Italien. Seit Beginn der Krise versucht FIAT-Chef Marchionne die linke Metallergewerkschaft FIOM aus dem Konzern hinauszudrängen. Doch die leistet Widerstand, wie Nicholas Hächl zeigt.
In den letzten Wochen stand in allen FIAT-Standorten die Neuwahl der betrieblichen Gewerkschaftsvertretung (RSA) an. Den Wahlen ging eine erneute Konfrontation zwischen den unternehmensnahen „Gewerkschaften“ FIM und UILM, die den konzerninternen Kollektivvertrag CCSL unterzeichnet haben, und der FIOM voraus. Obwohl der Verfassungsgerichtshof der FIOM das Recht zugesprochen hat, im FIAT-Konzern die gewerkschaftlichen Aufgaben zu übernehmen, wurde sie von der Wahl zur Erneuerung der betrieblichen Gewerkschaftsvertretung ausgeschlossen. Die Konzernleitung und die „gelben“ Gewerkschaften beharren nämlich auf der absurden Ansicht, dass die Zustimmung zum Kollektivvertrag unabdingbar für die Teilnahme an den Wahlen sei, was auch durch eine Klausel im CCSL gestützt wird. Den Beschäftigten wäre es somit also nur möglich, für Delegierte der gleichgeschalteten Gewerkschaften zu stimmen, während die Wahl eines alternativen gewerkschaftlichen Programms praktisch unmöglich gemacht wird. Die Führungen dieser „Gewerkschaften“ setzten ihre Rolle als Wächter eines Systems fort, das in keiner Weise das Recht auf Meinungsfreiheit achtet. Die FIOM hingegen weigert sich weiterhin standfest, diesen erpressten Kollektivvertrag zu unterzeichnen, und beharrt auf der Tatsache, dass sie aufgrund ihrer hohen Mitgliederzahl eine repräsentative Gewerkschaft darstellt.
Das Management machte in den einzelnen Werken großen Druck, dass die Belegschaft an diesen Pseudo-Wahlen teilnimmt, teilweise gab es keine geheime Wahl. Bei Ferrari, wo die FIOM von den Genossen der IMT geführt wird, war die Wahlbeteiligung anfangs extrem niedrig. Daraufhin wurden die ArbeiterInnen von den Chefs während der Arbeitszeit regelrecht zur Wahl gekarrt. Das Ergebnis brachte der UILM einen Wahlsieg mit 582 Stimmen. Um den wahren Charakter dieser „Wahl“ aufzuzeigen, wiederholte die FIOM symbolisch die Wahl. Vor dem Werkstor wurden Wahlzellen errichtet, wo die KollegInnen ihre Stimme abgeben konnten. Das Ergebnis brachte eine deutliche Absage an die Konzernleitung und die „gelben“ Gewerkschaften. 850 der ArbeiterInnen gaben ihre Stimme der FIOM. Somit ist die FIOM sowohl bei Ferrari wie auch bei CNH Modena eigentlich die stärkste Gewerkschaft, ungeachtet der Tatsache, dass sie seit drei Jahren von Sergio Marchionne ausgeschlossen ist. Ein eindeutiger Beweis dafür, dass die ArbeiterInnen nicht vergessen haben, wer tatsächlich für ihre Rechte einsteht und wer nur vor der Firmenleitung den Kopf einzieht.
Im Juni steht auch die Neubesetzung der VertreterInnen der ArbeiterInnen in Sicherheitsfragen (RLS) auf Betriebsebene an. Die gesetzliche Grundlage erlaubt hier keinen Ausschluss der FIOM von den Wahlen. Die Neubesetzung der RLS wird daher von großer politischer Bedeutung sein, und es ist absehbar, dass es bei diesen Wahlen in noch größerem Ausmaß zu Interventionen seitens der Konzernleitung kommen wird.
Ein mindestens ebenso heißes Eisen im FIAT-Konzern brachte die Ankündigung, dass in den Werken in Melfi und Pomigliano auch an Samstagen Arbeit angeordnet wird. Die FIOM reagierte darauf mit einem Streikaufruf, um auf die dort herrschenden Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. In Melfi sind die Verhältnisse untragbar. Laut internen Quellen soll pro Schicht die unglaubliche Zahl von 500 Autos hergestellt werden. Jetzt soll auch noch der arbeitsfreie Samstag, der bislang zur Erholung und Vorbereitung auf die Nachtschicht am Sonntag diente, wegfallen. Völlig inakzeptabel ist diese Maßnahme überhaupt im Werk von Pomigliano, wo sich gleichzeitig noch immer mehr als 2000 ArbeiterInnen (darunter nahezu alle Mitglieder der FIOM) in Kurzarbeit befinden. Sie arbeiten höchstens zwei Tage im Monat und sind sonst vom Arbeitsprozess ausgeschlossen. Dementsprechend groß ist auch die Wut der ArbeiterInnen auf die Gewerkschaftsvertreter, die solchen Maßnahmen zustimmen. FIAT reagiert auf diese Stimmung mit einer weiteren Verschärfung der Repression. Wenn die FIOM in Pomigliano d’Arco Versammlungen einberuft, verwandelt sich das Werk in eine Kaserne. In jeder Abteilung wird dann beim Ausgang von der Betriebsleitung ein Kontrollpunkt errichtet, wo Abteilungsleiter und Direktoren die ArbeiterInnen entmutigen und sie an die Repressalien der vergangenen Jahre erinnern sollen, als man nur Arbeit zugeteilt bekommen hat, wenn man sich von der FIOM distanzierte.
Die ArbeiterInnen werden sich diese Zustände aber nicht ewig gefallen lassen. Mimmo Loffredo aus Pomigliano formuliert es so: „Heute mag wieder einmal die Angst als letzte Form des Selbstschutzes siegen, doch wenn selbst diese Handlungsstrategie versperrt ist, wird meinen KollegInnen nichts anderes übrig bleiben als zu kämpfen.“ Unsere GenossInnen von „Sinistra Classe Rivoluzione“ bereiten sich auf diese Situation vor und versuchen sich durch geduldige Arbeit im FIAT-Konzern noch fester zu verankern.