Burkina Faso – das nächste Land in Westafrika, dessen Regierung durch das Militär abgesetzt wurde. Paul Ziermann-Österreicher analysiert die Hintergründe der Krise in der Sahelzone.

Guinea-Bissau, Guinea, Mali, Burkina Faso, Niger, Tschad, Sudan – von der Küste des Atlantiks bis ans Rote Meer reicht der subsaharische Korridor von erfolgreichen und gescheiterten Militärputschen im Subsahara-Afrika der vergangenen Monate. Die EU und allen voran die alte Kolonialmacht Frankreich sind in der Defensive, daher auch das neugeweckte Interesse Österreichs Wirtschaftsministerin Schramböck am Kontinent. Sie meint, „dass es Zeit ist, dass Europa tätig wird.“ Denn „Afrika ist nicht nur ein Land, aus dem Flüchtlinge kommen. Sondern es ist ein Land voller Chancen, voller junger Menschen, die hochdigitalisiert sind.“

Die Saat des Imperialismus

Derzeit befinden sich rund 20.000 französische und UN-Soldaten (darunter auch das österreichische Bundesheer) im Dreiländereck von Burkina Faso, Niger und Mali. Ihr Ziel ist es vordergründig, die Kämpfer des Islamischen Staates (IS) zurückzudrängen, das übergeordnete Ziel ist es jedoch, die französische Dominanz in der Region aufrechtzuerhalten und den wachsenden Einfluss Chinas und Russlands in der Subsahara einzudämmen. Der nun angekündigte Abzug französischer Truppen aus Mali zeigt die Verschiebung der internationalen Kräfteverhältnisse zuungunsten Europas an.

Der IS konnte durch die imperialistischen Interventionen in Libyen einen Fuß in die Tür bekommen. Um 2011 die revolutionären Bewegungen im arabischen Raum unter Kontrolle zu bekommen, unterstützten v.a. die USA, Frankreich und Italien islamistische Milizen. Nachdem der libysche Diktator Gaddafi mit ihrer Hilfe gestürzt worden war, ging der blutige Bürgerkrieg weiter, in dem jetzt auch die Türkei und Russland ihre Stellvertreterkriege führen und die „demokratischen Verbündeten“ Italien und Frankreich auf verschiedenen Seiten um Einfluss im Land kämpfen. Ein Ergebnis davon ist die Entstehung und Stärkung von islamistischen Gruppen südlich des Landes, die aus dem libyschen Waffenarsenal bestens bewaffnet sind – v.a. in Mali, Mauretanien, Niger und bis nach Burkina Faso.

Sahel Region JayCoop Wikimedia CommonsBild: Sahel Region (JayCoop, Wikimedia Commons)

Allein in Burkina Faso verloren 1,5 Millionen Menschen im Zuge dieser Destabilisierung ihr Zuhause – und das in einem Land mit gerade einmal 20 Millionen EinwohnerInnen. All dies nährt den Hass auf den IS, aber auch auf die ausländischen Truppen im Land, die, anstatt zu helfen, selbst Verbrechen gegen die Bevölkerung begehen. Erst im November 2021 wurden Dutzende Menschen verletzt, als französische Soldaten in eine Demonstration schossen. Die Regierung war unter diesen Bedingungen extrem unbeliebt. Der aktuelle Putsch des Militärs ist nun der Versuch der Herrschenden, der Revolution der Massen zuvorzukommen und genießt daher die Unterstützung Frankreichs.

Die revolutionäre Tradition

Bereits 2014 zeigten die Menschen des Landes, wozu sie fähig sind, indem sie Langzeitdiktator Blaise Compaoré stürzten. Dieser putschte sich 1987 an die Macht, wobei er den unter den Unterdrückten extrem populären revolutionär-sozialistischen Präsidenten Thomas Sankara mit tatkräftiger Hilfe Frankreichs ermorden ließ.

Die vierjährige Regentschaft Sankaras hat den Hass der Imperialisten und ihrer Lakaien hervorgerufen, weil er die Massen gegen die grassierende Armut, Unterdrückung und Entmenschlichung mobilisierte und zu einer afrikaweiten Revolution aufrief. Die Konterrevolution Compaorés führte nicht nur dazu, dass zahlreiche Errungenschaften der sankaristischen Revolution, etwa im Bildungs- oder Gesundheitssektor oder auf dem Gebiet der Frauenbefreiung, wieder rückgängig gemacht wurden, sondern auch dazu, dass Burkina Faso ein vom Imperialismus dominiertes Armenhaus blieb. Compaoré wurde 2014 von Massendemonstrationen und Generalstreiks zum Rücktritt gezwungen. Ein Putschversuch der ehemaligen Präsidentengarde im Jahr darauf, der das Ziel hatte, Compaoré zurück an die Macht zu bringen, scheiterte ebenfalls am Widerstand der Massen.

Bei den 2016 abgehaltenen Wahlen kam dann mit dem bereits erwähnten Roch Kaboré ein Mann aus der alten Riege von Compaoré an die Macht. Dieser hatte jedoch wenig Rückhalt in der Bevölkerung. So nahmen an der allerersten Wahl des Landes nach dem Sturz Compaorés gerade einmal 60% der BürgerInnen teil, 2020 bei seiner Wiederwahl waren es gerade noch 50%. Dies ist jedoch nicht auf das mangelnde politische Bewusstsein der Burkinabé zurückzuführen, sondern viel eher Ausdruck ihres Misstrauens gegenüber der bürgerlichen Demokratie.

Am 23. Jänner 2022 wurde der burkinische Präsident Roch Kaboré vom Militär für abgesetzt erklärt. Die Lage in Burkina ist schon seit längerem extrem instabil. So wurde erst im Dezember 2021 die komplette Regierung ausgetauscht, und es kam zu immer größeren Demonstrationen gegen Kaboré. Die Unzufriedenheit der Menschen richtet sich vor allem gegen die Unfähigkeit der Regierung, dem wachsenden IS-Terror im Land Herr zu werden.

Seit dem Sturz von Compaoré im Jahr 2014 ist Burkina von Streiks und Massenmobilisierungen und andererseits ständigen Umgruppierungen in der politischen Elite der Herrschenden geprägt. Gerade die jüngere Generation orientiert sich wieder stark an den Ideen und Taten des „afrikanischen Che Guevaras“, Thomas Sankara.

Die Massen dürfen nicht zögern, sich mit allen Unterdrückten zu verbünden und gemeinsam die Terroristen und die imperialistischen Mächte davonzujagen. Dazu brauchen sie ihre eigenen Organisationen, dass nicht imperialistische Söldnertruppen und zufällige Generäle die Mobilisierungen der Massen letztendlich für ihre eigene Zwecke nutzen.

Die revolutionäre Geschichte Burkina Fasos zeigt allen Unterdrückten, was alles möglich ist, wenn ArbeiterInnen, Bauern/Bäuerinnen und die Jugend gemeinsam ihr Schicksal in die Hand nehmen.

(Funke Nr. 201/23.2.2022)


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