang an als alternativlos zum Erhalt des Standortes akzeptiert. Beteuerungen des Managements sind aber Schall und Rauch, es sind ja nur unsere Leben.
Mahle-Italien: verpuffende Kampfbereitschaft
In Italien sind im Piemont gleich zwei Werke betroffen. Die Werke in La Loggia und Saluzzo sind nicht ausgelastet, sie arbeiten jedoch sogar nach Ansicht der italienischen Geschäftsführung von Mahle nicht unprofitabel, sondern erwirtschaften nur zu wenig Gewinn. Zu all den Heucheleien die Elektromobilität betreffend muss klar gesagt werden: die Kapazitäten für den Bau von Verbrennungsmotoren werden nicht aufgelöst, sondern einfach nur verlagert.
Bei einer Versammlung der Betroffenen im Rathaus von Saluzzo bringt es ein Gewerkschafter auf den Punkt:
„Die Krise der Dieselmotoren ist real, aber die Schließung ist auf eine strategische industriepolitische Entscheidung zurückzuführen: Das Unternehmen beabsichtigt, die Produktion von Kolben für Dieselmotoren nach Polen zu verlagern. Dort liegen die Gehälter bei 600€ pro Monat, gegenüber 1.400€ in Italien”. Und er spricht es aus: „Das Ziel ist klar: Gewinnmaximierung.“ Bei allem Gerede von der Krise des Konzerns muss klar gesagt werden, dass Mahle Gewinn macht. Für die Eigentümer aber zu wenig, die „Früchte“ dieser Krise wachsen nur im Garten der Arbeiterinnen und Arbeiter.
Einige MitarbeiterInnen sind von Süditalien ins Piemont übersiedelt, nachdem die gleiche Geschäftsführung das dortige Werk geschlossen hat. Viele haben in Norditalien ein neues Leben begonnen, Partner gefunden. Nur um nach nicht einmal einem Jahrzehnt wieder auf der Straße zu stehen. Alle Akteure, die Politik, die Gewerkschaft, ja selbst die Kirche stellen sich hier hinter die Beschäftigten. Was Sprengkraft hätte, erweist sich hier jedoch als Bremse.
Während es anfangs Kundgebungen gab, die den Zorn der Belegschaft zum Ausdruck brachten, wird nun der ganze Unmut in Gespräche kanalisiert. Sie alle beteuern ihre Solidarität, doch auch hier erkennt die Gewerkschaftsführung eben nur eine Stärkung ihrer Verhandlungsposition. Verhandeln ist alles, auch wenn die Arbeiter definitiv ihre Jobs verlieren. Wir werden es bald in unseren heimischen Fabriken wiedersehen.
Mahle-Deutschland: Sozialpläne in den Untergang
Bis 2020 soll auch in Öhringen ein Werk mit 240 MitarbeiterInnen geschlossen werden. Wilhelm Emperhoff, Mitglied der Geschäftsführung, sagt in einer Pressemitteilung:
„Wir haben nun einen Punkt erreicht, an dem für das Werk leider keine nachhaltige Perspektive mehr gegeben ist“.
In Wirklichkeit werden die Aufträge nach Rumänien verschoben, um billiger produzieren zu können. Trotz der Kampfbereitschaft der KollegInnen argumentierte der Gewerkschafter Kuhnhäuser, es gehe nun darum, die eigene Haut möglichst teuer zu verkaufen.
Dies bedeutet: die Gewerkschaft hatte nie vor, einen Kampf um den Erhalt des Standortes zu organisieren. Am 12. Juli demonstrierten dann vor der Stuttgarter Konzernzentrale Hunderte gegen die Pläne der Geschäftsführung. Zwei Wochen später protestierten 2.000 Beschäftigte gegen den Stellenabbau. Die Flyer des Betriebsrats, die auf der Demonstration verteilt wurden, waren kämpferisch: „Die Schnellschüsse der Geschäftsführung sind wirtschaftlich unnötig, technologisch kurzsichtig und sozial unverantwortlich. Öhringen soll geopfert werden, um das finanzielle Desaster und Abenteuer in Niedriglohnländern zu rechtfertigen und zu kaschieren!“
Dieser Kampf zeigt was möglich ist, obwohl das Werk, das früher über 1000 MitarbeiterInnen hatte, über Jahre ausgeblutet wurde. Die Ankündigung der Schließung war für die KollegInnen kein Grund klein beizugeben. Anstatt den Kampf nur in der Fabrik auszutragen, haben sie die Machenschaften der Konzernführung ans Licht gebracht. Die Großdemonstration ist einmalig seit dem Beginn der Umstrukturierungsmaßnahmen und zeigt, dass überbetriebliche Solidarität vorhanden ist. Die falsche Perspektive der Gewerkschaftsführung, nur möglichst viel Sozialplan rauszuverhandeln, ist die Kapitulation vor dem Kampf um die Werksschließung.
Sie dient nur dazu, die eigene Verhandlungsposition gegenüber dem Kapital zu untermauern, und damit ihr eigenes soziales Dasein als Mediatoren zwischen dem Profit der Eigentümer und den Lebensinteressen der ArbeiterInnen abzusichern.
(Funke Nr. 180/22.1.2020)