Nur mit einem Streik ist der Kahlschlag bei den Krankenanstalten noch zu verhindern, schreibt Martin Wieland (AKH Linz) anlässlich der oberösterreichweiten Demonstration der Gewerkschaft gegen die Spitalsreform am 9. Juni.

Keine Frage: Die gemeinsame Demonstration der Krankenhausbelegschaften ist nicht hoch genug einzuschätzen. Erstmals seit langer Zeit zeigt die große Berufsgruppe der ArbeitnehmerInnen im Gesundheitswesen Präsenz in der Öffentlichkeit und macht auf ihre gesellschaftliche Bedeutung und ihre Anliegen aufmerksam. Es geht um nicht weniger als den Abbau von 778 Betten und Einschränkungen des Leistungsangebots vor allem im ländlichen Bereich. Doch es ist nicht von zweitrangiger Bedeutung, mit welcher Perspektive und welchen Forderungen wir auf die Straße gehen. Und hier zeigt sich leider, dass sich unsere Gewerkschaftsführung offenbar keinen direkten Kampf gegen die Spitalsreform zutraut. Gleichzeitig steht sie aber unter dem Druck der KollegInnen aus den Spitälern. Protesaktionen sieht sie in erster Linie als notwendiges Übel, das es braucht, um der Landesregierung wenigstens ein paar Zugeständnisse bei den Arbeitsbedingungen abringen zu können. Dabei bringt sie durchaus wichtige Forderungen vor, wie etwa einen gesetzlichen Personalschlüssel oder ein neues Krankenanstaltenarbeitszeitgesetz. Die weiteren Forderungen (Kündigungsschutz, kein KV-Wechsel, keine Gangbetten u.ä.) zeigen allerdings, dass es um bloße Schadensbegrenzung gehen soll. Das Grundübel selbst – die Spitalsreform – wird hingenommen. Dabei hatte eine Reihe von regionalen Initiativen insgesamt 120.000 Unterschriften gegen die Reform an sich gesammelt. In einer Aussendung schürte der ÖGB OÖ gar die Illusion, dass Landeshauptmann Pühringer “grundsätzlich mit unseren Forderungen einverstanden” sei und der Umsetzung der Forderungen somit nicht mehr viel im Wege stehe. Die Berichte der Betriebsräte, die an der Unterredung mit Pühringer Ende Mai teilnahmen, an die Belegschaften ihrer Häuser lassen aber erkennen, dass sich der Landeshauptmann nicht viel mehr als ein unverbindliches Blabla entlocken ließ. Selbst die Zusicherung des Kündigungsschutzes ist unter den konkreten Bedingungen kein wirklicher Sieg: Die Landesregierung kann auf den natürlichen Abgang zählen, um binnen kurzem durch Nichtnachbesetzung von Posten den Personalstand zu verringern. Entscheidend ist, dass es bei der Hauptforderung der Gewerkschaft, dem gesetzlichen Personalschlüssel, keine Bewegung gibt.

Spitalsreform ablehnen

Warum sollten wir die Spitalsreform als Gesamtpaket ablehnen? Weil sie den vorläufigen Höhepunkt der laufenden Zerstückelung eines qualitativ hochwertigen und allgemein zugänglichen Gesundheitssystems darstellt. Durch sogenannte Effizienzsteigerungen sollen in jedem Haus Millionensummen eingespart werden. Überhaupt ist „Effizienz” das Totschlagargument in der jetzigen Debatte, gegen das sich bis jetzt keine Partei und auch nicht die Gewerkschaftsführung aufzulehnen wagte. Doch worin bestehen diese Effizienzsteigerungen? Allein darin, dass für die PatientInnen weniger geleistet und gleichzeitig dem Personal mehr abverlangt wird. Wie beim Spiel „Reise nach Jerusalem“ werden die PatientInnen um ein verknapptes Bettenangebot rittern und längere Anfahrtsstrecken in Kauf nehmen müssen. Der Zugang zu einer stationären Betreuung wird erschwert – mit der Folge, dass die Betreuung im Rahmen der Familie zunehmen wird, was vor allem zulasten der Frauen gehen wird. Es handelt sich schlicht um eine Kostensenkung durch Auslagerung der Gesundheitsbetreuung hin zu unbezahlter Arbeit.

Und was bedeutet die Reform für die Beschäftigten? Die Geschäftsführungen werden die Spitalsreform dazu nutzen, durch Stationszusammenlegungen und andere Maßnahmen Arbeitsabläufe zu straffen, Aufgabengebiete zu erweitern, den Durchlauf weiter zu erhöhen und generell den Fließbandcharakter und die Arbeitsintensität zu erhöhen. Schon jetzt ist der Pflegealltag davon geprägt, möglichst viele PatientInnen in möglichst kurzer Zeit durchzuschleusen. Schon jetzt haben wir einen tagtäglichen Wust von organisatorischen, administrativen und dokumentarischen Pflichten zu bewältigen. Für die eigentliche Betreuung der PatientInnen fehlen häufig Zeit und Energie. Schon jetzt sehen wir, dass oftmals nicht darauf geachtet wird, was die PatientInnen wirklich brauchen. Vielmehr geht es darum, was versicherungstechnisch am meisten Geld bringt. Auch diese „Effizienz“ wird durch die Spitalsreform fraglos zunehmen.

Die Gewerkschaftsführung macht zwar die miserablen Arbeitsbedingungen zum Thema, verschließt die Augen aber davor, dass gerade die Spitalsreform die Situation weiter verschärfen muss. Sie bringt auch nicht klar zur Sprache, dass der Bettenabbau eine gravierende Verschlechterung in der Versorgung der Bevölkerung mit sich bringen wird. Schlimmer noch: Sie spricht in ihren eigenen Aussendungen von der Notwendigkeit von Effizienzsteigerungen und wiederholt so neoliberale Argumente. Stattdessen müsste sie offenlegen, was eigentlich hinter der Strukturreform steckt: Durch Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich sollen die enormen Summen wieder hereingebracht werden, welche die öffentliche Hand in den letzten Jahren für die Rettung der Banken und Unternehmen ausgab.

Zahlen auf den Tisch!

Der eigentliche Skandal rund um die Spitalsreform besteht darin, dass weder den betroffenen Belegschaften noch der Öffentlichkeit ein umfassender Einblick in die Zahlen des Krankenhausbetriebs gewährt wird. Die Landesregierung und die Direktionen der Krankenhäuser argumentieren mit Zahlen, die nirgends aufgeschlüsselt werden. Selbst der politische Lenkungsausschuss des Landes Oberösterreich erhielt die Zahlen erst zwei Stunden vor jener Sitzung, in der die weichenstellenden Entscheidungen getroffen wurden. Im AKh Linz versucht der Betriebsrat bereits des längeren vergeblich, (ihm rechtlich zustehende) Informationen von der Geschäftsführung zu erhalten. Unser Ziel muss es daher sein, die Offenlegung dieser Zahlen zu erreichen. Auf dieser Grundlage müssen wir aufzeigen, wie hoch die Profite der Anbieter von medizinischen Geräten und Dienstleistungen sind, wie Aufträge tatsächlich vergeben werden, wer von Ausgliederungen profitiert hat usw. Nur die ständige Kontrolle durch die Betriebsratsorgane, die sich auf regelmäßigen Betriebsversammlungen verantworten müssen, kann die Führung der Krankenanstalten im Sinne der PatientInnen und Beschäftigten garantieren.

Streik vorbereiten

Die Spitalsreform ist im Wesentlichen eine bereits ausgemachte Sache. Alle Parteien, einschließlich der SPÖ, haben ihre Zustimmung angekündigt. Es bleibt nur noch ein kurzes Zeitfenster bis zum endgültigen Beschluss im Landtag am 7. Juli. Ist somit bereits alles verloren? Nicht ganz. Noch könnten wir Beschäftigten und BasisaktivistInnen der Gewerkschaft das Ruder herumreißen, indem wir ausgehend von der Demonstration am 9. Juni den Kampfgeist in unsere Gewerkschaftsstrukturen, Vertrauenspersonenausschüsse und Betriebsratskörperschaften tragen und einen Streik gegen die Spitalsreform fordern. Ein Erfolg ist natürlich nicht garantiert, da nur eine gewisse kritische Masse von aktionsbereiten KollegInnen die in der Gewerkschaft vorherrschende, gedrückte Stimmung bekämpfen wird können. Aber selbst wenn wir scheitern sollten, wäre unser Auftreten für einen Streik nicht umsonst gewesen. Wir hätten wenigstens den einen oder anderen Stein ins Rollen gebracht. Bei einem neuerlichen Angriff, der sicher nicht lange auf sich warten lassen wird, werden wir bereits auf ein größeres positives Echo für einen Arbeitskampf stoßen. Bei einer Veranstaltung am 15. Juni wollen wir diskutieren, ob ein Streik noch möglich ist und mit welchen Argumenten und Forderungen wir in Zukunft an die Öffentlichkeit gehen wollen.


Der Autor ist gewerkschaftliche Vertrauensperson im AKH Linz.


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