Italien. Gewerkschaftsarbeit im Zeichen der kapitalistischen Krise ist ein hartes Brot. Unser Korrespondent berichtet von den Debatten auf der Arbeiterkonferenz unserer italienischen Sektion.

Gewerkschaften sind in erster Linie dazu da, um die ökonomischen Interessen (höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten…) der LohnarbeiterInnen durchzusetzen. In Zeiten der Krise ist dies natürlich deutlich schwieriger, als wenn die Wirtschaft auf Hochtouren läuft. Überall versuchen die Unternehmen auf Kosten der Beschäftigten zu sparen und sich so international konkurrenzfähig zu machen. Unter diesen Rahmenbedingungen sind der Gewerkschaftsarbeit sehr enge Grenzen gesetzt.
Das wichtigste Instrument der Gewerkschaften, der Kollektivvertrag, verliert zusehends an Wirkung. Errungenschaften wie der Kündigungsschutz sind unter Beschuss. Die großen Gewerkschaften teilen allesamt die Standortlogik des Kapitals und leisten daher keinen nennenswerten Widerstand gegen diese Angriffe. Eine Stärkung ihrer Position erwarten sie sich rein aus ihren engen Beziehungen zur Regierung. Doch selbst auf dieser Ebene wird es zusehends schwieriger Einfluss auszuüben, selbst dann, wenn die Sozialdemokratie Minister stellt. Wie ein Ertrinkender klammert sich die Gewerkschaftsbürokratie trotzdem an jeden Strohhalm, den Sozialpartnerschaft und Verschmelzung mit dem Staat trügerisch versprechen.
In Italien führte diese Logik dazu, dass die Führung des linken Gewerkschaftsverbandes CGIL in den letzten beiden Jahren massive Verschlechterungen widerstandlos hinnahm. Wenn es zu gewerkschaftlichen Mobilisierungen kam, dann waren dies reine Dampfablassaktionen. Unter dem Titel „Jobs act“ wurde der Kündigungsschutz nun endgültig beseitigt und Gewerkschaftsrechte entscheidend geschwächt. So häufen sich seit Monaten die Fälle von politisch motivierten Entlassungen aufmüpfiger GewerkschafterInnen.
Das politische Versagen der Gewerkschaftsbürokratie hat also zu einer Situation geführt, wo die Unternehmer Oberwasser spüren und das reichlich nutzen.
In Italien gibt es neben den drei großen Gewerkschaftsdachverbänden noch einige linke, unabhängige Gewerkschaften, die in den 1980ern im Zuge von wichtigen Arbeitskämpfen (Eisenbahn, Alfa Romeo usw.) entstanden waren und in der Tradition des Syndikalismus zu sehen sind. Man könnte glauben, dass diese Organisationen aufgrund des Rechtsrucks der großen Verbände jetzt einen neuen Aufschwung erleben. Doch auch sie zeichnen sich durch Anpassung an den Staatsapparat aus und stecken daher in der Krise.
Es ist offensichtlich, dass die Gewerkschaft mit sozialpartnerschaftlichem Denken und rein routinemäßigen Mobilisierungen wie zweistündigen Streiks oder einer Demonstration am Samstag Nachmittag die Interessen der Arbeiterschaft nicht verteidigen kann. Wo es jedoch Betriebsräte und GewerkschaftsfunktionärInnen gibt, die bereit sind Arbeitskämpfe entschlossen zu führen, dort gehen auch die ArbeiterInnen mit. So häufen sich die Fälle an betrieblichen Kämpfen, die teilweise sehr radikale Ausmaße annehmen (Blockade von Werkszufahrten…). Dies gilt vor allem für Bereiche, in denen die Ausbeutung ein unvorstellbares Ausmaß angenommen hat, wie im Logistik- und Transportsektor. Oft sind es ArbeitsmigrantInnen, die dort die Mehrheit der Belegschaften stellen. Sie arbeiten teilweise 12-15 Stunden bei einem Stundenlohn von 5-6 Euro, haben keinen bezahlten Urlaub und Krankenstand. Ein Genosse, der in Rom für ein Subunternehmen von UPS arbeitet und im letzten Jahr seine Belegschaft organisiert und eine Reihe von sozialen Forderungen durchgesetzt hat, brachte es auf den Punkt: „Bevor wir uns organisiert haben, waren wir reines Arbeitsvieh, jetzt fühlen wir uns erstmals wie Menschen.“
Diese KollegInnen fühlen sich von den großen Gewerkschaftsverbänden nicht vertreten, und wenn sie zu kämpfen beginnen, dann suchen sie unmittelbar nach radikalen Alternativen. Dies erklärt auch die wichtige Stellung der Si Cobas, einer linken Basisgewerkschaft, in vielen dieser Arbeitskämpfe. Deren Schwäche liegt aber darin, dass sie kampfbereiten ArbeiterInnen zwar hilft einen Streik oder Blockaden zu organisieren, aber keine Perspektive aufzeigt, wie sie den Kampf ausweiten können. Doch gerade im Logistik- und Transportsektor mit den vielen Subunternehmen und unterschiedlichsten Arbeitsverträgen steht und fällt alles damit, ob es gelingt die Unterstützung mit den Stammbelegschaften zu gewinnen. In dieser Frage konnten unsere GenossInnen mit ihrem strategischen Herangehen bei UPS sowie bei den siegreichen Kämpfen von Logistikarbeitern in der Metall- und Lebensmittelindustrie Vorbildwirkung erlangen.
Doch es gibt noch einen viel grundlegenderen Unterschied zwischen marxistischer und syndikalistischer Gewerkschaftsarbeit. Wir sehen den gewerkschaftlichen Kampf, so wichtig er auch ist, nicht als Zweck für sich, sondern als Mittel zur Hebung des Klassenbewusstseins und zum Aufbau einer revolutionären Organisation, die mit der kapitalistischen Ausbeutung ein für allemal Schluss machen kann. Die Unterstützung von kämpfenden Belegschaften, die zu unseren wichtigsten Aufgaben gehört, ist somit eingebettet in eine größere revolutionäre Perspektive zur Überwindung des Kapitalismus. Mit dieser Grundidee im Hinterkopf gehen unsere GenossInnen an die Sache. Ihre Rolle bei der Unterstützung gewerkschaftlicher Kämpfe besteht frei nach Lenin darin, auf möglichst genaue Art und Weise die Forderungen der ArbeiterInnen zum Ausdruck zu bringen und diese öffentlich zu formulieren, den geeigneten Moment für die jeweils passenden Kampfmaßnahmen zu wählen, die Kräfteverhältnisse zwischen den Konfliktparteien abzuschätzen und zu überprüfen, ob es nicht noch bessere Methoden des Klassenkampfs gibt.


Sinistra Classe Rivoluzione (SCR) ist die italienische Sektion der IMT. Am 13./14. Februar veranstaltete sie in Reggio Emilia erstmals eine Konferenz, wo  sie Grundlinien einer revolutionären Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit diskutierten. Es nahmen über 100 Delegierte teil, darunter AktivistInnen aus dem FIAT-Konzern, der Metallindustrie, Handel, Transportsektor und dem Gesundheitswesen.


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