Neueste Statistiken zeigen, dass die offiziele Jugendarbeitslosigkeit in China bei über 20% liegt – doppelt so hoch wie vor der Pandemie. Ein chinesischer Kommunist gibt Einblick in das Leben einer Generation, die immer weniger Zukunftsperspektive hat.

China hat die letzten Jahrzehnte einen gewaltigen Wirtschaftsboom durchlebt. Schon vor Ausbruch von Corona gab es Anzeichen für eine Verlangsamung dieser wirtschaftlichen Entwicklung, doch mit der Pandemie kamen alle Schwächen des Systems zum Vorschein. Darunter leiden vor allem die Arbeiterklasse und die junge Generation.

Viele Jugendliche suchen verzweifelt nach Lösungen, was sich dadurch ausdrückt, dass der Wunsch, zu emigrieren, stark zugenommen hat. In der Jugend macht sich aber auch eine neue Proteststimmung breit. Im November letzten Jahres protestierten Studierende aus über 200 Universitäten in mindestens 21 Provinzen. Die Regierung reagierte darauf letztendlich mit der Rücknahme ihrer „Zero-COVID-Politik“. Diese junge Generation ist aber geprägt von der Zeit der Pandemie. Ihr wurde aus eigener Erfahrung bewusst, welches Elend der Kapitalismus bedeutet. Viele sind zu dem Schluss gekommen, dass dieses System nicht mehr zu retten ist.

Die von vielen erhoffte Erholung der Wirtschaft nach dem Ende der Pandemie blieb aus. Die Ökonomie stagniert, was es für junge ChinesInnen immer schwieriger macht, einen sinnvollen Beruf zu finden.

Jugendarbeitslosigkeit

Jugendarbeitslosigkeit ist mittlerweile zu einem ernsthaften Problem geworden. Die Frustration darüber fand auch einen interessanten Ausdruck in den sozialen Medien. Im März ging das sogenannte „Kong Yiji-Meme“ viral. Kong Yiji ist eine bekannte Figur aus der chinesischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts und repräsentiert einen armen, erfolgslosen Intellektuellen. Sein Scheitern spiegelt die Situation wider, in der sich viele junge Menschen in China heute befinden. Es wird immer schwieriger für die, die sich einen Universitätsabschluss erkämpft haben, eine gute Anstellung zu bekommen. Sie sind daher oft gezwungen, schlechter bezahlte Jobs anzunehmen. Teilweise arbeiten sie auch in Industrien, in denen ihre höhere Ausbildung nutzlos ist.

Die Kommunistische Partei (KPCh) reagierte auf dieses Internetphänomen mit einem Artikel auf der Website des staatlichen Senders CCTV, in dem die Jugend dazu aufgefordert wurde, sich nicht selbst zu bemitleiden und gewisse Beschäftigungen nicht als weniger wertvoll anzusehen. Sie sollten sich weniger über die anstrengende, schlecht bezahlte Arbeit aufregen und den Fehler stattdessen bei sich selbst suchen.

Daraufhin veröffentlichte ein Sänger eine Coverversion eines beliebten Songs mit dem Titel 阳光开朗孔乙己 (fröhlicher Kong Yiji), in dem er sich über die Heuchelei der Regierung lustig machte. Das Regime konnte diese Kritik nicht dulden und sperrte den Musiker und sein Lied umgehend im Internet.

Der erwähnte Artikel auf CCTV versprach, dass „die Zeit von Kong Yiji vorbei ist, und die ehrgeizige Jugend niemals in der Sackgasse landen wird“, denn „die Wirtschaft erholt sich und somit wird sich auch die Situation am Arbeitsmarkt langsam verbessern, wodurch die neue Generation mehr Möglichkeiten haben wird.“ Doch alle Statistiken sprechen eine andere Sprache. Die Arbeitslosenrate unter Jugendlichen ist dieses Jahr von 17% im Januar auf 21% im Juli gestiegen. Dabei werden Personen, die auch nur eine Stunde pro Woche arbeiten, schon nicht mehr als arbeitslos geführt, weshalb ein Pekinger Ökonom diesen März berechnete, dass die eigentliche Jugendarbeitslosigkeit 46,5% beträgt.

Millionen von jungen Menschen bewerben sich für Beamtenstellen und Jobs an Universitäten, wobei die Aufnahmeprüfungen für letztere oft äußerst anspruchsvoll sind. Vergangenes Jahr erhielten nur 1% von 2 Millionen BewerberInnen einen Beamtenposten. In dieser aussichtslosen Situation kehren viele junge Menschen zu ihren Eltern zurück, weil sie auf deren Unterstützung angewiesen sind.

Verzweiflung

Die Enttäuschung bleibt auch denjenigen nicht erspart, die es trotz der schwierigen Bedingungen geschafft haben, eine Beschäftigung zu finden. Selbst Beamte und Beschäftigte mit einem abgeschlossenen Masterstudium haben oft Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen. Die Mehrheit der Lokalregierungen in China sind stark verschuldet, was auch im öffentlichen Dienst zu geringeren Löhnen und Sozialleistungen führt.

Ein Studienabschluss ist zwar häufig ein Weg, nicht in die Arbeitslosigkeit abzurutschen. In den Städten sind durchschnittlich 39% der Arbeitssuchende überqualifiziert, wobei diese Zahl in manchen Städten sogar 70% ausmacht. Bezeichnend ist das Beispiel der Henan China Tabacco Company, wo ein Drittel der ArbeiterInnen einen Master-Abschluss hat.

Junge Menschen sehen sich aber angesichts der hohen Arbeitslosigkeit dazu gezwungen, die schlechten Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Dies wird dadurch erschwert, dass in vielen Firmen ArbeiterInnen oft als „selbstständig“ eingestuft sind, wodurch sie im Fall eines Jobverlusts keine Arbeitslosenunterstützung erhalten.

Nicht anders als im Westen kämpfen junge ChinesInnen mit unerschwinglichen Lebenserhaltungskosten. Familien mit einem Durchschnittsverdienst können nur davon träumen, sich eine 90 m²-Wohnung kaufen zu können, weshalb die meisten auf Kreditfinanzierung angewiesen sind. Die Kreditzinsen betragen aber um die 5 bis 6%.

Die hohen Immobilienpreise führen auch dazu, dass weniger Ehen geschlossen und damit auch weniger Kinder geboren werden. Seit 2016 sinken die Geburtenraten Chinas und letztes Jahr zum ersten Mal auch die Einwohnerzahl des Landes. Dadurch gilt es als eines der am schnellsten alternden Länder auf der Welt. Viele junge Menschen müssen ihre älteren Familienmitglieder nebenbei auch noch finanziell unterstützen.

Jungen Menschen werden angesichts dieser schwierigen materiellen Situation immer häufiger die sogenannten „Sechs Gebote“ gepredigt: nicht rauchen, nicht trinken, kein Essen bestellen, nicht heiraten, keine Kinder bekommen und keine Liebesbeziehungen eingehen.

Eine wütende Generation

Die chinesische Jugend lebt in einem Land, das am Rande eines Abgrunds steht. Sie ist in einer Zeit eines Wirtschafswachstums und der Verbesserung des Lebensstandards aufgewachsen, doch jetzt, wo sie erwachsen werden, sehen sie, wie der Kapitalismus ins Wanken gerät und all ihre Träume platzen lässt.

Studien zeigen, dass diese Generation stark von Depressionen und psychischen Erkrankungen betroffen ist. Einer von vier ChinesInnen im Alter zwischen 18 und 35 läuft Gefahr depressiv zu werden.

Es ist offensichtlich, dass sich in der heutigen chinesischen Gesellschaft ein tiefer Unmut anhäuft. Die Jugend ist besonders unzufrieden und bringt dies auch mehr und mehr zum Ausdruck. Was anfangs nur auf Online-Plattformen sichtbar wurde, löste an den Universitäten erste Proteste aus. Es braucht nur einen Funken, der angesichts der aufgestauten Wut eine neue Protestwelle entfachen könnte.

Ein bedeutender Teil der Jugend wird unweigerlich den Weg revolutionärer Veränderungen suchen und sich die Theorie der sozialen Revolution – den Marxismus – aneignen.

(Funke Nr. 217/26.9.2023)


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