Der Funke unterstütze die Protestaktion der Zumtobel-ArbeiterInnen in Dornbirn und befragte den Kollegen Gregor Schmidt.
Vielleicht könntest du ganz kurz euren Betrieb beschreiben. Wie viele Leute arbeiten dort und was wird produziert?
Also in Usingen arbeiten 150 Mitarbeiter. Wir haben dort eine Entwicklungsabteilung für Leuchten; von der konventionellen bis zur LED-Leuchte. Wir haben eine sehr starke mechanische Fertigung, eine Pulverbeschichtung, wir arbeiten mit CNC-gesteuerten Maschinen, haben einen Schwerpunkt auch bei der Hospitalfertigung mit Hospitalversorgungseinheiten, und ansonsten sind wir stark mit Stehleuchten und Pendelleuchten vertreten.
Den Standort gibt es schon sehr lange. Zumtobel war vor 40 Jahren ganz heiß darauf die Firma Schneider zu kaufen aufgrund der Patente, die man dort erringen wollte, und um das Geschäft im Hospitalbereich anzukurbeln und einen Fuß in den Hospitälern zu haben, um dort auch Leuchten zu verkaufen.
Wie du ja gesagt hast, ist Zumtobel dort seit 40 Jahren. Wie war denn das Verhältnis bisher?
Also bis vor vielleicht zwei oder drei Jahren waren wir durchaus der Primus unter den Werken. Es gab eine Qualitätsoffensive mit Linz Six Sigma, da sind die Kollegen aus Lemgo und Dornbirn zu uns gekommen, um sich anzuschauen, wie wir die Qualitätszellen aufgebaut und umgesetzt haben, um das in ihre Werke zu tragen. Wir waren da sehr oft der Vorreiter in allem. Unser Vorteil ist es klein und flexibel zu sein, auch was die Leuchtenproduktion angeht. Wir haben zum Beispiel das EZB-Hochhaus in Frankfurt mit Beleuchtung bestückt. 15.000 gleiche Leuchten, die bei uns in sehr kurzer Zeit entwickelt und gefertigt wurden.
Wann hat sich das Verhältnis geändert, und wie verhält sich die Firmenleitung von Zumtobel jetzt?
Momentan verhalten sie sich mit Verlaub „arschig“. Man hat uns die Geschäftsführer vor über einem Jahr weggenommen. Vor eineinhalb Jahren ist die Entwicklungsabteilung schon in ihrer Arbeit beschränkt worden. Jetzt hat man uns sukzessive immer weiter hingehalten. Zuerst hieß es, man sucht einen strategischen Partner, um das Werk weiterzuführen. Da sei aber nichts zu finden gewesen. Dann hat man gesagt man sucht einen Käufer, was dann fast schon gescheitert ist, aber aufgrund einer Wirtschaftsberatungsfirma, die vom Betriebsrat engagiert war, konnte man ein Konzept mit Herrn Lorünser aufstellen, der ja auch schon erfolgreich LEDON von Zumtobel abgekauft hat und das sehr gut weiterführt. Herr Lorünser hat zumindest uns gegenüber den Anschein gemacht, dass er das sehr ernst meint. Er hat Konzepte vorgelegt, die von allen abgenickt wurden, inklusive übrigens von Zumtobel. Zumtobel hat gesagt, wenn die Belegschaft diesem Konzept zustimmt, wollen sie uns nicht im Weg stehen. Bis 2 Stunden, bevor wir am 30.08. gesagt bekommen haben, dass es endgültig gescheitert sei, wurden noch die Verträge auf Punkt und Komma kontrolliert.
Also eine Frechheit, dass man so kurz vor dem Abschluss eigentlich sagt, jetzt sei es vorbei, tut uns leid, wir treten euch einfach in den Arsch.
Was sind denn die Gründe, die Zumtobel für die Schließung genannt hat? Hat das etwas mit der Krisenentwicklung im Allgemeinen zu tun?
Das ist total fadenscheinig! Sie haben angeführt, dass die Firma von Herrn Lorünser nicht genügend Sozialplan bereithält, falls es innerhalb der nächsten 4 Jahre scheitern sollte. Sie haben einen Paragraphen zitiert, der völlig fehlinterpretiert war. Also einfach nur fadenscheinig! Das ist ein Scheinargument!
Das ist es sowieso, nachdem jetzt auch für einen Sozialplan gestreikt wird.
Der Schuss geht nach hinten los. Mit Sicherheit wird es jetzt teurer, als sie gedacht haben.
Hat es denn einen Auftragsmangel oder irgendwas gegeben, das zu der Schließung geführt hat, oder um was geht es aus deiner Sicht? Was sind die tatsächlichen Gründe?
Es hat mit der Sicherheit im Leuchtensegment eine große Umstellung gegeben, denken wir nur an das Thema LED. Die Auslastung im Konzern insgesamt war stark eingesunken, das steht außer Frage. In Usingen selbst gab es zwar Schwankungen, aber aufgrund des Projektgeschäftes waren wir immer ausgelastet. Auch hier gab es wieder ein Scheinargument gegen Usingen. Da hieß es bis zum März noch, alles sei wunderbar, 19% EBIT, wir haben Gewinne abgeführt. Es gab zwei Leuchten, die Ondaria und die Mirel, die wurden auf Grund von Kapazitätsengpässen in Dornbirn nicht zu Ende entwickelt. Usingen hat das übernommen und hat auch die Produktion gestartet. Da wurde auf einmal gesagt, dass das gar nicht unsere Produkte seien und wurden uns wieder weggenommen. Wenn man natürlich sämtliche Produkte aus dem Werk herauszieht, dann ist es irgendwann auch tatsächlich defizitär. Aber das ist dann gemacht und nicht naturgegeben.
Das heißt letztendlich, der Konzern versucht die Produktion zu konzentrieren, um damit mehr Profit zu generieren.
Ja. Und wenn man die lange Liste der Schließungen betrachtet, dann sieht man wo das hinführt. Ich denke mal den Kollegen in Lemgo zittern jetzt schon die Knie. Da ist zwar noch nichts gesagt worden, aber bestimmt schon viel vorbereitet.
Ich habe ja auch euer Plakat (siehe Bild) schon gesehen. Seid ihr mit denen schon in Kontakt?
Das ist leider sehr schade. Der Betriebsrat in Lemgo hat es bis jetzt nicht geschafft uns gegenüber seine Solidarität auszudrücken. Ich nehme an, dass das einfach dieser Schockzustand ist, und man sich auch gar nicht nach vorne wagen möchte, weil man einfach Angst hat.
Stichwort Organisierung und Betriebsrat. Wie ist das bei euch im Werk?
Besser geht es eigentlich nicht. Wir haben bei der Abstimmung zum Streik 100% Beteiligung gehabt. Das heißt, alle haben sich an der Abstimmung beteiligt. Alle waren für den Streik, bis auf eine einzige Stimme. Vielleicht hat er grad her gekreuzt oder falsch gelesen (lacht). Wir sind sehr gut organisiert! Wir haben eine richtige Struktur, wir haben den Betriebsrat, eine Streikleitung, darunter die Tarifkommission und jedes Tarifkommissionsmitglied hat dann seine Mitarbeiter unter sich. So sieht die Informationskette aus, und das läuft bestens!
Wie werden bei euch Entscheidungen getroffen?
Die wesentlichen Entscheidungen zum Streik und auch später, wenn es dann tatsächlich ein Angebot für einen Sozialtarifvertrag geben sollte, werden von der Mannschaft in einer Abstimmung getätigt. Empfehlungen werden natürlich von der Tarifkommission getroffen. Die Verhandlungen wiederum laufen nur zwischen IG Metall, Betriebsrat und der Geschäftsleitung.
Ihr streikt für einen Sozialplan. Sehr entschlossen wie man hört. Was sind denn eure genauen Forderungen, und was sind die Perspektiven, die euch erwarten, wenn das Werk zugesperrt wird?
Die Perspektiven sind bei vielen Kollegen aufgrund der Altersstruktur ganz schlecht. Es ist nicht so, wie ich es schon gelesen habe, dass der Taunus strukturschwach wäre. Das kann man so nicht sagen. Wir haben natürlich keine starken Industrien, der Dienstleistungssektor in Frankfurt ist dafür sehr stark. Jedoch trifft es uns etwas härter, weil wir an der Produktionsstätte sind. Besonders die, die nur noch ein paar Jahre vor der Rente stehen, haben kaum eine Chance, egal wo auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen. Die Lehrlinge, die wir hatten, haben wir mittlerweile schon in anderen Betrieben untergebracht. Das haben auch wir organisiert und nicht die Geschäftsführung. Wir werden sehen, was passiert, wenn wir neue Jobs suchen. Aber zur Überbrückung brauchen wir einen kräftigen Sozialtarifvertrag mit einem guten Interessensausgleich. Wir brauchen Härtefallregelungen, Altersregelungen und zur Überbrückung eine Transfergesellschaft.
Nachdem in Österreich, wie du vielleicht weißt, nur sehr selten gestreikt wird, wollte ich Fragen, wie ihr das organisiert habt. Wie habt ihr in der Region, im Bekanntenkreis, in euren Familien für den Streik geworben?
Also wir haben Solidarität von umliegenden Firmen, die uns Getränke und andere Dinge vorbeibringen. Wir haben eine große Solidaritätswand, an der sich die Leute eintragen. Da stehen ganz viele Firmen drauf, natürlich alle Firmen, die sich innerhalb der IG Metall und mit Betriebsräten im Rhein-Main-Gebiet organisieren. Die sind hier alle vertreten. Aber auch von der Politik kriegen wir immer wieder ein „Haltet durch“ und „Sorgt dafür, dass ihr gut versorgt seid“. Da haben wir eigentlich Solidarität auf allen Ebenen.
Nachdem ihr jetzt in Dornbirn seid, sieht man, dass das Ganze schon ziemlich zugespitzt ist. Wir sind natürlich auch hier, um internationale Solidarität zu üben. Was für Solidarität könnt ihr am besten gebrauchen?
Wir brauchen Solidarität in der Form, dass unser Anliegen und die Art und Weise wie Zumtobel mit seinen Angestellten umgeht, nach Österreich und überall in die Welt hinausgetragen wird, um zu zeigen, dass keiner so einen Umgang möchte. Das wollen wir nicht haben. Wir wollen nicht so behandelt werden, und andere wollen das auch nicht. Dem muss einfach ein Riegel vorgeschoben werden. Das kann so nicht weitergehen!
Gibt es auch ein Spendenkonto für die Streikkasse?
Es gibt ein Spendenkonto. Das haben wir auf unserem Flugblatt der Bürgerinformation drauf. Da sind auch Mail-Adressen, an die man seine Solidarität richten kann. (siehe Bild rechts.)
Da wir eine sozialistische Organisation sind, habe ich noch eine weiterführende Frage: Was für ein Know-how steckt in der Belegschaft? Könnte man ohne Chef weitermachen?
Die Belegschaft ist immer noch so vollständig vorhanden, dass wir natürlich weitermachen könnten. Aber aus den eigenen Reihen heraus das Werk aufzukaufen, funktioniert insofern nicht, da Zumtobel einfach nicht verkaufen will. Vielleicht wäre sogar noch ein Weg offen, wenn Zumtobel wenigstens da zustimmen würde. Aber einen Investor hat es ja bereits gegeben.
Meine letzte Frage. Was für eine Botschaft habt ihr an die Arbeiterbewegung in Deutschland aber auch in Österreich?
Dass es sich lohnt zusammenzuhalten. Dass es sich lohnt seine Forderungen aufzustellen, vor allen Dingen, wenn man wie wir im Recht ist, hier einen guten Ausgleich zu fordern.