UnternehmerInnen setzen bei den aktuellen KV-Verhandlungen auf Provokation. Es braucht eine branchenübergreifende Kampfstrategie, meint Mario Wassilikos.

Am 30. März präsentierte das Verhandlungsteam von PRO-GE und GPA die Forderungen für die ca. 8.000 Beschäftigten der Papierindustrie den VertreterInnen der Unternehmen. Es verlangte eine Lohnsteigerung von sechs Prozent, was angesichts der rasant wachsenden Inflationsrate (6,8 Prozent im März) einen Realeinkommensverlust bedeutet. Diese erste Kollektivvertragsrunde endete trotzdem mit einem Eklat. Die Arbeitgeberseite brach unmittelbar nach der Forderungsbekanntgabe die Gespräche nach 25 Minuten ab. Sie drohte, dass sie nicht weiterverhandle, wenn die Gewerkschaft auf den sechs Prozent bestehe.

Schon seit dem Herbst des Vorjahres beklagen sich BranchenvertreterInnen über Versorgungsengpässe, stark steigende Rohstoff- und Energiekosten. Angesichts dessen seien laut der Unternehmerschaft die Forderungen der Gewerkschaft nicht zu erfüllen. Es ist offensichtlich: Kosten, Lasten und Risiken der Systemkrise sollen die ArbeiterInnen ausbaden – ihnen wird von den UnternehmerInnen der schwarze Peter zugeschoben.

Ein Beispiel aus der Papierindustrie: Der börsennotierte Kartonhersteller Mayr-Melnhof erhöhte die Dividende für 2021 von 3,20 auf 3,50 Euro pro Aktie. Wenn der Profit hingegen stark in Gefahr ist, lassen die UnternehmerInnen die Produktion einstellen und drohen mit Schließung – die obersteirische Papierfabrik Norske Skog in Bruck an der Mur exerzierte das im März für fast zwei Wochen vor.

Auf die Offensive der Unternehmer brauchen wir eine kämpferische Antwort. Nach dem Platzen der ersten Verhandlungsrunde wurden auf einer Betriebsräte-Konferenz der Gewerkschaft am 7. April die sechs Prozent bekräftigt. Sollten bei den nächsten Verhandlungsrunden keine Fortschritte erzielt werden, werde man Betriebsversammlungen abhalten. Das entspricht dem „traditionellen“ Etappenplan der Lohnverhandlungen, der schon in den letzten Jahren von den Arbeitgebern immer mehr ausgehöhlt wurde.

Die Situation ist ernst – die Arbeiterbewegung muss aus der sozialpartnerschaftlichen Routine ausbrechen. Die Gewerkschaft fordert derzeit in mehreren Branchen 6% – diese Forderung muss in einen sektorübergreifenden Kampfplan münden. Demokratische Mitbestimmung der Beschäftigten durch Urabstimmung über Abschlüsse kann eine enthusiastische Mobilisierung sichern. Doch die 6% sind nur das Minimum. Damit die Teuerung die Lohnerhöhung nicht sofort auffrisst, braucht es einen automatischen, monatlichen Teuerungsausgleich, kontrolliert von Delegierten der Gewerkschaft.

(Funke Nr. 203/22.4.2022)


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