In Liverpool befanden sich die Blairites Ende September auf vollständigem Rückzug. Im Gegensatz dazu zeigte sich durchwegs die Zuversicht der Corbyn-Bewegung – sowohl im Ablauf der Konferenz als auch in den kämpferischen Wortmeldungen der linken Parlamentsabgeordneten. Adam Booth berichtet.

Nachdem die Corbyn-Bewegung den ganzen Sommer lang von den Blairites attackiert und beschimpft worden war, gab ihr die diesjährige Konferenz die Möglichkeit, dem rechten Parteiflügel von Labour zu zeigen, wer jetzt wirklich am längeren Hebel sitzt. Und genau das tat sie auch – einerseits durch die politischen Linien, die auf der Konferenz beschlossen wurden, andererseits durch einige bemerkenswerte Kommentare von Jeremy Corbyn und John McDonnell, die den Bruch der Partei mit dem Blairismus betonten. So befürwortete McDonnell den originalen Wortlaut der Clause IV – einer Klausel, die 1995 entfernt wurde, um die Ära von New Labour einzuleiten. Sie wird nun aber wieder in der ganzen Arbeiterbewegung aufs politische Tapet gebracht, da die ArbeiterInnen die Schnauze von den Katastrophen der Privatisierungen und dem Scheiterns des Kapitalismus voll haben. Indes nutzte Corbyn seine programmatische Rede, um Banker und Investoren zu attackieren, die „eine Generation lang gepriesen wurden“, aber die Wirtschaft dazu brachten, „auf die Erde abzustürzen, mit verheerenden Folgen“ seit dem Beginn der Krise 2008. „Und anstatt notwendige Änderungen in einem kaputten Wirtschaftssystem durchzuführen“, bemerkte der Labour-Vorsitzende, „hat das politische und unternehmerische Establishment alle Kraft aufgewendet, zuallererst das System zu retten und zu stützen, das zum Crash geführt hatte“. Das war ein klarer Schlag gegen die Blairites sowie ihr sklavisches Hängen an der City of London und den Interessen des Kapitalismus – eine scharfe Mahnung an Labour, die keine Partei mehr des „Big Business“, sondern – laut Corbyns Wahlkampfparole – eine Partei „für die Vielen, nicht die Wenigen“ ist.

Entmutigt und zerschlagen

Corbyn nutzte seine Rede auch, um seinen GegnerInnen eine Friedensgeste zu vermitteln, indem er versprach, „einen Schlussstrich unter das Geplänkel wegen Antisemitismus zu ziehen“, und feststellte, dass Labour nun „geeint und bereit ist zu regieren“. In Wirklichkeit waren diese versöhnlichen Bemerkungen an seine KritikerInnen aber die Worte eines Mannes, der nun weiß, dass er fest im Sattel sitzt. In der Tat glänzten die Blairites in der diesjährigen Konferenz nur durch ihre Abwesenheit. Auf erfrischende Weise wurde der Ton nicht mehr von den Medien des Establishments oder von den karrieristischen Abgeordneten, sondern von den Linken festgelegt. Zudem votierten auf der Konferenz die Delegierten für zahlreiche Themen, die den letzten Nagel im Sarg des Projekts New Labour hineinschlugen.

Nachdem der rechte Parteiflügel die letzten Jahre andauernd damit verbrachte, Jeremy Corbyn mit Schmutz zu bewerfen, realisiert er langsam, dass das Spiel für ihn vorbei ist. Die diesjährige Konferenz ließ auch die begeistertsten ÜbeltäterInnen unter den Blairites mit einem Gefühl von Entmutigung und Zerschlagenheit zurück. So musste auch Laura Kuenssberg von der BBC – eine lautstarke Kritikerin Corbyns – richtigerweise feststellen: „Nach drei Jahren voller Angst, in denen einige Abgeordnete versuchten, ihn loszuwerden, hat Mr. Corbyn – oder sein Team – vollständig die Kontrolle über seine Partei und ihre Mechanismen. Diese Labour-Leute, die gegen Corbyn und seine enthusiastischen Unterstützer kämpften, sind einfach zu müde, den Kampf fortzusetzen.“

Die Basis ist radikalisiert

Das Bemerkenswerteste an der diesjährigen Konferenz war jedoch nicht die Trennlinie zwischen den Blairites, die zu einem kleinen verzweifelten Haufen reduziert wurden, und den Linken, sondern die Ausdifferenzierung, die innerhalb der Corbyn-Bewegung stattfand – dort, wo BasisaktivistInnen und linke Labour-Abgeordnete Zuversicht gewannen. Dies zeigte sich vor allem in den Stimmen über Schlüsselfragen der Parteidemokratie, konkret bei der verbindlichen Neuwahl (oder offenen Wahl) von Abgeordneten. Nach Jahren betrügerischen Verhaltens der rechten Labour-Abgeordneten kam die Basis wenig überraschend – und mehrheitlich – zum Schluss, dass es eine verbindliche Neuwahl der Abgeordneten braucht, um die blairistischen SaboteurInnen innerhalb der Parlamentsfraktion (Parliamentary Labour Party – PLP) rauszuschmeißen. Die Debatte rund um diese Forderung wurde aber von konservativen GewerkschaftsführerInnen konsequent blockiert. Diese haben Angst, das Boot zu sehr zum Schaukeln zu bringen und so die stabile Kontrolle über die Partei zu verlieren. Aber selbst nach der Verhinderung der Diskussion über die verbindliche Neuwahl durch die Gewerkschaft stimmten zum Beispiel 60 bis 65 Prozent der Delegierten der CLP (Constituency Labour Party – Organisation der Parteimitglieder in England und Wales) gegen die Anträge des Nationalen Exekutivkomitees (Labour-Vorstand), dass es eine Begrenzung der Mitbestimmung der Parteimitglieder bei der Wahl der zukünftigen Labour-Vorsitzenden und der KandidatInnen für das Parlament geben solle. An anderer Front sah man auf der Konferenz auch Delegierte der mit Labour verbundenen Organisationen, die für weitere wichtige demokratische Reformen, wie die Streichung der Wartedauer von einem Jahr für die Veränderung der Parteistatuten, einstanden.

Demokratisierung der Arbeiterbewegung

Nachdem es Kritik an der Rolle der Gewerkschaft bei der Blockade der notwendigen Veränderungen gegeben hatte, rückte Len McCluskey, Generalsekretär der Gewerkschaft UNITE, aus, um die Manöver bei der Verhinderung der Diskussion um die verbindliche Neuwahl der Abgeordneten zu verteidigen. Die Quintessenz seiner Rede war aber nur: „Wir sind gegen die verbindliche Neuwahl, weil Jeremy sie nicht will.” Hier muss man entgegnen, dass es sich nur um die Worte des UNITE-Vorsitzenden handelt, der meint, dass die eingeschränkten Veränderungen der Wille von Corbyn seien. Viel wichtiger ist jedoch, dass der Hauptzweck dieser demokratischen Reformen sein sollte, die Basis entscheiden zu lassen, in welche Richtung die Bewegung geht. Am Ende des Tages sollte die organisierte Arbeiterklasse die treibende Kraft der Labour Party sein. Niemand in der Linken (außer einigen SektiererInnen am Rande der Bewegung) will auf heimtückische Weise einen Keil zwischen den Gewerkschaften und den Labour-Mitgliedern treiben.

In der Tat waren die MarxistInnen in der Labour Party diejenigen, welche die Verbindung zwischen Gewerkschaft und Labour in den dunklen Tagen der Ära Blair verteidigten. Aber es gab eine klare Spaltung zwischen den Stimmen der Gewerkschaftsdelegierten und jenen der RepräsentantInnen der CLP auf der diesjährigen Konferenz. Dieses Problem muss gelöst werden, damit die Bewegung einheitlich nach vorn schreiten kann. Der einzige Weg dazu ist, den transformativen Charakter der Corbyn-Bewegung in die Gewerkschaft zu tragen, die gesamte Arbeiterbewegung zu demokratisieren und neu zu beleben sowie sicherzustellen, dass die Führung der Bewegung zu jeder Zeit und auf allen Ebenen für den Willen und die Interessen der Basis kämpft.

Kämpferische Stimmung

Die heurige Labour-Konferenz zeigt deutlich, dass die Parteimitglieder ermutigt und radikalisiert aus den Vorkommnissen der letzten drei Jahre hervorgegangen sind. Jede Attacke und jede Bedrohung durch das Establishment und die Big-Business-RepräsentantInnen innerhalb der PLP haben zu einer Gegenreaktion der ArbeiterInnen und der Jugend geführt. Das hat sich in Liverpool widergespiegelt – nicht nur durch die optimistische Stimmung und das Selbstbewusstsein der Delegierten und der BesucherInnen des von der Labour-Basisbewegung Momentum organisierten The-World-Transformed-Festivals, das gleichzeitig mit der Konferenz stattgefunden hat, sondern auch – und noch viel wichtiger – durch die kämpferischen Kommentare vieler linker Labour-Abgeordneter, die es abgelehnt haben, sich an das Drehbuch zu halten. An erster Stelle: Dawn Butler, Abgeordneter für Brent Central. Er zog sofort den Ärger der Labour-Granden auf sich, als er es wagte, den Kampfgeist des Labour-Stadtrats von Liverpool in den 1980er Jahre zu loben, dessen Motto dem von George Lansbury und der Steuerrevolte von 1921 nachempfunden war: „Es ist besser, das Gesetz zu brechen, als die Armen.“ Der Nächste war der Abgeordnete Chris Williamson, der immer ein bedingungsloser Unterstützer für die offene Neuwahl der Abgeordneten war. Er tat dies auch auf einer Veranstaltung am Rande der Konferenz. Für diese Kritik am Ausbremsen durch die Gewerkschaft beim Bestreben nach einer verbindlichen Neuwahl der Abgeordneten wurde er von Len McCluskey getadelt. Zu guter Letzt war Laura Smith, Abgeordnete für Crewe und Nantwich, an der Reihe. Sie bekam einen Riesenapplaus der BesucherInnen einer Veranstaltung des The-World-Transformed-Festivals, als sie zu einem Generalstreik aufrief, um die Tory-Regierung zu stürzen.

Diese Forderung findet einen enormen Widerhall unter den ArbeiterInnen, die keinen Tag länger die bösartige Tory-Regierung hinnehmen wollen. Für das Establishment der Labour Party wurde damit allerdings eine Grenze überschritten. Tom Watson, stellvertretender Vorsitzender von Labour, versuchte sofort zu beschwichtigen, und meinte, dass Smith während ihrer Rede „ein wenig mitgerissen wurde“. Auf skandalöse Weise ging dieser machiavellistische Rechte noch weiter, indem er den bisher einzigen Generalstreik in der britischen Geschichte (1926) als „absolutes Scheitern für die Arbeiterklasse“ bezeichnete. Solche Versuche, die Corbyn-Bewegung zu zügeln, werden nicht funktionieren. Was wir gerade sehen, ist eine neue Generation von Abgeordneten, die unter dem enormen Druck von unten der wachsenden Radikalisierung der BasisaktivistInnen eine Stimme gibt. Die einzige Enttäuschung ist, dass dieser Aktivismus nicht von der gesamten PLP wiedergegeben wird. Daher braucht es eine verbindliche Neuwahl der Abgeordneten – um echte KlassenkämpferInnen zu haben, welche die Bewegung repräsentieren und für ein sozialistisches Programm mutig eintreten. Wenn das geschafft ist, überleben die Tories keine weitere Woche.

(Funke Nr. 167/Oktober 2018)


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