Pakistan wurde in den vergangenen Wochen von großen Protesten wegen der stark steigenden Strompreise erschüttert. Von Samim Mohmand.

Das tägliche Leben in Pakistan ist für die Masse der Bevölkerung unerträglich. Die offizielle Inflationsrate liegt bei 38%, für Essen sogar bei 130%. Das bedeutet, dass viele Arbeiter und ihre Familien Mahlzeiten ausfallen lassen müssen oder notwendige Medikamente oder Bildung für ihre Kinder nicht mehr bezahlen können.

Gleichzeitig gibt es stundenlange Stromausfälle, die auf die marode Infrastruktur und die schamlose Selbstbereicherung einiger Kapitalisten zurückzuführen sind. Während die politischen Eliten und Reichen über Korruption oft kostenlos Strom für ihre Luxushäuser und Betriebe bekommen, sitzen die Massen im Dunkeln oder drehen ihre Ventilatoren bei 50°C ab, um Strom zu sparen.

Die Wut über die stark steigenden Strompreise fand zuerst in der Kaschmir-Region in Rawlakot, Mirpur, Kotli, Bagh und anderen Orten einen Ausdruck. Am Anfang standen Proteste und kleinere Streiks. Schließlich wurde ein massenhafter Zahlungsboykott der Stromrechnungen organisiert. Eine zentrale Rolle spielte dabei das „Awami Action Komitee“, das sich vor zwei Jahren gründete und damals für günstigere Lebensmittelpreise auf die Straße ging. Keine einzige politische Partei oder regionale Regierung unterstützte die jetzigen Proteste, die sich trotzdem schnell auf andere Landesteile ausweiteten.

Am 5. September war der Höhepunkt erreicht: Überall in Kaschmir und in weiten Teilen Pakistans (im Punjab und in Khyber Pakhtunkhwa) gab es große Demonstrationen; die Teilnehmer verbrannten öffentlich ihre Stromrechnungen und riefen Slogans wie „Wir wollen jetzt unsere Rechte“, aber auch weitergehende politische Slogans gegen die Stromproduzenten, die Regierung und den Internationalen Währungsfonds (IWF).

Pakistan findet keinen Weg aus der Krise. Das Land ist völlig abhängig von IWF-Krediten, die es nur unter härtesten Vorgaben bekommt: Privatisierung von Krankenhäusern, Schulen, Unis etc. Das Land ist am Rande des Staatsbankrotts. In die Bewegung wurden so nicht nur die Ärmsten der Armen, sondern auch die (ehemaligen) Mittelschichten gezogen. Kleine Ladenbesitzer, Rechtsanwälte usw. bildeten auch die Führung der Bewegung. Dies zeigt, wie schnell Regierung und Kapitalisten in der tiefen Krise ihre Basis in der Gesellschaft verbrauchen.

Die Regierung behauptete, die hohen Strompreise seien vor allem auf die Löhne der im Energiesektor beschäftigten Arbeiter zurückzuführen. Doch das ist eine glatte Lüge. Die Gewerkschaften der Elektrizitätsarbeiter solidarisierten sich deshalb auch mit der Bewegung. Dass die Arbeiterklasse sie nicht anführen konnte, war letztendlich auch der wichtigste Grund, warum sie relativ schnell wieder an Kraft verlor. Doch früher oder später steht das Land vor einer revolutionären Explosion – diese Bewegung ist ein erstes Anzeichen dafür.

Die pakistanische Sektion der IMT intervenierte in der Bewegung auch mit einem eigenen Programm: Ein Ende der Privatisierungen, für die Verstaatlichung der privaten Stromfirmen, ein Ende der Steuern auf Stromverbrauch für kleine Bauern- und Arbeiterhaushalte und kostenlosen Strom für sie – stattdessen sollen die Großgrundbesitzer, die Industrie, die Armee und die Politiker zur Kasse gebeten werden. Letztendlich kann nur ein Sturz des Kapitalismus die Barbarei beenden.

(Funke Nr. 217/26.9.2023)


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