Der Kampf der Beschäftigten der oö. Ordensspitäler gegen Reallohnkürzungen ist mit der Annahme des Angebots auf den Betriebsversammlungen zu Ende. Dieser Arbeitskampf ist voller Lehren für die gesamte Gewerkschaftsbewegung. Eine erste Bilanz der Funke-Redaktion.
Anfang der Woche fanden in allen 8 oö. Ordensspitälern Betriebsversammlungen statt, wo die Beschäftigten über das von den Arbeitgebern und Landeshauptmann Pühringer vorgelegte Kompromissangebot informiert wurden und im Anschluss daran über die Annahme des Angebots abstimmen konnten. Diese Form der Urabstimmung ist für sich genommen schon eine riesige Errungenschaft dieses Arbeitskampfes. Nicht mehr nur eine kleine Gruppe von auserwählten Gewerkschaftshauptamtlichen und Betriebsratsvorsitzenden entscheidet über den Abschluss, sondern das Verhandlungsergebnis wird einer bindenden Abstimmung in den Belegschaften unterzogen. Diese neue Kultur der Gewerkschaftsdemokratie ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. In den letzten Jahren gab es immer wieder Arbeitskämpfe, wo sich Betriebsräte und Belegschaften gegen die Abwälzung der Krise auf ihre Schultern zur Wehr setzten bzw. setzen wollten. In den meisten Fällen wurde am Verhandlungstisch ein fauler Kompromiss getroffen und der sich entfaltende Arbeitskampf von oben abgedreht. Bei den Ordensspitälern hat sich gezeigt, dass es auch anders geht.
Warum wurde das Angebot trotzdem von den Beschäftigten angenommen? Die Verhandlungsführerin auf Seite der Gewerkschaft, Sonja Reitinger (BRV in Wels), argumentierte, dass es sich dabei um einen „tragfähigen Kompromiss“ handelt und betonte, dass die schlimmsten Forderungen der Arbeitgeber noch einmal abgewendet werden konnten. Viele KollegInnen in den Ordensspitälern haben das ganz anders gesehen. Die wichtigsten Argumente gegen den Kompromiss waren: Das Angebot beinhaltet nur eine Lohnerhöhung von 1%, was weit unter der Höhe der Inflationsabgeltung liegt. Das Konstrukt, durch eine Arbeitszeitverkürzung auf 39,17 Stunden zu Zeitguthaben zu kommen, die man sich am Jahresende auszahlen lassen kann, was im Endeffekt einer Lohnerhöhung in der Höhe der Inflationsabgeltung gleichkäme, wirkt nicht nachhaltig. Mit dem Angebot legt sich die Gewerkschaft schon jetzt auf einen moderaten Lohnabschluss (also unter der Inflationsrate) für 2014 fest. Und was sehr schmerzt: Neue MitarbeiterInnen müssen mit massiv schlechteren Arbeitsverträgen rechnen (z.B. gilt für sie ein Jahresdurchrechnungszeitraum).
Sowohl auf Facebook wie auch in den Betriebsversammlungen wurde der Unmut von großen Teilen der Belegschaften deutlich spürbar. Viele KollegInnen zeigten auch offen ihre Enttäuschung über die Kompromissbereitschaft der eigenen Verhandlungsführung. In einer Betriebsversammlung wurde sogar offen eine neue Verhandlungsführerin gefordert. Durch die beiden Streiktage war viel in Bewegung geraten, die Belegschaften haben ihre Stärke und die Kraft der Solidarität zu spüren begonnen. Ein Kollege hat es so zusammengefasst: „Der Traum, in unserer Gemeinschaft wieder jenen Geist zu wecken, dem wir unsere ursprüngliche Kraft verdanken: Dieser Traum hat ein Stück weit Gestalt angenommen. Es ist so unglaublich viel Energie und Emotion spürbar geworden, dass sich wirklich noch vieles bewegen ließe, wenn wir nicht Angst vor der eigenen Courage bekommen. Und es wird uns gut tun, auch ein wenig über den eigenen Tellerrand zu schauen. Es gibt unendlich viel, wofür es sich lohnt, zu kämpfen. Und wo es genau diese Fähigkeiten, Kompetenzen, Energien und das Herz braucht, das seit einigen Wochen hier laut und deutlich schlägt.“
In der entscheidenden Phase des Kampfes wurden aber leider auch die Schwächen unserer Bewegung deutlich sichtbar. Einige Betriebsräte sahen in der Annahme des Angebots den einzig gangbaren Weg. Sie argumentierten im Wesentlichen damit, dass in zwei Krankenhäusern (u.a. in Wels) die Streikfront schon recht am Bröckeln sei, und sie selbst durch den wochenlangen Kampf völlig ausgelaugt sind. Wir können gut nachvollziehen, dass die Betriebsräte in diesem Arbeitskampf unter enormen Druck standen und großen Belastungen ausgesetzt waren. Trotzdem halten wir es fatal, wie manche von ihnen darauf reagiert haben. Anstatt die Belegschaft verstärkt einzubinden, Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen, die Kreativität und das Engagement der KollegInnen für die Organisierung der nächsten Schritte zu nutzen, haben sie mit ihren Stellungnahmen demoralisiert und die Annahme des Angebots als alternativlos dargestellt.
Uns muss aber eins bewusst sein, dass wir erst am Beginn einer langen Auseinandersetzung stehen. Im Gesundheitsbereich warten noch Jahre des Spardrucks auf die Beschäftigten. Auch in Zukunft wird die Politik nicht genügend Geld für ordentliche Lohnerhöhungen zur Verfügung stellen. Wenn Betriebsräte glauben, dass es besser war, diesen Arbeitskampf jetzt beenden zu müssen, damit sie sich wieder ihrem „Tagesgeschäft“ widmen können, dann befinden sie sich leider auf dem Holzweg. Wir brauchen zu allererst eine klare Vorstellung, wie es im Gesundheitsbereich weitergehen wird. Und da zeichnet sich ab, dass wir auf Jahre gegen Lohndruck, Einsparungen und eine Verdichtung der Arbeitszeit kämpfen werden müssen. Mit den alten Methoden gewerkschaftlicher Politik, wo man noch mit der Geschäftsführung im eigenen Haus im beiderseitigen Auskommen alles ausverhandeln konnte, kommt man heute nicht mehr weiter.
Der Arbeitskampf endete auf halbem Weg, weil ein Teil der Betriebsräte den Kampf nicht mehr weiterführen konnte. Wir stehen nun vor der Aufgabe, in der Vorbereitung auf die nächsten Auseinandersetzungen diese Schwäche auszumerzen. Das erfordert in erster Linie die Verbreiterung der aktiven Gewerkschaftsbasis in den Krankenhäusern. Viele KollegInnen sind jetzt der Gewerkschaft beigetreten, viele haben sich erstmals aktiv engagiert. Sie sind aufgerufen auch nach Ende dieses Kampfes weiterzumachen, sich einzubringen und ihre Meinung kundzutun. Die beste Möglichkeit dazu sehen wir im Aufbau von gewerkschaftlichen Betriebsgruppen in den Krankenhäusern, wo sich nicht nur die Betriebsräte sondern alle interessierten KollegInnen weiter engagieren und den Kurs mitbestimmen können. Unsere Kraft liegt einzig und allein darin, dass wir uns zusammenschließen, zusammenstehen und gemeinsam reden und handeln. Das gilt in einem Arbeitskampf aber auch in den Zeiten dazwischen. Darüber hinaus sollte die Gewerkschaft die Vernetzung zwischen den Betriebsräten und Belegschaften aller Krankenhäuser weiter vorantreiben. Erste Ansätze der Solidarität wurden schon diesmal sichtbar, dies gilt es in den kommenden Monaten weiterzuentwickeln. Der nächste Kampf kommt bestimmt, bereiten wir uns darauf vor!
Für nächste Woche sind wir gerade in Planung eines Treffens für alle KollegInnen, die Interesse haben die gewonnen Erfahrungen auszutauschen und weiterzudenken. Nähere Infos findest du in Kürze hier.