Griechenland. Am 22. Mai konnte Alexis Tsipras aufatmen. Nach monatelangem Ringen wurde die erste Tranche des dritten Memorandums oder „Rettungspakets“ in Höhe von 10,2 Mrd. Euro freigegeben. Von Sandro Tsipouras.
Der Preis dafür ist hoch. Die Pensionen, die bei einer Arbeitslosigkeit von 25% für viele Familien das einzige Einkommen darstellen, werden um weitere 3,6 Mrd. Euro gekürzt – das bedeutet 20-30%. Gleichzeitig gibt es Steuererhöhungen in Höhe von 2,8 Mrd. Euro. Das trifft vor allem die Landwirte, die deswegen – wir berichteten – bereits in den offenen Aufstand traten, bis ihnen die Gewerkschaftsführung in den Rücken fiel.
Doch diese direkten Angriffe auf den Lebensstandard des Volkes verblassen vor dem Privatisierungspaket, das gleichzeitig verabschiedet wurde. Neben Immobilien wie (Flug-)Häfen, Parks, Stränden und Autobahnen umfasst es die Gasversorgung, die Bahn, die staatlichen Raffinerien (also die Benzinversorgung), die Telekom, die Stromversorgung, die Wasserversorgung in Athen und Thessaloniki und die Post.
Jede dieser Privatisierungen wird eine Erhöhung der Preise bedeuten: Selbst in „funktionierenden“ kapitalistischen Volkswirtschaften haben Privatisierungen für gewöhnlich diesen Effekt. Umso drastischer wird er im krisengeschüttelten Griechenland ausfallen. Gas, Strom, Wasser, Benzin und Telefon werden künftig Luxusgüter sein. Griechenland wird zu einem Drittweltland.
Da helfen auch die 10,2 Mrd. Euro nicht weiter, die Griechenland jetzt von seinen „Partnern“ „erhält“, denn sie fließen größtenteils als Schuldentilgung geradewegs zu den „Partnern“ zurück. Für den Fall, dass bis 2018 die von den „Partnern“ vorgeschriebenen Budgetziele nicht erreicht werden – wovon auszugehen ist – wird das Staatsbudget automatisch um den „notwendigen“ Betrag gekürzt, wovon wiederum vor allem Löhne und Pensionen betroffen sein werden.
Doch damit nicht genug. Zur endgültigen Freischaltung des gesamten „Rettungspakets“ fordert die Troika noch ein paar „Korrekturen“:
- Arbeitgeber erhalten die Möglichkeit, streikende ArbeiterInnen auszussperren, ihnen den Lohn zu verweigern oder sie gleich fristlos zu kündigen.
- Es gibt „Änderungen in der Verfahrensweise“ bei der Beschlussfassung von Streiks, insbesondere eine Erhöhung der Frist, in der Streiks im Voraus angekündigt werden müssen.
- Die Freistellungen für gewerkschaftliche Funktionäre wird auf das Minimum begrenzt, sowohl was die Dauer der Freistellung, als auch die Anzahl der Betriebsräte betrifft.
- BeriebsrätInnen haben keinen spezifischen Kündigungsschutz mehr.
Die absolute Verelendung der Massen zugunsten des Kapitals wird also mit einem massiven Angriff auf das Arbeitsrecht und die Arbeiterbewegung abgesichert. Mit Maßnahmen wirtschaftlicher Erpressung sollen kämpferische GewerkschaftsaktivistInnen eingeschüchtert und so jeglicher Widerstand bereits im Keim erstickt werden.
All das ist das Resultat der bewussten Entscheidung der Tsipras-Clique, den Auftrag des griechischen Volkes zur Beendigung des Memorandenregimes zu verraten und sich den Gläubigern zu unterwerfen. Es ist das notwendige Ergebnis der Absage an die revolutionäre Konfrontation mit den Banken und Konzernen, die der ehemalige linke Flügel von SYRIZA gefordert hatte – an seiner Spitze die Kommunistische Strömung, die griechische Sektion der IMT. Es ist der drastische Beweis für die Unmöglichkeit einer reformistischen, kompromissorientierten Politik im Zeitalter der Krise des Kapitalismus.
Tsipras‘ Regime ist auf Sand gebaut. Seine Regierungsmehrheit schrumpft mit jedem neuen Angriff auf den Lebensstandard. Die Verschuldung Griechenlands wird von der Austeritätspolitik nicht etwa eingedämmt, sondern wächst, gemessen am BIP, eskalativ. Damit rückt der Austritt aus der Eurozone unerbittlich näher.
Auf dem Boden des Kapitalismus wird ein solcher Schritt die Lebensverhältnisse noch weiter verschlimmern. Die einzige Lösung für Griechenland und die anderen Länder, deren Bevölkerung gegen das Austeritätsregime der Troika kämpft – Spanien, Portugal, Frankreich, Großbritannien, Irland – ist der revolutionäre Austritt aus der EU, der Bruch mit dem Kapitalismus und der Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.