Staatliche Repression und anhaltende Massenproteste kennzeichnen die Lage in Katalonien. Auch in den anderen Regionen der iberischen Halbinsel regt sich Solidarität und Widerstand. Zu den Hintergründen berichtet aus Barcelona Martin Gutlederer.
In der katalanischen Hauptstadt Barcelona versammelten sich am 15. April mehrere hunderttausend DemonstrantInnen um gegen die Repressionen der spanischen Regierung zu demonstrieren, denen katalanische PolitikerInnen und AktivistInnen der Unabhängigkeit ausgesetzt sind. Einer der dominierenden Slogans war „Us Volem a Casa“ (Wir wollen euch zuhause), womit die Freilassung eingesperrter PolitikerInnen gefordert wird. Diese Demonstrationen fallen einerseits mit der gescheiterten schnellen Auslieferung des bürgerlichen Nationalistenführers Carles Puigdemont von Deutschland nach Spanien zusammen und andererseits dem Versuch des Staatsapparates die Comités de Defensa de la República (CDR, Komitees zur Verteidigung der Republik) zu kriminalisieren. Diese Kriminalisierung wird versucht brutal durchzusetzen, so dass massive Gegenwehr in der Gesellschaft hervorgerufen wurde. Die CDR sind deshalb ins Visier des spanischen Regimes geraten, weil diese eine radikalere und konsequentere Alternative zu den bürgerlichen Pro-Unabhängigkeitsorganisationen darstellen, die sich von der staatlichen Repression abschrecken lassen und beginnen sich anzupassen. Auch die Gewerkschaften üben sich darin keine ernsthaften Proteste zu organisieren, sondern die Proteste in sicheren Kanälen abebben zu lassen.
Die CDR entstanden im Rahmen der Verteidigung des Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober und ermöglichten das Abhalten des Referendums für einige Millionen von KatalanInnen trotz massivster Polizeigewalt gegen die Wahl. Nach dem Referendum organisierten sich die Komitees weiter und koordinierten sich auch national. Sie waren eine der treibenden Kräfte des Generalstreiks gegen Repression am 8. November und organisierten auch Massenproteste gegen die nicht durchgeführte Angelobung von Puigdemont als Präsident von Katalonien. Die CDR organisierten auch Straßenblockaden beziehungsweise das Öffnen von Mautstationen. Sie spiegeln dabei eine Stimmung der größer werdenden Ungeduld gegenüber den traditionellen katalanisch-nationalistischen Parteien wider. In diesem Lager selbst ist eine Verlagerung der Kräfte von der bürgerlich-nationalistischen PDECAT (die Partei von Puigdemont) zur linkeren ERC beobachtbar.
Eine positive Entwicklung innerhalb dieser Komitees ist auch, dass von vielen AktivistInnen auch ein längerfristiger Generalstreik ins Auge gefasst wird. Ein Generalstreik lässt sich jedoch nicht einfach ein- und ausschalten weswegen es essentiell ist die CDR auch in den Fabriken und Betrieben des Landes zu verankern. Das panische Losschlagen des spanischen Staates auf die CDR zeigt wovor er zu Recht Angst hat: vor der einfachen Bevölkerung und den Massenbewegungen, die sich nicht einschüchtern lassen und trotz ihrer zögerlichen Führungen vorantreiben will. Dies zeigt auch den weiteren Weg nach vorne: die Stärkung der CDR & ihre breite und möglichst demokratische Verankerung in der Arbeiterklasse.
Ein weiterer Prozess, der das spanische Regime weiter erschüttern wird ist die Tatsache, dass es mittlerweile auch zu einer Verbreitung des Widerstands auf das restliche Spanien kommt was sich in Solidaritätsaktionen in Madrid, dem Baskenland und auch Navarra widerspiegelt. Diese Solidarisierung erfasst auch die spanisch-sprachigen Teile der Bevölkerung in Katalonien. Die Zuspitzung der Repression führt dazu, dass sich auch der Unabhängigkeit skeptisch eingestellte Bevölkerungsteile auf die Seite der Bewegung stellen. Eine spanisch-stämmige Studentin aus Barcelona formuliert es so: „Bei Rajoy und seinem Regime muss man die Alternative wählen.“
Diese positive Haltung zur katanischen Bewegung wird durch Solidaritätsaktionen der CDR verstärkt. So besuchten CDR-AktivistInnen einen Protest im spanischen Murcia gegen eine Hochgeschwindigkeitsbahnlinie mitten durch die Stadt, was die dortigen AktivistInnen wiederum ebenfalls mit einem Besuch und Unterstützung in Katalonien beantworteten. Rajoy versucht mit der aktiven Unterstützung von Ciudadanos (rechts-liberale Partei) und der passiven Unterstützung der PSOE (spanische Sozialdemokratie) mittels spanischem Nationalismus über die Korruptionsskandale seiner Regierung und der Unfähigkeit des post-faschistischen spanischen Regimes allen Menschen in Spanien ein gutes Leben zu ermöglichen hinwegzutäuschen. Die nationalistische Spaltung der Arbeiterklasse beginnt bereits jetzt in ihr Gegenteil umzuschlagen und die kastilischen, andalusischen, baskischen, galizischen und katalanischen ArbeiterInnen werden im gemeinsamen sozialen Kampf zusammengeschweißt.
Es wäre die Aufgabe der spanischen Linksparteien Podemos und Izquierda Unida die ambivalente Haltung gegenüber der katalanischen Massenbewegungen aufzugeben und sich aktiv mit dieser zu solidarisieren und die Verbrechen des Staates laut aufzudecken. Die Einheit der Arbeiterklasse im spanischen Staat kann nur in militanter Opposition zum Rajoy-Regime und ihrer Politik der nationalen Unterdrückung der Katalanen hergestellt werden. Die unklare Haltung dieser Parteien zur katalanischen Unabhängigkeit liefert dem Regime in verbrecherischer Art und Weise Vorschub.
Der Kampf für eine katalanische Republik und die soziale Veränderung in ganz Spanien kann nur erfolgreich sein, wenn die Frage nach nationaler Freiheit und demokratischen Rechte mit sozialen Forderungen und dem Kampf gegen den Kapitalismus und seinem Regime in ganz Spanien verbunden wird.
Dieser Artikel erschien erstmals am 24.4.2018 in der Funke-Ausgabe Nr. 163