Ende Februar legten die Arbeiter der Presserei im FIAT-Werk Pomigliano die Arbeit nieder und protestierten gegen das neuen 18-Schicht-Modell ohne Lohnerhöhung.
Im Jahr 2010 stieg FIAT-Chrysler (FCA) unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Sergio Marchionne aus der Industriellenvereinigung aus und war somit nicht mehr an den Branchenkollektivvertrag für die Metallindustrie gebunden. Die Konzernleitung suchte damals einen Weg, um den Widerstand der eigenen Belegschaft gegen Sparmaßnahmen leichter brechen zu können. Dank der Unterstützung durch die konsensorientierten Gewerkschaften FIM-CISL und UILM konnte FIAT den eigenen ArbeiterInnen einen separaten Kollektivvertrag aufzwingen.
Dieser Vertrag sieht einen Lohn vor, der durchschnittlich ca. 20% Prozent unter dem Metaller-KV liegt. Außerdem wurde die Pausenregelung verschlechtert und das Kantinenessen bei Schichtende gestrichen. Vor allem aber wurde ein Streikverbot für die Gewerkschaften und Betriebsräte erlassen, die den neuen Vertrag akzeptieren.
Gewerkschaften, die sich weigerten den Vertrag zu unterzeichnen, wurden von der Unternehmensleitung nicht mehr als Verhandlungspartner anerkannt. Dadurch verloren diese Gewerkschaften das Recht, den Mitgliedsbeitrag über den Lohnzettel abziehen zu lassen, und sie konnten auch keine Betriebsräte mit den dementsprechenden Rechten (Freistellungen,…) im Unternehmen haben.
Im Gegenzug zu diesen Halsabschneidermethoden versprach das Unternehmen Investitionen, die Produktion neuer Automodelle und eine Beschäftigungsgarantie, wobei fast die Hälfte der rund 5000 köpfigen Belegschaft daheim bleiben musste und in eine Kurzarbeitsregelung fiel.
Die linke Metallergewerkschaft FIOM-CGIL weigerte sich nicht zuletzt aufgrund des Drucks vieler Arbeiter stets diese Erpressung hinzunehmen.
Es waren harte Jahre für die Belegschaft, und der Druck und die verschlechterten Arbeitsbedingungen haben Spuren hinterlassen. 28% der Beschäftigten in den FIAT-Werken haben bleibende körperliche Beeinträchtigungen (Rücken, Gliedmaßen usw.) in Folge der repetitiven Bewegungen, der untragbaren Arbeitszeiten und der Schichtarbeit.
Wer bei FIAT aufmuckt, kommt auf eine schwarze Liste, das heißt er kommt in die Kurzarbeitsregelung. Von Kurzarbeit waren in den letzten Jahren nicht zufällig vor allem die Mitglieder der FIOM betroffen.
Letztes Jahr hat die FIOM dann vorgeschlagen, den Vertrag bei FIAT anzuerkennen und hat einen eigenen Forderungskatalog für die Kollektivvertragsverhandlungen ausgearbeitet. Es war klar, dass die Führungsgruppe der FIOM, die landesweit gesehen die mitgliederstärkste Gewerkschaft ist, wieder anerkannt werden möchte. Doch die Konzernleitung fordert immer mehr Zugeständnisse von den Gewerkschaften, und gleichzeitig ist in der Belegschaft eine Stimmung der Wut gereift, die sich früher oder später in aktivem Widerstand entladen muss.
Angesichts der großen Nachfrage nach dem Modell Panda, hat das Unternehmen gefordert, dass die Produktion um 900 Stück gesteigert werden soll. Damit sollten täglich 5400 Autos hergestellt werden. Um dies zu erreichen, sollte ein 18-Schicht-Modell eingeführt werden. Die FIOM hat daraufhin die Verhandlungen abgebrochen und einen zweistündigen Streik am Schichtende ausgerufen, und die Belegschaft ist dem Aufruf massiv gefolgt. Ihre Forderungen waren: „Wiedereintritt in die Arbeit aller Kollegen in Kurzarbeit! Nein zu den 18 Schichten!“
Die Nachtschicht begann mit dem Streik um 22 Uhr, die Morgenschicht streikte dann sogar länger als zwei Stunden. Die Beteiligung am Streik lag in den verschiedenen Schichten bei 75% bis 95%. Und da die Presserei andere Abteilungen der Fabrik mit Material versorgt, mussten die Vorgesetzten einspringen, damit nicht die gesamte Produktionskette zum Stillstand kam. Einen derartigen Arbeitskampf gab es bei FIAT seit 2010 nicht mehr. Die Mehrzahl der Streikenden ist Mitglied in anderen Gewerkschaften, vor allem der FIM-CISL. Die Führung der FIM verteilte ein Flugblatt, in dem die Arbeiter aufgefordert wurden, wieder zur Arbeit zurückzukehren, um die Verhandlungen und angebliche Zugeständnisse nicht zu gefährden, und sie beschuldigten die FIOM für ihr unverantwortliches Verhalten, das den Weiterbestand des Werks gefährden würde.
Am 11. März unterzeichneten die Gewerkschaften Fim, Uilm, Fismic, Ugs und der Verband der Führungskräfte den neuen Vertrag nach viermonatigen Verhandlungen. Die wichtigste Neuerung ist, dass der Vertrag eine zweiprozentige Lohnerhöhung bis 2022 vorsieht! Glücklicherweise hat die FIOM diesen Vertrag nicht unterzeichnet. Die Streiks müssen weitergehen, nur auf diesem Weg sind wirkliche Zugeständnisse möglich.
Von Sonia Previato
(Der Funke, No 172/April 2019)