Amazon-Besitzer Jeff Bezos ist der reichste Mann der Welt. Der Konzern gerät als Arbeitgeber immer wieder mit skandalösen Meldungen in die Schlagzeilen. Häufig hört man deshalb, dass man Amazon boykottieren sollte, nicht zuletzt um das Sterben von kleinen Läden zu verhindern. Was ist die sozialistische Antwort?

Der reichste Mann der Welt, Amazon-Besitzer Jeff Bezos, hat in den letzten Monaten mehr als 90 Mrd US-$ auf dem Rücken der hunderttausenden Beschäftigten dazu „verdient“, sein Vermögen beträgt mittlerweile über 200 Mrd. $. Schon seit Jahren konnte der Onlinehandel-Gigant immer größere Marktanteile an sich ziehen, mit dem Lockdown und der Wirtschaftskrise, die viele zum Sparen zwingt, wurde dieser Trend seit Jahresbeginn noch einmal gewaltig beschleunigt.

Das sind Profite, die bisher vor allem „lokalen“ Großkapitalisten in die Tasche geflossen sind: Im Elektrofachhandel etwa, einem der Kerngeschäfte von Amazon, teilen sich die größten fünf Konzerne im Einzelhandel mehr als 80% des Umsatzes in Österreich. Ähnliche und sogar noch größere Konzentration findet man in den Bereichen Sport, Möbel, Drogerien, Baumärkte und insbesondere Lebensmittel, wo die Top 5 der Handelskonzerne fast 95% der Marktanteile unter sich aufteilen.

Wirklich kleine Geschäfte sterben schon seit Jahrzehnten, völlig unabhängig von Amazons Krisengewinnen, einen langsamen Tod – erwürgt durch die eisernen Gesetze des Kapitalismus und der Skalenökonomie. Sie können einfach nicht mit den Preisen der Großkonzerne konkurrieren. Die Folge ist ein Nischendasein dieser Geschäfte, für Liebhaber und Kunden, die es sich leisten können. Trotzdem können diese Betriebe sich oft nur mit Müh und Not über Wasser halten, erkauft einerseits durch Selbstausbeutung der Besitzer, viel öfter aber noch durch katastrophale Arbeitsbedingungen und scharfe Ausbeutung der Beschäftigten, die durch persönlichen Druck, Angst um ihre eigene Existenz und Schuldgefühle die fehlende Konkurrenzfähigkeit hereinarbeiten sollen.

So ist die Online-Plattform „Kaufhaus Österreich“, die Antwort der österreichischen Bundesregierung auf Amazon in Lockdown-Zeiten, nicht zufällig zum Gespött der Öffentlichkeit geworden. Denn selbst wenn man von der handwerklichen Schlamperei absieht: Die wirtschaftlichen Interessen von tausenden kleinen und kleinsten, miteinander konkurrierenden Unternehmen lassen sich einfach nicht unter einen Hut bringen. Eine zentralisierte, wirtschaftlich durchgeplante Plattform wie Amazon ist dem einfach überlegen.

Die ArbeiterInnen dienen dabei in all diesen Konflikten den verschiedenen Kapital- und Kleinbürgerfraktionen nur als Schachfiguren, um die wirtschaftlichen Eigeninteressen moralisch zu beweihräuchern. Ob jetzt Amazon ein neues Verteilerzentrum baut oder ob heimische Handelskonzerne gegen Amazon auftreten – es geht natürlich nur um die Schaffung bzw. Bewahrung von „Arbeitsplätzen“.

Der ÖGB hat sich der Logik des österreichischen Bürgertums vollständig unterworfen, indem er auf Facebook seit Wochen eine Kampagne fährt, die dazu aufruft, „lokal“ einzukaufen. Diese Position ist für die Arbeiterbewegung in mehrfacher Hinsicht eine völlige Sackgasse.

Denn den Amazon-ArbeiterInnen wird in dieser Politik gar keine Rolle eingeräumt. Sollen sie sich einfach schämen, dass sie gezwungen sind, für Amazon zu arbeiten? Statt Krokodilstränen über die Arbeitsbedingungen zu vergießen, wäre es die Aufgabe des ÖGB, mit einer Kampagne von Streiks, Blockaden und Demonstrationen die Amazon-ArbeiterInnen selbst zu organisieren, um ihnen zu helfen, bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. In Deutschland etwa wird der „Black Friday“ und die Vorweihnachtsperiode schon seit einigen Jahren von wiederholten Streiks in großen Verteilerzentren begleitet.

Durch diese Organisierung wäre es auch möglich, für die Enteignung der hocheffizienten Infrastruktur von Amazon unter Arbeiterkontrolle zu kämpfen. Dem Profitinteresse des reichsten Mannes der Welt entrissen, könnte der Konzern die Verteilung von Waren in Zeiten von Corona sicher und effizient gewährleisten und den Amazon-ArbeiterInnen ein gutes Auskommen ermöglichen.

Außerdem könnte er ein Angebot an die Besitzer kleiner Geschäfte richten, ihnen als nicht gewinnorientierte Plattform für den Onlinevertrieb zu dienen – unter einer Bedingung: Der strengsten Einhaltung aller arbeitsrechtlichen Standards ihrer Beschäftigten.

(Funke Nr. 189/10.12.2020)


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