Metall. Am 6. Februar 2018 verkündeten die Verhandlungspartner in Baden-Württemberg für die Metall- und Elektroindustrie mit ihren deutschlandweit rund 3,9 Mio. Beschäftigten einen Abschluss, der inzwischen in den restlichen Bundesländern übernommen wurde. Den Verhandlungen ging eine der größten deutschen Streikbewegungen seit Jahren voraus. Lukas Frank berichtet.


Alleine bei der ersten Warnstreikwelle Mitte Januar beteiligten sich ungefähr 960.000 Beschäftigte. Darauf folgten weitere 24-Stunden-Streiks – eine Möglichkeit, die erst 2016 unter Druck der Basis in die Satzung der Gewerkschaft geschrieben wurde. Diesmal beteiligten sich 1,5 Mio. Beschäftigte. Die Stimmung für einen harten Arbeitskampf war gegeben.

Gefordert: 6% und eine Arbeitszeitverkürzung

Erkämpft werden sollten 6% mehr Lohn für 2019, sowie das Recht auf „kurze Vollzeit“. Somit soll man für maximal 2 Jahre seine Wochenstunden auf 28 reduzieren können, jedoch danach wieder in seine alte Vollzeitstelle wechseln. Für Beschäftigte, die in der Zeit Angehörige und Kinder pflegen, wurde ein Zuschuss von circa 200€ pro Monat gefordert, um diesen Wechsel auch unteren Einkommensklassen zu ermöglichen. Die temporäre, individuelle Arbeitszeitverkürzung, sollte von vorneherein also weitgehend selbstfinanziert sein, also ohne vollen Lohnausgleich. Diese Forderung an sich ist daher ein Rückschritt, da die Verkürzung der Arbeitszeit nur individuell und auf zwei Jahre beschränkt erfolgen werden kann, und dafür auf Lohn verzichtet werden muss. Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, die bisherige Idee der Gewerkschaftsbewegung, wurde fallen gelassen. Damit schlägt die IG Metall den gleichen Weg ein, wie die österreichische Pro-Ge. Auch hierzulande wird danach getrachtet das Recht auf Umwandlung der Lohnerhöhung in Freizeit („Flexizeit“) als individuelles Recht in allen fünf Metaller-Kollektivverträgen zu verankern.


Die geforderte finanzielle Unterstützung für die „kurze Vollzeit“ entfällt im getroffenen Abschluss komplett. Stattdessen wird es eine einmaljährliche Abschlagzahlung in der Höhe von 27,5% eines Monatslohns geben. Für langjährige Schichtarbeiter oder Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen oder Kinder kann diese aber auch auf Wunsch in acht weitere freie Tage umgewandelt werden.
Erreicht wurden zudem 4,3% Lohnerhöhung, und zwar für zwei Jahre. Damit liegt er Lohnabschluss nur knapp über der prognostizierten Inflation.


Doch es kommt noch dicker. Als Ausgleich für die Möglichkeit, temporär, selbstfinanziert eine Arbeitszeitverkürzung in Anspruch zu nehmen, wurde die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit von 35-Wochenstunden de facto abgeschafft. Bis zu 50% der Belegschaft eines Betriebes darf in Zukunft länger als 35 Stunden arbeiten. Es gilt also, genauer hinzuschauen. Viele GewerkschafterInnen feiern die Möglichkeit einer 28-Stundenwoche, übersehen dabei aber völlig, dass in Wirklichkeit eine massive Ausweitung der Arbeitszeit eingehandelt wurde, die 35-Stunden-Woche sturmreif gemacht wurde. Die Situation in den Produktionshallen wird zusätzlich dadurch untergraben, dass LeiharbeiterInnen in Deutschland nicht, wie in Österreich, zu den Konditionen des jeweiligen Kollektivvertrags angestellt werden (bspw. Metaller-KV für LeiharbeiterInnen in der Metallindustrie), sondern durch eigene Tarifverträge für LeiharbeiterInnen zu noch deutlich schlechteren Konditionen beschäftigt werden als ihre festangestellten KollegInnen.

Zu nahe am Management

Prinzipiell wäre mit den kampfbereiten Belegschaften deutlich mehr möglich gewesen. Bei der derzeitigen brummenden Industriekonjunktur hätte eine Streikbewegung einen mächtigen wirtschaftlichen Hebel erzeugen können. Die Bereitschaft unter den KollegInnen und Kollegen war dafür gegeben. Doch die gewerkschaftlichen VerhandlerInnen nützen diese Stimmung überhaupt nicht. Im Gegenteil, der präsentierte Erfolg der 28-Wochenstunde ist eine Mogelpackung, der im Ausgleich mit anhaltenden Verschlechterungen bezahlt wird.


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