Die Drohung der Werkschließung des Lastwagenherstellers MAN bedeutet, dass 2.300 ArbeiterInnen und ihre Familien in Steyr vor einer ungewissen Zukunft stehen. Statt Illusionen in Verhandlungen oder Privatinvestoren braucht es eine Kampfstrategie, argumentiert Yola Kipcak.

Seit der Großdemo gegen die Werkschließung am 15. Oktober in Steyr befinden sich die Betriebsräte von MAN und die Gewerkschaften in Österreich (PRO-GE und GPA) und Deutschland (IG Metall) in Verhandlungen mit dem Konzern. Auf einer virtuellen Betriebsversammlung am 20. November erklärte Steyr-Betriebsrat Erich Schwarz, dass er die Schließung des Standorts nicht hinnehmen würde. Indes verbreitet die Konzernführung weiter die Nachricht, dass das Werk in Steyr „nicht profitabel“ genug sei und pocht auf die Schließung.

Es rettet uns kein höh’res Management…

Der Betriebsrat setzt nach den ersten gescheiterten Verhandlungsrunden mit dem MAN-Management nun darauf, die Verhandlungen auf „höhere Ebenen“ des VW-Konzerns zu heben: zunächst auf die Ebene der Dachgesellschaft „Traton“, und danach vielleicht mit dem VW-Management selbst. „Sollte sich bis Ende des Jahres nichts bewegen, werde man hier aktiv werden. Ziel sei aber nach wie vor eine Einigung am Grünen Tisch, denn dabei gebe es meist ‚zwei Gewinner‘, so Schwarz“(traktuell 23.11.).

Diese Taktik ist brandgefährlich. Denn wenn man die Konzernstrategie von VW in den letzten Jahrzehnten betrachtet wird deutlich, dass es eben nicht ‚zwei Gewinner‘ gibt. VW übernimmt regelmäßig Betriebe, um damit die Tür in vielversprechende Sektoren zu öffnen, um die Konkurrenz in der stark monopolisierten Autobranche schrittweise auszuschalten, und um Know-How zu gewinnen – nur um bei Bedarf dann ganze Werke abzudrehen. In Bezug auf Lastwägen kaufte VW 2008 Scania, schluckte 2011 MAN (was ihnen beinahe Monopolstellung in diesem Bereich verschaffte) und visiert nun das Nordamerikageschäft mit der Komplettübernahme von Navistar in den USA an. In den kommenden Jahren soll die technische Entwicklung, die auf die verschiedenen VW-Marken aufgeteilt war, stärker zentralisiert werden – und bis zu 9.500 Stellen bei MAN gestrichen werden.

Es wird auch gemunkelt, Steyr als stark abgespecktes Montagewerk mit höchstens einigen hundert Mitarbeitern zu behalten – was eine Niederlage bei einer nominellen „Erhaltung“ des Werks wäre. Die Aussagen des Wirtschafts-Landesrats Markus Achleitner (ÖVP) deuten eine kompromisslerische Haltung bereits an: „Es sei zwar verständlich, dass Traton und MAN aufgrund der aktuellen Situation an Kostenreduktionen arbeiten. Aber es gebe keinen Grund, dafür den gesamten Standort Steyr in Frage zu stellen“, wird er in den Medien zitiert.

Es gilt daher, diese Kompromiss-Möglichkeit offen auszusprechen – und dagegenzuhalten. Nicht der VW-Konzern – egal auf welcher Ebene – wird das Werk retten – das können nur wir selber tun.

… kein Privatinvestor noch Tribun

Gerade deshalb ist auch der „Plan B“, den MAN-Betriebsrat gemeinsam mit österreichischen Politikern von ÖVP wie SPÖ ausheckt, eine Falle. Dieser besteht darin, ein „Konsortium“ von Privatinvestoren zu gewinnen, um den Standort zu retten. Insbesondere der tschechische Auto-Konkurrent Tatra stand hier in jüngster Zeit im Gespräch. Dieser verkündete in den Medien „dass Tatra grundsätzlich Interesse an einem Engagement in Steyr hat“ – und dass man diesbezüglich bereits mit der Wirtschaftsministerin Schramböck in Verbindung stehe. Zweifelsohne, um politische Fördermöglichkeiten, Subventionen durch Steuergelder u.ä. auszuloten.

Ganz abgesehen davon, dass diese „Lösung“ wesentlich davon abhängt, dass VW ein top ausgestattetes Werk der Konkurrenz überlassen soll, was keinesfalls selbstverständlich ist: Auch hier müssen wir aus der Geschichte des Steyr-Werks selbst lernen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die damalige Steyr-Daimler-Puch AG Teil der verstaatlichten Industrie Österreichs. Ab 1987 wurde das Unternehmen in viele Sub-Betriebe filetiert und an Private verscherbelt. Während 1980 noch 17.000 Beschäftigte in der Steyr-Daimler-Puch AG arbeiteten, waren 1991 nur noch 8.500 Arbeiter beschäftigt. Sämtliche Sozialleistungen wurden gestrichen und die Löhne gesenkt. In dieser Zeit fand 1990 ein wichtiger Arbeitskampf gegen angekündigte Kündigungen statt. Über mehrere Streiktage konnte eine große Dynamik aufgebaut werden, die selbst Aussperrungsdrohung des Managements und Bestechungsbriefen durch die Firmenleitung standhielt. Die Kündigungen konnten abgewendet werden. Doch da der Streik nicht auf andere Werke ausgeweitet worden war, handelte es sich nur um einen Teilerfolg: Die Aufspaltung des Betriebs und die Privatisierung wurde nicht gestoppt.

Neben Management-Ineffizienz und persönlicher Bereicherung zeigen diese Episoden deutlich, dass Privatisierungen Hand in Hand gehen mit Stellenabbau, Lohnkürzungen, Angriffen auf Sozialleistungen (so diese noch vorhanden sind) etc. „Austro-“ oder anderweitige private Investoren sind daher keineswegs eine Garantie für die Sicherung der Lebensgrundlage für die vielen Familien in Steyr – es ist nur eine Chance für eine weitere Schicht an Kapitalisten, sich zu bereichern, bevor Angriffe auf die ArbeiterInnen folgen werden, wie das Amen auf’s Gebet.

Uns erlösen können wir nur selber tun!

Was es braucht, ist ein entschlossener Arbeitskampf, mit Streiks, Demonstrationen und Betriebsbesetzungen, für den Erhalt des gesamten Werks – ohne Kompromisse. Der Betriebsrat spricht davon, dass wir „den bereits gefassten Beschluss möglicher gewerkschaftlicher Maßnahmen in der Hinterhand“ haben – es ist höchste Zeit, diese Hand auszuspielen! Denn der Weg der Verhandlungen wird – wenn überhaupt – nur ein wenig Zeit kaufen, aber keine nachhaltige Lösung bieten. Wenn VW nicht bleiben und den Erhalt aller Arbeitsplätze sichern will, gehört der Betrieb unter der Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht.

(Funke Nr. 189/10.12.2020)


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