In einem sechstägigen Streik erzielten die ArbeiterInnen des Audi-Werkes in Györ/Ungarn diesen Erfolg und auch beim Kleingedruckten gibt’s allerhand Verbesserungen. Kämpfen bringt’s, das ist die erste Lehre dieser Lohnbewegung. Von Emanuel Tomaselli.
18% Lohnsteigerung (mindestens 238 € pro Monat) für 2019, Lohnvorrückungen und Prämienzahlungen ab dem 5ten Jahr Betriebszugehörigkeit, ein garantiertes freies Wochenende pro Monat. So lauten die wichtigsten Erfolge der Belegschaft bei Audi Ungarn. Das erzielte Ergebnis entspricht punktgenau den Forderungen der Betriebsgewerkschaft AHFSZ. Demgegenüber bot Audi 10 %.
Der Kampf begann im vergangenen September, als die Gewerkschaft die Forderungen verkündete. Es folgte eine Reihe von Gesprächen, die allesamt transparent geführt wurden. Diese Vorgehensweise stärkte das Vertrauen der Belegschaft in ihre Führung. Am 17.1. wurde ein zweistündiger Warnstreik erfolgreich durchgeführt, am 24.1. trat die Belegschaft in einen einwöchigen aktiven Streik mit Kundgebungen, Straßenprotesten etc. Kompromissangebote von Audi lehnte die Belegschaftsvertretung ab. Über die halbjährige Auseinandersetzung hinweg gewann die Gewerkschaft tausende KollegInnen hinzu, die vor wenigen Jahren noch eine Miniverankerung in der Belegschaft hatte. Von 12.900 Beschäftigten sind heute 9.000 Mitglied der Gewerkschaft, wobei der Organisationsgrad der ArbeiterInnen beinahe vollständig sein dürfte.
Orban: „Hysterisches Herumgekreische“
Audi Györ ist mit 2 Mio. Motoren im Jahr das größte Motorenwerk Europas, zusätzlich werden 100.000 Autos montiert. Das Werk ist Teil der globalen just-in-time Produktion des VW-Konzerns (VW, Audi, Seat, Skoda, Porsche, MAN,…) und innerhalb weniger Tage musste die Produktion in drei weiteren VW-Werken eingeschränkt oder eingestellt werden.
Der Audi-Streik ist der bisher stärkste Ausdruck des Aufbruchs in der ungarischen Arbeiterbewegung (siehe Funke 170). Diese Schubumkehr drückt sich in der Bewegung gegen das Sklavengesetz aus, in der auch die Audi-Belegschaft mit Straßen-Blockaden aktiv mitmacht. Die Idee des Generalstreiks gegen die arbeiterfeindliche Politik Orbans ist weiter Thema, findet aber momentan keine Konkretisierung. Die Gewerkschaftsbewegung ist im Allgemeinen klein und zersplittert, vor allem aber ohne tiefe Unterstützung durch die Arbeiterklasse. Ihre Führungen orientieren sich am Dialog mit der Regierung. Was in Österreich eine Farce ist, ist in Ungarn eine Tragödie, denn die angestrebte Sozialpartnerschaft mit der Regierung ist ein Luftschloss. So sind es Erfolge wie jener des Audi-Streiks, anhand deren sich die Bewegung in Ungarn neu orientieren kann. Es ist zu erwarten, dass Györ Schule machen wird und neue Betriebe in den Lohnkampf treten werden.
Globale Aspekte
Audi machte im Jahr 2017 5,1 Mrd. € Konzerngewinn. Dies ist dem Management aber zu wenig. Der Streik in Györ ist eine erste Bremsspur im „Optimierungsprozess“ des „Transformationsplans“ des Managements. Ziel des „Transformationsplans“ ist, den Profit des Konzerns von 2018 bis 2022 um 15 Mrd. € zu steigern. Das neue Management hat außerdem beschlossen, dass dieser Ausbeutungsplan im gesamten VW-Konzern nochmals „optimiert“ werden muss. Für das Stammwerk in Ingolstadt gilt eine Beschäftigungsgarantie bis 2025, aber bereits jetzt werden KollegInnen zu Einzelgesprächen eingeladen. Bei VW-Bratislava wird eine Schicht eingestellt, und auch in großen österreichischen Autowerken stehen Entlassungen im Raum, bei BMW Steyr ca. 150 mit Ende Februar. Im GM-Motorenwerk Wien wird der Beschäftigungsstand (trotz des Lohnverzichts) nicht gehalten werden, so der Betriebsrat.
Der VW-Vorstand bringt derweil in seinem Topmanagement Urkunden und ein eigenes Müsli (!) zur Verteilung, um trotz der deutlichen Anzeichen einer Absatzkrise am Automarkt, die Manager-Kaste auf eine brutale Profitsteigerungsstrategie einzuschwören. Dabei ist die Arbeit in den Produktionswerken bereits jetzt im Sekundentakt durchorganisiert. Eine Kollegin in Györ hat zwei Sekunden für eine Schraube, aber selbst in Ingolstadt herrscht in den Hallen Ratlosigkeit, ob man die Ausbeutung der Arbeitskraft noch erhöhen kann ohne physisch zusammen zu brechen.
In der Autoindustrie stehen die Zeichen auf Sturm. Audi-Györ-Kollegen zeigen, dass man hart zurückschlagen muss, um den Hals über Wasser zu halten.
(Erstmals erschienen im Funke Nr. 171/März 2019)