Der Anwalt des ehemaligen Novomatic-Chefs Neumann sagte in Bezug auf die geleakten Chatprotokolle mit Finanzminister Blümel (ÖVP): Jeder Staatsbürger habe das Recht, sich mit seinem Anliegen an den (Finanz-)Minister zu wenden. Wir veröffentlichen den Leserbrief eines ehemaligen Casino-Mitarbeiters über die Bedingungen für die ArbeiterInnen in der Glücksspiel-Branche.
Der Anwalt des ehemaligen Novomatic-Chefs Neumann sagte in Bezug auf die geleakten Chatprotokolle mit Finanzminister Blümel (ÖVP): Jeder Staatsbürger habe das Recht, sich mit seinem Anliegen an den (Finanz-)Minister zu wenden. Die Erfahrung zeigt uns, dass das tatsächlich nur stimmt, wenn man ein Staatsbürger mit viel Kapital ist. Wir veröffentlichen daher den Leserbrief eines ehemaligen Arbeiters in der Glücksspielbranche in dem Bewusstsein, dass sich die Arbeitsbedingungen für die tausenden Beschäftigten dort sicher nicht durch Ministerintervention ändern werden.
Ich war ein Mitarbeiter (moderner Lohnsklave) in einem Casino. Als ein normaler Mitarbeiter verbringt man seinen Alltag mit viel Arbeitsenergie und Schweiß, auch wenn das öffentliche Bild ein anderes ist: Weil man im Casino mit viel Geld zu tun hat, wird man immer anders betrachtet.
Casinos ist eine riesige Unternehmensgruppe, die durch Medien, Blogger, Fernsehen usw. versucht, ihr Kapital noch weiter zu erhöhen. Es werden sogar reiche Leute engagiert und gratis eingeladen, damit sie mit großen Mengen Geld spielen (Highroller).
Aber leider haben nur wenige das Glück, einen großen Betrag zu gewinnen. Die Mehrheit verliert ihr Hab und Gut und wird in Minuten pleite. Das empfinde ich als unmoralisch, wenn der Staat mit seinen Anteilen an Casinos Austria am Schicksal dieser Menschen Mitschuld ist. Mit der Ibiza-Affäre wurde das Thema, auch die Schattenseiten, in den Medien viel diskutiert. Aber die Sucht bringt einen trotzdem zum Casino.
Vor Corona war für uns Mitarbeiter vieles noch in Ordnung, obwohl wir viel Stress und Personalmangel hatten. Die Mitarbeiter konnten ihre Urlaube selber auswählen. Jeder hat einen fixen Lohn gehabt. Ich hatte trotzdem immer dieses Gefühl, dass die Mitarbeiter und auch die Gäste in verschiedene Klassen geteilt sind. Die Verträge waren z.B. unterschiedlich: Ein Kellner musste 45h die Woche arbeiten und der Rest 40h die Woche.
Am Anfang war die Pandemie den Gästen egal und viele waren die Meinung, dass das nur eine Verschwörungstheorie sei und nichts passieren wird. Die Mitarbeiter waren wegen der vielen Arbeit müde, einige hatten auch Angst und wollten, dass das Casino schließt.
Dann wurden die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Wir haben wenig Lohn bekommen und mussten auch unfreiwillig auf Urlaub verzichten. Dann kamen Sparpakete und es musste viel begrenzt werden. Einerseits fand Personalabbau statt. Casinos Austria hatte so im September entschieden, 600 Mitarbeiter zu kündigen.
Ich hatte gute Arbeitskollegen, die Studenten waren und Teilzeit arbeiteten, denen gekündigt wurde. Gleichzeitig können die Chefs und Highroller auf Kosten des Hauses für Beträge essen, die jedes Mal ganze Monatsgehälter ausmachen.
Wir hatten oft Diskussionen, dass es ungerecht zugeht. Aber die Angst war meistens stärker. Wenn wir etwas ändern wollen, können wir Arbeiter aber nicht einfach Ministern WhatsApp-Nachrichten schicken. Wir können uns nur organisieren und gemeinsam kämpfen.
(Funke Nr. 191/17.2021)