Im Teil 2 des Weltperspektivendokuments der IMT wird die Krise des europäischen Kapitalismus, die internationalen Beziehungen, die Lage im Irak und der Israel-Palästina-Konflikt analysiert.

Europa

Die wichtigste Frage richtet sich auf die politischen und sozialen Auswirkungen der Krise des Kapitalismus - die Art und Weise, wie dieser Prozess einen psychologischen Ausdruck findet. Die Ereignisse der letzten zwölf Monate geben einen Vorgeschmack. In einem Land nach dem anderen entwickelt sich eine ernste politische Krise. Überall sehen wir bei den Massen einen Gärungsprozess. Neben der sozialen Explosion der Jugend in Frankreich gab es in einem Land nach dem anderen wichtige Streiks. Es gibt einen beschleunigten Radikalisierungsprozess. Wir sind Zeugen eines Wiedererwachens der Arbeiterklasse - und das international.

Aus der Sicht des Klassenkampfes ist eine tiefe Rezession nicht notwendigerweise positiv. Plötzliche Massenarbeitslosigkeit kann vorübergehend den Klassenkampf lähmen. Die ArbeiterInnen sind für einige Zeit traumatisiert, auch wenn dies in weiterer Folge zu Fabrikbesetzungen führen kann und die Massen aus dieser Erfahrung heraus weit reichende politische Schlussfolgerungen ziehen werden. Die gegenwärtige Situation andererseits heizt den Klassenkampf an. Es gibt ein schwaches Wachstum mit einer dauerhaften, organischen Arbeitslosigkeit. Hier handelt es sich um einen Boom auf Kosten der Arbeiterklasse, basierend auf Entlassungen, Schließungen, Arbeitslosigkeit, wachsendem Arbeitsdruck und Angriffen auf die Pensionssysteme. Überall gilt dieselbe Parole: "Arbeiten bis zum Umfallen."

Diese Rückkehr des Klassenkampfes ist in Europa am deutlichsten zu spüren. Der europäische Kapitalismus ist in einem Stadium des langfristigen Niedergangs, der sich in einer niedrigen Wachstumsrate und einer hohen Arbeitslosenrate widerspiegelt. Statt Wachstum haben wir ökonomische Stagnation. Das ganze europäische Projekt steckt fest. Der Konflikt zwischen Britannien und Frankreich über das EU-Budget und das Debakel der EU-Verfassung sind nur zwei Symptome für dieses Faktum.

Das Ziel der EU, ganz Europa bis zu den Grenzen der ehemaligen Sowjetunion zu beherrschen, hat neue Widersprüche geschaffen. Osteuropa hinkt dem Rest der EU weit hinterher. In Polen liegt die Arbeitslosenrate offiziell bei 18%, real noch viel höher. Der Beitritt zur EU löst für diese Länder keines ihrer Probleme, wird die EU aber umso mehr unter weiteren Druck setzen. Länder wie Polen und Ungarn haben einen großen und sehr rückständigen Agrarsektor, der nicht leicht in die EU integriert werden kann. Jetzt schon verschlingt die Gemeinsame Agrarpolitik gewaltige Summen. Dies setzt das Budget unter noch größeren Druck und verschärft die Konflikte zwischen Frankreich und seinen "Partnern".

Der Konflikt zwischen Britannien und Frankreich dreht sich im Wesentlichen um zwei Fragen: den Britenrabatt und die Gemeinsame Agrarpolitik, die eine großzügige Subvention für Frankreich darstellt. Die Bösartigkeit dieses Streits zeigte die unter der Oberfläche liegenden Widersprüche in der EU auf und ließ den Mythos der "Europäischen Solidarität, platzen. Weit weg davon, zu einem europäischen "Superstaat, zu werden, ist der Prozess der Vereinigung Europas gestoppt worden. Er ist dabei sich umzukehren. Natürlich kann die europäische Bourgeoisie den Untergang der EU nicht akzeptieren, und der Euro mag beibehalten bleiben. Aber die ursprünglichen Maastricht-Kriterien sind tot.

England, das seinen Status als Weltmacht verloren hat, ist zu einem zweitrangigen Land vor der Küste Europas degradiert worden. Sein Niedergang wird illustriert von seiner speziellen Beziehung zu den USA. Die sklavische Untergebenheit Blairs gegenüber Bush in allen Fragen zeigt die völlige Unfähigkeit Englands - ein Land, das den Großteil seiner industriellen Basis verloren hat. Blair und Brown rühmten sich üblicherweise des wirtschaftlichen Erfolgs, der auf der Marktwirtschaft basiert. Aber all das ist verdunstet. Das Wirtschaftswachstum beträgt nicht mehr als 1"5% - das niedrigste der letzten zwölf Jahre. Der Kampf mit Frankreich hat schlecht geendet. Blair wurde zu einem beschämenden Rückzug gezwungen, was den Beitrag Englands zum EU-Budget betrifft, während Chirac keinen Schritt zurückwich. Mit der Rezession und hohen Arbeitslosenraten wird es mehr und mehr Konflikte zwischen den EU-Staaten geben.

Der Versuch, eine gemeinsame Währung einzuführen, hat, wie wir vorab vorhergesagt haben, zu einer Verschlimmerung der ökonomischen Krise geführt. Das wird besonders bei Italien offensichtlich. Die Krise in Italien ist sehr ernst. In der Vergangenheit konnte die italienische Bourgeoisie Krisen überwinden, indem sie sich in eine Abwertung der Lira oder ein höheres Budgetdefizit flüchtete. Mit dem Euro ist keine dieser Optionen mehr möglich. Die italienische herrschende Klasse wälzt nun die ganze wirtschaftliche Krise auf die ArbeiterInnenklasse ab. Das hat zu einer ganzen Serie von Generalstreiks geführt.

Vor einigen Monaten schrieb "The Economist", dass das Problem der italienischen Wirtschaft gelöst werden könnte, wenn 500.000 ArbeiterInnen im industriellen Sektor entlassen und die Löhne um 30 % gekürzt würden. Das sind die wahren Pläne der Bourgeoisie. Das zeigt, wie viel Druck auf eine Mitte-Links-Regierung ausgeübt wird, wenn diese an die Macht kommt. Sie wird gezwungen werden, Angriffe auf die ArbeiterInnen auszuführen. Aber sie wird genauso gezwungen sein, Politik im Interesse der ArbeiterInnen zu machen. Das wird die Bühne für einen Aufruhr der Opposition in der Rifondazione Comunista sowie in der Democratici di Sinistra öffnen, mit großen Möglichkeiten für den linken Flügel sowie die Marxistische Tendenz, die bereits große Erfolge verbuchen konnte.

Italien steht nun an der vordersten Front des Klassenkampfes in Europa. Aber Deutschland und Frankreich - zwei Schlüsselländer der EU - liegen nicht weit zurück. In beiden Ländern gibt es eine tiefe politische Krise. Das Ergebnis des Referendums zur EU-Verfassung in Frankreich war ein heftiger Schlag. Es war nicht nur eine Wahl gegen die EU-Verfassung, oder auch nur eine Wahl gegen Chirac. Es war der Protest gegen die ganze Situation, eine Wahl gegen das gesamte politische Establishment.

Die Krawalle in den französischen Banlieues spiegelten die aufgestauten Widersprüche der französischen Gesellschaft wider, die sich über eine lange Zeit aufgebaut hatten. Sie reflektieren die brennende Wut der Jugend, die für sich selbst keine Zukunft sieht in diesem System. Dieses Gefühl der Entfremdung hat viele Ursachen: Armut, Diskriminierung, Rassismus und Polizeigewalt. Aber in der letzten Analyse widerspiegelt es die Tatsache, dass in dieser Zeit, selbst wenn es einen wirtschaftlichen Boom gibt, die Arbeitslosigkeit sehr hoch bleibt. In Frankreich gibt es laut offiziellen Statistiken (die immer zu niedrig sind) zehn Prozent Arbeitslose. Aber unter den jungen Menschen liegt diese Zahl bei zwanzig Prozent, und unter jungen Nordafrikanern bei vierzig Prozent.

Die brennenden Autos waren ein blinder Protest gegen unmenschliche Bedingungen, gegen Arbeitslosigkeit, schlechten Wohnbau und sozialen Verfall. Die Bourgeoisie rauft sich vor Horror die Haare über diesen gewalttätigen Ausdruck der Unzufriedenheit. Aber wer ist für all das verantwortlich? Erstens die Kapitalisten und ihre angeheuerten Agenten, die Politiker und die Polizei, die über die schrecklichen Bedingungen des Mangels waltet, und zweitens die reformistischen Führer der ArbeiterInnenparteien und der Gewerkschaften, die unfähig waren dieser Unzufriedenheit der Jugend einen politischen und organisatorischen Ausdruck zu geben.

Die Repräsentanten der herrschenden Klasse kommen oft zu denselben Schlüssen wie die MarxistInnen. Nach den Aufständen und dem EU-Referendum wurde berichtet, dass Präsident Chirac gesagt hat: "Es gibt ein tiefgehendes Unwohlsein in Frankreich., Das ist unzweifelhaft wahr, aber nicht nur in Frankreich. In Deutschlang gibt es über vier Millionen Arbeitslose und ein Budgetdefizit von über 32 Milliarden Euro.

Deutschland geht gerade durch seine schlimmste Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Es ist fast schon ironisch, dass die CDU gerade in dieser Zeit eine Koalition mit der Sozialdemokratie eingegangen ist. Angela Merkel war über ihre Kanzlerwahl sehr erfreut. Sie wird es noch bereuen.

Merkel liebt es sich selbst als "Reformerin, zu präsentieren. Die Reformerin steht für eine Politik großer Konterreformen und schmerzvoller Einsparungen. Die deutschen KapitalistInnen können nicht länger wie in der Vergangenheit Reformen und Zugeständnisse machen. Im Gegenteil, sie können nicht einmal die Reformen ertragen, die sie in der Vergangenheit gewährt haben. Aber bei den letzten Wahlen hat das Volk genau gegen "Reformen, gewählt. Die Voraussetzungen sind daher geschaffen für eine Intensivierung des Klassenkampfes in Deutschland und eine wachsende Polarisierung in Links und Rechts. Eine Vorwegnahme dessen ist die linke Abspaltung der SPD schon zu diesem frühen Zeitpunkt.

Die heutige Situation in Deutschland birgt gewisse Ähnlichkeiten zu den turbulenten Tagen der Weimarer Republik. Überall, wo wir hinschauen, sehen wir denselben Prozess. In letzter Zeit gab es zwei Generalstreiks in Belgien. In Griechenland gab es zwei wichtige Generalstreiks. Im Dezember 2005 gab es einen Generalstreik in Griechenland gegen die rechte ND-Regierung. Fast zur selben Zeit war in Irland eine Massendemo von 100.000 Menschen in den Straßen von Dublin, die die ArbeiterInnen der Fähren unterstützten und gegen Angriffe auf die Pensionen und die Arbeitsbedingungen demonstrierten.

In Spanien erlitt die rechte Regierung Aznars am 14. März 2004 eine vernichtende Niederlage. Die Gründe dafür finden sich in den vorangegangenen drei Jahren: Der Aufschwung des Klassenkampfs führte zu Bewegungen von Millionen von Jugendlichen und ArbeitnehmerInnen im ganzen Land. Der Generalstreik in Galizien im Jahre 2001, die Massenmobilisierungen der SchülerInnen gegen die reaktionären Bildungsreformen, der Generalstreik des 20. Juni 2002, die Bewegung von Hunderttausenden gegen das Tankerunglück der Prestige, die Anti-Kriegs-Demonstrationen, die Millionen ArbeitnehmerInnen auf die Straße brachten - all dies brachte einen gesellschaftlichen Gärungsprozess, eine Zuspitzung der Klassenauseinandersetzungen, wie wir sie seit den 1970er Jahren nicht mehr gesehen haben. Wir haben es mit einem qualitativen Sprung im Bewusstsein von Millionen von ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen zu tun. Den Höhepunkt dieser gesellschaftlichen Polarisierung bildete die Massenbewegung anlässlich der islamisch-fundamentalistischen Anschläge am 11. März 2004. Es hatte fast Aufstandscharakter, als in verschiedenen Städten die bürgerliche Ordnung durch Demonstrationszüge zu den Gebäuden der Partido Popular herausfordert wurde. Die damalige Bewegung lässt uns große revolutionäre Ereignisse in der Zukunft erwarten. Die herrschende Klasse erwog in diesen Tagen sogar eine Verschiebung der Wahlen - dies wurde letztlich nur deshalb abgelehnt, weil man eine Reaktion der Bevölkerung befürchtete, die weit über die Absichten der Führung der Arbeiterbewegung hinausgegangen wäre. Eine unhaltbare Situation wäre entstanden. Hätte es eine marxistische Organisation mit einer festen Verankerung in der Bevölkerung gegeben, sie hätte sich an die Spitze der Bewegung stellen können und es wäre zweifellos eine vor-revolutionäre Situation entstanden.

Diese Ereignisse zeigen das revolutionäre Potential der spanischen Arbeiterklasse, das tief in den Traditionen der Vergangenheit verwurzelt ist.
Während der vergangenen zwei Jahre des Kabinetts von José Luis Rodríguez Zapatero von der Sozialistischen Partei (PSOE) hat die Rechte immer wieder versucht, ihre soziale Basis gegen die Regierung zu mobilisieren. Sie hat dabei systematisch auf die gleichen Kräfte gesetzt wie schon in den 1930er Jahren. So versuchte man eine Hysterie über den Separatismus und das Auseinanderbrechens Spaniens zu schüren, verteidigte die Privilegien der Kirche und verweigerte jedem Ansinnen Richtung Verhandlungen mit der ETA die Zustimmung. Teil dieser Strategie der Rechten sowie wichtigen Teilen des Bürgertums war es, alle Einflussmöglichkeiten innerhalb des Staatsapparats, inklusive der Armee, zu nutzen, um die PSOE-Regierung anzugreifen. Unglücklicherweise haben weder die Sozialistische Partei noch die Gewerkschaften auf diese Angriffe reagiert, in dem sie ihre gesellschaftliche Basis zu ihrer Verteidigung auf die Straße gerufen hätten. Die Parteiführung will die Situation beruhigen, um möglichst ungestört das Wirtschaftsprogramm des Kapitals in die Tat umzusetzen zu können. Wenn sie auch kaltes Wasser auf den heißen Stein des Klassenkampfs gießt und damit Teile der Bewegung verwirrt - letztlich wird dies die politische Polarisierung nicht aufhalten können.
Diese Situation, die eine Reihe von Parallelen zu den 1930ern aufweist, ist ein Vorgeschmack darauf, was in Spanien in den kommenden Jahren passieren kann. Und die selben Symptome können wir auch in anderen europäischen Ländern sehen - wenn sich der Prozess auch unterschiedlich schnell entwickelt.

Jedoch beschränkt sich diese politische Krise nicht auf Europa. Wir sehen sie genauso in Israel, Kanada, Pakistan, Nigeria, Thailand, den Philippinen und vielen anderen Ländern, inklusive den USA. Die direkten Auslöser der Krise können sich sehr unterscheiden: Es sind wirtschaftliche, aber genauso militärische Auslöser, politische Skandale, terroristische Anschläge oder sonst etwas, aber letztendlich ist der Grund immer derselbe. Hegel hat betont, dass sich die Notwendigkeit durch den Zufall ausdrückt. Die langsame, fast unmerkliche Unzufriedenheit erreicht einen Punkt, an dem sie einen Ausdruck finden muss.
In Australien errang der rechte Flügel bei den letzten Wahlen einen weitläufigen Sieg, der ihm die Mehrheit im Senat und im Unterhaus gab. Das war nach einer Periode des wirtschaftlichen Booms, als die australische Wirtschaft fünf Prozent pro Jahr wuchs. Nun hat die australische herrschende Klasse Druck auf die Konservativen ausgeübt, den Lebensstandard der Bevölkerung brutal anzugreifen. Daraufhin gab es Massendemonstrationen in allen großen Städten mit mindestens einer Million Menschen. Das passierte in einem Land, in dem es für eine lange Zeit keine bedeutende Bewegung der ArbeiterInnenklasse gegeben hat. Nun haben die ArbeiterInnen direkt auf diesen Angriff auf ihren Lebensstandard reagiert.
Die Krise manifestiert sich überall. Wenn sie nur in einem oder anderen Land vereinzelt auftreten würde, könnte man auf ein zufälliges Phänomen schließen.

Aber das ist nicht der Fall: Es gibt klare Anzeichen für eine generelle Tendenz. Die Krisen zeigen an, dass wir weltweit in eine völlig andere Periode eingetreten sind. Die Periode, die gerade beginnt, wird nicht wie die 1950er oder 1960er Jahre sein, sondern sehr viel mehr mit den turbulenten 1930er Jahren gemeinsam haben: eine Periode der Kriege, Revolutionen und Konterrevolutionen.

Internationale Beziehungen

Nach dem Fall der Sowjetunion ist die militärische und diplomatische Instabilität sehr groß geworden. In der Vergangenheit gab es immer zwei, drei oder mehr Großmächte, die miteinander im Wettstreit um die Vorherschafft auf der Welt lagen. Jetzt gibt es nur noch eine. Die USA sind als die größte imperialistische Macht aus der Geschichte hervorgegangen, mit jährlichen Ausgaben von 500 000 Millionen Dollar für Waffen. Das ist mehr als die Militärbudgets von Russland, China, Japan, England, Frankreich, Deutschland, Italien, Saudi Arabien, Südkorea und Indien zusammen.

Im 19. Jahrhundert drückte die junge US-Bourgeoisie ihr Streben um die alleinige Vorherrschaft in ganz Amerika in der Monroe-Doktrin aus. Nun drückt die US-Bourgeoisie ihre Macht in einer besonderen Variation dieser Doktrin aus: Jetzt ist die ganze Welt ihr Herrschaftsbereich. Anstatt des alten Slogans "Amerika den Amerikanern, lautet der neue Slogan: "Die ganze Welt für die USA". Das hatte Konsequenzen, die unerwartet waren bzw. von den Strategen des US-Imperialismus wenig geschätzt wurden.

Die Spaltung zwischen den USA und Europa ist sehr ernst und wächst weiter an. Das reflektiert sich in zahllosen und erbitterten Handelsstreitigkeiten und teilweise in offenen Konflikten in der Diplomatie. Die europäische Bourgeoisie hat ihre eigenen Interessen im Nahen Osten, im Iran, in China, Afrika und der Karibik und kann daher nicht tatenlos die Herrschaft von Washington im Weltgeschehen akzeptieren. Als Folge dessen ist die NATO in gespalten. Auch abgesehen von der NATO wachsen die Spannungen in Europa an. Das drückt sich unter anderem in der Krise über die EU-Verfassung aus. Blair ist der gewissenhafte Lakai von Bush, der den Kollaps der britischen Macht reflektiert und Londons Unfähigkeit, eine eigenständige Rolle im Weltgeschehen zu spielen. Das führte zu einem scharfen Konflikt zwischen dem britischen und französischen Imperialismus, der drohte, die EU zu destabilisieren.

Europas Rolle im Weltgeschehen schwindet rapide. Die ganze Zukunft der Welt wird in Asien und dem Pazifik entschieden werden, Regionen mit großen Bevölkerungen und dynamischen Wirtschaft. Die USA macht kein Geheimnis aus ihrem Verlangen, Asien und den indischen Subkontinent zu beherrschen. Früher oder später werden sich die USA mit China um die Macht im Pazifik prügeln. China hat sich bereits als eine führende Weltmacht etabliert. Seine wirtschaftliche Macht wird nun überall anerkannt. Es wird nicht lange dauern, bis China sich auch militärisch und politisch behaupten wird.

Washington möchte den Nahen Osten beherrschen - eine Schlüsselzone für den US-Imperialismus aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen. In ihrem Delirium hat sich die herrschende Clique der USA ausgemalt, dass die Macht der USA unbegrenzt sei. Aber die wahren Grenzen der US-Macht wurden auf grausame Weise im Irak offenbar. Mit 130.000 US-Truppen war es ihnen unmöglich, die Situation unter Kontrolle zu halten. Der Aufstand geht unvermindert weiter. Die mächtigste Nation der Erde findet sich gefangen in einem ungewinnbaren Konflikt, der bereits über 2000 US-Todesopfer (die Zahlen für die irakischen Todesopfer sind nicht festgehalten, aber sie sind enorm) und mindestens 16.000 Verwundete gefordert hat. Dieser Krieg kostet mindestens sechs Milliarden Dollar pro Monat.

Nicht einmal die reichste Nation dieser Erde kann einem solchen Fluss von Blut und Gold unbegrenzt standhalten. Es ist nicht die Frage, ob die USA gezwungen sein wird, den Irak zu verlassen, sondern wie bald. Egal, welches Regime zurückgelassen wird, es ist undenkbar, dass es Washington gegenüber freundlich gesinnt sein wird. Im Rückblick wird die ganze Irak-Sache als Fiasko und Abenteuer angesehen werden. Die psychologischen Konsequenzen in den USA werden ähnlich denen von Vietnam sein. Das wird die Tür für eine neuerliche Radikalisierung in den USA öffnen. Die Folgen stehen in einem direkten Zusammenhang mit den Ereignissen in Lateinamerika und werden die Einstellung von Washington bis aufs letzte beeinflussen.

In seinem Bestreben, die ganze Welt zu beherrschen, versucht der US-Imperialismus, Russland mit einer ganzen Reihe von Marionetten-Staaten in Zentralasien zu umzingeln. Nachdem er Polen und andere frühere Ostblockstaaten dazu gebracht hat, der NATO beizutreten, hat er seinen Einflussbereich auf Länder wie die Ukraine, Georgien, Usbekistan und Kirgisien ausgeweitet. Der Zusammenbruch der Sowjetunion hatte keinerlei positiven Auswirkungen für die Völker Zentralasiens. Die so genannten unabhängigen Republiken sind schwache Regime, die die schlechtesten Aspekte des Stalinismus mit kapitalistischem Gangstertum verbinden und mit einer Brutalität, die Dschingis Khan alle Ehre gemacht hätte. Moskau und Washington wetteifern miteinander um die Kontrolle über diese Staaten, die große Reserven an Erdöl und Erdgas haben, indem sie abwechselnd die Regierungen unterstützen oder untergraben.

Die Aktionen des US-Imperialismus hatten mittlerweile die Destabilisierung eines Landes nach dem anderen zur Folge. Diese haben revoltierende Bewegungen der Massen ausgelöst, die, in der Abwesenheit einer aufrichtigen revolutionären Führung, von skrupellosen bürgerlichen Elementen manipuliert werden. Es gab einen Aufstand nach dem anderen. Im Zeitraum von ein paar Monaten im Jahr 2005 gab es Revolten in Kirgisien und Usbekistan, aber die bürgerliche Opposition bietet keinen Ausweg für die Massen. Das bedeutet, dass die Instabilität für die nächste Zeit anhalten wird.

Die Anstrengungen der USA, die Kontrolle über die zentralasiatischen Staaten und den Kaukasus auszuüben, haben Russland verärgert und einen Konflikt mit Moskau und Peking ausgelöst. Russland und China versuchen nun, sich gegen die USA zu stellen. Moskau übt mit Erdöl und Erdgas Druck auf die Ukraine aus, um der Regierung in Kiew zu zeigen, wer der Boss ist. Genauso übt Russland Druck auf Georgien aus. Hier hatte Russland bereits Erfolg, und die Amerikaner wurden aus Usbekistan hinausgeworfen. Da Russland seine Basis im Irak verloren hat, unterstützt es aus taktischen Gründen Iran und Syrien gegen Washington.

Die Amerikaner haben Afghanistan nicht befriedet, so wie sie behaupten. Das kürzlich gewählte Parlament (loya jirga) ist eine zusammengewürfelte Versammlung aus Kriegsherren, Drogenbaronen und Taliban. Von 240 Abgeordneten dieses Parlaments, wird über 200 gesagt, dass sie private Armeen hätten. Die zentrale Macht kann sich nur auf die amerikanische Armee und ihre ausländischen Alliierten stützen. Karzai kann nur deshalb eine wacklige Kontrolle über Kabul aufrechterhalten, weil die US-Armee ihn (bis jetzt) am Leben erhält. Abseits der Hauptstadt kontrolliert er gar nichts. In der Zwischenzeit sind Pakistan und ganz Zentralasien aus dem Gleichgewicht gebracht worden.
Bushs Besuch in Indien zeigt, dass sich der US-Imperialismus selbst als herrschende Macht in Asien etablieren will. Er möchte eine engere Verbindung zu Indien herstellen als dem größten Land der Region mit einem schnell wachsenden Markt. Aber gleichzeitig muss die schwierige Balance gehalten werden, Pakistan nicht zu verunsichern, das ein wichtiger Partner im Krieg in Afghanistan ist. Beide Länder, Pakistan und Indien, sind in der Krise.

Das Erdbeben in Pakistan war eine Naturkatastrophe. Aber es hat all die aufgestauten sozialen und politischen Spannungen in Pakistan an die Oberfläche gebracht. Das System ist nun so zerbrechlich, so innerlich unstabil, dass jeder Schock von Außen eine tiefe Krise auslösen kann. Die pakistanische herrschende Klasse ist so verzweifelt, dass sie, um abzulenken, die Feuer der nationalen Konflikte zum Beispiel in Baluchistan anfachen. Das wird ernste Rückwirkungen an der Nordwestlichen Grenze (die ja schon im Aufruhr ist), in Sindh und Kaschmir selbst haben.

Der US-Imperialismus, der die Situation durch seine Einmischung in der Region verschlimmerte, versuchte, sich auf seine Marionette Musharaff zu stützen, ist aber ins Leere gefallen. Musharaff kann jederzeit gestürzt oder ermordet werden. Das wird die Schleusen öffnen und den Weg für revolutionäre Entwicklungen ebnen, die den ganzen Subkontinent beeinflussen werden. Die Tragödie in Kaschmir hat eine spontane Woge der Sympathie von den Massen in Indien hervorgerufen. Das passt weder der reaktionären pakistanischen herrschenden Klasse noch den genauso reaktionären indischen Bürgerlichen. Keine Seite ist daran interessiert, die Kaschmirfrage zu lösen, die immer benutzt wurde, um Hass zwischen den Völkern aufzuschaukeln und die Aufmerksamkeit vom Klassenkampf abzulenken.

Auch die Krise in Indien vertieft sich. Die Niederlage der reaktionären BJP bei den letzten Wahlen war ein politisches Erdbeben, aber die bürgerliche Congress-Regierung wurde schnell diskreditiert. Unter dem unbarmherzigen Druck des IWF hat sie eine Politik der "Reform, (was soviel heißt wie Konterreform) durchgeführt. Folglich ist sie in der Krise und in Skandalen verstrickt. In der Realität sind beide, Congress und BJP in der Krise und von Spaltung betroffen. Aber die mächtige indische ArbeiterInnenklasse, die den Wahlsieg der BJP mit einem Generalstreik vorbereitet hatte, zeigt in der Zwischenzeit ihre Stärke mit einer neuen Streikwelle. Aber sowohl die CPI als auch die CPI(m) unterstützen taktisch die Congress-Regierung. Das erzeugt wachsende Unzufriedenheit in ihren Reihen. Zum ersten Mal haben die Gewerkschaften in Kerala, wo die CPI(m) an der Macht ist, gestreikt.

China verwendet seinen wirtschaftlichen Erfolg, um die bereits erhebliche Militärkraft weiter zu stärken. Chinas Weltraumprogramm ist (genau wie das der USA) hauptsächlich auf militärische Überlegungen zurückzuführen. China lässt seine Muskeln in Asien spielen, wo es eine strikte Warnung gab, dass es niemals eine Unabhängigkeitserklärung von Taiwan akzeptieren würde, was es als losgesagte Provinz von China begreift. Das ist kein Bluff. Die Führer in Peking fürchten sich davor, dass solch ein Schritt andere Abspaltungstendenzen in China verstärken würde. Sie haben außerdem die notwendigen militärischen Mittel, um ihren Willen durchzusetzen. Früher oder später wird es eine frontale Kollision zwischen den USA und China um den Pazifik geben - die entscheidende Region für die Zukunft der Welt.

Die ‚Dritte Welt"

Die Sackgasse des Kapitalismus zeigt sich am schärfsten in der Krise von Asien, Afrika, dem Nahen Osten und Lateinamerika. Die ständige Instabilität und Turbulenzen dort halten vor Augen, dass es keinen Ausweg gibt auf dem Boden des Kapitalismus. Die Situation in den so genannten Ländern der dritten Welt ist ein Horror ohne Ende. Hier sieht die Krise des Kapitalismus so aus: Elend, Krankheit, Krieg und Tod für Millionen. Der Weltbank zufolge leben insgesamt 1"2 Milliarden Menschen unterhalb der Armutsgrenze, von denen jedes Jahr acht Millionen sterben. Der "Human Development Index", ein Index bestehend aus Gesundheit, Lebensdauer, Bildung und Lebensstandard, ist im letzten Jahr in 21 Ländern gesunken. (1980 ist es nur in 4 Ländern abgefallen.) Das ist der unumstößliche Beweis, dass der momentane Boom die Bedingungen für die Massen nicht verbessert, sondern verschlechtert hat.

Das ist sogar in Ländern mit einer hohen Wachstumsrate der Fall. Die Wachstumszahlen reflektieren nicht die reale Position der Massen. Das BIP von Uganda wuchs um sechs Prozent pro Jahr innerhalb der letzten zehn Jahre. Aber das Prokopfeinkommen blieb unter 250 Dollar pro Jahr. Die Situation in Afrika ist kritisch. Im Bürgerkrieg im Kongo wurden mindestens 4"5 Millionen Menschen getötet. Ganz Westafrika versinkt im Chaos. Eine halbe Million Menschen wurden in den Bürgerkriegen in Liberia, Sierra Leone, Guinea und der Elfenbeinküste getötet. Elemente der Barbarei tauchen in einem Land nach dem anderen auf.

Aber eine Serie von Generalstreiks in Nigeria zeigt das revolutionäre Potential der ArbeiterInnenklasse. Präsident Obasanjo ist nun in seiner zweiten Amtszeit. Anfangs gaben ihm die Massen einen gewissen Vertrauensvorschuss, weil sie sich konkrete materielle Verbesserungen ihres Lebensstandards von der "Demokratie, erwarteten. Stattdessen gab es ständige Angriffe. Die Frage des Treibstoffpreises war eine Schlüsselfrage. Unter dem Druck des Imperialismus hat das Regime den Treibstoffpreis massiv erhöht, es ist mit den Privatisierungsplänen vorangeschritten, hat die Pensionisten attackiert, das Schulgeld enorm erhöht usw.

Bis vor kurzem war es der Führung der Gewerkschaften möglich die Situation für die herrschende Klasse unter Kontrolle zu halten. Sie riefen zu einer ganze Reihe von Generalstreiks auf, nur um am Ende einen Kompromiss einzugehen. Das erzeugt nun Opposition in den Reihen der Gewerkschaften, weil die ArbeiterInnen nun die Schlüsse aus ihren vergangenen Erfahrungen ziehen. In der nächsten Periode wird der Kampf der ArbeiterInnenklasse auf ein höheres Niveau gehoben werden. Die nigerianische ArbeiterInnenklasse wird eine Schlüsselrolle in der afrikanischen Revolution einnehmen. Entweder führt sie die Massen zum Sieg, oder die Perspektive von schrecklichen ethnischen Konflikten wird real werden. Es gibt schon Anzeichen dafür. Hier sind die Worte von Rosa Luxemburg wahrhaft bestätigt: die Wahl der Menschheit ist Sozialismus oder Barbarei.

Aufgrund der Abwesenheit des subjektiven Faktors drückt sich die Unzufriedenheit der Massen, besonders der perspektivenlosen Jugend, in Form von Fundamentalismus, Terrorismus, Selbstmordanschläge etc. aus. Trotzki hat vor langer Zeit erklärt, dass in einer Gesellschaft, in der Terrorismus zu Hause ist, dies ein Zeichen für eine Sackgasse und revolutionäre Gärung ist. Die Imperialisten denunzieren diese verzweifelten Akte der unterdrückten Völker heuchlerisch als Terrorismus, während sie selbst eine Politik des ungezügelten Terrorismus weltweit durchführen.

Erinnern wir uns zurück daran, dass das erklärte Ziel von Washington, als sie den Irak und Afghanistan attackierten, den Terrorismus zu besiegen war. Was sind die Ergebnisse? Auf allen Seiten ein erhöhtes Risiko neuerlicher terroristischer Anschläge. Al Quaida operiert frei nicht nur im Irak, sondern auch in Ländern wie Jordanien. Jordanien als ein US-Schlüsselpartner war relativ stabil, nun ist es das Land allerdings nicht mehr. Saudi Arabien wird immer instabiler. Der Libanon steht an der Kippe zum Bürgerkrieg. In anderen Worten, sie haben es geschafft den gesamten Nahen Osten zu destabilisieren. Bin Laden wurde zwar angeblich schon mehrmals getötet, aber er ist immer noch am Leben und in den Stammesgebieten zwischen Afghanistan und Pakistan aktiv, gemeinsam mit seinen Taliban-Freunden. Das war wohl kaum das, was Bush und Rumsfeld wollten, als sie ihr Abenteuer begannen.
In den USA gibt es genauso Elemente der Krise, die mehr und mehr einer Krise des Regimes selbst gleichen, wie der Watergate Skandal, der Präsident Nixon das Amt gekostet hat. Als Bush seine zweite Amtszeit begonnen hat, haben wir gesagt, dass er seinen Sieg bereuen wird und dass er als der unpopulärste Präsident in die US-Geschichte eingehen wird. Beide Vorhersagen sind schnell von den Ereignissen bestätigt worden. Bush hatte die niedrigste Zustimmungsrate der jüngsten Geschichte für einen neu gewählten Präsidenten, und die Unterstützung ist seither abgestürzt. Die große Mehrheit der US-Öffentlichkeit ist nun gegen die Besetzung des Iraks.

Irak und der ‚Krieg gegen den Terror"

Die imperialistische Arroganz, die Gier nach Plünderung und die tollwütige Reaktion von Seiten Bushs und seiner Clique waren die Motive des Militärabenteuers der USA im Irak. Saddam Hussein war keine militärische Gefahr für die USA. Der CIA war sich sehr klar darüber, dass er keine Massenvernichtungswaffen besaß. Die Entscheidung für die Invasion hatte nichts mit dem 11. September zu tun. Sie wurde lange vorher von der rechten Clique von Republikanern und Fundamentalisten beschlossen, die die Politik Bushs im Weißen Haus kontrollieren. Sie haben sich die Zerstörung der Twin Towers bloß als willkommene Vorgeschichte zu nutze gemacht, um jenen Plan in die Tat umzusetzen, der bereits in den ersten Amtswochen der Bush-Administration im Jahre 2001 entworfen worden war.

Das war ziemlich unnötig und hatte schwerste Konsequenzen, auch vom Standpunkt des US-Imperialismus aus. Mit einer Besetzungsarmee von 130.000 Truppen, die mit den modernsten Waffen ausgestattet sind, konnte der Irak nicht befriedet werden. Die Invasion im Irak hat die tiefgreifendsten Auswirkungen in den USA. Umfragen zeigen eine scharf wachsende Opposition zum Krieg im Irak. 54 % denken, dass es ein Fehler war. Nur 34 % der Amerikaner glauben an ein positives Ende. Abgesehen von den hohen Zahl getöteter und verletzter US-Soldaten sind die wirtschaftlichen Kosten enorm. Die Besetzung des Irak kostet dem US-Finanzminister sechs Milliarden Dollar pro Monat. Nicht einmal die reichste Macht der Erde kann einen solchen Mittelabfluss unbegrenzt aushalten.

Die Bush Regierung hat ihren Kopf im Sand. Bush hat offiziell verlautbart, dass er "die Voraussetzung, dass es einen Bürgerkrieg geben wird, nicht abkauft". Ein Bürgerkrieg im Irak ist zwar nicht hundertprozentig sicher, aber es ist eine klare Gefahr. Bush wurde in einem Interview gefragt, ob die US-Truppen eine größere Rolle im Kampf gegen die Verbreitung der sektiererischen Gewalt im Irak spielen würde. Seine Antwort war "Nein", er fügte hinzu, dass sie damit fortfahren würden, die Iraker darin auszubilden, selbst mit der Gewalt umzugehen.

Es scheint unwahrscheinlich, dass im Falle einer weiter eskalierenden Gewalt und einem Bürgerkrieg im Irak die US-Soldaten nicht in den Konflikt hineingezogen würden. Das derzeitige irakische Regime verlässt sich einzig und allein auf die US-Streitmächte. Wenn die Gewalt weitergeht, werden die USA, auch wenn sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, in den Konflikt gezogen, und die Leichensäcke der US-Soldaten werden sich weiterhin stapeln.

Bush ist jedenfalls in einer schwierigen Situation. Er muss öffentlich verkünden, dass die USA nicht in einen Bürgerkrieg verwickelt werden. Die Moral in der Armee ist niedrig. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter den US Soldaten im Irak hat gezeigt, dass 72 Prozent der US-Truppen, die im Irak stationiert sind, überzeugt sind, dass die Vereinigten Staaten noch in diesem Jahr den Einsatz beenden sollten. Etwa 25 Prozent sagten, dass die Truppen sofort aufbrechen sollten. Eine Umfrage vom letzten März, die vom San Francisco Chronicle durchgeführt wurde, zeigte dass 70 Prozent der Truppen die Moral als niedrig oder sehr niedrig einstufen. 75 Prozent der Soldaten meinten, dass die Führung ihrer Abteilung schlecht sei oder sich nicht um das Wohlergehen ihrer Soldaten kümmere. Diese Zahlen sind erstaunlich. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob die US-Armee überhaupt in einem Bürgerkrieg eingesetzt werden könnte.

Die Soldaten, die im Irak stationiert sind, wissen besser als alle andere, dass sie nicht aus den Gründen dort sind, die ihnen gesagt wurden. Sie sehen keinen Grund, dort zu sein. Sie sehen jeden Tag die Angriffe, die Gefahr des Todes und eine feindliche Bevölkerung. Viele Reservisten wollen einfach nur nach Hause. Vor dem Hintergrund eines wachsenden Konflikts, in dem noch viele US-Soldaten sterben werden, ist es möglich, dass die Spannungen in der Armee aufbrechen. Das US-Militär im Irak könnte zusammenbrechen. Die USA haben die Lehren der Vergangenheit vergessen und sind in eine Situation gelaufen, die auffällig ähnlich ist zu der vor 40 Jahren im Vietnam: eine demoralisierte Armee, die einfach nur nach Hause will, die einen Krieg führt, den sie nicht gewinnen kann, und eine ernsthafte Niederlage an der Heimatfront.

Früher oder später müssen sie sich mit eingezogenem Schwanz zurückziehen. Wenn sie gehen, werden sie ein völliges Chaos zurücklassen. Trotz der prahlerischen Propaganda, haben die Wahlen nichts gelöst. Eine offizielle irakische Meinungsumfrage hat kürzlich gezeigt, dass 50 % der Iraker der Meinung sind, dass sie unter Saddam Hussein besser dran waren. 85 % wollen, dass die Amerikaner verschwinden. Die USA versuchen verzweifelt, eine irakische Armee aufzustellen, damit sie ihre Truppen zurückziehen können, bevor die militärische Situation noch weiter abgleitet. Aber wie? Um sich eine Basis zu schaffen, haben sie die irakische Gesellschaft entlang nationaler und religiöser Linien gespalten.

Washington hat Zugeständnisse an die Schiiten gemacht, die mit den Sunniten und den Kurden verfeindet sind. Folglich wurde dem Iran erlaubt zu intervenieren. Die Spannungen zwischen Teheran und Washington haben sich deshalb noch mehr verstärkt. Nun versuchen die USA, das Gleichgewicht wieder herzustellen, indem sie den Sunniten Zugeständnisse machen. Sie haben sogar den Baathisten Plätze in der Armee und den Sicherheitskräften versprochen, die diese zuvor dominiert hatten. Dies wiederum hat die Schiiten verärgert und den tödlichen Weg zum Sektierertum und Gewalt geebnet. Diese Situation kann in einem blutigen Bürgerkrieg enden, mit unkalkulierbaren Folgen. D.h. die Militäraktion, die darauf abzielte, Frieden Stabilität und Demokratie zu schaffen, endete in einem blutigen Chaos. Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA wird daher bereits innerhalb des Iraks in Form eines "low intensity"-Stellvertreterkriegs ausgefochten. Einzig die Herausbildung einer vereinten nationalen irakischen Widerstandsbewegung kann noch die Gefahr eines das ganze Land erfassenden Bürgerkriegs abwenden.
Ihr Abenteuer im Irak hat die US-Imperialisten auch in eine schwierige Position gebracht, was die anderen so genannten "Schurkenstaaten, betrifft. Neben dem Irak findet sich das islamisch-fundamentalistische Regime im Iran in einer widersprüchlichen Situation. Intern gibt es wachsende ArbeiterInnenunruhen. Eine Serie von Schlüsselstreiks hat stattgefunden. In den letzten Jahren gab es wichtige Jugendbewegungen.

In einem ersten Stadium drückte sich dies in den Illusionen in die so genannten "Reformisten, des islamischen Regimes aus. Einmal im Amt haben sich diese aber wieder diskreditiert. Nun ist ein "Hardliner, als Präsident an die Macht gekommen, der versucht, die Situation dadurch unter Kontrolle zu halten, dass er die Aufmerksamkeit der Massen auf einen "externen Feind, lenkt. Mahmoud Ahmadinejad verwendet eine populistische, "anti-imperialistische, Rhetorik, um auf die Massen einzuwirken, während er vor allem mit den europäischen Kapitalisten viele Verträge macht, um mehr Investitionen ins Land zu bringen.

Das Regime ist klarerweise in einem Dilemma. Es braucht dringend Investitionen, um eine industrielle Basis aufzubauen, Jobs zu schaffen und den Massen ein paar konkrete materielle Verbesserungen zu geben. Gleichzeitig steht es im Konflikt mit dem Imperialismus über die Entwicklung des Atomprogramms, besonders mit dem US-Imperialismus. Der Iran behauptet, das Atomprogramm wäre für "friedliche Zwecke", aber das glaubt niemand. Die Führer des Regimes haben einen wichtigen Schluss aus der Invasion des Irak gezogen: wenn du keine "Massenvernichtungswaffen, hast, wirst du überrannt, hast du welche, wirst du es nicht!

Der US-Imperialismus ist in Panik, der Iran könnte eine Nuklearmacht werden. Bisher wurde diplomatischer Druck benutzt in Form von UN-Resolutionen und ähnlichem, um die iranischen Nuklearbestrebungen zu verhindern. Aber die US-Strategen sind sich uneins darüber, wie es weiter gehen soll. Manche glauben, dass das Regime graduell geschwächt werden kann und dann von Innen überwunden wird. Es werden Millionen von Dollars ausgegeben, um das zu erreichen. Andere glauben, dass eine Art bewaffneter Konflikt unvermeidbar ist. Das ist das Denken der Bush-Regierung. Das Problem ist, dass sie derzeit im Sumpf des irakischen Morasts feststecken. Das schließt einen US-Luftangriff auf Nuklearzentren nicht aus, oder einen israelischen Schlag, der von den USA taktisch unterstützt wird. Aber auch so ein regional begrenzter Konflikt würde nur die Massen im Nahen Osten aufbringen und keine langfristige Lösung bringen. Die größte Gefahr kommt allerdings nicht von Seiten des US-Imperialismus, sondern von der Arbeiterklasse und anderen Massenbewegungen. Die Unterstützung für den so genannten "reformorientierten, Flügel ist nun vollends versiegt. Im Gegenzug sind sich die Arbeiterklasse, die Jugend, die Frauen, die nationalen Minderheiten und andere unterdrückte Schichten mehr und mehr ihrer selbst bewusst und treten zunehmend kämpferisch auf. Das größte Alarmsignal für das Regime hatte bis vor einem Jahr darin bestanden, dass die eigene soziale Basis sich abzuwenden drohte. Gerade diese Schichten benötigt das Regime, um gegen Streiks und andere Bewegungen niederzuschlagen. Deshalb musste Ahmadinejad als "Präsident, eingeschworen werden - um Gelder an die Hisbollah, Basij usw. zu verteilen.
Seit damals können wir wichtige Entwicklungen in zwei halbstaatlichen Einrichtungen beobachten, die bisher für die Niederhaltung von unabhängigen Bewegungen von Studierenden und ArbeitnehmerInnen benutzt worden waren. In der Führung des "Büros für den Erhalt der Einheit, (jener Studierendenorganisation, die seinerzeit für die Besetzung der US-Botschaft verantwortlich war) sitzen heute Menschen, die sich selbst als Sozialisten bezeichnen und vom Regime als "Marxisten, verfolgt werden. Das "Haus der Arbeit", das bis vor etwas mehr als einem Jahr offen ehrliche GewerkschafterInnen wie etwa die Busfahrer von Vahed attackiert hatte, entließ den Redakteur seiner Tageszeitung "Kar-o Kargar, ("Arbeit und der Arbeiter"). Seit dem Wechsel in der Redaktion hat die Zeitung, die über eine Auflage von 200.000 Stück verfügt, Lenins Artikel "Über Streiks, aus dem Jahre 1899 gemeinsam mit einem Bild von ihm veröffentlicht. Ähnliche Entwicklungen sehen wir auch in anderen halbstaatlichen Organisationen.

Wir sehen ein nie da gewesenes Wachstum an verschiedensten sozialen Bewegungen. Vor zwei Jahren wurden etwa GewerkschaftsaktivistInnen verhaftet - noch bevor sie an den Feierlichkeiten zum 1. Mai in Saghez teilnehmen konnten. Im vergangenen Jahr wurden die 1. Mai-Feiern des "Hauses der Arbeit", bei denen Rafsanjanis Präsidentschaftskampagne im Mittelpunkt stand, von ArbeiterInnen gestört. Und in diesem Jahr verloren die Funktionäre des "Hauses der Arbeit, vollends die Kontrolle: Die ArbeiterInnen gingen mit ihren eigenen Slogans an die Öffentlichkeit: "Streik! Streik!", "Die gefangenen ArbeiterInnen müssen freigelassen werden!", "Schaut Euch Frankreich an - tut etwas für uns!, usw. Die jüngsten Ereignisse in Tabriz und auf verschiedenen Universitäten zeigen, dass auch unter den Angehörigen nationaler Minderheiten und unter den Jugendlichen eine dramatische Veränderung im Bewusstsein eingesetzt hat. Dieses Anwachsen der Bewegungen, wie unzureichend auch immer sich ihre Führung verhält, läßt zusehends den bürgerlichen Staat ins Wanken geraten. Der Unterdrückungsapparat weist erste Risse auf. Die uniformierte Polizei und die Sicherheitskräfte sind bei einer Reihe von Einsätzen auf die Seite der Protestierenden übergegangen und stellten sich gegen als die als ZivilistInnen verkleideten Offiziere. Dies passierte etwa bei den Maifeierlichkeiten 2006 in Teheran.

Die Opposition in der ArbeiterInnenklasse wächst. Die ArbeiterInnen werden mutiger; die Angst vor dem Regime ist nicht mehr das, was sie war. An einem bestimmten Punkt werden die iranischen ArbeiterInnen in eine entscheidende Richtung gehen. Es war die Bewegung der ArbeiterInnenklasse, speziell der Ölarbeiter, die letzten Endes den gehassten Schah gestürzt hat. Dasselbe wird mit diesem Regime passieren. Unsere iranischen GenossInnen sind bereits mit den besten ArbeiterInnen und Jugendlichen im Kontakt. Auf dieser Basis können wird eine starke Marxistische Tendenz aufbauen.

Palästina und Israel

Im Herz des Nahen Osten liegt das Palästinaproblem, das seit langer Zeit eine Quelle der Instabilität in der Region ist. Bush und besonders Blair möchten den moderaten (d. h. bürgerlichen) Flügel des palästinensischen Establishments ermutigen. Aber all die Versprechen von Bush und Blair über die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates stehen als hohle Heuchlerei da. Mit seinen Plänen im Irak, die zu Schutt zerfallen sind, und der Situation in Saudi Arabien, die immer unsicherer wird, müssen sich die USA noch mehr als früher auf ihren einzigen beständigen Verbündeten im Nahen Osten verlassen: Israel. Bush kann es sich nicht leisten, Israel zu verärgern.

Mehr als bisher ist die Politik des US-Imperialismus in dieser Frage von den reaktionärsten Kreisen in Tel Aviv bestimmt, die noch dazu besondere Beziehungen mit den Hardlinern der religiösen Rechten bei den Republikanern haben. Israel geht selbst durch eine politische Krise, die einzigartig in der Geschichte des Staates ist. Dass Sharon plötzlich durch einen Schlaganfall lahm gelegt wurde, ist ein historischer Zufall der reinsten Form. Aber die Frage muss gestellt werden: Wie kommt es, dass das ganze politische Leben von Israel in die Krise gestürzt wurde wegen eines alten kranken Mannes? Das ist ein Ausdruck einer kompletten Unfähigkeit - der Ausdruck eines instabilen Systems.

Diese Turbulenzen werden nicht direkt durch wirtschaftliche Faktoren ausgelöst, sondern die Krise des israelischen Kapitalismus beeinflusst die Psychologie der Massen in entscheidender Weise. In der Vergangenheit hat die israelische Bevölkerung (genau wie die Australier) von einem hohen Lebensstandard profitiert. Als die zionistische Arbeiterpartei noch an der Macht war, hat sie Reformen gemacht, von denen die Massen profitierten. Es wurden sogar Lippenbekenntnisse zum "Sozialismus, gemacht. Nun wurde all das zurückgenommen. Die Wirtschaft ist in der Krise. Die Arbeitslosigkeit liegt in Israel bei zehn Prozent, und es gibt Suppenküchen. Statt Reformen gibt es jetzt Konterreformen.

Vor diesem Hintergrund gab es eine Spaltung in der Arbeiterpartei und im Likud. Das brachte eine Polarisierung in Links und Rechts, was tiefe Auswirkungen auf die ganze Situation haben kann. Das Problem ist die fehlende Führung und die nationale Frage, die ständig die Aufmerksamkeit der Massen von der Klassenfrage ablenkt.

In den Palästinensergebieten gibt es auch wachsende Unzufriedenheit mit den korrupten bürgerlichen Führern der Fatah. Mahmoud Abbas strebt danach, ein amerikanischer Handlanger zu werden. Aber er ist nicht einmal darin erfolgreich. Er kann die Massen nicht kontrollieren, und Washington hat keine Verwendung für Handlanger, die die Massen nicht kontrollieren können. Die Übergabe des Gaza-Streifens war von Tel Aviv als Manöver gedacht, um das Halten von Jerusalem und dem größten Teil der Westbank zu rechtfertigen. Es hat zu wenigen Verbesserungen für die Menschen im Gaza-Streifen geführt, die in tiefer Armut leben mit Massenarbeitslosigkeit und dem Traum eines palästinensischen Staates, der illusorisch bleibt. Die letzten Wahlen zeigten einen umfassenden Sieg für die Hamas, was die Tiefe der Unzufriedenheit mit de korrupten und unfähigen palästinensischen Establishment ausdrückte. Aber die Massen sind erschöpft nach Jahren des Kampfes und Mühsal. Sogar die Teilnahme der Hamas an den Wahlen war ein taktisches Zugeständnis in diese Richtung.

In Wirklichkeit gibt es für die palästinensische Bevölkerung keinen anderen Ausweg als eine revolutionäre Veränderung: Der Sturz der korrupten und bankrotten Führung und der Sturz der reaktionären zionistischen herrschenden Klasse in Israel. Das kann nicht ohne die Unterstützung des entscheidenden Teils der israelischen ArbeiterInnenklasse geschehen. Die Bedingungen für eine echte Einheit im Kampf zwischen den palästinensischen Massen und den arbeitenden Menschen in Israel beginnen sich zu entwickeln. Aber die erste Bedingung ist, dass die konterproduktive Taktik des Individualterrorismus aufgegeben wird und stattdessen die Kontakte zwischen den ArbeiterInnen und der Jugend von Palästina und Israel systematisch aufgebaut werden. Dafür braucht es eine echte revolutionäre Partei und Führung.

Die Krise im Nahen Osten ist ein Teil der globalen Turbulenzen, die sich unkontrollierbar ausbreiten. Das Einschreiten des Imperialismus kann dies nicht stoppen. Im Gegenteil, es macht die Dinge noch schlimmer. Früher oder später hat das Auswirkungen auf das Leben in den westlichen Ländern. Die Terroranschläge in London zeigten, dass das Chaos im Nahen Osten und die Besetzung des Irak Wellen im politischen Leben Europas schlagen können. Das gleiche galt für die Aznar-Regierung. Der Sturz der Regierung war die direkte Folge eines Terroranschlags, der mit dem Irakkrieg zusammenhing. In der nächsten Zeit werden wir ähnliche Entwicklungen in Italien sehen und sogar in den USA selbst.


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