Besetzung. Der Kampf des Metallerbetriebes GKN Florenz verdient weiter internationale Aufmerksamkeit. Die dreimonatige Fabriksbesetzung zeigt erste Teilerfolge und was eine kämpferische und demokratische Gewerkschaftsarbeit leisten kann. Konstantin Korn berichtet.
Trotz schwieriger Bedingungen gelingt es dem Betriebsrat und den AktivistInnen (‚Fabrikskollektiv' siehe Funke 196) jetzt schon seit drei Monaten die Mobilisierung der gesamten Belegschaft (inkl. den Leiharbeitern) aufrechtzuerhalten und auszuweiten. Über den Sommer wurde der Aktivistenkreis ständig vergrößert. Bisheriger Höhepunkt war eine mächtige Großdemo in Florenz am 18. September. Dieser Mobilisierungserfolg ist weitgehend auf die Arbeit der Belegschaft selbst, sowie des Solidaritätskomitees zurückzuführen.
Welche Wirkung diese Demo hatte, lässt sich am besten daran ablesen, dass am Tag danach das Arbeitsgericht die Massenentlassung bei GKN als nicht rechtskonform aufhob und eine mehrmonatige Verhandlungsphase der Gewerkschaft mit dem Management verordnete. Das ist ein wichtiger Etappenerfolg. Der Kampf geht damit in eine neue Runde. Wie kann nun aber durchgesetzt werden, dass die Produktion weitergeführt wird?
Auf der Demo in Florenz hat die Führung der GKN-ArbeiterInnen die Forderung nach einem Generalstreik gegen Werkschließungen und Massenentlassungen erhoben.
Wie gewinnen?
Um gewinnen zu können, gilt es die Bewegung auf eine neue Ebene zu heben. Die GenossInnen der IMT in Italien, die ein wichtiger Teil der Gewerkschaftslinken in der Metallergewerkschaft FIOM sind, argumentieren für die Einberufung einer selbstorganisierten Koordination aller kämpfenden Belegschaften. Die ursächlichste Aufgabe dieses Zusammenschlusses ist die Kontrolle der Verhandlungsführung der Gewerkschaft mit den Managements. Darüber hinaus ist dies eine Plattform um ein Aktionsprogramm rund um die zentrale Forderung nach Verstaatlichung all dieser Betriebe unter der Kontrolle der Belegschaften auszuarbeiten und den Kampf dafür zu koordinieren.
Ein solcher Ansatz der Kontrolle, Verallgemeinerung und Vertiefung der einzelnen Kämpfe durch den Zusammenschluss der kämpfenden Belegschaften wird die Gefahr der Isolierung eindämmen. Allein kann man einen solchen Kampf nicht gewinnen. Inspiration ist hier die Bewegung der besetzten Fabriken in Lateinamerika, die die Losung „Fabrica cerrada, fabrica tomada” (Wird die Fabrik geschlossen, besetzen wir die Fabrik) erhob. Wo MarxistInnen diese Bewegung politisch dominierten (etwa in Brasilien) wirkte die Bewegung politisch auf die breite Gewerkschaftsbewegung, um die spezifischen Interessen des Erhalts des Standortes mit den allgemeineren Zielen der Arbeiterbewegung zu verknüpfen. Wo diese politische Orientierung in der Minderheit blieb (etwa in Argentinien) degenerierte die Bewegung der besetzen Betriebe in ein Kleineigentümer-Forum.
Parasitärer Kapitalismus
Anhand der GKN oder Whirlpool Neapel, moderne Fabriken, die sehr profitabel arbeiten und über volle Auftragsbücher verfügen würden, zeigt sich sehr eindrücklich, was für ein parasitäres System der Kapitalismus ist. Die ArbeiterInnen der GKN werden nicht müde zu betonen, dass sie jederzeit die Produktion wieder hochfahren können – und zwar besser als zuvor. Durch die Kooperation mit jungen, solidarischen Ingenieuren wird derzeit im Fabrikskollektiv auch diskutiert, wie die Produktionslinien effizienter und ökologischer gestaltet werden könnten.
Gewerkschaft und Selbstorganisation
Am liebsten ist es einem Gewerkschaftsapparat, wenn sie die Basis gemäß den eigenen Plänen mobilisiert, aber auch frei entscheiden kann, wann es „zu viel“ wird. Aus vergangenen Protesten gegen Werkschließungen und Massenentlassungen weiß man, dass die Gewerkschaftsführung unruhig wird, wenn die ArbeiterInnen zu viel Eigeninitiative zeigen. Ihr Ziel ist es, am Verhandlungstisch ein Drohpotential vorweisen zu können, um einen „Kompromiss“ mit dem Kapital zu schließen, noch bevor der Arbeitskampf sein ganzes Potential entfalten kann.
Auch Zeit ist ein wichtiger Faktor. Wenn die Energie in einem Kampf nachlässt und der wirtschaftliche Druck auf die Betroffenen größer wird, ist die Gefahr groß, dass der Apparat das Heft in die Hand nimmt und eine Fabriksschließung mit „Sozialplan“ aushandelt. Die Kontrolle der Verhandlungen durch RepräsentantInnen der Belegschaft ist daher wichtig. Auch die Verbreiterung des Kampfes zur rechten Zeit wirkt diesem Druck entgegen. Die Einrichtung eines selbstverwalteten „Widerstandsfonds“, in den Spenden und die Einnahmen von Solidaritätsaktionen fließen, hilft schließlich den ökonomischen Druck auf die kämpfenden Belegschaften zu verringern. Kämpfe wie bei der GKN können lange dauern.
Der Kampf bei GKN zeigt das Potential die Betriebsschließung zu verhindern. Die Existenz einer erprobten, nicht-sozialpartnerschaftlichen Führung der Belegschaft hat dort die Basis für einen Kampf gelegt, der über einen spontanen Ausbruch des Zorns und der Empörung hinausging. Diese ArbeiterInnen zeigen, was man alles bewegen kann, wenn man die richtigen Ideen und den nötigen Willen hat.
(Funke Nr. 197/30.9.2021)