Ein Arbeiter von Swarovski erzählt uns wie die Massenkündigungen das Leben und Arbeiten in Wattens/Tirol kaputt machen.

Die jetzige Entlassungswelle stellt in der Geschichte des Konzerns keinen Einzelfall dar – im Gegenteil. Seit der Krise von 2008 schickte Swarovski am Standort Wattens immer wieder Hunderte in die Arbeitslosigkeit. Letztes Jahr nutzte die Konzernleitung die Pandemie, um erneut im großen Stil Stellen abzubauen. Vor nicht langer Zeit arbeiteten noch 4.800 Menschen in den Swarovski-Werken in Wattens, im Vorjahr wurden 1.000 gekündigt, heuer sollen weitere 600 „abgebaut“ werden. In Wirklichkeit könnte der Eigentümer-Familie einfallen alles zuzusperren.

Am 5. Oktober teilte man der Belegschaft mit, wer demnächst gefeuert wird. Der Fakt, dass gut ausgebildete eigene Arbeitskräfte vor günstigeren LeiharbeiterInnen gekündigt wurden, zeigt, dass in Wattens der Glaube an die Existenz „sozial verantwortungsbewusster“ Kapitalisten, wie er vom Betriebsrat verbreitet wird, eine Illusion ist. Der Fakt, dass diese Massenkündigungen über Großbildschirme erfolgten und Swarovski dafür Kriseninterventionsteams des Roten Kreuzes anforderte, zeugt von der kaltschnäuzigen Abgehobenheit, mit der das Management der Belegschaft begegnet.

Zwar kündigte der Konzern an, auf Familienverhältnisse Rücksicht zu nehmen, setzte allerdings auch Alleinerziehende und Elternteile, die das Haupteinkommen einer Familie stellten, auf die Straße. Auch versuchte man MitarbeiterInnen zu entlassen, die bereits 5 ½ Jahre vor der Pensionierung standen – woraufhin sich diese allerdings vorläufig erfolgreich zur Wehr setzen konnten.

Solidarität in der Belegschaft

Bemerkenswert ist die Solidarität der ArbeiterInnen untereinander. So kündigten manche Angestellte, um KollegInnen, die den Job noch dringender brauchen, den Verbleib im Betrieb zu ermöglichen, und kamen ohne Verpflichtung trotzdem in den Betrieb, um ihren nun oft komplett überforderten KollegInnen zu helfen. Welches Ausmaß diese Arbeitsbelastung aufgrund der erfolgten Massenkündigungen annahm, lässt sich an dem Beispiel eines Arbeiters erahnen, der die gesamte Arbeit seiner ehemaligen 7 KollegInnen (!) übernehmen musste. Statt allerdings diese 7 Personen wieder einzustellen, um die geforderten Aufträge erledigen zu können, setzt die Konzernführung neue ArbeiterInnen ein, die derselbe Arbeiter nebenbei eigenhändig einlernen musste. Da diese Kündigungswelle aber ein derartiges Chaos ausgelöst hat, mussten teilweise bereits gekündigte KollegInnen dann doch wieder zurückgeholt werden.

Mit der Ankündigung, in diesem Jahr weitere 600 Stellen zu streichen, schafft die Konzernführung weiterhin einen immensen Unsicherheitsfaktor, der wie ein Damoklesschwert über den ArbeiterInnen in Wattens schwebt. So sehen sich viele gezwungen, Überstunden in Kauf zu nehmen, und die Hemmschwelle, in den Krankenstand zu gehen, erhöht sich.

Swarovski ist nicht nur der größte private Betrieb Tirols, sondern bindet seine MitarbeiterInnen durch Werkswohnungen extrem stark an ihren Arbeitsplatz. In diesen Werkswohnungen sind die Mieten relativ günstig, damit schafft Swarovski aber auch Abhängigkeiten, was besonders im Großraum Innsbruck, wo Wohnen sehr teuer ist, dem Konzern extrem viel Macht gibt. Verlieren diese ArbeiterInnen nämlich ihren Job, müssen sie regulär nach spätestens 3 Jahren ihre Wohnung verlassen (bei eigenmächtiger Kündigung nach 3 Monaten). Die Konzernführung ist sich bewusst, dass sie mit den mehreren hundert Werkswohnungen in Wattens auf einem Schatz sitzt, der auch leerstehend für die Konzernführung immense Profite erbringen wird und der Schaffung einer Immobiliensparte Tür und Tor öffnet.

Der Betriebsrat macht's mit

Seitens des Betriebsrats und der Gewerkschaft gab es in den vergangenen Monaten keinen Widerstand gegen diesen Stellenabbau. Die einzige Aktion, die stattfand, war ein Schweigemarsch des „schwarzen“ Angestelltenbetriebsrats, bei dem man sich hinter die Teile der Familie Swarovski gestellt hat, die sich in der Konzernleitung für den Erhalt des Standorts Wattens aussprechen.

Bewusst zog man zum Denkmal des Unternehmensgründers Daniel Swarovski, der bis heute in der Region als Paradebeispiel eines „sozialen Unternehmers“ gilt. In der zu Jahresende erschienen Betriebsratszeitung „FSL-Journal“ zog auch der Arbeiterbetriebsrat Bilanz über dieses Horrorjahr. Der Betriebsrat lässt keinen Zweifel daran, dass „es diese Anpassungen geben muss“, um den Standort zu erhalten. Das ganze Blatt ist eine einzige Legitimation des Stellenabbaus und Lob über die eigene Rolle, das ganze so abgewickelt zu haben, dass „sehr viele Betroffene nach dem anfänglichen Schock die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses doch etwas gelassener nahmen und nun positiv in ihre persönliche Zukunft sehen“. Der Betriebsrat hat nichts anzubieten als die Hoffnung, dass wieder bessere Zeiten kommen und dass das Management jetzt nicht so viel Porzellan zerstört, damit die jetzt gekündigten ArbeiterInnen dann wieder bereit sind, in die Firma zurückzukehren.

Weder der Arbeiter- noch der Angestelltenbetriebsrat ist also willens, einen Arbeitskampf gegen den Stellenabbau und den wachsenden Arbeitsdruck im Zuge der Umstrukturierungen zu führen. Ein solcher Betriebsrat dient mit seiner passiven Haltung der Konzernführung mehr als der Belegschaft.

Was es brauchen würde ist, dass mutige Arbeiterinnen und Arbeiter sich zusammenschließen und auf der Grundlage eines Aktionsprogramms zum Erhalt aller Arbeitsplätze aktiv werden. Nur wenn dafür Stimmen in der Belegschaft laut werden, kann der Druck aufgebaut werden, den es braucht, damit der Betriebsrat seinen Hintern bewegt. Wir von Der Funke in Tirol verpflichten uns, alle Versuche in diese Richtung zu unterstützen. Die schweigende Solidarität mit den Swarovski-ArbeiterInnen, die in Wattens und der ganzen Region stark verankert ist, gilt es in eine Kraft zu verwandeln!

(Funke Nr. 193/22.4.2021)


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