Die sogenannten G7-Staaten (die westlichen Industrienationen) trafen sich kürzlich im kanadischen Quebec, um über den Welthandel zu diskutieren. Eine Analyse von Niklas Albin Svensson.
Donald Trump hatte im Vorfeld gedroht, nicht am Gipfel teilzunehmen. Vermutlich wünschten sich die restlichen TeilnehmerInnen im Nachhinein, er hätte diese Drohung wahr werden lassen. Denn er nutzte die Gelegenheit, seinen Verbündeten vorzuwerfen, sie würden die USA „ausrauben“. Vermutlich handelte es sich dabei um Trumps übliche Verhandlungstaktik, zuerst den harten Mann zu spielen und anschließend zu hoffen, einen besseren Deal aushandeln zu können. Doch wer raubt tatsächlich wen aus?
Geht man nach Trumps Logik, rauben die USA beispielsweise die Niederlande, Belgien und Australien aus, da die USA einen Handelsbilanzüberschuss gegenüber diesen Ländern haben. Ein Fluss von Gütern, Kapital und Dienstleitungen in die eine Richtung aber bedeutet einen Fluss von Geld in die andere, von dem die USA wiederum Güter und Dienstleistungen aus anderen Staaten kaufen.
Zudem legt Trump in für ihn typischer Manier nicht viel Wert auf Fakten, wenn er solche Statements von sich gibt. So bezieht sich das Handelsbilanzdefizit gegenüber Kanada, von dem er spricht, nur auf Güter, jedoch nicht auf Dienstleistungen. Insgesamt besteht ein Handelsbilanzüberschuss zugunsten der USA. Des Weiteren sind die Zölle der EU und Kanada gegenüber den USA im Durchschnitt gleich hoch wie in die andere Richtung, wenn man sich nicht auf die einzelnen Waren versteift.
Was sich hier deutlich zeigt ist, dass die USA nicht etwa von ihren Verbündeten ausgenutzt werden, sondern dass Trump versucht, die bisherigen Handelsbeziehungen zum Nachteil der anderen Staaten neu zu definieren. Das Ziel ist, Produktion und Beschäftigung in den USA auf Kosten ihrer Haupthandelspartner zu steigern. Anders ausgedrückt: Trump exportiert Arbeitslosigkeit und möchte die sozialen Probleme, die aus der seit 2008 anhaltenden Krise des Kapitalismus erwachsen, bei seinen Handelspartnern abladen.
Freihandelsimperialismus
Im Prinzip handelt es sich dabei um einen offeneren Ausdruck der Politik, die alle großen Wirtschaftsmächte in den letzten Jahren gemacht haben. Die EU hat die Zölle für einige Stahlprodukte aus China auf bis zu 73 Prozent erhöht, China selbst setzt als Reaktion darauf auf direkte Subventionen seiner eigenen Wirtschaft. Das Gleiche machen die westlichen Länder seit Jahrzehnten in ihrem Agrarsektor.
In Wirklichkeit war der Freihandel immer eingeschränkt. Aber die Entwicklung hin zu mehr Freihandel, die man in den letzten 70 Jahren feststellen konnte, schlägt momentan in die entgegengesetzte Richtung um. Die USA spielten in der gesamten zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Rolle des größten Befürworters des Freihandels. Sie erlebten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, der ein Ergebnis davon war, dass sie mit der fortschrittlichsten und effizientesten Industrie aus dem zweiten Weltkrieg herauskamen. Um ihre Warenmassen verkaufen zu können, mussten sie neue Märkte öffnen – daher waren sie der wichtigste Vertreter des Freihandels.
Gleichzeitig investierten die USA hohe Summen in ihr Militär zur Verteidigung der „freien westlichen Welt“ gegen die stalinistischen Staaten und antiimperialistischen Befreiungsbewegungen in den ehemaligen Kolonien. Diese teure imperialistische Politik erwies sich als große Bürde für die US-Wirtschaft, während zum Beispiel Deutschland und Japan mehr Geld in produktive Investitionen stecken konnten und so wirtschaftlich wettbewerbsfähiger wurden. So sind Trumps Forderungen nach mehr Militärausgaben dieser Länder nicht aus der Luft gegriffen. Merkel und andere erklärten sich auch bereit, dieser Forderung nachzukommen – nicht zuletzt aus Eigeninteresse. Sie sehen selbst, dass der US-Imperialismus vor allem im Nahen Osten nicht mehr in der Lage ist seinen Willen und die Interessen des Westens direkt durchzusetzen.
Während also auf militärischer Ebene Einigkeit herrscht, provoziert Trump die US-Verbündeten und China, indem er sie zwingt, für sie nachteilige Handelsverträge anzunehmen. Von Teilen der US-amerikanischen Kapitalistenklasse wächst der Druck auf Trump, diese Politik zu beenden, um die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen Ländern nicht zu gefährden. Im Kongress wird derzeit ein Antrag verhandelt, der den Präsidenten dazu zwingen würde, die Zustimmung des Kongresses einzuholen, bevor er Strafzölle beschließt. Die Financial Times schreibt in diesem Zusammenhang, dass „die Vernunft ins Weiße Haus zurückkehren sollte“. Trumps BefürworterInnen sind hingegen der Ansicht, dass seine Taktik Erfolg habe, da Staaten wie Argentinien und Brasilien sich bereits der US-Handelspolitik beugen und Trumps Handelsbedingungen annehmen mussten.
Eine turbulente Periode
Die seit 2008 andauernde Krise des Kapitalismus sorgte in den USA dafür, dass mit Trump ein gangsterhafter Vertreter der Interessen der Superreichen an die Macht kam. Er droht, die Welt in einen Handelskrieg zu stürzen, wenn er nicht bekommt, was er will. Dabei wird deutlich: In einem wachsenden Weltmarkt ist Platz für alle, doch in der Krise bedeutet der Gewinn der einen Volkswirtschaft den Verlust einer anderen.
Zudem hat Trump mit dieser protektionistischen Politik die Büchse der Pandora geöffnet: Die herrschende Klasse Europas misstraut der US-amerikanischen und umgekehrt, während Trump versucht, jeden Handelsdeal der letzten 70 Jahre neu auszuhandeln. Viele Industrielle und Bankbesitzer fürchten die Lähmung der Weltwirtschaft, wenn die EU und China seine Maßnahmen mit Gegenmaßnahmen beantworten. Für uns Lohnabhängige muss dabei klar sein, dass weder die ProtektionistInnen noch die BefürworterInnen des Freihandels unsere Interessen vertreten. Keine der beiden Fraktionen ist in der Lage, die Krise des Kapitalismus zu stoppen. Was wir erleben, ist der Anfang vom Ende der „alten Ordnung“. Auf gewisse Art und Weise ist Trump die logische Konsequenz dieses Prozesses. Er steht für die Unfähigkeit der Kapitalisten, ihr eigenes System zu kontrollieren und zu stabilisieren.
(Funke Nr.165/Juni 2018)