Das folgende Papier über die Ereignisse und Entwicklungen in der Ukraine wurde am Weltkongress der IMT diskutiert und einstimmig angenommen.

Die eigentliche Ursache für die Krise in der Ukraine ist in den katastrophalen Folgen der Restauration des Kapitalismus zu sehen. Die Zerstörung der Planwirtschaft bedeutete nicht nur aus ökonomischer, sondern auch aus sozialer Sicht einen enormen Rückschlag.

Aus der Asche der Planwirtschaft erhob sich ein brutales, kapitalistisches Regime, das auf groß angelegtem Raub staatlichen Eigentums durch unterschiedliche Gruppen von Ganoven und Mafiosi – den Oligarchen – beruht. Sie kontrollieren seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sowohl die Wirtschaft wie auch das politische System in der Ukraine.

Dieser Mafia-Kapitalismus führte zu andauernder Instabilität, wobei der westliche Imperialismus die Krise in Russland ausnützte, um seinen Einfluss auf die Ukraine auszudehnen. Dadurch wurde das Kräfteverhältnis in dieser Region für eine ganze Periode zerrüttet, was wiederum die Bedingungen für die heutige Krise schuf.

Einige Oligarchen kamen zu dem Schluss, dass Allianzen mit dem Westen ihren Interessen besser dienen würden, andere richteten sich eher nach Russland aus, aber die maßgebliche Motivation beider Gruppen war die Profitmaximierung um jeden Preis, durch legale und nicht zuletzt auch durch illegale Mittel. Auf dieser Grundlage war es unmöglich, auch nur den Schein einer funktionierenden, bürgerlichen Demokratie zu errichten. Ein korruptes und autoritäres Regime folgte auf das andere.

Ende 2013 fasste der damalige Präsident Janukowitsch den Beschluss, ein geplantes Assoziationsabkommen mit der EU in letzter Minute doch nicht zu unterschreiben, und stattdessen einen Deal mit Russland zu unterzeichnen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er im Interesse der Oligarchen regiert und folgte einem, vom IWF inspirierten, Programm weitgehender Privatisierungen und Sparmaßnahmen, was seine Unterstützung in der Bevölkerung schwinden ließ, selbst im Südosten der Ukraine, wo sich seine hauptsächliche Wählerbasis befand.

Der einzige Grund, warum Janukowitsch mit dem Westen brach, war, weil er dachte, er könnte in den Verhandlungen mit Russland einen besseren Deal herausschlagen. Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus verfolgte

Deutschland eine Politik der Ostexpansion und war bereit, große Summen Geld auszugeben, um sich in dieser Region eine Vormachtstellung zu sichern. Aber 2013, inmitten der tiefsten Krise des europäischen Kapitalismus, war Deutschland nicht mehr allzu erpicht darauf, den Betrag an Geld auszugeben, der notwendig gewesen wäre, um die Ukraine (die vor einer schweren ökonomischen Krise stand) in die EU zu holen. Janukowitsch versuchte den Westen und Russland gegeneinander auszuspielen, um so den besten Deal herauszuholen.

Seine Entscheidung, das Abkommen mit der EU nicht zu unterschreiben, war der Auslöser für eine Bewegung, die als Euromaidan bekannt wurde. Die Bewegung hatte bis zu einem gewissen Grad Massenunterstützung. Dies galt vor allem für jene Teile der Bevölkerung (hauptsächlich im Westen und im Zentrum des Landes), die nach Westeuropa blickten und die Illusionen in eine Annäherung an die EU hatten. Die Menschen erwarteten sich davon einen Anstieg des Lebensstandards oder eine Wiederholung des polnischen “Wunders”. Dies war eine reaktionäre Illusion, aber sie konnte einen Teil der Gesellschaft für Proteste gegen Janukowitsch mobilisieren.

Obwohl sie die reale Unzufriedenheit in der Bevölkerung widerspiegelte und, vor allem zu Beginn, Massencharakter hatte, war Euromaidan in letzter Instanz eine reaktionäre Bewegung – hinsichtlich ihrer Klassenzusammensetzung, ihrer politischen Ziele und der in ihr dominanten politischen Kräfte und Führung.

Sie setzte sich hauptsächlich aus kleinbürgerlichen, liberalen Intellektuellen, Lumpenelementen, der ruinierten Mittelschicht zusammen und war vor allem in den ländlichen Regionen im Westen des Landes stark. Ihr erklärtes Ziel war ein Assoziationsabkommen mit der EU, welches notwendigerweise mit bestimmten Bedingungen in Form von “Austeritätsprogrammen” verknüpft wäre. Das würde aber bedeuten, dass die Arbeiterklasse für die Krise des Kapitalismus zahlen müsste. Schlussendlich dominierten die oppositionellen, bürgerlichen Parteien die Mobilisierung und Kräfte von Rechtsaußen sowie Neonazi-Gruppen stellten die Stoßtruppen auf dem Maidan.
Die USA hatten großen Einfluss auf den Ausgang der Euromaidan Bewegung, auf die gleiche Weise wie sie auch schon 2004 entscheidend auf die “Orange Revolution” einwirkten. John McCain sprach auf den Versammlungen in Kiew und der stellvertretende Außenminister der USA gab zu, seit der Unabhängigkeit der Ukraine fünf Milliarden Dollar ausgegeben zu haben, um die eigene Politik in der Ukraine durchsetzen zu können.

Als Janukowitsch erkannte, dass er mittels Repression nicht länger an der Macht bleiben und keine nennenswerten Kräfte gegen die Euromaidan-Bewegung mobilisieren konnte, entschloss er sich für einen Deal, der seinen Rückzug beinhaltete. Das war jedoch zu wenig und zu spät. Die Kräfte, die freigesetzt worden waren, hatten nicht länger Interesse an einem Deal, sondern wollten einen klaren Bruch. An diesem Punkt wurden Scharfschützen eingesetzt um DemonstrantInnen und PolizistInnen zu ermorden. Es ist nicht klar, wer dies anordnete, aber das Ergebnis war, dass Janukowitsch aus dem Land fliehen musste und eine neue “stellvertretende” Regierung wurde in Kiew eingesetzt. Für jene, die sich für die Legitimierung dieser neuen Regierung interessieren: Sie wurde von der Rada (Parlament) gewählt, während das Parlamentsgebäude von bewaffneten Paramilitärs der Faschisten und Neonazis umzingelt und “beschützt” wurde.

Wir können die abgesetzte Regierung Janukowitschs in keinster Weise unterstützen, doch die neue Regierung war sogar noch reaktionärer. Es war eine Regierung prowestlicher, bürgerlicher Parteien, in der Minister der rechtsextremen Partei Swoboda saßen (welche außerdem die Position der Staatsanwaltschaft übernahm), und die Mitglieder des neonazistischen Rechten Sektors einlud, Teil der Regierung zu werden (obgleich diese ablehnten).

Die Regierung unter Premier Jazenjuk hatte sich den Interessen aus Washington komplett verschrieben und war darum bemüht, das Land in die NATO und die EU zu führen. Jazenjuk beschrieb sie als Kamikaze-Regierung, die ihre Rolle darin sah, quasi als „Schocktherapie“ in kurzer Zeit eine Reihe von Forderungen des IWF zu implementieren, um dann einer neuen Regierung Platz zu machen, die zumindest den Anschein von Legitimität aufweisen sollte. Zu den geplanten Maßnahmen zählten die Kürzung der Subventionen für die Heizkosten, Massenentlastungen von öffentlich Bediensteten, das Einfrieren von Löhnen und Pensionen usw.

Diese Wende in der Ausrichtung der Ukraine war eine klare Provokation gegenüber der herrschenden Clique in Moskau, welche nicht zulassen würde, dass ein weiteres Land der ehemaligen Sowjetunion der NATO beitritt oder sich mit ihr assoziiert, schon gar kein Land, das einen wichtigen strategischen Marinestützpunkt der russischen Flotte in Sevastopol beheimatet und in dem eine große russisch sprechende Minderheit lebt.

Seit dem Krieg in Georgien 2008 versucht Russland sich in der Weltarena zu behaupten. Obwohl es bei weitem nicht so stark wie der US-Imperialismus ist, ist Russland ein kapitalistischer Staat, der von einer parasitären und habgierigen Oligarchie regiert wird, die nach Kontrolle über Rohstoffe und Einflusssphären strebt. Seine Außenpolitik wird komplett von den Interessen und Zielen der Oligarchie bestimmt und beinhaltet keinerlei fortschrittlichen Inhalt. Obwohl es nicht wirklich die ökonomische oder militärische Stärke hat, um die USA in der Weltarena herauszufordern, strebt es nach einer unabhängigen Außenpolitik und will aus einer starken Position heraus mit den USA verhandeln.

Der Krieg gegen Georgien in Südossetien stellte einen Wendepunkt dar, an dem Russland es schließlich schaffte, auf regionaler Ebene die Fehler des US-Imperialismus, welcher die eigenen Truppen überstrapaziert hatte, und Russlands bessere Bodentruppen zu seinem Vorteil zu nutzen. Die Militärführung und die herrschende Klasse in Russland beobachteten – mit einem Gefühl der nationalen Demütigung – wie nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein Land nach dem anderen, von denen einige sogar Teil der Sowjetunion gewesen waren, in die Einflusssphäre des Westens gerieten. Die Aufspaltung Jugoslawiens und die Bombardierung Serbiens trugen ebenfalls dazu bei, dass sich das russische Militär umzingelt und belagert fühlt.

Die relative Schwächung des US-Imperialismus, der durch die Abenteuer in Afghanistan und im Irak im letzten Jahrzehnt mit seinen Ressourcen stark am Limit ist, wurde im Zuge des Georgienkriegs 2008 offensichtlich. Obwohl Moskau darauf eingestellt war, Assad fallen zu lassen, als alles nach seinem Sturz aussah, nahm Russland in Syrien letztlich eine Position ein, die es in Konflikt mit den USA brachte. Auch im August 2013 spielte Moskau eine Schlüsselrolle in Obamas Fiasko rund um die Drohungen der USA, Syrien als Strafe für den angeblichen Gebrauch von Chemiewaffen zu bombardieren. All das bestätigte sich in den jüngsten

Entwicklungen im Irak, die erneut die Unfähigkeit der US-Administration deutlich machten.
Dies offenbarte sich nun auch in der Art und Weise, wie sich die Krise in der Urkaine entwickelte. Rund um die Annexion der Krim zeigte sich die Schwäche des US-Imperialismus in dieser Auseinandersetzung ganz offen. Die US-Regierung zeigte sich empört und entrüstet und sprach von „roten Linien“, die nicht übertreten werden dürften, vom unantastbaren Prinzip der Nationalgrenzen und anderem Schwachsinn, aber letzten Endes wurde sie vor vollendete Tatsachen gestellt, als Russland die Krim annektierte.

Es lohnt sich, Putins Rede zu erwähnen, in welcher er die Doppelmoral des US-Imperialismus denunzierte und Washington vorwarf, vor 15 Jahren die Unabhängigkeit des Kosovo unterstützt und Serbien (Russlands traditionellen Verbündeten) bombardiert zu haben. Der gegenwärtige Konflikt in der Ukraine hat Russland in ein engeres Bündnis mit China gedrängt und die Beziehungen zu den USA weiter belastet.

Aus der Sicht der Clique im Kreml hatte die Annexion der Krim nichts mit dem Willen der Bevölkerung auf der Insel zu tun, sondern vielmehr mit der Verteidigung der eigenen strategischen Interessen. In jedem Fall und unabhängig davon unter welchen Umständen das Referendum abgehalten wurde, reflektierte die Annexion den Willen der Mehrheit der Bevölkerung auf der Krim, welche die neuen Autoritäten in Kiew ablehnte und hoffnungsvoll Richtung Russland blickte.
Von Anfang an implementierte die neue Regierung in Kiew eine Reihe von Maßnahmen, die von der russisch sprechenden Bevölkerung im Süden und Osten des Landes nur als Provokation aufgefasst werden konnte. Das Parlament, die Rada, stimmte für die Abschaffung eines Gesetzes aus der Janukowitsch-Ära, das Minderheitensprachen auf regionaler Ebene offiziellen Status gewährte (obgleich diese Gesetzesänderung aufgrund der großen Empörung darüber letztlich nicht von Turtschinow unterzeichnet wurde). Kiew betraute verhasste Oligarchen in den Regionen Donezk, Charkow, Dnipropetrowsk etc. mit den Regierungsgeschäften. ArbeiterInnen in den Industrieregionen im Süden und Osten verstanden, dass jegliches Abkommen mit dem IWF und der EU und das Aufbrechen der Verbindungen mit Russland zu ihrem Nachteil wären.

Aus diesen Gründen bildete sich im Osten und Süden der Ukraine eine Anti-Maidan Bewegung für nationale, demokratische und soziale Rechte heraus. Ohne Zweifel spielten Elemente aus der Partei der Regionen des Ex-Präsidenten und möglicherweise auch russische Agenten, die eigene Interessen verfolgten, eine Rolle in der Entfachung dieser Bewegung. Allerdings war die Bewegung in erster Linie sozialen Ursprungs und spiegelte die weitverbreitete Ablehnung der „stellvertretenden Regierung“ in Kiew seitens der Arbeiterklasse wider. Die ArbeiterInnen sehen diese richtigerweise als Regierung der Oligarchen, die die nationalen, demokratischen und sozialen Rechte mit Füßen tritt.

Über Wochen gab es Anti-Regierungsdemonstrationen in Charkow, Odessa, Luhansk, Donezk etc. Diese Bewegung umfasste unterschiedliche Elemente. Es gab das Element des russischen Nationalismus, was sich daran zeigte, dass bei den Protesten russische Flaggen mitgetragen wurden. Doch auch das sollte differenziert gesehen werden und ist nicht nur Ausdruck eines blinden Nationalismus. Eine Umfrage zeigte, dass das, was die Leute in diesen Regionen positiv mit Russland verbinden, vor allem die höheren Löhne der IndustriearbeiterInnen sind.

Es gab auch das Element einer gewissen Sowjet-Nostalgie, das Rückbesinnen auf eine Zeit, als es Vollbeschäftigung, Bildung und Krankenversicherung für alle gab, und als nicht Millionen sich gezwungen sahen, auf der Suche nach einem Lebensunterhalt das Land zu verlassen. Darin suchen viele eine Alternative zur epidemischen Drogenabhängigkeit, zu Alkoholmissbrauch und Perspektivlosigkeit.

Auch der Antifaschismus spielte eine wichtige Rolle. Millionen UkrainerInnen hatten im Zweiten Weltkrieg als Teil der Roten Armee gegen Nazi-Deutschland gekämpft. Daher fühlen sich viele vom rechten, reaktionären ukrainischen Nationalismus zu Recht abgestoßen. Die extreme Rechte in der Ukraine sieht sich als Erbin der Nazi-Kollaborateure im Zweiten Weltkrieg rund um den Antikommunisten Stephan Bandera, die SS Galizien Division etc.

Auch in diesem Zusammenhang spielt die nationale Frage eine wichtige Rolle. Politische Säuberungen, Zwangskollektivierung, Massendeportationen etc. während des Stalinismus führten dazu, dass sich ein Teil des ukrainischen Nationalismus insbesondere im Westen des Landes mit fanatischem Antikommunismus und reaktionärem Ideengut vermischte.

Schließlich gab es auch reaktionäre, prorussische, ja sogar zaristische Elemente in der Anti-Maidan Bewegung. An jenen Orten, wo linke Organisationen stärker präsent waren, gelang es die reaktionären Elemente zurückzudrängen. Dort dominierten letztlich linke Ideen und Symbole die Bewegung (etwa in Odessa und Charkow).

Vor allem hatte die Bewegung aber tiefgreifende soziale und ökonomische Ursachen und kann nicht als das Werk russischer Agenten, Agitatoren und bezahlter Söldner erklärt werden. Nach einer gewissen Zeit, als die Bewegung keine klaren Perspektiven entwickeln konnte, suchte ein Teil nach etwas, das wie eine Abkürzung aussah: Die bewaffnete Besetzung öffentlicher Gebäude, die Ausrufung unabhängiger Republiken und der Ruf nach einer russischen Intervention. Bis zu einem gewissen Grad hat man sich diese Methoden von Euromaidan abgeschaut, die in diesem Fall zu funktionieren schienen. Und auch auf der Krim schien dieser Weg zum Erfolg zu führen.

Allerdings war die Krim für Putin von großer strategischer Bedeutung, während Donezk und Luhansk das nicht sind. Die Besatzung und Annexion dieser Regionen würden auf Widerstand seitens der ukrainischen Armee stoßen, Russland würde dadurch international in eine schwierige Position kommen und seine Handelsbeziehungen zur EU würden darunter schwer leiden. Putin stellte sich die Frage, wozu das alles? Eine Annexion dieser Industrieregionen durch Russland hätte den Kreml dazu gezwungen, die Kosten für die aus kapitalistischer Sicht notwendigen „Restrukturierungen“ der dort ansässigen Industrien zu übernehmen.

Das Ziel der russischen Oligarchie in der Ukraine war nie die Annexion dieser zwei Regionen, sondern vielmehr ging es darum die eigene Macht (die sich hauptsächlich aus der Energieversorgung ergibt) zu nutzen, um die Regierung in Kiew dazu zu zwingen, zu einer Verständigung sowohl mit Russland als auch mit der EU zu gelangen (anstatt eines einseitigen Anschlusses an die NATO). Hätte es jedoch ein Massaker an ZivilistInnen im Donbas gegeben, wäre Putin möglicherweise dazu gezwungen gewesen, trotz der befürchteten Konsequenzen zu intervenieren. Er wählte den Weg der Erpressung mit Energieversorgung und eine Zurschaustellung der militärischen Macht an der Grenze zur Ukraine, um das zu bekommen, was er eigentlich will.
An diesem Punkt überschneiden sich die Interessen des Kreml mit denen des deutschen Kapitalismus. Deutsche Firmen haben wichtige Investitionen und Interessen in Russland, und vor allem ist Deutschland vom Gas aus Russland abhängig, das durch die Ukraine geführt wird. Wirtschaftssanktionen gegen Russland würden dem deutschen Kapitalismus schaden. An diesem Punkt gehen die Interessen von Washington und Berlin auseinander. Das Weiße Haus weiß, dass der Handel zwischen den USA und Russland unbedeutend ist und setzt in diesem Konflikt auf Provokationen gegen den Kreml.

Die Wahl Poroschenkos, eines gewitzten Oligarchen, der alle Regierungen seit der Restauration des Kapitalismus in der Ukraine unterstützt hat und bei jedem Machtwechsel auf der Siegerseite stand, spiegelte sowohl das Interesse Moskaus als auch Berlins nach einer für beide Seiten akzeptablen Einigung wider.

Die Ausrufung der Republiken von Donezk und Luhanks ging wohl mit der Illusion einher, dass Russland diese rasch anerkennen würde. Die ursprüngliche Unabhängigkeitserklärung der Volksrepublik Donezk beinhaltete eine Reihe sehr progressiver Aussagen, wie die Vorrangstellung von kollektivem Eigentum gegenüber Privateigentum; die Ablehnung der Ausbeutung von Menschen durch Menschen und das Ziel einer multinationalen, multiethnischen Republik. Doch der Klassencharakter der Bewegung in der Ostukraine blieb generell unklar. Symbole der Sowjetunion waren genauso zu sehen wie Bilder von Lenin (und Stalin!), es wurde Bezug auf die Sowjetrepublik des Südostens von 1918 genommen, anti-faschistische Slogans waren in der Bewegung dominant vertreten, aber gleichzeitig waren auch nationalistische und religiöse Symbole sehr stark präsent. Es war eine Bewegung, deren Kern von progressiven, linken und gegen die Oligarchie gerichteten Elemente gebildet wurde, gleichzeitig herrschte in der Bewegung eine große ideologische Konfusion vor. Wie könnte es nach 25 Jahren ideologischer Gegenoffensive im Zuge der Restauration des Kapitalismus auch anders sein.

Kiew antwortete auf die bewaffnete Besetzung der Verwaltungsgebäude und das massenhafte Überlaufen von Kräften der Polizei auf die Seite der Aufständischen mit einer „Anti-Terror-
Operation“ (ATO). Allerdings scheiterten drei aufeinanderfolgende Wellen der ATO, weil sich ukrainische Truppeneinheiten weigerten, auf unbewaffnete ZivilistInnen zu schießen, die sich in Kramatorsk, Slawiansk etc. den Soldaten entgegenstellten und sich mit diesen verbrüdern wollten. Dies zeigt, dass die Bewegung im Donbas nicht das Ergebnis des Wirkens „russischer Agenten und separatistischer Söldner“ war, sondern auf die aktive oder passive Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung in diesen Regionen zählen konnte (was sich auch in den darauf folgenden Referenden bestätigte).

Nicht nur verbündeten sich Truppenteile mit der Bewegung, es gab auch Proteste von Verwandten von Wehrpflichtigen bzw. Reservesoldaten, die in einigen Fällen die Truppen physisch davon abhielten, an die Front zu gehen. Diese Soldaten, die von der Regierung in Kiew eingesetzt wurden, waren in den meisten Fällen nicht anständig ausgerüstet, hatten nicht genug zu essen oder bekamen keine ordentliche Bezahlung.

Kiew reagierte auf diese Proteste mit der Wiedereinführung der Nationalgarde und diverser Bataillons des Innenministeriums, die sich aus „patriotischen Freiwilligen“, meist Mitglieder von faschistischen und neonazistischen Organisationen, rekrutierten (Patrioten der Ukraine, Bruderschaft, Swoboda, Maidan Selbstverteidigung, Rechter Sektor). Die Eingliederung dieser paramilitärischen Schlägertrupps in die ATO diente zwei Zwecken: Die Regierung hatte nun fanatische Truppen zur Verfügung, die bereit waren, legale und illegale Aktionen gegen die „russischen TerroristInnen“ auszuführen, und es lenkte die extreme Rechte vom Widerstand gegen die Regierung ab (vergessen wir nicht, dass die Polizei einen Anführer des Rechten Sektors umgebracht hatte, worauf die Nazis mit gewaltsamen Gegenaktionen drohten).

Indem sie einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führte, rückte die Regierung noch weiter nach rechts. Wer sich ihr entgegenstellte, wurde zu einem „russischen Agenten“ oder einem „pro-russischen Separatisten“ gestempelt. Wir sahen nicht nur faschistische Übergriffe gegen linke Organisationen und das Schließen der Räumlichkeiten der Kommunistischen Partei in Kiew und andern Städten, sondern auch Maßnahmen zum Verbot der Partei, Razzien in den Büroräumlichkeiten von Borotba in mehreren Städten, wodurch diese Organisation schließlich in den Untergrund gezwungen wurde, eine Welle von Verhaftungen, ein hartes Durchgreifen gegen soziale Medien und allgemeine Angriffe auf demokratische Rechte.

Es wäre falsch, die Regierung in Kiew als „faschistische Junta“ zu bezeichnen. Es ist in erster Linie eine Regierung der Oligarchen, die brutale Sparmaßnahmen durchführt. Es sind dieselben Leute, die schon vor der Euromaidan-Bewegung an der Macht waren. Dennoch hat sich die herrschende Klasse stark nach rechts bewegt. Es ist nicht nur so, dass sie rechtsextreme Elemente als Stoßtruppen benutzt. Sprüche, die zuvor nur von Rechtsextremen zu hören waren, gehören nun in der Presse und den Medien zum allgemeinen Sprachgebrauch bzw. werden auch von Politikern wie Poroschenko verwendet. Aufmärsche am 1. Mai oder Gewerkschaftskonferenzen wurden von rechten Elementen in Zusammenarbeit mit Teilen des Staatsapparats angegriffen. Namhafte Oligarchen wie Timoschenko bedankten sich öffentlich bei den Tätern des Massakers von Odessa. Gleichzeitig ignorieren die Medien die Tatsache, dass der Rechte Sektor zugegeben hat, damals das Gewerkschaftshaus in Odessa in Brand gesetzt zu haben.

Die ATO, die in fast allen größeren Schlachten (vielleicht mit der Ausnahme von Mariupol) erfolglos blieb, setzt nun vermehrt auf Bombardements aus der Luft und andere rücksichtlose Kriegsmethoden. Dies hat nur dazu gedient, die Opposition gegen die Regierung zu verhärten und den bewaffneten Widerstand zu stärken. Hinzuzufügen ist die große Wirkung des Massakers von Odessa durch faschistische Schlägertruppen am 2. Mai, dem Tag, an dem die ATO begann.
Zur selben Zeit nahm die Bewegung im Donbas zunehmend militärische Züge an, was es reaktionären Kräften erleichterte an Einfluss zu gewinnen. Militärische Konflikte üben immer eine große Anziehungskraft auf Abenteurer, kriminelle Elemente u.ä. aus. Ein Beispiel hierfür ist der Führer des bewaffneten Widerstands in Slowjansk, Strelkow, ein russischer Monarchist, der als freiwilliger Söldner in Tschetschenien und Serbien gekämpft hat.

Die Verfassung der Volksrepublik Donezk (VRD), die ohne Diskussion veröffentlicht wurde, stellt gegenüber der Unabhängigkeitserklärung einen reaktionären Schritt rückwärts dar. In ihr geht es um den „orthodoxen Glauben“ als Leitprinzip für die Republik, öffentliches und privates Eigentum werden auf die gleiche Ebene gestellt usw.

Das ist aber nur eine Seite der Gleichung. Als immer klarer wurde, das Russland diese
Volksrepubliken nicht unterstützen würde, dass die Arbeiterschaft eine immer aktivere Rolle im Widerstand einnahmen und die Forderung nach Verstaatlichungen lautstark erhoben wurden, stellten sich die Oligarchen im Donbas, die die Proteste zu Beginn stillschweigend oder aus taktischen Überlegungen noch unterstützt hatten, auf die Seite von Kiew. Der reichste Mann des Landes, Rinat Achmetow, dessen Unternehmen beinahe 300.000 Menschen in der Region beschäftigen, ging so weit, dass er den Versuch unternahm, die eigenen ArbeiterInnen gegen die Volksrepublik zu mobilisieren. Er scheiterte dabei jedoch erbärmlich.

Dies schürte aber nur die ablehnende Haltung gegen die Oligarchen. Zunächst drohte die VRD Achmetow mit Enteignung, falls er sich weiterhin weigere, Steuern an die Volksrepublik zu zahlen. Dann erklärte ein anderer Sprecher der VRD, dass Achmetow von Enteignungen nicht betroffen sein werde, da er jemand sei, mit dem man verhandeln könne. Später wurde in einer Stellungnahme der Volksrepublik Luhansk von der Enteignung des illegal privatisierten Eigentums, das den Oligarchen in die Hände gefallen war, geschrieben. Der Bürgermeister von Slowjansk verkündete ebenfalls die Verstaatlichung aller Betriebe in der Stadt. Das zeigt deutlich, dass die Führung innerhalb der Volksrepubliken in dieser Frage gespalten ist.

Von großer Bedeutung ist die Bewegung der Bergarbeiter von Donezk, die sich nun – unabhängig davon, ob sie im öffentlichen oder im privaten Sektor arbeiten - gegen die ATO und für den Rückzug der ukrainischen Truppen zusammengeschlossen haben. Die ArbeiterInnen sehen es aber auch sehr kritisch, dass die Führung der Volksrepubliken in Bezug auf soziale und ökonomische Fragen sehr unschlüssig ist. Auf ihrer letzten Demonstration war nicht eine russische Fahne zu sehen, was ein wichtiges Zeichen ist. Es gibt auch Gespräche bezüglich der Wiedergründung einer Kommunistischen Partei in Donezk, die nicht nur die KPU, sondern auch andere linke Gruppen wie Borotba einschließen soll.

In Bezug auf den Konflikt zwischen Kiew und den Volksrepubliken traf Strelkow eine ziemlich treffende Einschätzung der militärischen Lage: „Die ukrainische Armee hat die Grenze umzingelt und dicht gemacht. Angesichts der militärischen und zahlenmäßigen Überlegenheit der Armee können wir nur Widerstand leisten, aber keinen Gegenangriff starten. Es ist eine Frage von Wochen oder vielleicht Monaten, doch ohne die Hilfe von Russland können wir nicht überleben“.
Russlands Weigerung Hilfe zu leisten, kommt aus seiner Sicht einem Verrat gleich. Ihm zufolge könne die Bewegung erst nach einem „Maidan in Moskau“ wieder erstarken.

Aus seiner sehr engen russisch-nationalistischen und rein militärischen Perspektive hat er natürlich Recht. Allerdings ist ein Bürgerkrieg immer mehr als nur eine militärische Angelegenheit, der Bürgerkrieg wird auch mit politischen Mitteln geführt. Sollte die VRD doch die Oligarchen enteignen und auf dieser Basis einen Aufruf an alle arbeitenden Menschen in der Ukraine, auch in den westlichen Regionen, richten, würde dies auf ein mächtiges Echo stoßen.

In der Zwischenzeit haben Poroschenko, Putin und Merkel die Bewegung im Donbas gewissermaßen abgewürgt. Diese drei mächtigen Spieler verfolgen ein klares Ziel: Sie wollen ein Verhandlungsergebnis erzielen, das die Rebellen außen vor lässt. Kiew muss die militärische Kontrolle über das gesamte Territorium (ausschließlich der Krim, die bereits aufgegeben wurde) zurückerlangen, Russland will Zugeständnisse, die ihm Mitsprache in der ukrainischen Innenpolitik garantieren, außerdem will es seine Geschäfte mit der EU weiter betreiben, und Deutschland will schließlich seine Geschäftsinteressen in Russland und die Gaszufuhr sicherstellen.

Das ist die wahre Bedeutung von Poroschenkos „Friedensplan“, welcher Respekt gegenüber den Rechten der russischen Bevölkerungsgruppe einschließt, sowie direkte Wahlen von Landesregierungen und eine Föderalisierung. Den Rebellen bot er eine begrenzte Amnestie und bei Wunsch einen sicheren Abzug nach Russland an, im Gegenzug müssten sich diese aber jeglichen Gedanken an eigene Volksrepubliken abschminken. Aus der Sicht des Donbas wurden die Aufständischen verkauft, und das noch dazu mit der Unterstützung Russlands. Doch ihnen verbleiben sehr wenige Optionen.

Natürlich gibt es auch Elemente, die von den großen Playern nicht kontrolliert werden. Die Faschos in der Nationalgarde lehnen jeglichen Kompromiss oder auch nur Gespräche mit den „Terroristen“ ab. Die Volksrepubliken im Donbas fühlen sich verraten und wollen nicht aufgeben.
Die Rolle der USA in diesem Konflikt kann nur unter verstanden werden, wenn wir die internationale Stellung des US-Imperialismus in unsere Analyse einfließen lassen. Die USA haben kein direktes ökonomisches oder sonstiges Interesse an der Ukraine. Dennoch legten die CIA und die US-Administration seit Ausbruch der Euromaidan-Bewegung ihr ganzes Gewicht in die Waagschale und verschärften so den Konflikt, indem sie den Hardlinern in Kiew versicherten, dass sie einen mächtigen Verbündeten im Rücken hätten.

20 Jahre lang blamierten und provozierten die USA Russland, indem sie die Erweiterung der NATO nach Zentral- und Osteuropa betrieben und alle Länder, die vormals Teil des Warschauer Pakts gewesen waren, und selbst einige ehemalige Sowjetrepubliken, in die NATO integrierten. Die letzte Expansionsrunde der NATO (2004) sowie Rumsfelds Idee eines „neuen Europas“ als Verbündeter der USA, entgegen dem „alten Europa“ (sprich Frankreich und Deutschland, die damals zögerten, am US-Abenteuer im Irak teilzunehmen), zeigte, dass eine solche Politik zwei Ziele hatte: Auf der einen Seite sollte Russland eingeschüchtert werden, andererseits soll Europa gegenüber den USA weiterhin eine untergeordnete Rolle einnehmen.

Russland verfügte zwar nach wie vor über ein riesiges Atomwaffenarsenal, die USA verfolgten aber mit dem Aufbau eines Raketenabwehrsystems nahe an dessen Grenzen das Ziel, einen Teil dieses Arsenals neutralisieren zu können und somit die Möglichkeit eines „Erstschlags“ wiederzuerlangen, welches Washington seit den 1950er Jahren verloren hatte. Lässt man die Frage beiseite, ob ein solcher Schlag in der Praxis überhaupt umgesetzt werden könnte, besteht kein Zweifel daran, dass dieses Bedrohungsszenario Putins Reaktion im Georgien-Krieg als auch jetzt rund um den Konflikt in der Ukraine erklärt.

Aber die Einmischung der USA in der Ukraine hat ein anderes Ziel, wenn auch weniger offensichtlich, nämlich Deutschland und die EU. Indem die Beziehungen zwischen der EU und Russland aufgebrochen werden, wird auch die Basis des deutschen Kapitalismus und seiner Exportwirtschaft geschwächt. Ein Schwachpunkt des deutschen Kapitalismus ist gewiss seine Energieversorgung.

In den letzten paar Monaten hat Merkel versucht, massiven Widerstand gegen den Druck aus Washington zu leisten und Zeit zu gewinnen, um das Ausmaß der Sanktionen gegen Russland zu verringern und ein Übereinkommen zu finden, dass ihre Interessen und ihre Beziehungen zu Russland schützen könnte. Doch am Ende jeder Etappe musste sie dem Druck ihres stärkeren „Verbündeten“ nachgeben und, wenn auch widerwillig, die Eskalation akzeptieren. Die Wahrheit ist, dass in einem großen Konflikt zwischen Russland und den USA kein Platz für eine unabhängige Politik Deutschlands bleibt, 1. aufgrund seiner militärischen Schwäche und 2. aufgrund der mangelnden Einheit der EU.

In Syrien sah sich der US-Imperialismus mit der offenen Opposition Russlands und Chinas konfrontiert. So etwas hat Washington schon lange nicht mehr erlebt. Dies war ein harter Rückschlag für Obama (und Cameron), die zurückrudern mussten und international gedemütigt wurden. Eine weitere, ernsthafte diplomatische Niederlage in der Ukraine würde einem sehr harten Schlag gegen die Interessen und auch das Prestige Washingtons gleichkommen. Und Prestige (oder in anderen Worten, die Glaubwürdigkeit im Fall militärischer Drohgebärden) ist nicht der unbedeutendste Teil jeder Außenpolitik.

Eine wirkliche Übereinkunft wäre nur mit der vollen Zustimmung sowohl Russlands als auch der USA möglich, aber gegenwärtig würde dies de facto eine Kapitulation Putins voraussetzen. Russlands Präsident wirkt aber nicht so, als wäre er bereit, denselben Weg wie Jelzin in den 1990ern einzuschlagen.

Die US-Politik zielt auf eine völlige Destabilisierung ab, und das erklärt auch, warum kein Übereinkommen zustande kommt – obwohl es theoretisch viele Interessensüberschneidungen gäbe, die einen Weg für eine Art Kompromiss bereiten könnten (der in jedem Fall auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung ginge). In der Realität dreht sich die Krise jedoch in einem Teufelskreis stetig abwärts. Der Abschuss des malaysischen Flugzeugs und die darauffolgenden Ereignisse haben die Krise noch weiter dramatisch beschleunigt.

Die Regierung in Kiew ist nicht stark. Sie ist nicht nur mit zunehmenden Protesten innerhalb der Armee und von Angehörigen der Soldaten, die in der ATO eingesetzt werden, konfrontiert. Die Maßnahmen, die aus kapitalistischer Sicht mittelfristig notwendig sind (Privatisierungen, Massenentlassungen, Einfrieren von Löhnen und Pensionen, Aufhebung der Subventionen für Heizmaterial, Entwertung usw.), werden eine große Wirkung auf die Bevölkerung im ganzen Land haben. Diese sozialen und ökonomischen Fragen werden früher oder später stärker wiegen als die nationalistische Hysterie, die heute noch im Zentrum und im Westen des Landes vorherrscht. Der umfassende Charakter der Bewegung der Angehörigen von Soldaten ist nur ein Indikator für die tatsächliche Stimmung, die in der Gesellschaft unter der Oberfläche vorherrscht.

Die Tatsache, dass bei den Präsidentschaftswahlen eine Mehrheit der Menschen für jenen Kandidaten stimmte, der nicht Teil der Regierungskoalition war, der am wenigsten nationalistisch wirkte und die ATO schnellstmöglich beenden will, ist ebenfalls signifikant. Bei dieser Wahl bekamen die Neonazis vom Rechten Sektor und die rechte Swoboda zusammen gerade einmal 2% der Stimmen (obgleich die Radikale Partei, die nun sehr eng mit dem Rechten Sektor zusammenarbeitet, und deren Vorsitzender Ljaschko den Wahlkampf in schwarzer Militärmontur an der Front der ATO verbrachte, über 8% bekam).

Die Aufgaben der MarxistInnen in dieser komplizierten Situation sind klar. Wir lehnen die reaktionäre Regierung in Kiew, die rechtsextreme Elemente umfasst, sich auf faschistische Schlägertrupps im Staatsapparat stützt und demokratische Rechte angreift, ab. Wir sind solidarisch mit der Arbeiterbewegung und den linken Kräften, die gegen diese Regierung Widerstand leisten und allen erdenklichen Formen der Repression ausgesetzt sind. Das bedeutet aber nicht, dass wir dazu verpflichtet sind, den russischen Nationalismus und verwirrten Ideologienwie sie von der Führung der Volksrepubliken im Donbas vertreten werden, auch nur irgendeine Form von Unterstützung zukommen zu lassen. Im Gegenteil, es ist unsere Pflicht aufzuzeigen, dass nur eine von einem proletarischen Klassenstandpunkt betriebene, internationalistische Politik einen Sieg gegen Kiew garantieren kann. Zentral ist dabei die Losung nach Enteignung der Oligarchen.
Zweitens haben wir vor Illusionen in Putin gewarnt. Der Kreml ist nicht bereit die demokratischen, nationalen oder sozialen Forderungen der arbeitenden Menschen im Süden und Osten der Ukraine zu unterstützen. Dies hat die Praxis bereits eindrücklich gezeigt.

Drittens treten wir gegen die Regierung und die herrschende Klasse in unseren eigenen Ländern auf, wenn diese die reaktionäre Regierung in der Ukraine, welche einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, unterstützen.

Unsere GenossInnen in Russland haben die schwierige Aufgabe, Solidarität mit dem antifaschistischen Widerstand in der Ukraine zu leisten, während sie gleichzeitig einen
unerbittlichen Kampf gegen ihre eigene von Gier getriebene, heuchlerische und reaktionäre bürgerliche Regierung führen müssen. Diese Position haben sie während des ganzen Konfliktes bisher konsequent durchgehalten.

Die Idee, dass der Hauptgrund für den Konflikt die Aggression des russischen Imperialismus gegen die halbkoloniale Ukraine sei, stellt die Realität auf den Kopf und führt direkt zur Unterstützung der Regierung in Kiew, der ATO und der darin involvierten faschistischen Kräfte, der Angriffe auf die demokratischen Rechte und des reaktionären Nationalismus. Wenn sogenannte „SozialistInnen“ diese Position in der Ukraine oder noch schlimmer in London oder Washington vertreten, dann begehen sie einen schweren politischen Fehler.

Es mangelt nicht an Ironie, wenn jene „linken“ Gruppen, die sonst immer hysterisch vor dem Faschismus warnen, wann immer eine rechte, reaktionäre, populistische Gruppierung bei Wahlen Stimmen dazugewinnt, unfähig sind die Umtriebe von tatsächlichen Nazis und faschistischen Banden zu erkennen, die linke AktivistInnen ermorden, deren Räumlichkeiten verwüsten und von einer reaktionären Regierung als Hilfstruppen in einem Krieg gegen die eigene Bevölkerung rekrutiert werden.

Wir müssen gegen den Faschismus kämpfen. Doch der Kampf gegen Faschismus kann nur erfolgreich sein, wenn er mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbunden ist. Dieses System liefert den fruchtbaren Boden für die tödliche Saat des Faschismus, auf dem er wachsen und gedeihen kann.

Der Sozialismus ist internationalistisch oder er ist gar nicht. Es gibt keine Lösung für die Ukraine auf einer nationalistischen Basis. Die sogenannten ukrainischen Nationalisten in Kiew, die eine wahnsinnige Form des Chauvinismus vertreten und als Deckmantel für den Faschismus fungieren, haben das Land an den Rand eines schrecklichen Abgrundes gedrängt, welcher bereits einen Bürgerkrieg ausgelöst hat und zur völligen Zerstörung der Ukraine als Nation führen könnte.
Das Auseinanderbrechen der Ukraine in ihre einzelnen Bestandteile wäre eine reaktionäre Entwicklung, was die nationalen Widersprüche und den Hass enorm verstärken würde. Dies würde einhergehen mit ethnischen Säuberungen, Pogromen und schrecklichem Blutvergießen. Das würde faschistische und extrem chauvinistische Tendenzen auf beiden Seiten stärken und zu Rachegelüsten und blutigen, terroristischen Taten führen. Was in Jugoslawien passiert ist, ist eine schreckliche Warnung an die Arbeiterklasse in der Ukraine.

Was es braucht, ist eine Politik, die die ukrainische Arbeiterklasse vereinen kann. Das Ziel muss der Sturz der Oligarchie sein. Die einzig wahre Lösung des Konflikts in der Ukraine ist der Sturz der Oligarchen – sowohl der ukrainischen, als auch der russischen – und die Einführung einer demokratischen, sozialistischen Planwirtschaft, die der Arbeitslosigkeit und der dadurch erzwungenen Emigration entgegenwirkt und die ganze Bevölkerung dafür mobilisiert, das riesige Potential der ukrainischen Industrie und Landwirtschaft zu verwirklichen.

Historisch betrachtet waren die Menschen in der Ukraine und in Russland immer eng miteinander verbunden. Die UkrainerInnen sind nicht gegen Russland, aber sie wollen nicht von Moskau dominiert werden. Eine sozialistische Revolution in der Ukraine würde sehr schnell zum Sturz von Putin und den russischen Oligarchen führen. Dies würde den Weg für eine wirkliche sozialistische Föderation von Russland und der Ukraine auf der Basis von Gleichheit, Demokratie und Brüderlichkeit ebnen. Das ist der einzige Weg nach vorne für die Bevölkerung dieser zwei großen Länder.

Gegen den Faschismus! Nieder mit der Oligarchie! Für eine vereinte, unabhängige, sozialistische Ukraine als ersten Schritt in Richtung einer demokratischen, sozialistischen Föderation von Russland und der Ukraine mit voller Autonomie für die Krim und andere Regionen, die dies wünschen. Lang lebe der internationale Sozialismus! ProletarierInnen aller Länder, vereinigt euch!

 

Athen, 29. Juli - 3. August 2014

 


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