Mazedonien. In den letzten Wochen erschütterten Massenproteste das kleine Land auf der Balkanhalbinsel. Patrik Zöchling berichtet.

Das Land mit knapp über 2 Mio. EinwohnerInnen ist stark polarisiert. Seit Anfang Mai gab es spontane Massenproteste gegen die Regierung. Am 17.05. protestierten etwa 40.000 Menschen in der Hauptstadt Skopje und forderten den Rücktritt von Premierminister Gruevski. Ein Teil will so lange in einem Camp vor dem Regierungsgebäude ausharren, bis dieser diese Forderung erfüllt. Daraufhin mobilisierte die Regierung ihre verbliebene Basis zu einer Demonstration, auf die etwa 30.000 Menschen kamen. Doch diese Zahlen zeugen nicht von einer breiten Unterstützung der Regierung. Laut einem mazedonischen Aktivisten wurden teilweise Beamte unter der Androhung, gefeuert zu werden, zusammen mit ihren Familien auf die Demonstration gezwungen. Außerdem ist der gesamte öffentliche Sektor von Anhängern der Regierungspartei durchsetzt, die Angst haben, im Falle eines Machtwechsels ihre Posten zu verlieren.

Schon länger rumort es in Mazedonien. Die Masse an ArbeiterInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen wollen nicht länger die Politik von Gruevski und seiner regierenden nationalkonservativen VMRO-DPMNE ertragen, mit der sie nur extreme Korruption, 30% Arbeitslosigkeit und Privatisierungen verbinden. Die Regierung steckt tief in einem Sumpf aus Skandalen. Kürzlich wurden Telefonmitschnitte veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass die Regierung unter anderem für illegale Abhörungen und Einmischung in die Justiz verantwortlich ist. Unmittelbarer Auslöser der aktuellen Proteste war ein Telefonmitschnitt, in welchem zu hören ist, dass das Innenministerium versucht den Tod eines 21 Jährigen zu vertuschen, der 2011 von der Polizei zu Tode geprügelt wurde.

Veröffentlicht wurden diese von der sozialdemokratischen SDSM, die sich an die Spitze der Demonstrationen gestellt hat. Allerdings darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass diese die Situation der arbeitenden Bevölkerung maßgeblich verbessern würde. Hauptsächlich handelt die SDSM in den Interessen der EU und USA. Erkennbar wird dies, wenn man die Privatisierungen, die in der letzten Legislaturperiode der SDSM durchgeführt wurden, beachtet.

Durch die bürgerlichen Medien wird die Angst geschürt, dass sich die Situation ähnlich wie in der Ukraine entwickelt, da Russland aktiv beginnt, Einfluss zu nehmen. Putin hat kein Interesse an einem Regimewechsel in Mazedonien, da die regierende VMRO-DPMNE pro-russisch ist und Gazprom auf Mazedonien angewiesen ist, um das Pipelineprojekt Turkish Stream zu realisieren. Defacto ist dies für Russland unumgänglich, um nicht mehr auf den Gasdurchfluss durch die Ukraine angewiesen zu sein. Nachdem das Projekt South Stream durch Bulgarien gescheitert ist, bleibt dieser Weg die einzige Option. Allerdings hat Mazedonien Russland am 29.05. eine Absage erteilt und stellt sich in Bezug auf dieses Projekt quer. Zurückzuführen ist dies auf direkten Druck des europäischen Kapitals, denn die EU hat im Moment kein Interesse an der Realisierung russischer Gasprojekte. Beide Großparteien sind bereits vor den Forderungen des westlichen Imperialismus eingeknickt.
Trotz der imperialistischen Spielchen zwischen Russland und dem Westen, die am Balkan eine lange Tradition haben, stellt sich die Situation ganz anders da, als in der Ukraine. Die Bevölkerung hat spontan begonnen, gemeinsam für eine Veränderung ihrer Lebensrealität zu kämpfen, ohne sich durch die vorhergehende Trennung in MazedonierInnen und AlbanerInnen spalten zu lassen. Die Großdemonstration wurde aktiv mit der Einigkeit der Volksgruppen beworben.

Diese Bewegung zieht ihre Kraft aus jahrzehntelang aufgestauter Wut und Frustration, welche endlich ihren Ausdruck auf der Straße findet. Selbst wenn das Establishment einen Weg findet, die Lage wieder zu entschärfen, wird sich an der objektiven Situation nichts ändern.
Die wirklich bedeutende Entwicklung ist, dass die Arbeiterklasse Erfahrungen aus im Kampf gesammelt hat. Sie haben erkannt, dass sie nur durch Einheit stark sind. Jahrzehntelang haben es die Herrschenden auf dem Balkan und die Imperialisten geschafft, die Menschen anhand der Nationalität zu spalten. Jetzt fangen nicht nur in Mazedonien, sondern überall auf der Halbinsel Bewegungen an,  sich dieser Logik entgegenzustellen.


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