Was bedeutet «Sozialismus oder Barbarei»? Ein Blick nach Afrika in Coronazeiten zeigt, dass dieser Slogan die nackte Realität darstellt. Von Felix Looby.
Die Hygiene- und Wohnbedingungen sind miserabel. In den Grossstädten herrschen unglaubliche Arbeitslosenquoten: von 30% in Kapstadt zu 65% in Ouagadougou und Niamey. Der sogenannte informelle Sektor, das heisst vor allem Tagelöhner-Jobs und andere Jobs mit unsicheren Arbeitsbedingungen, sind allgegenwärtig. Menschen leben von der Hand in den Mund. Die Wahl lautet vielerorts: Sterben am Virus oder Sterben an Hunger. Social-Distancing-Massnahmen sind hier unmöglich.
Die Gesundheitssysteme sind der Lage nicht ansatzweise gewachsen ist. In Nigeria leben 200 Mio. Menschen, von denen bis Mitte April nur 5000 auf Corona getestet werden konnten. Kenia hat eine Bevölkerung von 50 Mio., für welche 130 Intensivbetten und ein Intensivpflegepersonal von 200 Beschäftigten bereit stehen. In Mali sind es 37 Betten, in Somalia 15. Länder wie Angola und die Elfenbeinküste meldeten der WHO, keine Intensivstationen zu haben.
Auf dem ganzen Kontinent sterben Menschen an Krankheiten, die verhindert werden könnten oder in anderen Ländern kein Problem darstellen. Neben Krankheiten wie Malaria, HIV, Tuberkulose und den Masern, die jährlich Millionen Menschenleben kosten, sind Durchfallkrankheiten, die in bspw. den USA niemanden töten, eine der führenden Todesursachen. Die aus medizinischer Sicht behandelbaren bzw. vermeidbaren Krankheiten sind in Afrika kaum zu stoppen. Es ist eine reine Geldfrage, eines der hässlichsten Gesichter des Kapitalismus.
Krise und Imperialismus
Seit Jahrzehnten wird der Kontinent systematisch geplündert. Studien belegen, dass seit den 80ern rund 16.3 Billionen US-Dollar (in Form von Zinszahlungen, Profite aus Ressourcenabbau und andere «zurückgeführte» Einkünfte, Kapitalflucht etc.) aus dem Kontinent in die reichen imperialistischen Länder geflossen sind.
Intakte Gesundheitssysteme und Infrastruktur sind unter diesen Umständen undenkbar. Der Imperialismus entzieht den afrikanischen Ländern systematisch Geld und Ressourcen und zementiert oder verschlechtert sogar die ärmlichen Verhältnisse. Anstatt die sogenannten Drittweltländer zu «entwickeln», wie das von bürgerlicher Seite behauptet wird, helfen die Entwicklungsländer vielmehr der Entwicklung der imperialistischen Staaten.
Die fehlende Infrastruktur und schlechten Hygienebedingungen werden jetzt von der riesigen weltweiten Wirtschaftskrise zusätzlich unter Druck gesetzt. Aufgrund der unterbrochenen Handelsketten ist der Preis für Reis, der aus Asien stammt und Hauptnahrungsmittel ist, explodiert. Krankheit, Arbeitslosigkeit, Hunger und Armut gehören schon zum Alltag und werden nun massiv verstärkt. Wir sehen: Das Einzige, was schlimmer ist als der Kapitalismus, ist der Kapitalismus in der Krise.
Explosive Mischung
Die «Barbarei» im Slogan «Sozialismus oder Barbarei» ist also nicht nur eine negative Zukunfts-Perspektive, sondern vielerorts heute bereits Realität. Der arabische Frühling, die revolutionären Bewegungen in Algerien, im Sudan und in zahlreichen weiteren Ländern belegen die Kampfbereitschaft der afrikanischen Massen. Corona trifft auf eine explosive Mischung aus Krise und Aufstand. Der Funke einer erfolgreichen revolutionären Bewegung in nur einem Land könnte ein Lauffeuer der Revolution auf dem ganzen Kontinent auslösen.
Weltweit wird versucht, die Krise auf die ArbeiterInnen und Unterdrückten abzuwälzen. Es liegt im gemeinsamen Interesse der Arbeiterklasse aller Länder sich zu organisieren und dagegen zu kämpfen. Der Kampf gegen diese Krise ist der Kampf gegen den Imperialismus, und dieser kann nur international geführt werden. Denn der Kampf gegen die Ausbeutung dort, bedingt den Kampf gegen die Ausbeuter Néstle, Novartis, Syngenta, Credit Suisse etc. hier. Sie gehören verstaatlicht und unter demokratische Arbeiterkontrolle gestellt. Dafür brauchen wir die revolutionären Ideen des Marxismus. Wir müssen jetzt die International Marxist Tendency aufbauen! Setzen wir der Barbarei des Kapitalismus ein Ende!
(Funke Nr. 184/3.6.2020, Erstveröffentlichung beim Schweizer Funke)