Redebeitrag von Alan Woods auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz der Jungen Welt in der Humboldt-Universität zu Berlin (11.1.2003)
"In der Geschichte gibt es Zeiträume, in denen eine fundamentale Veränderung der weltweiten Situation stattfindet. Im Moment leben wir in solch einer Periode.
Erst zehn Jahre sind vergangen, seit die Sowjetunion zusammengebrochen ist - zehn Jahre, die uns wie 100 vorkommen! Seit diesem erst kurz zurück liegenden Zeitpunkt hat es auf der Welt grundlegende Veränderungen gegeben.
Es ist besonders lehrreich, heute noch einmal die Analysen zu lesen, welche die kapitalistischen Strategen vor zehn Jahren geschrieben haben. Euphorisch sprachen sie vom Ende des Kommunismus, dem Ende des Sozialismus. Einer dieser hohen Herren, Francis Fukuyama, schrieb sogar vom Ende der Geschichte überhaupt!
Die Bourgeoisie hat uns damals eine wunderbare Zukunft des Friedens, des Reichtums und der Demokratie unter dem "System des freien Marktes" in Aussicht gestellt. Das Wort "Welt-Kapitalismus" sollte nicht länger benutzt werden sollte, klang es doch in den Ohren einiger Personen zu unhöflich und wenig wohl gesonnen.
Zu dieser Zeit sprachen die kapitalistischen Vertreter von einem "geteilten Frieden" und einer "neuen Weltordnung". Die Tinte unter dem neuen Strategiepapier war jedoch noch nicht trocken, als bereits der zweite Irakkrieg in vollen Zügen vorbereitet wurde. Es gibt aber einen Unterschied zwischen George Bush sen. Und seinem Sohn. Der Vater hatte zumindest ein Quäntchen an politischem Verstand (nicht zu viel natürlich...), sein Sohn allerdings hat nichts zwischen seinen beiden Ohren. Man könnte einen Sonnenstrahl, der in das eine Ohr leuchtet, am anderen wieder herauskommen sehen!
Heute, 10 Jahre später, befinden wir uns am Rande eines neuen Golf-Krieges, der schwerste Auswirkungen für die ganze Welt haben wird. Die "Neue Weltordnung" zeigt ihr wahres Gesicht einer "Neuen Weltunordnung". Die Globalisierung äußert sich in einer globalen Krise des Kapitalismus - dies ist nun die eigentliche Bilanz der Welt nach dem Zusammenbruch der UdSSR.
Wo immer wir auch hinsehen, zeigt sich die Instabilität und Unsicherheit: ökonomisch, politisch, sozial und militärisch. Die Instabilität ist das charakteristischste Merkmal der weltweiten Situation in der heutigen Zeit.
Eine Krise folgt der anderen auf den Fersen: Bosnien, Kosovo, Palästina, Afghanistan, Irak, Nordkorea. Anstelle der versprochenen Friedensdividende werden die allgemeinen Entwicklungen in Richtung Militarisierung, sowie gesteigerten Waffenausgaben stärker. Allein die Militärausgaben des US-Imperialismus stellen im Vergleich zu Hitlers Wiederbewaffnungs-Programmen diese in den Schatten. Statt eines Mehr an Sicherheit und Frieden, ist die weltweite Situation heute unsicherer und gefährlicher denn je.
Die Macht des US-Imperialismus
Die heutige globale Situation ist in der Geschichte ohne vergleichbare Vorläufer. Niemals vorher war die absolute Macht derart in der Hand eines einzigen Staates konzentriert. Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen die USA und die UdSSR noch in etwa gleich auf. Vor circa 50 Jahren existierte so etwas wie ein relatives Gleichgewicht im weltweiten Maßstab. Dies ist der Grund, weshalb große Kriege weitgehend verhindert wurden, obwohl "kleine Kriege", wie der Korea-Krieg und der Vietnam-Krieg, weiterhin stattfanden.
Zu diesem Zeitpunkt stand ein militärischer Einmarsch auf dem Balkan oder im Irak nicht zur Debatte, da dies die Amerikaner sofort in einen ernsten Konflikt mit den Russen verwickelt hätte. Das hat sich heute jedoch geändert.
Die heutige Vorherrschaft des US-Imperialismus ist in der Geschichte unvergleichlich. Nicht einmal auf dem Höhepunkt des römischen Reiches hat dieses eine solche Übermacht genossen. In den letzten 300 Jahren hat es keine alleinige Supermacht gegeben. Mindestens drei oder vier Großmächte stritten in dieser Zeit fortwährend um die Vorherrschaft - darunter Großbritannien, Deutschland und Spanien.
Absolute Macht bringt absolute Arroganz mit sich. So glauben Bush und die herrschende Klasse in Washington heute, dass sie sich überall und ohne Einschränkungen einmischen können. Ihre Politik zeigt die Rückkehr zur alten Kanonenboot-Politik, die der britische Imperialismus in der Vergangenheit verfolgt hat.
Die USA, die nur vier Prozent der Weltbevölkerung haben, besitzen mehr als ein Viertel des weltweiten Reichtums. Auf ihre Rechnung gehen 37 Prozent der weltweiten Militärausgaben und 40 Prozent der weltweiten Waffenproduktion, welche die modernsten und technisch fortschrittlichsten Massenvernichtungswaffen einschließt.
Kein anderer Staat kommt auch nur ansatzweise an diese Militärmacht heran. So betragen die Ausgaben Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs in militärischen Bereich jeweils nur fünf Prozent (15 Prozent zusammen!). Russlands Ausgaben belaufen sich auf lediglich 6 Prozent. Das erklärt natürlich, weshalb sich Putin gegenüber Bush derart unterwürfig verhält.
Der 11. September 2001
Der 11. September gab Bush und den reaktionärsten Kreisen in Washington die perfekte Entschuldigung, ein riesiges Aufrüstungsprogramm einzuleiten, obwohl dieses Programm schon längst beschlossene Sache war. Das Programm bedeutet den höchsten Anstieg der amerikanischen Rüstungsausgaben innerhalb der letzten 20 Jahre.
Der Pentagon erhält aus dem Programm 250 Milliarden US-Dollars, um insgesamt 2.800 neue Kampfflugzeuge zu bauen. Nimmt man alle Budgets des Pentagons über die nächsten fünf Jahre zusammen, dann stehen diesem rund 1.6 Billionen Dollar zur Verfügung. Das sind mächtige Summen, die, wenn sie für produktive Zwecke eingesetzt würden, das Leben der Menschen nicht allein in den USA, sondern auf der ganzen Welt verändern könnten. Das Motto des Imperialismus ist jedoch "Kanonen statt Butter".
In diesem Zusammenhang ist es ziemlich amüsant, die heuchlerischen Bekundungen Bushs gegen den Irak in Bezug auf dessen angeblichen Besitz von Massenvernichtungswaffen zu hören. Tatsache ist, dass die USA zurzeit das weitaus größte Waffenarsenal der Welt besitzen. Dieses schließt 22.827 nukleare Sprengköpfe, sowie unbekannte Bestände chemischer und bakteriologischer Waffen mit ein!
1990 hatten die USA eine Entschuldigung für den Krieg gegen den Irak - die Invasion Kuwaits. Jetzt aber gibt es für die USA keine wirkliche Entschuldigung. US-Politiker und Industriekapitäne behaupten, dass der Irak eine Bedrohung seiner Sicherheit darstellt - ein Sicherheitsrisiko für die USA! Der arme, geschlagene, hungrige Irak - eine Bedrohung für die USA! Das ist ja wohl ein Witz.
Die eigentliche Bedeutung der derzeitigen Interventionen der USA ist hauptsächlich die, dass die USA überall dort beanspruchen militärisch einzugreifen, wo sie das gerne möchten. Sie mischen sich in innere Angelegenheiten ein und stürzen jede Regierung, die ihnen nicht gefällt. Damit wollen sie natürlich ausdrücken: "Richte Dich nach unseren Regeln, oder wir antworten mit Bomben!"
Auf diesem Wege hat die USA das ganze System der weltweiten Beziehungen und der Diplomatie zerstört, welches mit dem Westfälischen Frieden im 17. Jahrhundert geschaffen worden war.
Einfältige Leute werden dieses Verhalten der USA missbilligen, da sie es für ungesetzlich und unmoralisch halten. Dazu hat bereits Solon von Athen gesagt: "Das Gesetz ist wie ein Spinnennetz: Die Kleinen bleiben darin hängen und die Großen reißen es einfach entzwei."
Es ist nutzlos, die Lektionen der Imperialisten zur Frage von Moral und Gesetz zu lesen. Das ist, als würde man einen menschenfressenden Tiger lehren, Salat anstelle von Gras zu fressen. Ich muss allerdings hinzufügen, dass ich ein paar sehr gute Freunde habe, die VegetarierInnen sind - dafür haben Sie meine Hochachtung! Wenn man jedoch einem Tiger beibringen will, Salatblätter zu essen, wird man leider weniger erfolgreich sein und viel eher im Bauch des Tigers enden.
Ein Riese auf tönernen Füßen
Trotz seiner enormen Macht ist der US-Imperialismus in Wahrheit ein Koloss auf tönernen Füßen. Fast täglich brechen irgendwo Bus(c)hfeuer aus. Und sie können nicht damit umgehen!
Die Grenzen der imperialistischen Macht können wir in Afghanistan sehen, wo trotz des Sturz der Taliban und der Invasion des Landes dessen Probleme noch immer nicht gelöst sind. Bis heute haben die Amerikaner dort kein einziges ihrer aufgestellten Ziele erreicht. Sie haben weder Bin Laden noch Mullah Omar getötet oder festgenommen. Sie haben die Al Quaida-Gruppe noch nicht zerstört, die weiterhin an neuen terroristischen Attentaten beteiligt ist (siehe Bali, Mombassa...). Das Risiko des Terrorismus ist nicht kleiner, sondern größer geworden als früher.
Bezogen auf Afghanistan ist die Situation sogar schlimmer als zuvor. Das schwache Marionettenregime, das sich vollkommen auf die US-Armee stützt, würde keine 24 Stunden ohne deren Unterstützung überleben. Die Amerikaner kontrollieren nicht den Rest des Landes, der sich in einem unbeschreiblichen Zustand befindet. Die Amerikaner können sich unmöglich aus Afghanistan zurückziehen ohne einen unverzüglichen Zusammenbruch zu provozieren.
Die USA haben die Situation in der Region komplett destabilisiert anstelle sie zu stabilisieren. Das Chaos ist nun von Afghanistan auf Pakistan übergegangen und hat seinerseits die Spannungen zwischen Indien und Pakistan verschlimmert - zweier Nuklearmächte!
Erst vor weniger als einem Jahr hat Bush in seiner Rede zur Lage der Nation versprochen, die nukleare Aufrüstung zur Priorität zu machen. Er sprach von einer "Achse des Bösen" und nannte dabei den Irak, Iran und Nord-Korea. "Die USA", so Bush, "wird den am meisten bedrohlichen Regimen nicht erlauben, uns mit den weltweiten zerstörerischsten Waffen zu bedrohen."
Tatsächlich aber ist das gefährlichste Regime auf der ganzen Welt die USA des George Bush selbst, das wie von der Hölle getrieben Kriege auf der ganzen Welt anzettelt. Die UN Waffen-Inspekteure, die in den Irak geschickt worden sind, um einen Vorwand für den Krieg zu finden, haben nichts gefunden. Aber das tut nichts zur Sache. Die Amerikaner und ihre britischen Marionetten schicken bereits große Truppenverbände in den Golf. Der Impuls, den Krieg zu beginnen, ist nun unwiderstehlich geworden.
Ein Krieg in Irak wird ernste Auswirkungen in Europa haben. Europa ist bezogen auf den Krieg nicht zu Rat gezogen worden. Jetzt aber wird es immer tiefer mit hineingezogen.
Europa und Amerika
Die alles zerdrückende Dominanz des US-Imperialismus verursacht in der Europäischen Union starkes Unbehagen. Mit dem Krieg im Kosovo, wurde dies den Herrschenden in Europa schmerzhaft vor Augen geführt, als die Amerikaner ihre technisch hoch entwickelten Waffen demonstrativ einsetzten. Sie übernahmen die Leitung der gesamten Operation und machten die Europäern zu bloßen Zuschauern in ihrem eigenen Haus.
Natürlich brachte die Entwicklung nicht bei allen Europäern Unmut hervor. Wir haben einmal den großen Löwen des US-Imperialismus und den hungrigen Wolf des französischen Imperialismus. Darüber hinaus gibt es den lausigen Hund des britischen Imperialismus. Wie jeder weiß, können kleine Hunde besonders lauten Lärm machen, der aber bei niemandem wirklich Angst auslöst.
Vor langer Zeit schon hat Großbritannien seine industrielle und militärische Supermacht verloren und wurde mehr oder weniger auf die Position eines Satelliten des US-Imperialismus reduziert. Daraus erklärt sich seine zwiegespaltene Position zwischen Europa und Amerika.
Die anderen Europäer waren geschockt; darunter besonders Frankreich, das von je her den Ehrgeiz hatte, eine herausragende Rolle auf der Welt zu spielen und darüber hinaus Europa zu dominieren. Sie wollen Europa als Gegengewicht zur Macht der USA aufbauen.
Der Prozess der europäischen Integration ist schon jetzt sehr weit gediehen - weiter als wir jemals angenommen hatten. Die Einführung des Euro war zweifellos ein wichtiger Schritt in die Richtung wirtschaftlicher Integration, obwohl einige, wie z.B. Großbritannien, außerhalb des Paktes bleiben. Darüber hinaus wird über eine Verfassung geredet und nicht zuletzt über die Vorbereitungen zu einer europäischen Verteidigungsarmee.
In Wirklichkeit bedeuten all diese Anstrengungen jedoch, dass die alten Nationalstaaten in Europa ihre Nützlichkeit überlebt haben. Sie sind zu klein, um ein maßgebliches Potenzial an Produktivkräften zu besitzen und mit der Macht des US-Imperialismus konkurrieren zu können. Aus diesem Grund müssen sie sich irgendwie zusammenschließen, um zu überleben.
Doch trotz der Wandlung in Richtung Einheit bleiben die alten Widersprüche bestehen und die lange währenden nationalen Antagonismen sind nicht überwunden worden. Es ist wichtig, dies im Kopf zu behalten.
In der Theorie sind alle europäischen Staaten jetzt Freunde und Partner. Die Wahrheit ist jedoch eine andere. Es existieren scharfe Widersprüche zwischen Frankreich, Deutschland und Großbritannien, sowie all den anderen Staaten. Was sie bisher zusammen gehalten hat, ist ihre gemeinsame Angst vor den USA.
Theoretisch sind Europa und die USA Alliierte - eine große, glückliche Familie von demokratischen Nationen, vereint in ihrem gemeinsamen Ziel, die "westliche Zivilisation" zu verteidigen. In der Praxis wächst der Antagonismus zwischen Europa und den USA von Tag zu Tag. Der weltweite Kampf um die sich verringernden Märkte hat zu einem starken Anstieg protektionistischer Tendenzen geführt, was wir am Handeln der Bush-Administration in Bezug auf die Stahl-, Textil- und die agrarwirtschaftliche Einfuhr in die USA gesehen haben.
Die Seattle-Gespräche sind zusammengebrochen, nicht wegen der Demonstrationen, sondern wegen dem schwerwiegenden Interessenskonflikt zwischen Europa und den USA. Seitdem haben sich die Konflikte nicht verringert, sondern sind stetig mehr geworden. Die Bewegung hin zu größerer ökonomischer und sogar politischer Einheit in Europa ist eine Anerkennung dieser Tatsache. Auf der Basis des Kapitalismus jedoch, ist diese Entwicklung notwendigerweise begrenzt und bringt neue Widersprüche hervor.
Großbritannien, Frankreich und Deutschland
Was ist das Kalkül hinter der Forderung nach einer Europäischen Armee? Die europäische Bourgeoisie muss eine eigene militärische Eingreiftruppe aufbauen, weil sie den Amerikanern nicht vertraut, ihre eigenen europäischen Interessen zu verteidigen. Mit dieser Einschätzung liegen sie ziemlich richtig! Doch es gibt viele Widersprüche zwischen den herrschenden Klassen der maßgeblichen europäischen Mächte. Das bedeutet, dass eine gemeinsame Außen- und Militärpolitik unmöglich verwirklicht werden kann.
Wenn wir versuchen, die verschiedenen Tendenzen zu analysieren, die mit der Entwicklung zusammenhängen, müssen wir genau unterscheiden zwischen der öffentlichen Propaganda über das so genannte europäische Ideal und den Interessen und zynischen Manövern der verschiedenen nationalen, kapitalistischen Klassen. Diese streben permanent danach, Vorteile auf Kosten der anderen zu erringen.
Hierbei müssen wir uns vergegenwärtigen, dass die Europäische Union ein Ergebnis aus den Versuchen Frankreichs ist, mit Deutschland eine gemeinsame Herrschaft über ganz Europa zu erreichen. Vor dem Hintergrund zweier Weltkriege hatte sich Frankreich erhofft, Deutschland in ein Bündnis einzubinden, in dem Frankreich die Führung übernähme.
Allerdings haben sich die Dinge anders entwickelt. Deutschland erholte sich sehr schnell vom Krieg und baute eine starke industrielle Basis auf. Infolgedessen hat Deutschland bereits vor langer Zeit seine Position als größte wirtschaftliche Macht in Europa ausgebaut und Frankreich auf den zweiten Platz verwiesen.
Die französische Bourgeoisie hat diese Position nur zögerlich akzeptiert und strebte weiterhin nach politischer und militärischer Dominanz. Das kann jedoch nicht auf ewig so weitergehen. Früher oder später wird sich Deutschlands ökonomische Macht auch in militärischen oder politischen Bedingungen ausdrücken.
Die Wiedervereinigung Deutschlands war dabei zweifellos ein Umschlagpunkt. Sie bedeutete den Zusammenschluss einer mächtigen Nation mit über 80 Millionen Einwohnern und einer vorzüglichen Industrie im Herzen Europas. Franzosen und Briten klatschten höflich Beifall, waren aber im Grunde ihrer Herzen zutiefst besorgt über die Entwicklung.
Die deutsche Bourgeoisie als die mächtigste in ganz Europa hat ihren eigenen Ehrgeiz. Wir konnten das beim Auseinanderbrechen Jugoslawiens und der Tschechoslowakei beobachten; in beiden Fällen hat Deutschland das Auflösen der Staaten gefördert, was bis heute zu einem großen Einfluss Deutschlands in Osteuropa geführt hat.
Deutschland besitzt eine starke Armee, doch es ist ihm verfassungsrechtlich verboten, Kriege im Ausland zu führen. Eine Änderung wird unvermeidbar sein. Aus diesem Grund haben wir eine Reihe von Versuchen Großbritanniens und Frankreich gesehen, die darauf abzielten, sich gegen Deutschland zu verbünden.
Im Kosovo-Krieg z.B., war Deutschland von allen wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen, was zu heftigen Reibungen zwischen Frankreich und Großbritannien führte.
Die Grenzen der Vereinigung
Die unausgesprochene Kern-Frage zum europäischen Einigungsprozess ist: "Wer wird Europa beherrschen?" Natürlich stellt in der Öffentlichkeit niemand eine solche Frage. Wir Europäer sollen ja alle Teil einer großen, glücklichen Familie sein. Der Beweis dafür ist der Euro und die Tatsache, dass bereits an der Erstellung einer Europäischen Verfassung gearbeitet wurde, die den Weg für den europäischen Bundesstaat der Zukunft ebnen soll.
Eine Verfassung aber, wie schon der alte Solon wusste, ist nur ein Stück Papier. Auch wenn sie niedergeschrieben ist, löst sie in ihrem Innersten kein einziges Problem. Wenn wir erst zu den konkreten Fragen übergehen, dann werden sich die Brüche und Konflikte offen zeigen. Bei Themen, wie z.B. Besteuerung, Außenpolitik, Subventionen und Agrarpolitik, wird sofort klar werden, dass tief greifende Antagonismen die Staaten Europas weiterhin voneinander trennen werden.
Amerika genießt absolute Übermacht, sowohl militärisch als auch ökonomisch. Dieser wirtschaftliche Riese wies in den letzten Jahren eine durchschnittliche Wachstumsrate von 3 Prozent auf, was eine Zunahme der Kluft zwischen Amerika und Europa bedeutet. Die Reaktion der Europäer auf diese Entwicklung war der Versuch, die USA nachzuahmen, indem "Amerikanische Methoden" zuerst in Großbritannien und dann in ganz Europa eingeführt wurden.
Der Lissabonner Gipfel 2002 billigte eine Resolution, in der eine "wettbewerbsfähigere und stärker auf Wissen basierende Wirtschaft in der Welt von 2010" gefordert wurde. In der Praxis bedeutet das mehr Privatisierungsmaßnahmen, De-Industrialisierung, Kürzungen bei den Sozialausgaben, mehr Teilzeitarbeit und eine Steigerung all der anderen mit "Liberalisierung" assoziierten Maßnahmen. Liberalisierung ist das Gesetz des Dschungels.
Überall in Europa gab es eine Welle von Angriffen auf Löhne, Lebensstandard, Arbeitsplätze, Gesundheitssysteme und Renten, die jetzt eine Gegenoffensive von ArbeiterInnen in Spanien, Griechenland, Italien, Portugal, Frankreich, Deutschland und Großbritannien nach sich zieht.
Die Verabschiedung des Maastrichter Vertrags war in Wirklichkeit ein Versuch, eine Politik der anhaltenden Sparpolitik und Kürzungen unter dem Banner der "ökonomischen Integration" auszuführen. Unter den Bedingungen einer weltweiten wirtschaftlichen Krise wird sich der Kampf um Märkte sogar noch verstärken und zu einem noch grausameren Kampf zwischen den Klassen um die Aufteilung des Mehrwertes führen.
So wie sich die ökonomische Krise verschärft, verstärken sich auch die Antagonismen: Das heikle Gleichgewicht zwischen kleinen und großen Staaten, Frankreichs landwirtschaftliche Interessen, Großbritanniens Verbindung mit den USA, Italiens Haushaltsdefizit, Deutschlands Interesse in Osteuropa - all dies wird auf die Probe gestellt.
Deutschland z.B. ist die stärkste der europäischen Ökonomien und war bis vor kurzem Triebkraft der europäischen Wirtschaft. Jetzt ringt Deutschland mit einer tiefen Wirtschaftskrise. Aus der Sicht von deutschen Arbeitgebern ist die Antwort darauf einfach: Mehr Kürzungen, niedrigere Löhne, Gehälter und Renten. Mit anderen Worten: Die Antwort ist, die Last der Krise auf die Schultern der Arbeiterklasse abzuwälzen. Ohne Kampf werden das die ArbeitnehmerInnen nicht akzeptieren. Daher wird Deutschland in einen Konflikt mit den anderen europäischen Kapitalisten eintreten. Dasselbe wird für alle anderen gelten.
Im Prinzip sind alle für ein stärkeres Europa. Die Frage ist nur: Wer wird die Zeche dafür zahlen?
Europäische Verteidigungsstreitkräfte?
Letzten Endes ist jedoch die Idee, dass Europa mit den USA in einen Wettkampf auf kapitalistischer Basis eintreten könne, absurd. Die Antwort wurde schon früher von Henry Kissinger gegeben, als er sagte: "Wenn ich mit Europa sprechen will, wen rufe ich an?"
Diese Tatsache wurde durch die unilaterale Entscheidung der USA, den Irak anzugreifen, noch einmal verdeutlicht. Bei diesem Thema zeigt sich wieder einmal, dass es keine gemeinsame Politik in Europa gibt. Großbritannien unterstützt wie immer die USA. Frankreich ist dagegen, wird jedoch seine Einstellung ändern, wenn es mit vollendeten Tatsachen konfrontiert wird. Deutschland ist dagegen, allerdings werden wir sehen, wie es sich verhält, wenn es isoliert ist. Man kann sich schon lebhaft vorstellen, wie Schröders Rede im Fernsehen klingen wird: "Niemand war stärker gegen den Krieg als ich, aber jetzt habe ich die Beweise gesehen..."
In Wahrheit haben die USA Europa gezwungen, ihr Diktat genauso wie in der Kosovo-Frage zu akzeptieren, ohne auf ihre europäischen "Verbündeten" zu achten. Selbstverständlich ist es nicht schwierig, Blairs Zustimmung zu allem zu bekommen, denn eine Bauchrednerpuppe widerspricht nur sehr selten.
Frankreich, das seine eigenen Interessen im Nahen Osten verfolgen will, ist ein sehr zögerlicher Partner. Zugestimmt haben die Franzosen jedoch, da ihnen Bush bei einer Ablehnung gedroht hat, hinterher nichts von der Beute abzubekommen.
In Deutschland haben die Menschen hingegen genug vom Krieg und wollen nicht in einen neuen Krieg hineingezogen werden. Auf der anderen Seite aber streben die deutschen Kapitalisten danach, eine Rolle in der "neuen Weltordnung" zu spielen, so dass sie sich gezwungen fühlen, "ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen", wie die Amerikaner es ausdrücken.
Für Washington ist es von Vorteil, wenn die Europäer mehr "peacekeeper" nach Mazedonien und Bosnien schicken, um Amerikaner von dieser Aufgabe zu befreien, die dort gebunden sind und nun dringend im Irak gebraucht werden. Und dies alles trotz der Tatsache, dass im ehemaligen Jugoslawien bisher keine dauerhafte Lösung gefunden worden ist und der Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien in Mazedonien äußerst instabil ist und jederzeit zusammenbrechen könnte.
Da die europäischen Kapitalisten sowieso gezwungen sein werden, an militärischen Abenteuern im Ausland teilzunehmen, wäre es da nicht besser, das unter eigener Fahne zu tun, anstelle ständig von Washington erpresst und aufgezogen zu werden? Das ist die Logik hinter der Idee einer europäischen Eingreiftruppe.
Wer kontrolliert?
Die entscheidende Frage im Zusammenhang mit einer europäischen Eingreiftruppe wird nie gestellt. Zuerst einmal, für welchen Zweck wird diese eingesetzt werden? Zweitens, wer wird sie kontrollieren? Diese Fragen müssen gestellt werden.
Einige Personen haben von einem "linken" Standpunkt aus versucht, zu argumentieren, dass eine europäische Verteidigungsarmee fortschrittlich sei, da die Europäer "zivilisierter" seien als die amerikanischen Imperialisten und ihre militärischen Kräfte zur Aufrechterhaltung von Frieden und Demokratie nutzen würden, oder zumindest ihr Wort halten würden.
Der alte Clausewitz war ein tief schürfender Denker, der von Lenin sehr bewundert wurde. Er hat dargestellt, dass Krieg allein die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Die Bourgeoisie wird nur deshalb Krieg führen, um ihre eigenen egoistischen Interessen in jedem Land weiter zu fördern, seien diese Länder Amerika, Deutschland oder irgendein anderes Land.
Es ist ziemlich seltsam, zu behaupten, dass "wir Europäer" zivilisierter seien als die Amerikaner. Solch ein Argument blendet das Verhalten der britischen, französischen, deutschen, holländischen oder belgischen Imperialisten in der Vergangenheit aus. Die Geschichte zeigt viel von unserem angeblichen "zivilisierten" Verhalten. Der einzige Unterschied heute ist, dass die europäischen Imperialisten zu schwach sind, ihre Zähne so zu zeigen, wie sie das in der Vergangenheit getan haben.
Aus diesem Grund ist ein Leitmotiv für die Gründung der EU die gemeinsame Ausbeutung der ehemaligen Kolonien in Afrika, dem Nahen Osten und der Karibik. Eine europäische Armee würde zweifellos zur Aufrechterhaltung der europäischen Herrschaft eingesetzt werden, und ganz und gar nicht für friedenserhaltende Zwecke. Es würde eine mickrige Kopie der Politik sein, die Amerika verfolgt, jedoch mit dem Ziel, europäische Interessen anstelle amerikanischer zu verteidigen. Das ist alles.
Die Armee ist jedoch immer noch ein Projekt, das in der Embryo-Phase steckt. Es soll 60"000 Mann umfassen, die zu 15 Prozent jeweils von Großbritannien und Deutschland bezahlt werden, und zu einem geringfügig größeren Anteil von Frankreich. Ihre Rolle soll sich auf "Friedenserhaltung, Krisenmanagement und humanitäre Einsätze" beschränken. Selbstverständlich. Heutzutage wird ja von allen Armeen angenommen, sie führten nur solche Handlungen aus; genau wie es George Orwell in "1984" beschrieben hat, wo der Kriegsminister Friedensminister genannt wurde. Aber wie bereits der Krieg im Kosovo gezeigt hat, können "humanitäre, friedenserhaltende" Maßnahmen sehr wirkungsvolle Mittel des Bombardierens und des Besetzens von Gebieten sein.
An diesem Punkt gelangen wir zu einem weiteren Widerspruch. Die Idee der "europäischen Interessen" ist selbst eine Abstraktion. Die Interessen der deutschen, britischen und französischen Kapitalisten stimmen nicht notwendigerweise überein. Wir können das bereits daran erkennen, dass Frankreich trotz seiner langjährigen kolonialen Verwicklungen in Westafrika nicht einen Finger gerührt hat, um den Briten oder der UNO bei der "peacekeeping"-Mission in Freetown zu helfen.
Da eine einheitliche Armee nicht geplant ist, sondern jedes Land nach Truppen gefragt werden wird, wenn diese gebraucht werden, wird das in der Zukunft Konflikte im großen Ausmaß verursachen. In der Tat haben sie dem schon taktisch Rechnung getragen, als sie argumentierten, dass kein Land verpflichtet sein würde, Soldaten zu einer Mission beizusteuern, deren Ziele es nicht vertrete! Das lässt für die Zukunft der Streitkräfte, als einer effizienten Kampforganisation, nichts Gutes erwarten.
Der Wandel im Gleichgewicht der Kräfte
Vor langer Zeit hat Trotzki darauf hingewiesen, dass sich das Zentrum der Weltgeschichte vom Mittelmeer in Richtung Atlantik verschoben hatte und es sich weiter hin zum Pazifik verlagern würde. Heute hat sich diese brillante Vorhersage vollständig bewahrheitet. Der pazifische Raum wird zweifelsohne für die nächsten Jahrzehnte der wichtigste auf der ganzen Welt sein, wobei Europa auf den zweiten oder sogar dritten Platz zurückfällt.
Ein immer größer werdender Teil der herrschenden Klasse in den USA, der ebenfalls von dieser Tatsache ausgeht, möchte darum die militärische Präsenz der USA in Europa verringern und sich auf Asien und den Nahen Osten konzentrieren. Sie beschweren sich über die Europäer, die nicht ihren Anteil tragen; d.h. sie wollen die Europäer veranlassen, einen größeren finanziellen Beitrag zur Nato zu leisten. Andererseits fangen die Amerikaner jedes Mal dann an zu klagen, wenn die Europäer die Frage nach einer größeren europäischen Unabhängigkeit stellen, und bezeichnen das als "Europäische Undankbarkeit".
Trotz der Tatsache, dass Europa nicht länger den zentralen Platz bei den globalen Interessen Amerikas einnimmt, hat es immer noch eine große strategische Bedeutung und wird sie für einige Zeit auch noch behalten. Die Amerikaner wollen damit fortfahren, Europa zu dominieren und Europa wird unruhig. Allein Großbritannien verbleibt als zuverlässiger Partner und Halb-Satellit, doch sogar diese Verbindung wird in der nächsten Zeit stark angespannt werden, da die Opposition gegen einen Irak-Krieg und den "dienerhaften" Pro-Amerikanismus Blairs und Co. wächst.
Obwohl die europäischen Kapitalisten Bush öffentlich zu seinem "Krieg gegen den Terror" applaudieren, erkennen sie, dass der US-Imperialismus eine mögliche Gefahr für sie selbst darstellt. Sie nahmen Washington die arrogante und bestimmende Art übel, die es bei der Entscheidung über den Krieg an den Tag gelegt hat und die Europäer dorthin mit sich zieht, wohin immer es will.
Die Schwindel erregenden amerikanischen Waffenprogramme dienen dazu, eine noch größere Allmacht über den Rest der Welt zu erreichen. Gegen wen bewaffnen sich die USA und für welchen Zweck? Diese Fragen stellt man sich in London und Paris.
Die Initiative für eine europäische Verteidigungsarmee ist ein Ausdruck der wachsenden Spannungen und Rivalitäten zwischen Europa und Amerika, die beim Kosovo-Krieg auf ihrem Höhepunkt waren. Dieses führt aber logischerweise zu den nächsten Widersprüchen. Wenn die europäischen Verteidigungskräfte erst einmal geschaffen sind, welche Rolle bleibt dann für die NATO noch übrig?
Die Amerikaner befürchten einen Kontrollverlust und bestehen darauf, dass die europäischen Kräfte nur in solchen Situationen zum Einsatz kommen, wo die Nato (d.h. die USA) nicht eingreifen wollen. Die USA ist außerdem über die unumgängliche Verdopplung der Planung, der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten und der Beschaffung besorgt. Aber die Europäer sind entschlossen, ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Lord Robertson hat Tony Blair bereits davor gewarnt, dass die neuen Verteidigungskräfte eine transatlantische Krise entfachen könnten.
Die Franzosen, die ihren alten Interessen nachgehen, wollen den amerikanischen Einfluss in Europa verringern. Großbritannien, und zu einem gewissen Grad auch Deutschland, haben sich dem in der Vergangenheit widersetzt. Dies kann sich aber nun ändern. Sobald die neuen Streitkräfte sich formiert haben, wird dies unweigerlich zu einer Krise führen und ab einem bestimmten Punkt sogar zu einer Spaltung der NATO. Das ist ein Ausdruck der zunehmenden Spannungen zwischen Europa und den USA.
Für eine internationalistische Politik!
Sollten wir diese ganze Entwicklung begrüßen? Es gibt nichts Fortschrittliches, weder an der NATO noch an möglichen Europäischen Streitkräften. Vom Standpunkt der europäischen Arbeiterklasse kann der Versuch der europäischen Bourgeoisie, ihre Armeen auf gleichen Rang mit den amerikanischen zu bringen, nur eines bedeuten: neue und tiefe Einschnitte in den Lebensstandard. Diese Politik würde vernichtend kostspielig sein und könnte im Zusammenhang mit der weltweiten Wirtschaftskrise allein weitere Angriffe auf die Sozialausgaben bedeuten.
Das erste Problem ist das der europäischen Streitkräfte. Sollen sie effizient sein, dann müssen sie richtig bewaffnet und ausgestattet werden, zumindest in dem Maß der letzten amerikanischen Standards. Wer wird dafür bezahlen? Der Arbeiterklasse erklärt man, es sei kein Geld für Schulen, Krankenhäuser und Renten da, aber für Bombern, Panzer, Satelliten und Kriegsflugzeuge wird reichlich ausgegeben. Dass das eine das andere ausschließt, ist offensichtlich.
Die Arbeiterklasse muss sich überflüssigen Waffenprogrammen widersetzen und dem ein Programm sinnvoller öffentlicher Aufgaben gegenüberstellen: Keine weiteren Gewehre und Panzer, aber Krankenhäuser, Häuser, Schulen und Krankenpflegeschulen werden gebraucht.
Unsere Politik muss die Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs sein, die der großen Kämpfer und Märtyrer der deutschen und internationalen Arbeiterklasse, d.h. eine Klassenpolitik, eine antimilitaristische und antiimperialistische Politik. Diese Politik kann aber nur gewinnen, wenn sie mit einer antikapitalistischen Politik und dem Ziel des nationalen und internationalen Sozialismus verbunden wird.
Der Sozialismus ist international oder er ist nichts. Sozialistischer Internationalismus ist kein utopischer Traum, sondern ergibt sich unweigerlich aus der Entwicklung des Kapitalismus selbst. Das wurde bereits im Kommunistischen Manifest erklärt. Die Entstehung der EU war, wie ich das bereits gesagt habe, eine stillschweigendes Geständnis der Bourgeoisie, dass sich die alten Nationalstaaten überlebt haben und zu reaktionären Barrieren für die freie Entfaltung der Produktivkräfte werden.
Wie Luxemburg und Liebknecht stehen wir standhaft für die Politik des proletarischen Internationalismus ein. Wir sind für die europäische Vereinigung, erkennen jedoch, dass ein Europa auf der Grundlage des Kapitalismus, wie Lenin es erklärt hat, nur eine reaktionäre Utopie sein kann. Wir sind gegen ein Europa der großen Banken und Monopole, das eine Zukunft der Arbeitslosigkeit, Sozialkürzungen und Elend für Millionen bedeutet.
Die Alternative zu diesem Europa der Banken und Monopole sind die "Sozialistischen Vereinten Staaten von Europa". Auf der Grundlage eines gemeinsamen Produktionsplanes und der Verstaatlichung von Banken und Monopolen unter demokratischer Arbeiterkontrolle und -verwaltung wird eine wirkliche europaweite Zusammenführung der Produktivkräfte möglich, die wiederum noch größere Produktivkräfte hervorbringt.
Heute beträgt die Bevölkerung der EU 370 Millionen, verglichen mit 270 Millionen in den USA. Das gemeinsame BIP der EU beläuft sich jedoch auf 7.9 Billionen Dollars im Gegensatz zu 10.1 Billionen Dollar in den USA. Mit der geplanten Erweiterung der Europäischen Union würde die Bevölkerung 460 Millionen betragen und bis an die Grenzen Russlands reichen. Die zusammengefasste Produktivität Europas würde die der USA - möglicherweise - um einen großen Teil überragen.
Aber das gigantische Potenzial an Produktivkräften wird in Europa von den engen Grenzen des kapitalistischen Systems zurückgehalten. Allein in Deutschland lasten die über 4 Millionen Arbeitslosen auf der Wirtschaft. Eine sozialistische Planwirtschaft würde diese schreiende Verschwendung beheben und eine Grundlage schaffen für eine rasche Entwicklung der Produktivkräfte und ein unvergleichliches Anwachsen des Lebensstandards. Anstatt über Kürzungen von Renten und Löhnen zu diskutieren, wären wir fähig, ein Programm sozialer Reformen einzuführen, das alle in der Vergangenheit gemachten Errungenschaften in den Schatten stellen würde.
Auf der Basis einer demokratisch verwalteten Planwirtschaft würde Arbeitslosigkeit der Vergangenheit angehören. Der Arbeitstag könnte sofort auf 30 Stunden pro Woche ohne Lohnverzicht reduziert werden. Es würde der Grundstein für das Erblühen von Kunst, Wissenschaft und Kultur gelegt werden, das sich auf dem gesamten reichhaltigen kulturellen Erbe der europäischen Völker begründet. Die Demokratie würde nicht länger auf bestimmte Bereiche beschränkt sein, sondern würde sich in der demokratischen Verwaltung der Gesellschaft der gesamten Bevölkerung äußern.
Erscheint das so schwierig? Aber ist es nicht viel schwieriger die derzeitige Situation der Arbeitslosigkeit, Kürzungen, Kriege, massenhaftem Hungertod und all der anderen Grausamkeiten zu akzeptieren, die der Kapitalismus den Menschen dieser Welt bereitet hat?
An diesem ruhmvollen Gedenktag müssen wir uns selbst geloben, den Kampf, der von Marx und Engels, Luxemburg und Liebknecht begonnen wurde, bis zum Ende weiter zu kämpfen.
Der Sieg des Sozialismus in Europa würde die gesamte Welt verändern und die Grundlage für eine sozialistische Weltföderation schaffen. Das ist die einzige Perspektive, für die es sich im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zu kämpfen lohnt: Das Ziel eines sozialistischen Europas und einer sozialistischen neuen Weltordnung."