In den letzten Monaten erschütterte eine Streikwelle die Automobilindustrie in Osteuropa. Die „Osterweiterung“-Strategie, die die führenden Automobilproduzenten in den letzten beiden Jahrzehnten verfolgte, um die Krise der Rentabilität zu überwinden, scheint in eine Sackgasse zu geraten, nachdem die ArbeiterInnen in Osteuropa begannen höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu verlangen.

Seit Jänner dieses Jahres wurden die Standorte Audi Ungarn, Skoda Tschechien und VW Slowakei alle bestreikt. Der wahrscheinlich interessanteste Fall war jedoch der Streik der Fiat-Belegschaft in der serbischen Stadt Kragujevac in diesem Sommer. Im Gegensatz zu den Ländern der Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) zog Serbien erst spät produktive Neuansiedlungen und Auslandsinvestitionen an, und die organisierte Arbeiterklasse hat weniger Erfahrung mit multinationalen Konzernen.

In den letzten Jahren erlebte Serbien mehrere radikale Streiks, die Straßenblockaden, Fabriksbesetzungen und Zusammenstöße mit den privaten Sicherheitskräften der Fabriken miteinschlossen. Doch trotz der kämpferischen Methoden hatten die meisten dieser Arbeitskämpfe einen defensiven Charakter. Sie umfassten normalerweise ältere ArbeiterInnen in staatlichen Betrieben, die jahrelang nicht mehr produzierten, oder in Unternehmen, die für Immobilienspekulationen oder irgendwelche anderen Mafia-Geschäfte privatisiert wurden. Die Streikforderungen konzentrierten sich darauf, unbezahlte Löhne zu erhalten, die oft monate- oder jahrelang nicht ausbezahlt wurden, den Zugang zur Krankenversicherung wiederzuerlangen oder fehlende Jahre bis zur Pension zu überbrücken. Während die Maschinen stillstanden, traten die ArbeiterInnen oftmals in den Hungerstreik, um Beachtung für ihre Sache zu erregen, doch ignoriert von Management und Regierung blieb ihre Misere jahrelang unbemerkt.

Der jüngste Streik bei Fiat in Kragujevac ist ein Wendepunkt, denn er fand in einer modernen, hochproduktiven Fabrik einer ausländischen Firma statt. Viele der Beschäftigten sind jung und haben keine Erfahrungen mit Arbeitskämpfen und ihre Forderungen waren offensiv. Am 27. Juni traten etwa 2000 ArbeiterInnen in den Streik und verlangten eine Lohnerhöhung von 38.000 auf 50.000 Dinar (320 auf 420 Euro), die Einstellung von zusätzlichen Arbeitskräften, um die individuelle Belastung zu verringern, sowie eine volle Auszahlung der Pendelkosten für Nachtschichten. Im Gegensatz zu den „spektakulären“ Streikformen in den letzten Jahren, wie die Hungerstreiks und Fabriksbesetzungen, organisierte sich die Fiat-Belegschaft durch die offiziellen Strukturen der Gewerkschaft und führte den Streik auf eine ziemlich „konventionelle“ Weise, in dem sie jeden Tag in den Betrieb fuhr, um sich neben die abgeschalteten Maschinen zu stellen oder Streikposten zu organisieren. Die Fiat-Leitung weigerte sich zu verhandeln, während der serbische Staat großen Druck auf die KollegInnen ausübte. Ihnen wurde eine versteckte politische Agenda unterstellt und es wurde behauptet, dass die Fiat-ArbeiterInnen im Vergleich noch privilegiert seien. Trotzdem dauerte der Streik fast einen Monat. Schlussendlich schloss die Gewerkschaftsführung ein Abkommen mit der Geschäftsleitung. Es sieht eine leichte Lohnerhöhung über die nächsten drei Jahre vor, wenn die Gewerkschaft garantiert, in dieser Zeit nicht zu streiken.

Letztlich ist das Ergebnis des Streiks im besten Fall ein Teilerfolg, für den mit dem skandalösen Versprechen, zukünftig keine Streiks zu führen, bezahlt wurde. Doch trotz diesem Verrat der Gewerkschaftsführung sind die weiteren sozialen und politischen Implikationen beträchtlich. Zunächst spiegeln die Forderungen das steigende Selbstbewusstsein der jungen Arbeitsklasse wider, die die Kraft in ihren Armen spürt. Fiat ist nur das größte von vielen ausländische Unternehmen in Serbien, viele kleinere Fabriken sind an seinen Hauptstandort angeschlossen. Der Streik wird eine Inspiration für andere ArbeiterInnen sein. Und zweitens zerstört der Streik die von der herrschenden Klasse verbreitete Illusion, dass die langsame Integration in den Weltmarkt und Auslandsinvestitionen der einzige Weg sind, um einen besseren Lebensstandard zu erreichen.


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