Am 23.11. sind die Kollektivvertrags-Verhandlungen der Gewerkschaft für Privatangestellte (GPA) im Handel mit der dritten und letzten Runde zu Ende gegangen. Ein Kollege aus dem Handel kommentiert.

Geeinigt wurde sich auf eine Lohnerhöhung der Einstiegsgehälter von 3,45% und für diejenigen, welche schon im Beruf sind, um lediglich 2,55%.Fr. Palkovich, die Chefverhandlerin der GPA, versucht diese Zahl natürlich schön darzustellen und sagt immer in ihren Auftritten: „Das Einkommen steigt dadurch durchschnittlich um 2,8%”. Den einzigen Sieg, den ich persönlich sehen kann, ist der Nachtzuschlag für Arbeit bis 05:00 morgens von 50%, wobei vergessen wird, dass die meisten im Handel erst gegen 05:00 anfangen zu arbeiten.

Die GPA stellt die Verhandlungen als Sieg dar, der Handelsverband tut so, als wäre es ein schmerzhafter Verlust für sie gewesen. Rainer Will, Geschäftsführer des österreichischen Handelsverbands, jammert, dass „jeder Euro mehr bei den Personalkosten den Handelsbetrieben in der Kassa fehlen wird” und die Einigung war aus Sicht der Chefs „ein Zeichen der Dankbarkeit” an die Arbeitenden.

Wie immer wird die Lohnerhöhung an der durchschnittlichen Inflationsrate vom letzten Jahr bemessen, das heißt in dem Fall eine Grundlage von 2,1%. Aber von Oktober 2020 bis zum Oktober 2021 stiegen die Preise um 3,7%. Im Jahr 2021 wird derzeit mit einer Preissteigerung von mindestens 3% gerechnet. Hier wird natürlich auch alles Mögliche eingerechnet, also auch Dinge, welche für den Normalverbraucher irrelevant sind. Wichtige und relevante Preiserhöhungen werden dadurch relativiert, z.B. ist diesen Oktober im Jahresvergleich 2020/2021 Sprit um 32,8%, Heizöl um 60,8%, Strom um 9,6% und Gas um 15,6% teurer geworden, doch das spielt scheinbar keine Rolle. Der österreichische „Miniwarenkorb“ (der einen typischen Wocheneinkauf abbildet) ist im Jahresabstand um 8,5% teurer geworden. (Quelle: Statistik Austria )

Wie ist dieser Abschluss zustande gekommen? In einem Interview sagte Martin Müllauer, der Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Handel in der GPA: „Wir bedanken uns bei jenen Kolleginnen und KollegInnen, die in den vergangenen Wochen trotz widriger Rahmenbedingungen Betriebsversammlungen abgehalten haben und einen Beitrag dazu geleistet haben, dass dieser Abschluss heute möglich wurde“.

Tatsächlich ist es im Handel eher ungewöhnlich, dass die Gewerkschaft zu dem Mittel von Betriebsversammlungen greift. Aber dieses Kampfmittel wurde bei weitem nicht ausgeschöpft. Von allen Kollegen, die ich im Handel kenne, mich eingeschlossen, weiß niemand irgendetwas von Betriebsversammlungen. Ich rede von KollegInnen in großen Betrieben. Nachdem ich mit der GPA über Twitter geschrieben habe, konnte in Erfahrung gebracht werden, dass es wirklich eine Befragung bei den Arbeitenden im Handel gab. Im Handel arbeiten derzeit ca. 380.000 Personen. Es wurden laut GPA 2400 Arbeitende am 4. August in ganz Österreich zu den Forderungen der GPA bezüglich der KV-Verhandlungen befragt.

Fr. Palkovich hat in den vergangenen Wochen verkündet, mit harten Bandagen zu kämpfen. Nicht weniger als eine Lohnerhöhung von 3,55% sollte rauskommen. Letztendlich, ohne jemanden in den Belegschaften zu fragen, wurde wieder ein dermaßen nachteiliger Deal abgeschlossen und man klopft sich trotzdem stolz auf die Schulter. Mittlerweile wurde ebenfalls entschieden, den Handel am Sonntag den 19.12. zu öffnen, nachdem die GPA mit dem Handelsverband wieder irgendwelche Deals ausgemacht hat. Seit Jahren wollen die ArbeitgeberInnen die Sonntagsöffnung durchbringen. Mit diesem Post-Lockdown Einkaufssonntag wird ein Präzedenzfall geschaffen.

Die Leute sind demotiviert. Es heißt immer: „Der Handel ist zu groß und deshalb kann man sich nicht organisieren.” bzw. „Was soll man sagen, auch die Metaller haben nur 3,55% bekommen.” Es ist nicht leicht im jetzigen Moment, vor allem nicht mit dem Lockdown. Alle haben Angst, ihren Job zu verlieren, insbesondere wenn sie ihrer Stimme Gehör verschaffen.

Persönlich im Betrieb ist es kein leichtes, die Leute zu motivieren etwas zu sagen oder sich zu melden, aber man bemerkt eine brodelnde Unzufriedenheit in allen Bereichen des Handels. Es ist in solchen Zeiten umso wichtiger, sich offen als Marxist zu präsentieren, Gespräche anzufangen und die Leute zum Denken zu bringen. Vor den KollegInnen habe ich mit dem Betriebsrat und auch Vertretern der GPA gesprochen und sie gefragt, warum wir als Belegschaft nie in Entscheidungen miteinbezogen werden. Warum es nie zu Betriebsversammlungen kommt und warum wir eigentlich bevormundet werden. Das hatte auch einen guten Effekt. Diejenigen der KollegInnen, die das mitbekommen haben oder auch davon gehört haben, haben dann selber weitere Fragen gestellt. Auch an mich wurde die Frage gestellt, wie man etwas ändern kann und was die Möglichkeiten sind. Nur wenn die Gewerkschaft konkret in den Händen der Arbeitenden liegt, kann auch ein erfolgreicher Kampf gegen diese Ungerechtigkeit geführt werden.

Mein Ziel ist klar: mehr Leute in politische und betriebliche Diskussionen einbinden und sie für den Marxismus gewinnen.

Von Zenon Khayat

(Funke Nr. 199/10.12.2021)


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